• Veröffentlichungsdatum : 04.02.2025

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Militär und Recht

Karl Satzinger

Der Beobachtungszeitraum war in politischer Hinsicht geprägt von der auslaufenden XXVII Legislaturperiode seit Herbst 2019 und den Nationalratswahlen im September 2024.

Im Regierungsprogramm der Koalitionsparteien für die XXVII. Gesetzgebungsperiode (GP) vom Jänner 2020 wurde ausdrücklich die „Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. der Amtsverschwiegenheit“ sowie die Neueinführung eines „einklagbaren Rechtes auf Informationsfreiheit“ in Aussicht gestellt; die neuen Informationsrechte sollten jedoch entfallen, „soweit und solange die Geheimhaltung erforderlich und verhältnismäßig ist“, u. a. „im Interesse der nationalen Sicherheit oder der umfassenden Landesverteidigung“.

Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde im Frühjahr 2021 dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugeführt. Die Bundesregierung hat am 5. Oktober 2023 den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird, als Regierungsvorlage verabschiedet (vgl. 2238 BlgNR XXVII. GP); auch in diesem Gesetzesentwurf waren als geheimhaltungsrelevante Umstände u. a. die „nationale Sicherheit“ und die „umfassende Landesverteidigung“ sowie diverse Präzisierungen auf einfachgesetzlicher Ebene vorgesehen. Nach entsprechender parlamentarischer Behandlung und Beschlussfassung wurde das in Rede stehende Gesetzespaket am 26. Februar 2024 im Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 5/2024 kundgemacht.

Das Inkrafttreten sämtlicher Änderungen ist mit 1. September 2025 festgesetzt. Materiell werden im Wesentlichen in einem neuen Art. 22a B-VG sowohl eine Verpflichtung u. a. aller Organe der Bundesverwaltung zur („proaktiven“) Veröffentlichung aller „Informationen von allgemeinem Interesse in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise“ als auch ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen (auch) gegenüber diesen Organen normiert. Als geheimhaltungsrelevante und damit beide genannten Informationsstränge potenziell ausschließende Umstände sind u. a. „Interessen der nationalen Sicherheit [und der] umfassenden Landesverteidigung“ ausdrücklich vorgesehen; damit wird den Sachbedürfnissen des Verteidigungsressorts ausreichend Rechnung getragen. Mit diesen Neuregelungen werden die derzeitigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Amtsverschwiegenheit, die Auskunftspflicht öffentlicher Organe sowie die Veröffentlichungspflicht bestimmter Unterlagen betreffend (Art. 20 Abs. 3 bis 5 B-VG) ersetzt.

Überdies werden auch die Gründe für eine Auskunftsverweigerung im Rahmen des parlamentarischen Interpellationsrechtes enger als bisher gefasst. Auf einfachgesetzlicher Ebene sind im Informationsfreiheitsgesetz die näheren Bestimmungen, die beiden Aspekte der neuen Informationsfreiheit betreffend, vorgesehen; dies betrifft insbesondere Begriffsbestimmungen und Zuständigkeitsregelungen sowie konkrete Festlegungen der Abläufe, sowohl für die proaktive Informationspflicht als auch für die Informationspflicht auf Antrag. Die ressortinternen Vorbereitungsarbeiten zur faktischen Umsetzung des gegenständlichen Gesetzespakets, einschließlich der Vorbereitung diverser (formeller) Gesetzesanpassungen im Wehrrecht, sind angelaufen; sie werden bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen zu finalisieren sein.

Bereits vor etwa zehn Jahren wurde auf politischer Ebene im Hinblick auf die jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen und den daraus abzuleitenden Adaptierungsbedarf eine Änderung des KSE-BVG in Aussicht genommen. Die daraufhin begonnenen Vorarbeiten führten als Ergebnis diverser Verhandlungen auf Expertenebene schon im Frühjahr 2016 zur Erstellung eines entsprechenden Novellierungsentwurfes durch das Verteidigungsressort. Eine konkrete Weiterbearbeitung erfolgte jedoch insbesondere aufgrund der zweimaligen vorzeitigen Beendigung einer Legislaturperiode nicht. Auf der Grundlage einer ausdrücklichen Absichtserklärung im Koalitionsabkommen der Regierungsparteien vom Jänner 2020 wurde dieser Novellierungsentwurf im Frühjahr 2020 im Verteidigungsministerium einer aktualisierenden Überarbeitung unterzogen.

Mit Entschließung des Nationalrates Nr. 272/E vom 13. Oktober 2022 wurde die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landesverteidigung und die Bundesministerin für EU und Verfassung, aufgefordert, dem Nationalrat einen Entwurf zur Novellierung des KSE-BVG unter spezieller Berücksichtigung der Implikationen des „Strategischen Kompass“ der Europäischen Union vorzulegen. Erste Besprechungen auf interministerieller Ebene begannen im Frühjahr 2023. Der vorerwähnte aktualisierte Entwurf des Verteidigungsressorts sollte in weiterer Folge als erste Arbeitsgrundlage für die konkrete legislative Bearbeitung dienen; eine derartige Bearbeitung wurde jedoch bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode nicht eingeleitet.

Aufgrund eines neuerlichen umfassenden Änderungsbedarfes in mehreren Wehrrechtsnormen wurde bereits im Sommer 2023 der Entwurf einer Sammelnovelle erarbeitet, mit dem diese Adaptierungsnotwendigkeiten umgesetzt werden sollten. Nach langwierigen politischen Verhandlungen und einem umfassenden Begutachtungsverfahren wurde dieser Entwurf unter dem Kurztitel „Wehrrechtsänderungsgesetz 2024“ im Frühjahr 2024 von der Bundesregierung als Regierungsvorlage beschlossen; darin waren Änderungen im Wehrgesetz 2001, Heeresgebührengesetz 2001, Heeresdisziplinargesetz 2014, Auslandseinsatzgesetz 2001, Militärbefugnisgesetz und Militärauszeichnungsgesetz 2002 vorgesehen.

Nach Abschluss der entsprechenden parlamentarischen Behandlung und Beschlussfassung sowie der Kundmachung im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 77/2024) trat dieses Gesetzespaket mit 1. September 2024 in Kraft. Inhaltlich sind darin im Wesentlichen die folgenden Maßnahmen normiert:

  • Harmonisierung der Ansprüche auf Dienstfreistellung im Präsenzdienst auf der Grundlage der praktischen Erfahrungen während der „Corona-Krise“ (Wehrgesetz);
  • Einführung eines speziellen Anspruches auf Dienstfreistellung im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes, im Wesentlichen während des Grundwehrdienstes oder Ausbildungsdienstes („Elternmonat“; Wehrgesetz);
  • Angleichung der Dauer der Milizübungspflicht an jene der Wehrpflicht in allen in Betracht kommenden Fällen (Wehrgesetz);
  • Normierung eines ausdrücklichen Rechtsrahmens für die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Stellen im Zusammenhang mit Auslandsdienstreisen sowie Auslandseinsätzen und -übungen von Ressortangehörigen (Wehrgesetz, Auslandseinsatzgesetz);
  • Einführung einer Milizausbildungsvergütung als zusätzliche finanzielle Attraktivierung für jeden geleisteten Milizübungstag (Heeresgebührengesetz);
  • Einführung eines sozialrechtlichen Härteausgleiches im Einzelfall zum Ausgleich allfälliger sozialer Härten in Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld und dem Familienzeitbonus (Heeresgebührengesetz);
  • Einführung einer Tapferkeitsmedaille als sichtbare Würdigung besonderer Tapferkeit in bestimmten militärischen Einsätzen (Militärauszeichnungsgesetz).

Im April 2024 wurde im Parlament der Entwurf einer Novelle zum Denkmalschutzgesetz BGBl. I Nr. 41/2024 verabschiedet. In dieser am 1. September 2024 in Kraft getretenen Novelle ist u. a. geregelt, dass die Erstellung der (im humanitären Völkerrecht verpflichtend vorgesehenen) Kulturgüterschutzlisten durch das Bundesdenkmalamt zwingend im Einvernehmen mit dem Verteidigungsressort zu erstellen ist. Durch diese Gesetzesänderung wird künftig eine verbesserte Bedachtnahme auf zwingende militärische Einsatzinteressen unter voller Gewährleistung der einschlägigen völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs bewirkt.

Auf der Ebene der Durchführungsverordnungen wurden im Beobachtungszeitraum diverse ressortbezogene Eigenlegislativmaßnahmen verwirklicht. So wurden im Rahmen einer Novelle der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (BGBl. II Nr. 73/2024, Inkrafttreten am 7. März 2024) verwaltungsentlastende Vereinfachungen die Dienstfähigkeitsuntersuchung von Soldaten im Präsenzdienst betreffend getroffen.

Überdies konnte das in bestimmten Fällen einer Nichtteilnahme von Soldaten im Präsenz- oder Ausbildungsdienst gebührende Tageskostgeld (Verordnung BGBl. II Nr. 70/2024, Inkrafttreten am 1. April 2024) um 30 Prozent auf nunmehr 6,50 € erhöht werden.

Das intensive militärische Auslandsengagement Österreichs setzte sich auch im Beobachtungszeitraum unverändert fort. Hierzu war im Zusammenhang mit einer EU-Marinemission im Roten Meer („EUNAVFOR ASPIDES“) im Verteidigungsressort eine entsprechende Durchführungsverordnung zur Befugnisausübung im Auslandseinsatz vorzubereiten sowie in weiterer Folge von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates zu beschließen und danach kundzumachen (BGBl. II Nr. 74/2024).

Mit dieser Verordnung konnten auch für diese Auslandsmission gesicherte rechtliche Rahmenbedingungen für eine allfällige Ausübung militärischer Zwangsbefugnisse durch die eingesetzten Soldaten zur Verfügung gestellt werden.

Bereits seit einigen Jahren strebt Österreich eine Intensivierung der grenzüberschreitenden Kooperation im gesamten Spektrum der Luftraumüberwachung an. Zur Umsetzung dieser Absicht wurde zunächst ein (gesetzesändernder) Staatsvertrag zwischen Österreich und der Schweiz zur umfassenden Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Sicherung des Luftraumes gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft abgeschlossen und mit 1. Februar 2019 in Kraft gesetzt (siehe BGBl. III Nr. 214/2018).

Dieser Vertrag bietet eine solide, auch in der Praxis bereits bewährte Rechtsgrundlage, für die militärische Zusammenarbeit der beiden Vertragspartner. Inhaltlich sieht dieses Abkommen im Wesentlichen die Möglichkeit des „formlosen“ Überfliegens der gemeinsamen Staatsgrenze durch Militärluftfahrzeuge zum Zweck des sicheren „Übergebens“ eines verdächtigen zivilen Luftfahrzeuges an die Luftstreitkräfte des jeweiligen Nachbarstaates – einschließlich diverser Maßnahmen zur Identifikation und Intervention (ausgenommen jedoch die Ausübung eines militärischen Waffengebrauches) – vor.

Die im Frühjahr 2018 begonnenen konkreten Bearbeitungen für einen (weitgehend inhaltsgleichen) Staatsvertrag zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland führten im Wege mehrerer bilateraler Fachgespräche und daran anschließender innerstaatlicher Abklärungen in beiden Staaten sowie nach längeren, auf politischer Ebene gelegenen Verzögerungen zur formellen Unterzeichnung durch die beiden Ressortleiterinnen am 9. Dezember 2022.

Der erforderliche Ratifizierungsprozess konnte in Österreich im Frühjahr 2024 mit der notwendigen parlamentarischen Genehmigung erfolgreich abgeschlossen werden. Somit sind seitens Österreichs alle Formalvoraussetzungen für ein rechtsförmliches Inkrafttreten geschaffen; die entsprechenden Veranlassungen seitens des Vertragspartners Deutschland bleiben abzuwarten. Im Herbst 2021 bzw. Frühjahr 2022 begannen erste bilaterale Verhandlungen mit Tschechien bzw. Italien zur Erarbeitung inhaltlich gleichartiger Staatsverträge; ein konkreter Abschluss dieser beiden Abkommen ist derzeit noch nicht absehbar.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind auf der Grundlage der Parlamentswahlen vom September 2024 in erster Linie die Bildung einer tragfähigen Bundesregierung mit einer entsprechenden parlamentarischen Mehrheit sowie das Vorliegen eines konsolidierten Regierungsprogrammes für die neue Legislaturperiode abzuwarten. Erst danach kann hinreichend abgeschätzt werden, welche politischen Schwerpunkte die Bundesregierung im Bereich der Landesverteidigung setzen möchte und welcher konkrete legislative Handlungsbedarf daraus resultieren wird.

Gruppenleiter Generalmajor Ministerialrat Mag. Dr. jur. Karl Satzinger; Leiter der Gruppe Direktion Recht


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 4/2024 (400).

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