Soldatentod und Durchhaltebereitschaft
Sebastian Bondzio
Soldatentod und Durchhaltebereitschaft – Eine Stadtgesellschaft im Ersten Weltkrieg
Reihe: Krieg in der Geschichte, Band: 113
Brill / Schöningh
Publikation: 20. April 2020
402 Seiten
ISBN: 978-3-657-70427-9
101,77 €
Sebastian Bondzio setzt sich in seinem Werk „Soldatentod und Durchhaltebereitschaft – Eine Stadtgesellschaft im Ersten Weltkrieg“ zum Ziel, die vielfältigen Rückwirkungen des Sterbegeschehens an der Front auf die Stadt Osnabrücker und ihre Durchhaltebereitschaft im Krieg zu untersuchen. Als Teil der Reihe „Krieg in der Geschichte“ liefert der Autor einen wichtigen Beitrag, um Beziehungen zwischen ‚Front‘ und ‚Heimat‘, gesellschaftliche Militarisierungsprozesse sowie die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von Krieg zu beleuchten. Bondzio widmet sich der Fragestellung, wie es eine Stadtgesellschaft schaffte, mehr als vier Jahre zielgerecht und angepasst Krieg zu führen – trotz erheblicher materieller sowie emotionaler Kosten, obwohl in dieser Zeit Soldaten von Osnabrück starben und Todesangst, Kummer und Trauer die Hinterbliebenen stets begleiteten.
Der Tod vieler Menschen veränderte die Kriegsgesellschaft nachhaltig. Anhand umsichtig zusammengetragener Quellen wie persönlicher Zeugnisse der Akteure, Tagebuchaufzeichnungen, Feldpostbriefe, Zeitungsberichte oder Predigten, illustriert der Autor das ständige Wechselspiel zwischen dem verlustreichen Geschehen an der Front und der hartnäckigen Durchhaltebereitschaft in der Heimat. Bondzio gliedert sein Werk in drei Abschnitte:
Kapitel 1: „Das Sterben von Soldaten im Krieg“ handelt von den Wegen in den Krieg sowie den Verlauf des Sterbegeschehens der Osnabrücker Soldaten. Es soll gezeigt werden, auf welche Weise die Stadt Osnabrück mit ihren Kriegstoten auf den Kriegsschauplätzen verbunden war und wie sich das veränderte.
Kapitel 2: „Sterbegeschehen, Stadtraum und Stadtgesellschaft“ spannt den Bogen von der Front in die Heimat. Der Autor legt dar, wie das Sterben im Krieg für die Osnabrücker Gesellschaft aushaltbar wurde, wie sich die Toten in den vier Kriegsjahren über den Stadtraum verteilten und welche zivilgesellschaftlichen Auswirkungen das Sterbegeschehen auf Osnabrück hatte. Dieser Untersuchungsansatz erfolgt mittels einer Sozialprofilanalyse, um biografische Attribute der Gefallenen quantitativ auszuwerten.
Kapitel 3: „Verlusterfahrungen und Kriegskultur“ vereint Ansätze, Analysen und Auswertungen aus den ersten beiden Kapiteln und stellt somit die Synthese zwischen Front und Heimat dar. Gefühle, Handlungen und kulturelle Veränderungen in der Osnabrücker Stadtgesellschaft werden thematisiert: „Trauer und Furcht“, „Empathie“, „Unsichtbares Sterben“, „Eine neue Kriegskultur“ und „Systemversagen“.
Der Autor untermauert seinen sozial- und kulturhistorischen Ansatz mit einer Fülle von sorgfältig recherchierten Beispielen und Abbildungen. Die Osnabrücker Stadtgesellschaft, ihr Sozialprofil, ihre sozialen Milieus, aber auch ihre Verbindungen mit dem Kriegsgeschehen über die Kriegstoten und ihre Veränderungen infolge der Kriegsverluste, sollen auf diese Weise rekonstruiert und anhand umfangreicher Sterberegister inklusive biografischer Daten zu den Kriegstoten illustriert werden.
Bondzios Werk bietet somit nicht nur Einblicke in die historischen Erfahrungen einer Stadtgesellschaft im Ersten Weltkrieg, sondern liefert eine zeitlose Reflexion über die Auswirkungen von Verlust und kollektiver Trauer auf soziale Gemeinschaften. Es zeigt, wie eine Gesellschaft trotz massiver emotionaler Belastungen und Verlusterfahrungen weiter funktionieren konnte, und regt an, Parallelen zu heutigen gesellschaftlichen Krisen zu ziehen. Das Buch dient sowohl als detaillierte historische Analyse als auch als wertvolles Beispiel dafür, wie Geschichte als Orientierungshilfe für den Umgang mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen dienen kann.
-gam-