• Veröffentlichungsdatum : 01.01.1970
  • – Letztes Update : 08.03.2017

  • 7 Min -
  • 1300 Wörter

Verteidigung - Kampf gegen den Angreifer

Markus Ziegler

Teil 4 der Serie: Bewegliche Einsatzführung in der Verteidigung


Die Phasen des Angriffes umfassen den Anmarsch bis zur Ablauflinie, das Überschreiten der Ablauflinie in Gefechtsformation, die Annäherung an das Angriffsziel, den Einbruch in das Angriffsziel, den Kampf im Angriffsziel und die Sicherung des Angriffszieles.

Grafiken - Phasen des Angriffes

Ausbau von Sperren 

Der Angreifer wird versuchen, mit seinem Schwergewicht auf die erkannte Schwachstelle des Verteidigers zu „schlagen“, um im Sturm über den Gegner hinwegzustoßen. Die zu erwartende Überlegenheit der angreifenden Kampftruppen beläuft sich auf ein Verhältnis von 3:1 bis 10:1.

Deshalb kann nur durch den Einsatz von Sperren verhindert werden, dass die eigenen, zur Verteidigung eingesetzten Kräfte überrannt werden. Sperren bringen den Gegner zum Stehen. Sie zwingen ihn, mit Pionierkräften Gassen durch die Sperren zu schaffen, damit der Angreifer (zumeist nur schmal und tiefgestaffelt) die Sperren überwinden kann. Gegen angreifende GKGF müssen Panzersperren errichtet werden. GKGF können nur durch Sperren und Geländehindernisse zum Stehen gebracht werden.

Sperren sind immer mit Feuer zu überwachen; sonst gelten sie als Hindernis. Werden keine Panzersperren errichtet und lässt das Gelände ein aufgesessenes Vorgehen zu, wird der Gegner einbrechen beziehungsweise durchstoßen.

Bau von Sperren - Folgerungen: 

Sperren verzögern den Gegner. Dadurch gewinnen eigene Kräfte Zeit und Handlungsfreiheit. Das verschafft einen Vorteil und ermöglicht:

  • Festlegen von Zielpunkten zur Feuerleitung innerhalb der Gruppen, Züge und der Kompanie, um den Gegner zu vernichten oder zumindest niederzuhalten.
  • Einsatz von Steilfeuer auf Teileinheiten des Gegners, die von eigenem Feuer niedergehalten werden.
  • Verschieben eigener Kräfte, um dem gegnerischen Schwergewicht das eigene entgegenzustellen.
  • Bekämpfung von Pionierkräften, die sich frontal der Sperre annähern. Das geschieht durch Waffen, die flankierend vor die Sperre wirken.
  • Abriegeln der geöffneten Sperre durch eine Feuerzusammenfassung auf die Öffnung, welche der Angreifer passieren muss.
  • Zusammenwirken der Panzerabwehrwaffen in die Flanke des Gegners. 

Phasen des Angriffes

Aufgesessener Einbruch

Ein aufgesessener Einbruch erfolgt, wenn das Gelände die aufgesessene Bewegung zulässt, keine Panzersperren vorhanden sind und der Verteidiger panzerabwehrschwach ist. Ob ein Verteidiger panzerabwehrschwach ist, hängt davon ab, ob die vom Angreifer eingesetzten GKGF mit den vorhandenen Panzerabwehrwaffen bekämpft werden können. 

Beispiel: Ein Verteidiger verfügt über Panzerabwehrwaffen des Typs RPG-7 (Rocket Propelled Grenade – Ein-Mann-Panzerabwehrrakete; Anm.), der Angreifer über Schützenpanzer „Puma“. Ein RPG-7 kann die Panzerung dieses Schützenpanzers aus keiner Richtung durchschlagen. Demzufolge ist der Verteidiger panzerabwehrschwach.

Kräfte, die räumlich vorgestaffelt eingesetzt werden, müssen ebenfalls Sperren anlegen. Auftragsgemäß sind gegnerische Kräfte entweder abzuwehren oder ihre Angriffsspitzen anzuschießen. Wird der Gegner angeschossen, muss sichergestellt sein, dass sein weiteres Verhalten (beispielsweise das Ausweichen) beobachtet werden kann.

Bei der Abwehr gegnerischer Angriffe konzentriert sich der Bau von Sperren auf Bewegungslinien und die infanteristischen Annäherungsmöglichkeiten. Werden gegnerische Angriffsspitzen angeschossen, findet der Bau von Sperren nur an den Bewegungslinien statt. Besteht der Auftrag darin zu beobachten, werden keine Sperren errichtet. 

Flachfeuer

Der Angreifer kann sein Stoßelement erst dann einsetzen, wenn alle Geländeteile, aus denen auf das Stoßelement gewirkt werden kann, entweder in seiner Hand sind, er sie wegblendet oder mit Flachfeuer niederhält. Daher muss er in jenem Geländeabschnitt, in dem er die Entscheidung sucht, die Feuerüberlegenheit erlangen.

Das bedeutet, dass Ziele mit Feuer vernichtet oder niedergehalten werden müssen. Niederhalten ist das Behindern des Gegners am Einsatz seiner Kampfmittel oder in seiner Bewegung durch Feuer.

Für in der Verteidigung eingesetzte Kräfte bedeutet dies, dass einerseits die Stellungen so ausgebaut werden müssen, dass sie dem gegnerischen Beschuss standhalten. Andererseits müssen jene Wege, die zum Verschieben von niedergehaltenen Kräften in Wechsel- und Ergänzungsstellungen dienen, gedeckt sein.

Eine Truppe hält nur in entsprechend ausgebauten Stellungen dem feindlichen Beschuss stand. Nur dort kann sie einen beweglichen Feuerkampf führen. Der oft verschmähte Grundsatz „Schweiß spart Blut“ gilt auch heute noch.

Im urbanen Gelände ist es beim Stellungsbau wesentlich, dass die Mauersubstanz und das für den Stellungsbau verwendete Material (normalerweise Sandsäcke) dem Beschuss von Flachfeuerwaffen standhalten. Ist dies nicht gewährleistet, können Schützen in ihren Stellungen durch das Mauerwerk hindurch bekämpft werden. Die Zielfläche, die der Gegner zur Vernichtung der Stellung treffen muss, vergrößert sich dadurch erheblich. Es handelt sich dann nicht mehr nur um eine kleine Schießscharte, sondern um die Mauerfläche etwa 50 Zentimeter links und rechts der Schießscharte sowie den Bereich unterhalb. Das ergibt eine Fläche von etwa einem Quadratmeter.

Hinsichtlich der Tarnung von Stellungen ist zu beachten, dass diese bereits während des Ausbaues der Sicht der gegnerischen Luftaufklärung entzogen werden müssen. Die Wirkung des Feindfeuers kann durch die Anlage von Scheinstellungen und die dadurch erzielte Verteilung des gegnerischen Feuers weiter herabgesetzt werden. Scheinstellungen müssen so angelegt sein, dass sich die Kampfstellung außerhalb der Wirkungsfläche, der vom Gegner eingesetzten Waffen befindet. Soll die Scheinstellung das Feuer von gegnerischen Jagdbombern auf sich ziehen, müssen die Leistungsparameter der gegnerischen Bewaffnung herangezogen werden. Soll die Scheinstellung jedoch das Feuer der gegnerischen Flachfeuerunterstützung auf sich ziehen, so müssen die Ausstattung und Leistungsparameter eben dieser Waffensysteme herangezogen werden.

Flachfeuer - Folgerungen:

  • Gediegener Stellungsbau verhindert, dass eigene Kräfte rasch vernichtet werden.
  • Um vom Gegner niedergehaltene Kräfte verschieben zu können, müssen dazu gedeckte Möglichkeiten vorhanden sein. Das sind natürliche Gräben und Kanten oder bauliche Maßnahmen.
  • Werden eigene Stellungen nicht ausgebaut und sind keine gedeckten Verschiebungsmöglichkeiten vorhanden, wird der Gegner in seinem Schwergewicht (wo er mit mindestens dreifacher Überlegenheit angreift) rasch die eigenen Kräfte vernichten oder zumindest niederhalten.

Einsatz von Steilfeuer

Für die Anlage von Zielpunkten für eigenes Steilfeuer in der Verteidigung gilt, dass gemäß der Steilfeuerplanung der taktischen Ebene jede angreifende gegnerische Kompanie zumindest einmal mit Wirkungsfeuer belegt werden soll. Die Herausforderung dabei ist, dass vor Angriffsbeginn alle Annäherungsmöglichkeiten im Gelände beurteilt werden. Wo sich der Gegner beim Angriff dann tatsächlich annähert, kann jedoch erst aufgrund der eigenen vorgestaffelten Gefechtsfeldbeobachtung festgestellt werden, wenn der Gegner vor Ort ist.

Beurteilt ein Kompaniekommandant zum Beispiel den Angriff eines gegnerischen Bataillons mit zwei Kompanien voraus und kommt zu dem Schluss, dass das Gelände sechs Möglichkeiten bietet, hat er auch sechs Zielpunkte festzulegen. Sind nur zwei Wirkungsfeuer verfügbar, legt der Beobachtungstrupp (BTrp) der Steilfeuerwaffen in Absprache mit dem Kompanie- und den Zugskommandanten die Zielpunkte fest.

Ergibt sich bei einem Infanteriezug der Bedarf von vier verschiedenen Zielpunkten, aufgrund der Annäherungs- und Stellungsmöglichkeiten feindlicher Kräfte im Gelände, legt der BTrp formell nur einen Zielpunkt fest. An diesem werden dann die restlichen drei Zielpunkte angehängt. Das Anhängen an einen Zielpunkt ist in einem Radius von 500 m möglich. Somit reichen beim Normgefechtsstreifen einer Kompanie in der Verteidigung mit 1 500 m Breite zwei Zielpunkte aus. An diesen wird dann die tatsächliche Steilfeueranforderung angehängt.

Das ist notwendig, da sonst nach dem Zusammenführen aller Zielpunkte der Kompanien im Verteidigungsbereich einer Brigade, unüberschaubar viele Zielpunkte vorhanden wären. Die Koordinaten der angehängten Zielpunkte nimmt der BTrp spätestens beim Vorüben der geplanten Kampfführung auf, um eine rasche Steilfeueranforderung sicherzustellen.

Für den Kampf im Infanteriegelände ist zu beachten, dass die Kampfentfernung oft unter 200 m liegen wird. Das bedeutet wiederum, dass auch der Gegner seine Unterstützungselemente etwa 200 m von den eigenen Stellungen entfernt einsetzen wird.

Die Koordinaten des Zielpunktes beziehen sich auf den Mittelpunkt der Zielfläche (kleine Zielfläche 100 m x 100 m, große Zielfläche 200 m x 200 m). Beträgt die Distanz von der eigenen Stellung zum Gegner nur 100 m, befindet sich auch diese in der Wirkungsfläche, sobald eigenes Steilfeuer den Gegner in der großen Zielfläche bekämpft.

Demnach soll der Zielpunkt soweit wie möglich zum Gegner vorgeschoben werden. Konkret soll sich die letzte Geländekante vor den eigenen Stellungen, als die vorderste mögliche gegnerische Stellung, gerade noch auf der Wirkungsfläche befinden. Gegnerische Kräfte, die sich vorwärts dieser Geländekante befinden, werden mit den eigenen Flachfeuerwaffen bekämpft.  

Feuervorbereitung - Folgerungen:

  • Erkennt die gegnerische Aufklärung Stellungen in der FEBA, wird das Vorbereitungsfeuer die Masse der dort eingesetzten Kräfte vernichten.
  • Die gegnerische Aufklärung muss vor der FEBA abgewehrt werden.
  • Kräfte, die aus Randstellungen kämpfen, müssen diese zeitgerecht aus Bereitschaftsstellungen beziehen, die außerhalb der Wirkungsfläche des Gegners liegen.
  • Kräfte, die aus Randstellungen eingesetzt werden, müssen mit gegnerischen Kampfhubschraubern rechnen.

wird fortgesetzt

Major Markus Ziegler, MA ist Hauptlehroffizier am Institut Jäger der Heerestruppenschule.

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