• Veröffentlichungsdatum : 26.07.2024
  • – Letztes Update : 31.07.2024

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  • 1185 Wörter

PerspektivenReich: Militärsprache im Alltag

Katharina Reich

Teil 1: In der Sprache der Bevölkerung hat das Militär einige Entwicklungen grundlegend beeinflusst. Ein Beispiel dazu ist das Morsealphabet, bei dem kurze und lange Töne in Kombination gesetzt werden und so Buchstaben in Töne übersetzt werden. Ein K für Katharina ist beispielsweise lang-kurz-lang, während ein M für Militär lang-lang ist. Was hat das mit der Sprache des Militärs im Alltag zu tun? Sprache ist nur ein Teil der militärischen Kommunikation. Es gibt darüber hinaus wesentlich mehr Möglichkeiten sich im Kampf auszudrücken, wie Handzeichen oder eine Tarnung von Begriffen mit Codes beim Funken. Der nachfolgende Artikel erörtert die sprachlichen Entwicklungen und fördert die ihnen zu Grunde liegenden Geschichten zu Tage.

Semantisch kann zwischen der Soldatensprache und der Kommandosprache sowie der militärischen Fachsprache unterschieden werden. Die Kommandosprache hat andere Ausdrücke, die ebenfalls Eingang in die Alltagssprache fanden, wie: „Gewehr bei Fuß“. Das bedeutet jederzeit bereit zu sein, um aktiv eingesetzt zu werden. Die Soldatensprache hingegen wurde vor allem durch Mannschaftssoldaten als Sondersprachform entwickelt. Sie steht im Gegensatz zur Gefechts- und Kommandosprache und wird nur inoffiziell verwendet. Allgemein gilt, je härter der militärische Alltag von Soldaten eingestuft wird, desto drastischer und differenzierter ist das verbal-sprachliche Aufbegehren. In die soldatische Sprache fallen Wortkreationen, die Mundart, vulgäre Umgangssprache, genauso wie Berufssprachen etwa jene der Jägersprache oder der Schüler- und Studentensprache. Die Funktion der Soldatensprache war es den dienstlichen Alltag mit Humor zu erleichtern, die Gruppenzugehörigkeit zu stärken, aber auch Frustration abzubauen.

Inhaltlich geht es in der Soldatensprache um das Leben in Kasernen, die eigene Ausbildung, militärische Seelsorge, den Heimaturlaub, die Gestaltung der Freizeit, Beziehungen und Liebe oder um den Tod. Einige Beispiele aus den Wortbildungen der Deutschen Bundeswehr in Bezug auf die NATO sind hier zu nennen: Der Helm wurde als „NATO-Knitterfreier“ im Kalten Krieg bezeichnet, die Soldaten der Bundesmarine waren die „NATO-Fischer“ usw. Das Akronym NATO selbst wurde zur Basis für Humor und übersetzt als „No action, talk only“, „Never ask the officer“ oder „No action, travel only“. Die Bräune von Soldaten bei Auslandseinsätzen heißt in Deutschland unter anderem „NATO-Bräune“.

Jede Waffengattung prägt neue Ausdrücke. In der Sprache der Soldaten kann grundsätzlich in jene der Luftwaffe, Marine – wo es eine gab –  und der Landstreitkräfte unterschieden werden. Das Morsen ist mittlerweile veraltet, die Sprache des Militärs hat dennoch im Deutschen „Fuß gefasst“, womit man bereits mitten in der sprachlichen Aneignung von militärischen Ausdrücken ist. Der Ausdruck kommt daher, dass neues Terrain erobert und man dort ansässig wird. Die ersten belegbaren Aufzeichnungen zum Begriff „Fuß fassen“ stammen jedoch erst aus dem 18. Jahrhundert, obwohl die dahinterstehende Praxis bedeutend weiter zurück reicht. Davon waren die Bodentruppen betroffen.

Beim „Fuß fassen“, konnte man auch ins „Kreuzfeuer“ gelangen, was ursprünglich bedeutete, in den sich überlappenden Wirkungsbereich von verschiedenen bzw. unterschiedlichen Waffen zu geraten. Während des Ersten Weltkrieges wurde diese Gefechtstechnik immer wichtiger, da vermehrt automatische Waffen zum Einsatz kamen. So kam der Ausdruck unter anderem in die Politik, wo er als „ins Kreuzfeuer der Kritik kommen“ verwendet wurde und schließlich in die Alltagssprache übernommen wurde. Ursprünglich ging es im Grabenkrieg des Ersten Weltkrieges um die Überwindung von Niemandsland durch Elemente, die mit Maschinengewehren ausgesttatet waren. Durch die Einführung gepanzerter Fahrzeuge sowie von Flugzeugen in den Streitkräften, veränderte sich deren Vorgehensweise. Die Überschneidung zweier Kampfelemente musste im Feuerkampf „handwerklich“ verändert werden. Die schwächere Panzerseite, die Flanke, anzugreifen oder die feindliche Infanterie in ihrer Bewegung einzuschränken, sind Wortbeispiele dafür, die ebenfalls in der Zivilsprache verwendet werden.

Verlässt man das Land und geht in die Sprache der Seestreitkräfte, so fällt der Ausdruck „die Grenzen ausloten“ auf. Er bedeutet heute, dass man prüft, wie weit man mit seinem Verhalten beim Gegenüber gehen kann. Dabei geht es um die kommunikativ-psychische Grenze des anderen, die erkundet wird. Der Ausdruck kommt allerdings aus der Marine, denn früher wurde die Wassertiefe mit einem Lot gemessen. Dazu kamen Bleigewichte an einer robusten Schnur zum Einsatz, das Senklot. Diese Sprache entspringt der Marine, deren Soldatensprache auch „Decksdeutsch“ genannt wird.

Damit sind wir beim Begriff „Anheuern“ angelangt, der ebenfalls aus der militärischen Seesprache stammt. Gerne wird dieser Ausdruck heute für das Umwerben von Frauen durch Männer verwendet. Weitere Marineausdrücke, die im zivilen Leben Einzug genommen haben, sind „Schotten“ für Türen, die ursprünglich nur auf See so heißen oder runde Fenster, die im Zivilen und im Handwerk mancherorts als „Bulleyes“ bezeichnet werden. Das zweite Geschoß wurde von heimkehrenden Marineangehörigen in Häusern mit dem „B-Deck“ bezeichnet – auch das hat sich mancherorts eingebürgert.

Skurrilitäten aus der Militärsprache der Marine sind die „Affenjacke“, wie eine zu kurze und schlecht sitzende Uniformjacke auf Kriegsschiffen spöttisch bezeichnet wird, genauso wie die „erste Geige“, die die Ausgehuniform der Marinesoldaten betitelt, und mit dem bekannten Matrosenkragen und dem weißen Unterteil ins Auge sticht.

Auch die Luftstreitkräfte haben einen Einfluss auf den Sprachgebrauch der Bevölkerung. Dieser ist bei vielen Zivilisten so verinnerlicht, dass es interessant ist, die Herkunft einiger Aussagen zu beleuchten. Gerade der Wagemut und die Vernichtungskraft von Flugzeugverbänden haben bis heute ihre Faszination mit Spielfilmen wie „Top Gun“ behalten. Deshalb überrascht es wenig, dass Redewendungen der Luftkriegsführung auch in der alltäglichen Sprache zu finden sind. „Jemanden auf dem Schirm haben“ ist eine Redewendung, die dem Zweiten Weltkrieg entsprungen ist. Das ausgebaute Radarnetz war ein großer Vorteil im Luftkrieg, denn so konnte weitgehend ohne Berücksichtigung von Tages- und Nachtzeiten sowie beinahe witterungsunabhängig agiert werden. Die feindlichen Flugzeuge konnten über große Distanzen erkannt und abgewehrt werden. Allerdings wurden damals bereits Radar-Störkörper eingesetzt, weshalb das gegnerische Flugzeug auch vom Bildschirm verschwinden konnte. Diese Analogie wurde in die Bürosprache übersetzt und steht für gute Zeitplanung, denn wenn der andere „nicht aus der Planung rutscht“, ist „alles gut“.

Die Fliegersprache hat auch in Form von internationalen Abkürzungen Einzug in den Sprachgebrauch gefunden. Buchstabiert wird oft auch im zivilen Leben mit dem Abkürzungsalphabet der Luftstreitkräfte, dem internationalen Buchstabieralphabet, das auch im Österreichischen Bundesheer verwendet wird:

  • A - Alpha
  • B - Bravo
  • C - Charlie
  • D - Delta
  • E - Echo
  • F - Foxtrott
  • G - Golf
  • H - Hotel
  • I - India
  • J - Juliet
  • K - Kilo
  • L - Lima
  • M - Mike
  • N - November
  • O - Oscar
  • P - Papa
  • Q - Quebec
  • R - Romeo
  • S - Sierra
  • T - Tango
  • U - Uniform
  • V - Victor
  • W - Whiskey
  • X - X-ray
  • Y - Yankee
  • Z - Zulu

„Bombenwetter“, ist ebenfalls ein Begriff, der der Fliegersprache entnommen ist. Man muss ins Altgriechische zurückgehen, bis hin zum Wort bombos, das dumpfer Ton bedeutet. In der Sprachgeschichte mutierte die Bombe dann zu einem Verstärkungswort, wie die Vorsilbe „Ur“ in der Wiener Jugendsprache der 1990er-Jahre. Das heute oft verwendete Wort Bombenteppich benannte ursprünglich ein Übungsgerät für Kampfpiloten, bei dem auf einem Tuch die Erdoberfläche als Luftbild aufgezeichnet war. Teilweise sind diese Tücher Halstücher der Piloten gewesen. Das Wort Bombe verstärkt aber auch schöne Dinge, wie die Begriffe Bombenwetter und Bombenstimmung belegen.

Der Blockbuster ist ebenfalls ein Militärischer Begriff. Dieser bezeichnete ursprünglich eine Großbombe der britischen Royal Air Force, die einen ganzen Häuserblock zerstören konnte. Heute benennt er einen Film oder eine Sendung, die von so vielen Menschen angesehen wird, dass man kaum noch jemanden auf der Straße antrifft.

wird fortgesetzt

Mag. Katharina Reich lehrt zu sicherheitsrelevanten Infrastrukturen, Ökonomie und komplexem Denken an diversen Universitäten und Fachhochschulen.

 

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