• Veröffentlichungsdatum : 16.03.2016
  • – Letztes Update : 17.01.2017

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Der gesicherte Fußmarsch - Techniken und Anwendung (Teil 2)

Markus Ziegler

Der gesicherte Fußmarsch ist die Grundlage für die eigene Bewegung am Gefechtsfeld. Er ermöglicht es auf gegnerische Überraschungen zu reagieren, eigene Verluste zu verringern und kampfkräftig den Auftrag zu erfüllen. Die Grundsätze der Marschsicherung im Gelände anzuwenden und den Gegner wirkungsvoll zu bekämpfen, fordert Kommandanten und Schützen. Eine intensive praktische Ausbildung, basierend auf theoretischem Wissen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Der zweite Teil des Artikels beschreibt Gefechtstechniken, die dazu beitragen im Einsatz zu bestehen.

Geländeausnutzung bei Minenlage

Die Einsätze im Ausland, an denen sich Österreich beteiligt hat, ließen bei vielen Soldaten das Bild entstehen, dass man in allen - auch in der Zukunft möglichen - Einsatzräumen wegen der Minenlage immer auf befestigten Straßen bleiben muss. Bei der Ausbildung am Institut Jäger der Heerestruppenschule werden jedoch zwei Kategorien des Einsatzes hinsichtlich der Geländeausnützung unterschieden.

Der Gegner als Hauptbedrohung
In einem Konflikt, bei dem es einen Gegner gibt, der eigene Kräfte mit Feuer bekämpft, ist dieser die gefährlichste Bedrohung auf dem Gefechtsfeld. Hier muss - trotz der Minenlage - das Gelände optimal genutzt werden oder man wird vernichtet. Niemand würde daran denken, einen zur Verteidigung eingerichteten Gegner, obwohl dieser Schützenminenfelder errichtet hat, entlang einer befestigten Straße anzugreifen. Für den Marsch gilt bei entsprechender Feindlage selbiges, da sonst die Truppe auf der Straße durch Hinterhalte massive Verluste erleiden würde.

Nutzt die Truppe das Gelände in einem minengefährdeten Gebiet aus, muss vor dem ersten Nahsicherer ein Soldat (Pionier oder aufgeschulter Jäger) mit Minensuchgerät oder Bodenradar (je nach Minentyp) marschieren. Der Soldat hinter dem Gruppenkommandanten markiert den Weg (Minengasse)auf dem Boden. Die Spitzengruppe marschiert in diesem Fall hintereinander (auch die Nahsicherer) um die Gefährdung durch Minen zu minimieren.

Die Kampfmittel als Hauptbedrohung
Nur bei einem Szenario, in dem uns die Konfliktparteien als Ordnungsmacht anerkennen (z. B. UN-Einsatz) sowie vertraglich zugesichert haben nicht gegen uns zu kämpfen, stellen Minen bzw. IED die Hauptbedrohung dar. Hier handelt es sich um Peace Support Operations (PSO) - also um „Sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze“ im Ausland für eine andere Regierung. Sobald sich jedoch eine Partei gegen eigene Kräfte stellt und bekämpft, wird diese zur Hauptbedrohung.
Das Verhalten bei einem hier dargestellten Szenario bedingt die Anwendung von

  • Gefechtsformen,
  • Geländeausnützung,
  • Überschlagendem Vorgehen,
  • Feuerkampf aus der Bewegung,
  • Stoß und
  • Reaktionsdrill.

Das Ziel jedes Kommandanten muss es sein, den Gegner zu überraschen und nicht von ihm überrascht zu werden. Dazu muss in jeder Geländekammer (auch unter Zeitdruck) eine gediegene Beurteilung der Lage erfolgen. Die Spitzenkräfte müssen Räume, aus denen der Gegner günstig auf den Marschweg wirken kann, vorgestaffelt gewinnen oder nehmen.

Anzustreben ist, dass durch eine aktive und überraschende Einsatzführung gegen jeden Gegner nur einmal gekämpft wird. Grundlage hiezu ist, dass eine Truppe - bereits in der passenden Gefechtsform entwickelt - den zum Hinterhalt eingesetzten Gegner in dessen Flanke oder Rücken trifft. So wird die Feuerüberlegenheit zum Niederhalten des Gegners in wenigen Sekunden sichergestellt. Wenn bereits mit zwei bis drei entwickelten Gruppen erkannt wird, dass sich der Gegner absetzt, ist rasch nachzustoßen. Kann er nach dem Gewinnen der Feuerüberlegenheit niedergehalten werden, wird aus der Bewegung angegriffen.

Der Stoß erfolgt dabei schmal, falls die gegnerischen Stellungen eindeutig erkannt wurden und die Entfernung zum Gegner sowie das Gelände einen solchen zulassen. Die gegnerischen schweren Waffen sollten vor dem Stoß bereits vernichtet sein. Kann nur der Raum festgelegt werden, aus dem das gegnerische Feuer abgegeben wurde, muss breit entwickelt - unter Feuer und Bewegung - über den Raum, in dem sich der Gegner aufhält, hinweggestoßen werden.

Eine Umfassung ist dann sinnvoll, wenn dadurch die Distanz für den Stoß verkürzt wird oder der Gegner frontal niedergehalten werden kann, damit die umfassenden Kräfte überraschend in seine Flanke stoßen können. Ist weder eine kurze Stoßdistanz noch die Möglichkeit einer unerkannten und somit überraschenden Umfassung gegeben, ist ein anderes Verfahren anzuwenden: Nach dem Erreichen der Feuerüberlegenheit gilt es, sich unter Feuer und Bewegung bis auf Stoß-distanz anzunähern. Danach wird der Stoß ausgeführt. Nach Beendigung des Kampfes im Angriffsziel und den erfolgten Versorgungsmaßnahmen wird der Marsch fortgesetzt.

Reaktionsdrill

Der Reaktionsdrill als Gefechtstechnik ist ein Notverfahren, bei dem der Gegner mit massivem Feuer niedergehalten wird. Es wird angewendet, wenn der Gegner die marschierende Truppe in überlegener Gefechtsbereitschaft in ungünstigem, deckungslosem Gelände überrascht. Nützt die Gruppe das Gelände aufgrund der Lagebeurteilung in der richtigen Gefechtsform aus, ist der Reaktionsdrill jedoch kaum notwendig.

Geht der Spitzenzug (bereits im Breitkeil und die Gruppen in Kette entwickelt) im günstigen Gelände vor und wird dabei von Hinterhaltskräften bekämpft, darf es kein selbstständiges Auslösen eines Reaktionsdrills durch einen Gruppenkommandanten geben. Nur ein koordiniertes Vorgehen unter Feuer und Bewegung bzw. das Entwickeln mit drei oder vier Gruppen in Kette, geleitet durch den Zugskommandanten, ist hier erfolgversprechend.

Als Grundsatz gilt: Marschiert der Zug in einer Gefechtsform wird durch die Gruppen grundsätzlich kein Reaktionsdrill durchgeführt. Ist die Gruppe in Schützenkette entwickelt wenn sie frontal angeschossen wird, kann sie sofort mit der maximalen Feuerkraft auf den Gegner wirken. Es erfolgt dann nur noch die Beurteilung, ob das Gelände gehalten oder unter Feuer und Bewegung weiter vorgegangen wird. Muss deckungsloses Gelände bei hoher Feindbedrohung überwunden werden, wird in der optimalen Gefechtsform, wenn nötig unter Einsatz weitreichender Flachfeuerunterstützung - angriffsweise vorgegangen.

Der Reaktionsdrill wird vor allem im urbanen Umfeld angewandt, wenn entlang von Straßenzügen keine Deckungsmöglichkeiten vorhanden sind. Beispiel: Eine Gruppe geht entlang einer Straßenseite vor, auf der sich eine Plakatwand mit 100 Meter Länge befindet. Die andere Seite ist in selbiger Länge von glatten Hauswänden ohne Erker und geschlossenen Türen begrenzt. Gerät die Gruppe hier unter Feuer, dient der Reaktionsdrill dazu, die nächste Deckung zu gewinnen. Ist das eine offene Haustüre unmittelbar neben einem Schützen, so geht er dort sofort in Deckung. Von diesem Platz unterstützt er das Absetzen der vor ihm befindlichen Soldaten bis zu seiner Stellung. Steht der vorderste Soldat der Gruppe unmittelbar neben einer Deckung, nützt er diese sofort, um hier Schutz zu finden und seine Waffe einzusetzen. Ein wesentliches Element des Reaktionsdrills ist der Einsatz von Nebelwurfkörpern, damit sich eigene Teile verdeckt bewegen können.

Wesentliche Zielsetzung

Wo immer es möglich ist, müssen alle Kommandanten danach streben, in einer optimal entwickelten Gefechtsform im günstigen Gelände vorzugehen. Das gewährleistet eine hohe Gefechtsbereitschaft und die Möglichkeit, den Gegner überraschend zu treffen. Dann agieren die eigenen Kräfte, und der Gegner ist zum Reagieren gezwungen. Nur auf diese Art kann er überrascht, niedergehalten und schlussendlich neutralisiert werden. Erkennt dieser das eigene Vorgehen durch seine Sicherungselemente, ist er möglicherweise dazu gezwungen, das Gefecht abzubrechen, noch bevor es begonnen hat. Sein Kampfplan würde nicht mehr funktionieren. Auch in diesem Fall hat die Truppe das Ziel der Marschsicherung erreicht.

Grundlagen für den erfolgreichen Angriff aus der Bewegung beim Marsch:

  • Initiative;
  • Überraschung;
  • Geschwindigkeit;
  • Synchronisation von Feuer und Bewegung;
  • Schwergewichtsbildung zur Erlangung der Feuerüberlegenheit.

Ein zögerlicher Einsatz des Zuges bedeutet Verluste bei der Gruppe, die sich am Feind befindet, und ermöglicht es dem Gegner sich abzusetzen.

Überwachung von Marschstraßen

Wird ein Zug der Kompanie vorgestaffelt zur Überwachung einer Marschstraße eingesetzt, so wird diese nach den beschriebenen Grundsätzen jene Räume gewinnen, aus denen auf die Marschstraße gewirkt werden kann. Sind diese gewonnen, verbleiben eigene Sicherungselemente in den Geländeabschnitten, die für Hinterhalte geeignet sind (Vulnerable Points) und überwachen sie. Für eine aktive Einsatzführung werden nach dem Gewinnen der Vulnerable Points, durch die Kompanie zumindest zugstarke Kräfte für Angriffe auf - von den Sicherungselementen erkannte oder bekämpfte - gegnerische Kräfte bereitgehalten.

Befehlsgebung

Als Zielsetzung des Führungsverfahrens und der Befehlsgebung gilt, dass die vermutliche Absicht der Konfliktparteien durch die eigene Einsatzführung vereitelt wird.

Zu Beginn der Lehrgänge auf Gruppen- und Zugsebene wird häufig das folgende Verhalten der Lehrgangsteilnehmer festgestellt: Bei der geplanten Einsatzführung im Gruppenbefehl (Punkt 3a des Allgemeinen Befehlsschemas) wird der Ablauf von Standardsituationen (Verhalten bei gefährlichen Geländeteilen, Verhalten bei Sperre, Verhalten bei Feind, Personenkontrolle usw.), die am Marschweg vorkommen können, detailliert wiedergegeben. Dabei entsteht der Eindruck, die Gruppe wäre nie über die Anlernstufe hinausgekommen und würde die Gefechtstechniken für den gesicherten Fußmarsch nicht ausreichend beherrschen.

Die Lehrgangsteilnehmer berufen sich meist auf die in den Vorschriften abgebildeten Befehle für die Verfahren zur Sicherstellung des Einsatzes sowie der Einsatzarten. In diesen sind alle möglichen Ereignisse, die während eines Marsch eintreten können, berücksichtigt. Die Punkte der Vorschrift sind aber als mögliche Befehlsinhalte im Anlassfall zu verstehen und keine Aufforderung, jeden Punkt detailliert zu erwähnen.

Floskeln wie „Verhalten bei ... - Standard“ haben zu unterbleiben. Befohlen wird nur, was gemäß der Planung benötigt wird. So reduzieren sich die Befehle der Gruppen- und Zugsebene auf maximal drei Minuten. Auf der Kompanieebene sollten sie eine Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten.
Standardsituationen müssen drillmäßig beherrscht werden, bevor die Truppe im Einsatz den Marsch antritt - ihr Inhalt muss deshalb nicht mehr erwähnt werden. Was nicht drillmäßig beherrscht wird, kann unter Feindbedrohung auch nicht angewendet werden. Daher ist ein zwanghaftes Befüllen der Punkte des Gruppenbefehles mit sinnlosen Floskeln und Erklärungen von Gefechtstechniken zu vermeiden.

Im Befehl wird unter Punkt 3a der Ablauf des Marsches in chronologischer Reihenfolge, vom Marschbeginn aus einem gesicherten Raum bis zum Marschende, befohlen. Wurde bei der Planung des Marsches ein gefährlicher Geländeteil erkannt, wird befohlen, wie dieser zu überwinden ist. Das Verhalten am Marschziel muss nach der Planung bereits im Befehl festgelegt werden.

Die Kommandanten denken dabei mehrere Schritte voraus, befehlen im Detail jedoch immer nur den ersten. Bezogen auf den Marsch bedeutet dies, dass der Zugskommandant das Vorgehen bis zum Beziehen der Sicherungselemente beim ersten gefährlichen Geländeteil im Detail - unter Auftragserteilung an die Gruppen - befehlen kann. Für das weitere Vorgehen befiehlt er Gefechtsformen und Räume, in denen Sicherungselemente in Stellung gehen, ohne den Gruppen bereits Aufträge gegeben zu haben. Der Grundsatz der dabei anzuwenden ist: Ein detaillierter Befehl regelt das Vorgehen von einer Deckung zur nächsten.

Auf einen Blick

Der Marsch als Verfahren zur Sicherstellung des Einsatzes wird immer benötigt. Ob der Motmarsch oder der Fußmarsch angewendet wird, hängt (wie die Sicherung) vor allem von der beurteilten Feindbedrohung ab. Ist diese gering, erfolgt der Marsch solange wie möglich motorisiert. Ist die Bedrohung so groß, dass in den Fußmarsch übergegangen werden muss, geht die Marschsicherung nach der Beurteilung der Lage in der zwecksmäßigsten Gefechtsform im Gelände vor.

Der Marschweg wird so gewählt, dass ein Gegner, der auf der Marschstraße Hinterhalte ausführen kann, überrascht und in weiterer Folge besiegt wird. Nur auf diese Art können eine Überraschung durch den Gegner sowie eigene Verluste verhindert werden. Wer nur auf dem Weg marschiert, wird früher oder später ausgeschaltet.

Oberstes Ziel jedes Kommandanten muss es sein, durch eine aktive und initiative Kampfführung den Gegner zu überraschen und zur Reaktion zu zwingen. Er muss alles daran setzen, sich nicht vom Gegner überraschen zu lassen.

Im Befehl wird unter Punkt 3a „Geplante Einsatzführung“ der chronologische Ablauf des Marsches befohlen. Ausbildungsinhalte, die schon drillmäßig beherrscht werden, werden nicht mehr erwähnt. Das Institut Jäger der Heerestruppenschule ist bestrebt, die Kommandanten aller Ebenen nach den beschriebenen Grundsätzen auszubilden. In diesem Sinne endet der Artikel mit dem Wahlspruch des Institutes Jäger: „Infanterie greift an!“


Major Markus Ziegler, MA ist Hauptlehroffizier der Lehrgruppe 2 (UO-Ausbildung) an der Heerestruppenschule.

 

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