Frauen im Heer: Freiwilliger Grundwehrdienst seit 2023
Die Karrierechancen für Frauen im Österreichischen Bundesheer sind seit 1998 vielfältig. Ein weiterer Schritt ist der 2023 eingeführte Ausbildungsdienst für Mannschafts- und Chargenfunktionen, besser bekannt als „freiwilliger Grundwehrdienst“. Dieser ermöglicht es Frauen, den Soldatenberuf in sechs Monaten kennenzulernen.
Vom Verbot zur Integration
Im Laufe der österreichischen Militärgeschichte spielten Frauen lange Zeit eine untergeordnete Rolle innerhalb der Streitkräfte. Erst im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen und der fortschreitenden Gleichstellung der Geschlechter eröffneten sich für Frauen im Bundesheer die gleichen Möglichkeiten. Am 1. April 1998 rückten die ersten Frauen beim Österreichischen Bundesheer ein. Zuvor waren sie lediglich in zivilen Dienststellen des Bundesheeres tätig.
Seither haben viele Frauen eine militärische Laufbahn eingeschlagen. Sie sind in allen Bereichen von der Panzer- oder Jägertruppe über den Sanitätsdienst, in der Militärpolizei sowie in technischen und administrativen Positionen vertreten. Auch an diversen Auslandseinsätzen nehmen sie aktiv teil und übernehmen dort wichtige Aufgaben. In den letzten Jahren hat sich das Österreichische Bundesheer verstärkt um die Integration von Frauen in verschiedenen Führungspositionen bemüht. Derzeit sind etwa 9,2 Prozent der Führungskräfte im Verteidigungsressort weiblich. Diese Entwicklung ist Teil einer umfassenderen Strategie, um den Frauenanteil im Bundesheer kontinuierlich zu steigern.
Einfach Soldatin werden
Seit April 2023 gibt es einen neuen Ausbildungsdienst – den freiwilligen Grundwehrdienst – für Frauen im Österreichischen Bundesheer, der beim Girls’ Day 2023 offiziell präsentiert wurde. Dieser Ausbildungsweg ermöglicht es Frauen, zunächst in das Militär „hineinzuschnuppern“, ohne sich sofort für eine langfristige Laufbahn zu verpflichten. Ziel ist es, Frauen einen niedrigschwelligen Zugang zum Bundesheer zu bieten, ohne die Verpflichtung zu einer Offiziers-, Unteroffiziers- oder Milizlaufbahn. Innerhalb des letzten Jahres haben sich 244 Frauen dazu gemeldet, von denen 136 ihren Dienst bereits angetreten haben. Seit der Einführung dieses Dienstes ist der Anteil der Soldatinnen auf etwa fünf Prozent gestiegen, was den höchsten Stand seit 1998 darstellt.
Die neue Regelung ermöglicht es, in sechs Monaten erste Erfahrungen als Soldat im Bundesheer zu sammeln. Wenn sich diese als positiv erweisen, können sie sich für eine weiterführende Laufbahn entscheiden – eine kurz-, mittel- oder langfristige Laufbahn als Unteroffizier oder Offizier. Dieser flexible Zugang steht Männern nicht zur Verfügung, da diese gemäß § 10 Wehrgesetz ab 17 Jahren stellungspflichtig sind und danach in weiterer Folge ihren Grundwehrdienst absolvieren müssen. Frauen hingegen werden gemäß Wehrgesetz § 37 über den Ausbildungsdienst einberufen, da es keine gesetzliche Grundlage gibt, sie zum Grundwehrdienst zu verpflichten. Diese Initiative bedeutet nicht nur eine verstärkte Integration, sondern auch eine Anpassung an zeitgemäße Karrierewege innerhalb der Streitkräfte.
Schritt für Schritt
Der Zugang für Frauen ist relativ unkompliziert. Interessierte können sich online unter www.karriere.bundesheer.at informieren, direkt in eine Beratungsstelle (zum Beispiel zum Infopoint auf der Mariahilfer Straße in Wien) kommen oder telefonisch einen Termin vereinbaren. Auf Veranstaltungen wie dem jährlichen Girls‘ Day wird ebenfalls über die verschiedenen Möglichkeiten informiert. Die Beratung erfolgt umfassend und ergebnisoffen, ohne eine bestimmte Richtung zu bevorzugen. Frauen werden über den Ablauf, die Ausbildung, die Anforderungen und die verschiedenen Laufbahnmöglichkeiten informiert, sodass sie eine Entscheidung treffen können. Sollte das Interesse am Soldatenberuf bestehen, aber noch keine klare Orientierung vorliegen, wird empfohlen, mit dem freiwilligen Grundwehrdienst zu starten. Frauen, die bereits gut informiert sind und sich sicher sind, dass sie eine Offizierslaufbahn einschlagen möchten, können diesen Weg direkt gehen.
Der Ablauf des freiwilligen Grundwehrdienstes ist im Prinzip identisch mit dem der stellungspflichtigen Männer. Frauen vereinbaren einen Termin für die Eignungsprüfung, die zwei Tage dauert und in einem der sechs Stellungshäuser in Österreich durchgeführt wird. Die Eignungsprüfung für Frauen entspricht im Wesentlichen der Stellung für Männer, auch wenn der Begriff „Stellung“ offiziell nur für Männer verwendet wird. Diese Prüfung kann in jedem der sechs Stellungshäuser in Österreich absolviert werden, wobei den Frauen die freie Wahl des Ortes eingeräumt wird. Der Termin wird nach den Präferenzen der Bewerberinnen festgelegt.
Der erste Schritt für Frauen, die am Ausbildungsdienst teilnehmen möchten, besteht in der freiwilligen Meldung. Diese erfolgt durch die Abgabe von bestimmten Unterlagen, die belegen, dass sich die Person freiwillig für den Dienst meldet und ein ernsthaftes Interesse am Militärdienst da ist. Das ist wichtig, da eine solche freiwillige Meldung durch Informationsgespräche und Beratungen untermauert werden muss. Nach der Abgabe dieser Unterlagen werden die Daten in einem System erfasst. Sobald dies erfolgt ist, erhalten die Frauen einen Einladungstermin zum Ausbildungsdienst. Diese Termine sind regelmäßig und auf ganz Österreich verteilt. Frauen durchlaufen dabei den gesamten Stellungsprozess nach einem festen Zeitplan.
Wenn die Eignungsprüfung positiv war, beginnt die militärische Ausbildung. Diese umfasst eine grundlegende militärische Schulung von der Basisausbildung bis hin zur spezifischen Waffengattungsausbildung. Dabei wird sichergestellt, dass Frauen die gleichen Erfahrungen und Kenntnisse erwerben wie ihre männlichen Kameraden. Nach Abschluss dieser Phase besteht die Wahl zwischen einer Milizlaufbahn oder dem „6+3“ Modell, das einen Inlandseinsatz direkt nach der Grundausbildung ermöglicht.
Nach dem Ausbildungsdienst findet ein Beratungsgespräch mit einem Wehrdienstberater statt. Dabei werden der Gesamteindruck besprochen und mögliche Laufbahnoptionen erörtert. Falls eine Frau während des Ausbildungsdienstes feststellt, dass der Militärdienst nicht ihren Erwartungen entspricht, kann sie den Dienst jederzeit ohne weitere Verpflichtungen beenden. Die Frauen, die im Heer bleiben möchten, können eine langfristige Karriere im Militär einschlagen. Dazu gehört die Möglichkeit, sich für eine Kaderausbildung zu qualifizieren. Dies umfasst weitere umfangreiche Prüfungen und eine umfassende körperliche sowie psychologische Eignung.
Wissenswertes
Frauen, die beim Österreichischen Bundesheer einsteigen möchten, werden speziell vorbereitet und in Einheiten mit geeigneter Infrastruktur wie getrennten Schlafräumen und sanitären Einrichtungen untergebracht. Künftige Soldatinnen müssen sich bewusst sein, dass sie anfangs in der Minderheit sein werden und dass der Dienst herausfordernd und zäh sein kann. Der freiwillige Grundwehrdienst bietet einen niedrigschwelligen Einstieg ohne umfassende Tests, wie sie bei einem direkten Einstieg in der Kaderanwärterausbildung erforderlich sind. Das wird als positiv betrachtet, da Frauen so den Dienst ausprobieren können, ohne sich langfristig binden zu müssen. Das Gehalt im Ausbildungsdienst beträgt netto etwa 1 360 Euro im Monat – mit denselben Vergünstigungen wie für Männer. Der Einstieg beim Bundesheer ist ab dem 17. Lebensjahr mit Einverständniserklärung der Eltern möglich. Ältere Interessenten sollten sich gut beraten lassen, da es Altersgrenzen für bestimmte Laufbahnen gibt. Die meisten Rekruten sind zwischen 17 und 25 Jahre alt, aber auch ein späterer Einstieg ist möglich.
Das Balancieren von Familienpflichten mit dem Dienst kann herausfordernd sein, besonders in der Anfangsphase ohne Heimschläfergenehmigung. Frauen mit Kindern müssen die Betreuung anderweitig organisieren, genauso wie es auch die Männer müssen. Im Falle von Krankheit kann die Ausbildung abgebrochen und später wieder aufgenommen werden. Die Möglichkeit der Wiedereingliederung in den Ausbildungsplan wird geprüft. Interessentinnen können sich jederzeit bei Wehrdienstberatern – zum Beispiel im Infopoint Mariahilfer Straße – informieren. Ein Termin ist in der Regel nicht erforderlich.
Vorteile
Bislang war der Zugang für Frauen zu Unteroffiziers- und Offizierslaufbahnen nur direkt möglich. Mit dem neuen Ausbildungsdienst erhalten Frauen die Gelegenheit, innerhalb von sechs Monaten grundlegende militärische Fähigkeiten zu erwerben. Eine der größten Stärken des freiwilligen Grundwehrdienstes für Frauen ist die Möglichkeit, einen Vorsprung gegenüber Direkteinsteigern zu erlangen. Der freiwillige Grundwehrdienst ist ein wesentlicher Vorteil, da sie schon vor dem offiziellen Einstieg in die Kaderanwärterausbildung mit den Tugenden des Militärs vertraut gemacht werden.
Zusätzlich zu den Ausbildungsinhalten bietet der freiwillige Grundwehrdienst auch finanzielle Anreize. Die im freiwilligen Dienst verbrachte Zeit wird für den Vorrückungsstichtag angerechnet, was sich positiv auf die Gehaltsstufen und somit auf die Besoldung auswirkt. Frauen, die diesen Weg einschlagen, können bereits mit einem höheren Gehalt in die Kaderanwärterausbildung eintreten. Ein weiterer Vorteil ist die Chance, bereits Kontakte zu anderen Soldaten zu knüpfen, was beim späteren Einstieg in die Kaderanwärterausbildung ebenfalls von Nutzen sein kann.
Voraussetzungen
Davor
- Österreichische Staatsbürgerschaft
- Volle Handlungsfähigkeit
- Mindestalter: vollendetes 17. Lebensjahr (mit Einverständniserklärung der Eltern)
- Höchstalter gemäß den Bestimmungen § 38a WG 2001
- Festgestellte persönliche Eignung für den Wehrdienst
Danach
- Laufbahn (O, UO, KPE)
- Einsätze im In- und Ausland
- Miliztätigkeit
- Fortsetzung zivile Laufbahn (ohne Verpflichtungen)
Ablauf
- Abgabe der freiwilligen Meldung
- Beratung durch Wehrdienstberater und Festlegung Termin Eignungsprüfung/Ch
- Eignungsprüfung/Ch im Stellungshaus
- Erhalt Einberufungsbefehl
Resümee
Derzeit arbeiten im Bundesministerium für Landesverteidigung etwa 29 Prozent weibliche Bedienstete, wodurch der Anteil der Frauen im gesamten Ressortbereich bei etwa 14 Prozent liegt. Diese Zahlen verdeutlichen die Fortschritte, die bisher erzielt wurden, zeigen jedoch auch, dass weiterhin Maßnahmen erforderlich sind, um noch mehr Frauen für das Bundesheer zu gewinnen. Die Statistik zeigt auch, dass seit Einführung des freiwilligen Grundwehrdienstes viele Frauen den Weg in eine berufliche militärische Laufbahn gefunden haben und sich diese Maßnahme bewährt hat und die gesamten Initiativen zur Integration von Frauen im Bundesheer bereits Früchte tragen. Dennoch bleibt es das Ziel, den Frauenanteil weiter zu erhöhen und eine gleichberechtigte Teilhabe sicherzustellen, und ist somit ein zentraler Bestandteil der zukünftigen Planungen und Maßnahmen im Verteidigungsressort
Jelena Svjetlanovic, BA ist Redakteurin beim TRUPPENDIENST
Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2024 (399).