• Veröffentlichungsdatum : 22.02.2017
  • – Letztes Update : 23.02.2017

  • 6 Min -
  • 1173 Wörter

Jeder Einzelne trägt Verantwortung

Lukas Bittner

Im August 2016 wurde Oberstleutnant Bernhard Schulyok Kommandant des Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia“, das er seit September 2015 interimistisch führt. Im Interview spricht er über die Ziele seiner Kommandoführung.

TRUPPENDIENST (TD): Welche Herausforderungen erwarten Sie als Kommandant des Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia“?

Oberstleutnant Bernhard Schulyok (S): Ich sehe meine Funktion als Kommandant des Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia“ mit meinen anderen Standbeinen verknüpft. Einerseits beruflich als Angehöriger der Zentralstelle, konkret in der Abteilung Militärstrategie, und andererseits privat als Familienvater mit zwei Kindern. Damit ist die ständige Herausforderung gegeben, diese unterschiedlichen Aspekte unter einen Hut zu bringen. 

Der Triangel „Staatsbürger - Mensch - Soldat“ als Bestandteil von „Politik - Gesellschaft - Militär“ kommt bildlich gesehen große Bedeutung zu. Jeder Einzelne trägt hohe Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen. 

Gerade in Zeiten, in denen neue Bedrohungen ohne klare Fronten oder eindeutige Kontrahenten zu erwarten sind, die Unsicherheit am Arbeitsmarkt gegeben ist, der Verfall von Moral und Sitte angeprangert wird, strebt die Gesellschaft und der Einzelne nach Rückhalt und klaren Aussagen, Werten und Normen. Fundierte Analysen, konkrete Ableitungen und Prioritätensetzungen sowie der Mut und die Kraft auch Reformen einzufordern und umzusetzen, dabei den Menschen überzeugt mitzunehmen - das sind die Anforderungen an eine heutige Führungskraft. Zuhören können und Verstehen sind dabei die entscheidenden Kommunikationswerkzeuge.

Maria Theresia, die Namenspatronin des Verbandes, hat angesichts des ersten Schlesischen Krieges und des Österreichischen Erbfolgekrieges gemeint: „Haben herzhaft agiert, alles hasardiert und alle Kräfte angespannt“. So sehe ich auch meine Aufgabe: Stets standfest, entschlussfreudig, reformeifrig und mutig voran - sich den Aufgaben stellen und mit den vereinten Kräften des gesamten Verbandes Antworten auf Herausforderungen finden. Hier liegt die Stärke und der Benefit eines Wehrpflichtigen des Milizstandes, sprich Milizsoldaten: Er ist eingebettet und verankert in der Gesellschaft, hat eine Mehrrollenfähigkeit durch den Zivilberuf und fungiert somit als Bindeglied zur Präsenzorganisation des Bundesheeres.

TD: Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial im Jägerbataillon Wien 2?

S: Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen wir wesentlich flexibler werden und kreativ an die Sache herangehen. Dies beinhaltet auch die Fähigkeit zur Bildung von Teams, die individuell an Lösungen arbeiten können. Das bedingt aber auch eine Verbesserung der Mobilität und Nachtkampffähigkeit, die Ausstattung mit „less lethalen“ Wirkmitteln sowie zeitgemäßem IKT-Gerät, das eine Einbettung in das restliche ÖBH ermöglicht, speziell Führungsinformationssysteme. Hybride Konflikte erfordern eine optimierte Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, insbesondere mit der Sicherheitsexekutive, aber auch anderen Einsatzorganisationen. Der Mehrwert der Milizangehörigen ist hierbei besonders in den Synergieeffekten zu finden. Viele Milizsoldaten sind ja auch Angehörige von freiwilligen Feuerwehren, des Roten Kreuzes und ähnlicher Organisationen.

TD: Wo liegen Ihre Schwerpunkte als Kommandant des Verbandes?

S: Die Zeit ist knapp und muss wohlüberlegt genützt werden. Die Einsatzvorbereitung hat sich nach Prioritäten zu orientieren. Relevant ist, die richtigen Dinge richtig zu tun! Zunächst sind dem einzelnen Soldaten die erforderlichen Gefechts- und Einsatztechniken beizubringen. Dabei steht die Ermittlung vor der Vermittlung von Inhalten. Nur selbst Erarbeitetes bleibt hängen, natürlich unter Begleitung von hierfür qualifiziertem Personal. Diese Techniken werden über die Ebenen Trupp, Gruppe, Zug, Kompanie bis zum Bataillon eingeübt und, soweit möglich, gefestigt. Hier gilt der Grundsatz: Weniger ist mehr!

Alle für den Schutz erforderlichen Techniken - hierzu gehört auch das angriffsweise Vorgehen und das Setzen von Verteidigungshandlungen - sind immer lösungsorientiert, teilweise unkonventionell in der Mittelwahl, aber im Dreiklang von Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit einzuüben und anzuwenden. Soldaten müssen in der Lage sein, Verfahren und Mittel unter Berücksichtigung der Deeskalationsleiter anzuwenden. Das Ausbildungsmittel hierbei ist das Szenarientraining mit den Schwerpunkten Einsatzrecht auch unter ABC-Bedrohung und der Komponente Sanitätsversorgung. Das soll bei der nächsten Waffenübung im November 2017, der „NETZWERK 17“, berücksichtigt werden.

TD: Was ist das Thema der „NETZWERK 17“, und wo findet sie statt?

S: Das Thema der Übung wird der Schutz ausgewählter kritischer Infrastruktur in der Bundeshauptstadt Wien sein, aber auch Überlegungen zum Schutz der Bevölkerung als vorrangiges „Schutzobjekt“. Der Einsatz im urbanen Umfeld ist eine besondere Herausforderung. Je nach Bedrohungsbild bzw. Akteur ist hier in rechtlicher Hinsicht und in der Mittelwahl zwischen dem Assistenzeinsatz und dem militärischen Schutz (militärische Landesverteidigung; Anm.) zu unterscheiden.

Hier gilt es die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen des Sicherheitspaketes, das die Bundesregierung 2016 beschlossen hat, zu berücksichtigen. Darin können beispielsweise die Botschaftsbewachung bzw. der Schutz kritischer Infrastruktur als zwei von vier neuen originären Aufgaben des Bundesheeres auf Beschluss der Bundesregierung angeordnet werden. Dies bedingt vorab die Anpassung der Gesetzeslage, unter anderem eine Verfassungsänderung. 

TD: Was wollen Sie als Kommandant noch berücksichtigt haben?

S: Entscheidend ist für mich immer die Freude am Lernen - Arbeit soll auch Spaß machen! Neben der Einsatzvorbereitung darf daher die Kameradschaftspflege nicht zu kurz kommen. Gerade im Friedensdienstbetrieb ist die Zeit zu nützen, um sich besser kennen zu lernen. Damit ist auch im Einsatz, wenn keine Zeit vorhanden ist, um Entscheidungen und Maßnahmen zu begründen, das Vertrauen in die Führungsfähigkeit gegeben und das Handeln im Sinne des Kommandanten sichergestellt.

TD: Worin liegt der Mehrwert der Miliz für das ÖBH?

S: Der Mehrwert der Miliz ist ihre Mehrrollenfähigkeit, insbesondere die Einbettung in die Gesellschaft. Derartige Synergieeffekte sind zu nützen. Das unterstreicht auch die Partnerschaft von Organisationseinheiten des Bundesheeres mit Institutionen der Wirtschaft oder anderen Institutionen, so wie bei unserem Verband mit der Österreichischen Staatsdruckerei. Gelebte Partnerschaft und gegenseitiges Verständnis für Aufgaben und Abhängigkeiten ergeben eine „win-win“ Situation für beide Partner.

Das höchste Gut ist der Mensch. Die Wertschätzung, die wir unseren Mitarbeitern entgegenbringen entscheidet darüber, wie sie über uns urteilen. Ich brauche keine 30 Millionen in die Attraktivierung des Grundwehrdienstes stecken, wenn ich dann am Kasernenhof Ausdrücke höre, wie: „Bewegt´s euren Kadaver!“ Wertschätzung kostet nichts, nur den anderen wert schätzen. Ein Kommandant muss immer ein offenes Ohr für die Anliegen seiner Mitarbeiter haben - ist der Kopf dann frei, kann man sich auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren. Teamfähigkeit und jeden Soldaten, seinen Fähig- und Fertigkeiten entsprechend, am richtigen Platz einzusetzen, sind ebenfalls Erfolgsgaranten. Frei nach Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“

Was mich in diesem Zusammenhang besonders begeistert, ist die ungebrochene Motivation, mit der Milizangehörige mit großer Freude, trotz widriger Umstände und oftmals mit Gegenwind, ihre Aufgaben erfüllen. Das Herz auf dem rechten Fleck und Teamgeist zu haben, sind die besten Voraussetzungen für gute Zusammenarbeit.

TD: Ihr Verband ist nach Maria Theresia benannt. Wie wichtig sind Ihnen die Traditionspflege und das Gedenken an ihre Namensgeberin?

S: Tradition ist heute wichtiger denn je. Tradition bedeutet auch eine aktive Auseinandersetzung mit den eigenen Werten, mit den Werten und Normen der Gesellschaft, respektive mit jenen unserer Militärkultur. Menschen legen Wert auf Respekt, Orientierung und Halt. Das wollen wir unseren Soldaten geben. 

2017 ist die 300-jährige Wiederkehr des Geburtstages von Maria Theresia. Am 13. Mai begeht das Jägerbataillon Wien 2 den traditionellen Gedenktag an seine Namenspatronin in würdigem Rahmen. Dabei ist überdies die Einbindung einer Abordnung des Nachfolgeverbandes unseres Traditionstruppenkörpers, des ungarischen Infanterieregimentes 32, der heutigen Garde der ungarischen Streitkräfte, geplant. Gerade in der heutigen Zeit ist das grenzübergreifende Besinnen auf gemeinsame Werte und soldatische Tugenden hervorzuheben und zu betonen. Hier soll der Grundsatz gelten: Aus der Vergangenheit lernen, in die Zukunft wirken!

Das Interview führte Stabswachtmeister Lukas Bittner, MA.

 

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