• Veröffentlichungsdatum : 16.03.2016

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Interview - Dynamic Response 2015

Hermann Steinkogler

Interview mit Brigadier Mag. Bruno Günter Hofbauer. Er ist Leiter der Generalstabsabteilung im BMLVS und war von 1. September 2014 bis 24. Juni 2015 Kommandant der 3. Panzergrenadierbrigade.

F: Bei der Übung "Dynamic Response 15" der 3. Panzergrenadierbrigade wurden "robuste Einsatzszenarien in einer hohen Intensität" geübt. Inwiefern handelt es sich hierbei noch um ein zeitgemäßes Einsatzszenario?

A: Aus meiner Sicht ist das auf jeden Fall ein zeitgemäßes Szenario. Nur weil derzeit gerade eine mehr oder weniger stabile Situation in Mitteleuropa vorherrscht, heißt das nicht, dass wir die Grundfertigkeit bewaffneter Streitkräfte aufgeben können. Selbst einfach oder ungefährlich wirkende Einsätze können sehr rasch eskalieren. Einsatzarten wie der Gegenangriff oder die Verzögerung sind absolut zeitgemäß und gehören zum kleinen Einmaleins des Militärs.

F: Inwiefern gilt dies auch für mechanisierte Verbände?

A: Es gilt ganz besonders für mechanisierte Verbände, da diese einerseits die Schlagkraft und die Durchsetzungsfähigkeit aufweisen und andererseits über die Geschwindigkeit verfügen, die ein rein infanteristischer Verband nicht erbringen kann. Das haben wir auch bei der Übung gesehen: Es gab wesentliche Unterschiede zwischen der Kompanie auf "Pandur" und den Panzergrenadieren - besonders im Bereich der Schnelligkeit, Feuerkraft und des Schutzfaktors. Mir ist natürlich bewusst, dass Panzergrenadiere bei der Expeditionsfähigkeit Einschränkungen haben; aber es ist aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen, Panzergrenadiere international zum Einsatz zu bringen, wenn die Bedrohung auf einem hohen Niveau ist. Schlussendlich geht es ja darum, den Soldaten im Einsatz den bestmöglichsten Schutz zu bieten. Daher ist der Schützenpanzer "Ulan" jedenfalls besser geeignet als ein gepanzerter LKW.

F: Könnte der mechanisierte Infanterist, zum Beispiel auf "Pandur", in Zukunft den Grenadier auf "Ulan" ersetzen?

A: Nein, das kann er nicht. Das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. In dem Aufgabenspektrum, den das Militär abdecken muss, hat jeder seine Berechtigungen und jeder seine Aufgabe. Man kann den Infanteristen auf "Pandur" oder auf einem gehärteten Transportfahrzeug für viele Aufgaben gut einsetzen. In gewissen Szenarien ist es aber besser einen Panzergrenadier einzusetzen, weil einfach die Geländegängigkeit auf Kette höher und die Dominanz des Fahrzeuges eine andere ist. Der Ulan hat mit der 3-cm-Maschinenkanone eben eine stärkere Bewaffnung und er weist einen höheren Schutzgrad für die Besatzung auf.

F: Konnten die Ziele, die Sie sich selbst für die "Dynamic Response 15" gesteckt haben, in der Brigade erreicht werden?

A: Ja, wir haben die Ziele erreicht. Mit Ausnahme des Scharfschießens in der Nacht, was auf die Ressourcenlage zurückzuführen ist. Ein großes Ziel war das Zusammenwirken der Bataillonskampfgruppe in einem robusten Szenario und dies in einem multinationalen Rahmen. Die Durchmischung bis zur Zugsebene mit den deutschen Kameraden und die Eingliederung einer tschechischen Kompanie war aus meiner Sicht eine Novität. Das war eine große Herausforderung und hat gut funktioniert.

F: Die Interoperabilität spielt eine wesentliche Rolle bei multinationalen Übungen. Wie stellten sich die Herausforderungen im sprachlichen Bereich oder bezogen auf die Ausrüstung oder den Ausbildungsstand dar?

A: Das war eine wesentliche Herausforderung. Zum Beispiel gibt es auch in den Verfahren einige Unterschiede. Die Schützenpanzer BMP und Kampfpanzer T-72 gehen anders vor, als wir das tun. Die sprachliche Verständigung hat aus meiner Sicht gut funktioniert. Es hat sich aber gezeigt, dass für die Details, vor allem was die Sicherheit betraf, Sprachmittler eine wichtige Rolle spielen.

F: Es kam zum ersten Mal ein "Sprachmittlertrupp Tschechisch" bei einer Übung in Österreich zum Einsatz. Wäre ohne den Einsatz dieses Sprachmittlertrupps ein sicheres Schießen möglich gewesen?

A: Ich denke schon. Nur hätte die Vorbereitung länger gedauert. Die englische Kommandosprache auf den Führungskreisen war unbestritten und hat gut funktioniert. Im Bereich der Sicherheitsorganisation waren die Sprachmittler sehr hilfreich.

F: Worin sehen Sie die Vorteile, internationale Übungen durchzuführen?

A: Die Vorteile ergeben sich dadurch, dass man von den anderen lernt. Seien es unterschiedliche Verfahren oder in den Details in der Durchführung. Man sollte sich immer die Frage stellen, ob die Dinge, die wir machen, nach wie vor richtig sind - können wir uns da vielleicht doch etwas anderes überlegen?

Es ist schon interessant gewesen, die Herangehensweise der deutschen Kampfpanzer zu beobachten, oder wie die tschechische Armee mit ihren mechanisierten Kräften umgeht. Man kann definitiv voneinander lernen.

F: Was ist für sie die wichtigste Erkenntnis der "Dynamic Response 15"?

A: Für mich ist wesentlich, dass wir noch in der Lage sind, das mechanisierte Gefecht auf Kampfgruppenebene zu führen sowie die Integration von Joint Fire - also Artillerie, Granatwerfer aber vor allem Close-Combat-Attack und Close-Air-Support. Trotz der verhältnismäßig beschränkten Mittel, die wir in Österreich zur Verfügung haben, konnten wir unsere Verfahren anwenden und überprüfen. Das Zusammenwirken von Aufklärung, Steilfeuer, Feuerunterstützung und der Führungsunterstützung hat gut funktioniert. Die Deutsche Bundeswehr hat uns mit ihren Kampf-Pionier-Assets neue Eindrücke vermittelt. In einem Planspiel hat man schnell einen Minenräum- oder Brückenlegepanzer zur Verfügung. Bei der "Dynamic Response 15" haben wir aber gesehen, was das wirklich heißt, diese Systeme nach vorne zu schicken und wie lange das dauert. Dies muss geübt werden. Da ist schon ein gewaltiger Mehrwert zum Planspiel auf der Karte oder am Führungssimulator vorhanden.

F: Wie werden die Übungsergebnisse in den Ausbildungsbetrieb einfließen?

A: Der Bereich Zusammenarbeit mit Joint Fire Support ist ein wesentliches Schwergewicht in den Ausbildungsplanungen der Brigade. Das Thema Verzögerung mit Volltruppe war das Hauptthema der 3.PzGrenBrig für das heurige Jahr und wird nächstes Jahr, wie derzeit geplant, mit einer weiteren Übung abgeschlossen. Die Verfahren im Rahmen der Verzögerung, auch im scharfen Schuss, waren ein erster großer Schritt im fortlaufenden Ausbildungsbetrieb der Brigade.

F: Die 3. Panzergrenadierbrigade verliert im Zuge der Strukturanpassung 2018 einen wichtigen Teil ihrer mechanisierten Kompetenz. Inwiefern war es für die Brigade noch wichtig, ein Kampfgruppenschießen einer gemischt verstärkten Bataillonskampfgruppe durchzuführen?

A: Das war sehr wichtig. Die Frage stellt sich so eigentlich nicht, da wir mit den Truppen, die wir zur Verfügung hatten, geübt haben. Wenn wir nächstes oder übernächstes Jahr mit dem Panzerbataillon 33 in seiner neuen Organisation üben, dann wird die Übung so anleget, dass dieses Bataillon auch eine entsprechende Übungsmöglichkeit hat. Durch die Reorganisation wird sich der Gesamtcharakter der dritten Panzergrenadierbrigade grundlegend ändern. Es geht nicht nur um die Kampfpanzer, sondern auch um die Artillerie. Im Wesentlichen sind die Streitkräfte gefordert, in Zukunft sicherzustellen, dass die Panzergrenadiere das Zusammenarbeiten mit den Kampfpanzern nicht verlernen und alle anderen Elemente bundesheerweit mit dem notwendigen Steilfeuer unterstützt werden können. Das ist eine ganz wesentliche Herausforderung für das übergeordnete Kommando. Derzeit ist es möglich, innerhalb der Brigade Kampfpanzer und Grenadiere entsprechend zusammen üben zu lassen. In Zukunft wird es notwendig sein, dass die Grenadiere, sowohl das Panzergrenadierbataillon 13 als auch das Panzergrenadierbataillon 35, zum richtigen Zeitpunkt mit Kampfpanzern für die Ausbildung unterstützt werden. Dies gilt gleichermaßen für die Artillerie.

F: Themenwechsel: Der Schutz kritischer Infrastruktur ist derzeit in aller Munde. Das Österreichische Bundesheer beschäftigt sich intensiv mit dieser Thematik. Ist dies das zukünftige Hauptaufgabenspektrum des Österreichischen Bundesheeres?

A: Nein, das sehe ich nicht so! Der Schutz kritischer Infrastruktur ist primär eine Aufgabe, die durch die Polizei wahrzunehmen ist. Das Bundesheer kommt möglicherweise im Rahmen einer Assistenz zum Einsatz. Wenn sich das Österreichische Bundesheer über den Schutz kritischer Infrastruktur eine Hauptaufgabe ableiten würde, dann wären wir weit weg von dem, was eigentlich die Aufgabe des Militärs ist: Nämlich militärische Landesverteidigung beziehungsweise auch die Möglichkeit im Ausland robust militärisch aufzutreten. Natürlich ändern sich im Laufe der Zeit die Anforderungen zur militärischen Landesverteidigung. In den 1990er-Jahren haben wir sicher etwas anderes darunter verstanden, als wir es im Jahr 2025 oder 2035 tun werden. Bedrohungen ändern sich teils gewaltig. Aber gerade die Ukraine-Krise zeigt, wie schnell sich die Lage - auch in Europa - ändern kann.

F: Das Bundesheer verändert sich, wie man aus der Strukturanpassung 2018 ablesen kann, hin zu einer Infanteriearmee. Sind komplexe Aufgaben wie sie bei der "Dynamic Response 15" geübt wurden, überhaupt noch abdeckbar?

A: Wenn man die Infanterie nicht auf die "Fußinfanterie" reduziert, sondern die Panzergrenadiere, die ja einen wesentlichen Teil infanteristisch abdecken mit einbezieht, jedenfalls. Die Frage ist: Was braucht diese Infanterie an Unterstützungen an Kampf- und Führungsunterstützungselementen und Force-Multipliern? An den Clustern, die an eine Bataillonskampfgruppe andocken sollen und die gegebenenfalls durch die Brigade oder bundesheerweit zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen verfügbar sein, damit auch in Zukunft diese komplexen Aufgaben trainiert und erfüllt werden können.

F: Das heißt, das Alleinstellungsmerkmal des Bundesheeres, nämlich der Kampf der verbundenen Waffen, wird zukünftig nur noch seitens der Streitkräfte zu bewältigen sein. Die Brigaden werden das in Zukunft nicht mehr können?

A: Die Brigaden müssen das, aus meiner Sicht, weiterhin können. Sie werden nur nicht alle Mittel zur Verfügung haben. Nicht jede Brigade hat Pioniere oder Artillerie. Die zentrale Stelle, die dann eine Übung anlegen und leiten kann, ist die Brigade. Es wird notwendig sein, gewisse Fähigkeiten wie Joint-Fire-Support in der Brigade zu erhalten, damit die Bataillonskampfgruppe die Feuerunterstützung bekommt, die sie braucht. Die Brigade muss weiterhin in der Lage sein, dies zu planen. Wer die Expertise nicht mehr hat, ist darauf angewiesen, dass sie entweder von wo anders kommt, oder sie gerät in Vergessenheit. Die Kernaufgabe der Brigaden ist die vom Streitkräftekommandanten angesprochene Disziplinenkoordinierung und die Sicherstellung des Kampfes der verbundenen Waffen.

In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel darüber nachzudenken, ein und dasselbe Übungsszenario oder Schießen, das von einer Brigade ausgearbeitet wurde, unmittelbar nacheinander von mehreren Verbänden durchführen zu lassen und die Unterstützung nur einmal aufzubauen.

F: Sie waren jetzt ca. ein Jahr Kommandant der dritten Panzergrenadierbrigade, das war mit Sicherheit eine intensive und bewegende Zeit. Was wird Ihnen fehlen?

A: Die Freiheit als Kommandant. Die Handlungsfreiheit, die ein Brigadekommandant zur Verfügung hat und die Möglichkeit unmittelbar Maßnahmen zu setzen, die sich in relativ kurzer Zeit auswirken.


Übung „Dynamic Response 2015“ der 3. Panzergrenadierbrigade.

 

Das Interview führte Hauptmann Mag.(FH) Hermann Steinkogler.

 

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