Frauen im Ersten Weltkrieg
Nachdem mit fortlaufender Kriegsdauer fast keine Männer in der Heimat zurückgeblieben waren, traf es die Frauen, die - vornehmlich im öffentlichen Bereich - deren Aufgaben zu übernehmen hatten. Dies führte gleichsam zu einer ungeplanten Emanzipation, deren Errungenschaften jedoch nach dem Krieg größtenteils wieder zurückgedrängt wurden.
Die Beteiligung der weiblichen Zivilbevölkerung am Kriegsgeschehen 1914-1918 beschränkte sich keinesfalls ausschließlich auf das so genannte Hinterland. Die Intensität und das Ausmaß waren jedoch äußerst unterschiedlich und meist stark von der jeweiligen sozialen Herkunft sowie den individuellen Auswirkungen des Kriegsverlaufes selbst abhängig.
Wie in faktisch allen kriegführenden Ländern Europas hatte sich im Sommer 1914 zunächst auch in Österreich-Ungarn kaum jemand der allgemeinen Kriegseuphorie entziehen können. Ganz im Gegenteil; selbst die engagiertesten Friedensaktivisten darunter eine überwiegende Anzahl von Frauen - hatten sich letztlich eingestehen müssen, mit ihrer „Mission“ gescheitert zu sein. Sie begleiteten daher - sogar mitunter mit aufrichtiger Begeisterung - ihre männlichen Angehörigen zu den Bahnhöfen, wünschten ihnen vielfach „Soldatenglück“ und hofften auf eine rasche und wohlbehaltene Rückkehr aus einem vermeintlich nur kurz andauernden Krieg.
Aufgrund der allgemeinen Mobilisierung sowie der in weiterer Folge rasch ansteigenden Verlustziffern unmittelbar in den ersten Kriegswochen mussten immer mehr Männer ihren Einberufungsbefehlen Folge leisten. Der Strom jener, die sich aufmachten, um für „Gott, Kaiser und Vaterland“ in den Krieg zu ziehen, schien tatsächlich schier unerschöpflich.
Ungewisse Zukunft für die Zurückgebliebenen
Indem die einberufenen Männer aber ihre bisherigen Arbeitsplätze in der Industrie, im Gewerbe und in der Landwirtschaft aufgeben mussten, überließen sie ihre zurückbleibenden Familien letztlich einer eher ungewissen Zukunft. Der Mann galt innerhalb der damaligen Gesellschaft nach wie vor als das alleinige Familienoberhaupt, dessen Anordnungen die Familie sich grundsätzlich unterzuordnen hatte und dem primär auch die Rolle des Versorgenden zukam.
Zwar hatten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits einzelne Berufszweige auch für Frauen eröffnet - zumeist in Ermangelung ausreichend männlicher Interessenten. Diese waren jedoch durchwegs schlecht(er) bezahlt. Gleichzeitig versuchten private Frauenvereinigungen zumindest Töchtern aus dem Bürgertum eine bessere Ausbildung zu ermöglichen, um ihnen dadurch zu einer gewissen Unabhängigkeit zu verhelfen.
Allein die Berufstätigkeit blieb für diese jungen Frauen der mittleren sozialen Schichten zumeist nur eine sehr kurze Phase, die mit der Eheschließung wieder ihr jähes Ende finden sollte. Anders verhielt sich die Situation bei den durchwegs schlecht entlohnten Fabrikarbeiterinnen sowie den zumeist aus eher ärmlichen Verhältnissen stammenden Kleinbäuerinnen, die schon lange vor Kriegsausbruch um ihr tägliches Dasein kämpfen mussten und sich permanent einer Doppelbelastung durch Familie und Beruf ausgesetzt sahen.
Unverhoffte Emanzipation
Das vermeintlich „schwache Geschlecht“ schien in den Augen der vorherrschenden gesellschaftlichen Meinung dennoch als besonders schutzbedürftig. Frauen (und Kinder) wurden daher gerade von der staatlichen - bildlichen - Propaganda als beliebtes Motiv herangezogen, um den männlichen an die Front abrückenden Soldaten die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit des Krieges zum Schutz von Heimat und Familie anschaulich vor Augen zu führen.
So schmerzlich der Abschied von den in den Krieg abrückenden Ehemännern, Vätern, Söhnen oder Brüdern im Einzelfall tatsächlich auch gewesen sein mag - letztlich bedeutete er auch einen unmittelbar wichtigen Schritt zur weiblichen Emanzipation. Frauen erhielten im Ersten Weltkrieg - vielfach unverhofft und nicht immer unbedingt gewollt - ein hohes Maß an Selbstständigkeit und neue Aufgaben. Denn es galt, nicht nur die alleinige Verantwortung für Haushalt und Familie zu übernehmen, sondern auch vielfach die eingezogenen Männer in den familieneigenen Betrieben - vor allem im Bereich der Landwirtschaft und im Kleingewerbe - auf unbestimmte Zeit zu ersetzen.
Aufbruch traditioneller Geschlechterrollen
Die Übernahme neuer Pflichten brachte geradezu zwangsläufig eine allmähliche Verlagerung der weiblichen Tätigkeiten verstärkt in den „öffentlichen“ Bereichen mit sich. Das wirkte sich auf das Alltagsleben der Frauen im Ersten Weltkrieg aus und führte zu einem neuen Selbstverständnis sowie zu einem Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen - das allerdings nur kurz währte und von der Gesellschaft aufgrund der Ausnahmesituation geduldet wurde. Hatten beispielsweise in kleinbäuerlichen Betrieben Frauen und Kinder bereits vor Kriegsausbruch oftmals kräftezehrende Hof-, Stall- und Feldarbeit verrichtet, so mussten diese ab dem Sommer 1914 die männliche Arbeitskraft vollständig ersetzen.
Weit entfernt von jeglichem Patriotismus geschah dies aus einer primären Kriegsnotwendigkeit heraus, denn der Unterhaltsbeitrag, den der Staat den Familien eingerückter Soldaten bezahlte, reichte tatsächlich in keiner Weise für das tägliche (Über-)leben aus. In den Städten ging die Unterstützung für die Daheimgebliebenen zunächst primär von verschiedenen - privaten - Vereinigungen aus, die sich an der „Heimatfront“ nicht nur bei der Sammlung von Geld- und Sachspenden (so genannten „Liebesgaben“) engagierten, sondern vor allem auch darum bemühten, die nunmehr auf sich allein gestellten Familien in ihrer stetig notwendiger werdenden, sparsameren Haushaltsführung zu unterstützen.
Gleichzeitig bemühte man sich um passende Stellenvermittlungen für jene Frauen, die durch den Ersten Weltkrieg arbeitslos geworden waren und versuchte mithilfe von rasch organisierten Großküchen, zumindest das ärgste Leid - in den ersten Kriegswintern - zu lindern.
Verwundungen und Tod an der „Heimatfront“
Besonders schwierig gestaltete sich die Situation für die aus den unmittelbar von den Kampfhandlungen betroffenen Gebieten Geflüchteten bzw. teilweise auch von staatlicher Seite zwangsevakuierten Zivilisten. Diese wurden zunächst in Notquartieren untergebracht - oftmals weit entfernt von ihrer Heimat - und hofften letztlich auch in den in weiterer Folge im Bereich der gesamten Monarchie neu errichteten Lagern auf ein baldiges Kriegsende.
Jene wiederum, die vor Ort geblieben waren, um Haus und Hof zu schützen, gerieten oft sehr rasch selbst zwischen die Fronten und büßten ihre vermeintlich auch nur „wohltätig“ verstandene Unterstützung der jeweiligen kämpfenden Partei vielfach mit ihrem Leben. Die unmittelbare Fronterfahrung blieb somit letztlich keinesfalls rein männlich konnotiert. Frauen nahmen im Ersten Weltkrieg vielfach dieselben Mühen, Strapazen und Gefahren wie die Männer in Kauf und sahen sich in vielfacher Weise ebenso mit dem Tod und schrecklichen Verwundungen konfrontiert.
Weiße Engel
Schon unmittelbar zu Kriegsbeginn 1914 hatten sich viele Frauen bei den freiwilligen Hilfsorganisationen engagiert bzw. sich zur offiziellen Kranken- und Verwundetenpflege gemeldet. Sie dienten als Ärztinnen und/oder Krankenschwestern und wirkten in vielerlei Hinsicht aufopfernd nicht nur im Hinterland, sondern auch auf den Schlachtfeldern selbst sowie in den frontnahen Feldspitälern und (Hilfs-)lazaretten.
Als „weiße Engel“ ermöglichten sie das Überleben unzähliger verwundeter Soldaten bzw. schufen vielfach erst die Voraussetzung für deren neuerlichen Fronteinsatz. Obwohl ihre harte Arbeit unter schwierigsten Bedingungen stattfand und der mangelnde Schlaf sowie der häufige Kontakt beispielsweise mit Infektionskranken ihrerseits oftmals einen hohen Tribut forderten, erhielten die Frauen nur selten entsprechende Anerkennung und sahen sich vielmehr in der vorherrschenden Beurteilung immer wieder selbst Anfeindungen ausgesetzt. Beharrlich wurde ihnen eine besonders fragwürdige „Kriegslust“ nachgesagt und meist ein „unsteter“ Lebenswandel unterstellt.
Dienst in der Armee und zwischenmenschliche Beziehungen
Ähnlich erging es jenen rund 28 000 weiblichen Hilfskräften für die Armee im Felde, die ab März 1917 verstärkt als Schreiberinnen und Bürokräfte in den militärischen Dienststellen, als Kraftwagenfahrerinnen oder als Telefonistinnen in den Feldpostämtern dienstverpflichtet wurden. Sie dienten der Armee als „Ersatz“ für die immer dringender gebrauchten männlichen Soldaten. Ihre bloße Anwesenheit beeinflusste jedoch geradezu zwangsläufig das Alltagsleben in den frontnahen Bereichen.
Bitterer Einsatz in der Heimat
„Uniformierte“ Frauen zählten dennoch - spätestens seit dem Kriegsjahr 1916 - insbesondere in den Städten zum Alltagsbild, sei es als Schaffnerinnen, Tramwayfahrerinnen, Briefträgerinnen oder Straßenarbeiterinnen. Überall dort, wo der Bedarf oder die Nachfrage am größten war, wurden Frauen verpflichtet. An der „Heimatfront“ schien der Bedarf tatsächlich unerschöpflich, und die Mobilisierung von Frauen insbesondere für deren Einsatz in den kriegswichtigen Metall-, Elektro-, Maschinen- und chemischen Industriebetrieben verstärkte sich mit Fortdauer des Krieges.
Die höchsten Zuwachsraten weiblicher Lohnarbeit verzeichneten die Pulver- und Munitionsfabriken. Unter teilweise furchtbaren Arbeitsbedingungen, unter Aufhebung zahlreicher bis dato erreichter Sozial- und Schutzmaßnahmen, beispielsweise der Sonntagsruhe und des Nachtarbeitsverbotes, sowie bei vielfach (mitunter bis zu 40 Prozent) geringerem Lohn und unter Nichtbezahlung von Überstunden bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitszeit, fristeten die Arbeiterinnen - vielfach durch den Krieg verarmte bzw. verwitwete Frauen aus der Mittelschicht - ein besonders tristes und mitunter ebenso gefährliches (Kriegs-)dasein.
Verdrängung nach dem Krieg
Hatten Frauen sich aufgrund ihrer während der Kriegsjahre erbrachten Leistungen und vielfachen Opfer vereinzelt doch eine gewisse gesellschaftliche und wirtschaftliche Besserstellung erwartet, so wurden diese vermeintlich berechtigten Hoffnungen bei Kriegsende 1918 in keiner Weise erfüllt - im Gegenteil. An den Arbeitsplätzen begann ein mitunter äußerst aggressiv geführter Verdrängungsprozess, der unmittelbar darauf abzielte, die gesellschaftlichen Rollenverhältnisse der Vorkriegszeit herzustellen.
In Wirklichkeit waren die Frauen nur vorübergehend - als kriegsnotwendiger „Ersatz“ - für die nunmehr aus dem Krieg wieder heimkehrenden Männer akzeptiert worden. Letztlich diente auch die Verankerung des allgemeinen und gleichen Frauenwahlrechtes in der jungen Republik Deutsch-Österreich vom 12. November 1918 vorrangig dazu, ausreichend Wählerstimmen zu bekommen, solange die Männer allesamt noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Allein diese Form des „Ersatzwesens“ sollten sich die Frauen nicht mehr nehmen lassen.
Hofrat Mag. Dr. Christoph Hatschek ist Leiter Sammlung und Vizedirektor HGM.