• Veröffentlichungsdatum : 12.10.2021
  • – Letztes Update : 20.10.2021

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Psychological Operations - Teil 2

Alexander Schiller

Bereits in den 1980er-Jahren erkannte das Bundesheer den Bedarf für Elemente der „Psychologischen Kampfführung“. Dennoch wurden erst im Jahr 2002 Arbeitsplätze für diesen Bereich geschaffen. Seit damals gab es mehrere Änderungen in der Organisation der Kräfte für Psychological Operations (PsyOps). Das führte zu einem kontinuierlichen Aufbau dieser zukunftsträchtigen Waffengattung im Österreichischen Bundesheer.

Im Dezember 2002 wurden die ersten beiden PsyOps-Elemente im Österreichischen Bundesheer gegründet. Ein Element mit zwei Arbeitsplätzen (ein Offizier und ein Unteroffizier) befand sich beim Kommando Internationale Einsätze, in der Grazer Belgier-Kaserne. Das zweite Element war das Referat „Geistig-Psychologische Unterstützung“ mit zwölf Mann als Teil des Zentrums Internationale Kooperation, ebenfalls in Graz.

Der für dieses Referat verwendete Name kann als originelle österreichische Kreation verstanden werden, die als Anlehnung an die „Geistige Landesverteidigung“ der „Umfassenden Landesverteidigung“ zu interpretieren ist. Das führte jedoch zu Verwechslungen mit dem „Heerespsychologischen Dienst“, weshalb das Referat den Namen „Psychologische Kampfführung“ erhielt. Da dieser Begriff für österreichische Verhältnisse relativ aggressiv klang, erfolgte die Umbenennung des Referates in „Operative Kommunikation“. Im Jahr 2006 wurde mit der Aufstellung des Streitkräfteführungskommandos die Abteilung Informationsoperationen geschaffen und dort zwei Arbeitsplätze für PsyOps als fachvorgesetzte Dienststelle dieses Referates eingerichtet. Im Zuge der aktuellen „Neustrukturierung 2021“ soll die Abteilung Informationsoperationen jedoch aufgelöst und in das Referat Presse des Bundesministeriums für Landesverteidigung übergeleitet werden.

Das Zentrum Internationale Kooperation bestand ursprünglich aus einem Kommando, den Referaten Dienstbetrieb, CIMIC (Civil Military Cooperation; zivil-militärische Zusammenarbeit), Militärpolizei und Verifikation sowie dem Aufstellungsstab Brigade für internationale Einsätze. 2006 wurde es auf ein Kommando, die Referate Dienstbetrieb, CIMIC und Operative Kommunikation reduziert. Somit verfügte das Bundesheer von 2006 bis 2010 bereits über einen Verband, bei dem die Kapazitäten von PsyOps und CIMIC gebündelt waren. Jedoch wurde – im Gegensatz zu anderen Staaten – die Wichtigkeit und Notwendigkeit von effektiven Wirkmitteln in diesem Bereich noch nicht in dessen gesamten Umfang erkannt. Deshalb wurde der Ausbau dieser, aus heutiger Sicht zukunftsträchtigen Struktur vorerst nicht weiterverfolgt.
Im Jahr 2010 wurde das Zentrum Internationale Kooperation aufgelöst. Die Elemente von CIMIC und PsyOps (noch als Operative Kommunikation bezeichnet) wurden reduziert, und als Außenstelle Graz der neu gegründeten Auslands-einsatzbasis in Götzendorf unterstellt. Seit damals sind die österreichischen PsyOps-Kräfte in der Abteilung PsyOps, der einzigen PsyOps-Einheit des Bundesheeres, zusammengefasst. Die fachvorgesetzte Dienststelle war bis zum 1. Juli 2021 die Abteilung Informationsoperationen im Kommando Streitkräfte. Eine gewisse Aufwertung erfuhr der Fachbereich im Jahr 2017, zumindest in der Theorie. Damals wurde PsyOps im neu verfügten Militärstrategischen Konzept 2017 (MSK 2017) als eigene Waffengattung der Teilstreitkraft „Informationskräfte“ definiert.

 

Abteilung PsyOps

Die Abteilung PsyOps ist für folgende Aufgaben verantwortlich:

  • Implementierung und Weiterentwicklung des Fachbereiches PsyOps;
  • Erstellen von bzw. Zuarbeiten bei Grundlagendokumenten wie Vorschriften, Curriculae, Konzepten etc.;
  • Aus-, Fort- und Weiterbildung des Fachpersonals;
  • Durchführung von nationalen und internationalen Kursen;
  • Beteiligung an nationalen und internationalen Übungen;
  • Aufbringung und Ausbildung von Fachpersonal bei internationalen Einsätzen;
  • Grundlagenarbeit und Lehre im Fachbereich.
  • Unterstützung der Einsatzvorbereitung für internationale Einsätze durch spezifische Unterrichte, z. B. „Kulturelle Wahrnehmung“;
  • Gestellung von PsyOps-Fachpersonal für Ausbildungen an Akademien und Schulen;
  • Bereithalten und Führen eines KIOP-KPK-Elementes (Kräfte für Internationale Operationen-Kaderpräsenzkräfte) für internationale Einsätze;
  • Bereithalten von Einsatzkamerateams zur Dokumentation von Einsätzen als Beitrag zum Lagebild des vorgesetzten Kommandos;
  • Unterstützung taktischer Elemente in allen Einsatzszenarien;
  • Teilnahme an internationalen Konferenzen und Tagungen zum Sammeln und Austauschen von Informationen sowie zum Erhalt der internationalen Interoperabilität.

Gliederung

Die Abteilung PsyOps besteht aktuell aus den Referaten Führung, Grundlagen/Ausbildung, Produktion, Zielgruppenanalyse und drei taktischen PsyOps Trupps. In der Abteilung gibt es 22 Arbeitsplätze für Berufssoldaten (5 Offiziere, 17 Unteroffiziere) sowie acht Arbeitsplätze für KIOP-KPK-Soldaten und einen Milizanteil von 14 Arbeitsplätzen. Der Kopf der Abteilung PsyOps ist das Referat Führung. Dieses ist für die Führung, Planung und Koordinierung der Abteilung in allen personellen und ausbildungsmäßigen Belangen verantwortlich. Die Aufgabe des Referates Grundlagen ist die Weiterentwicklung des Fachbereiches bzw. der Waffengattung in allen Belangen der Ausbildung. Das Referat Zielgruppenanalyse erstellt Zielgruppenstudien für alle relevanten Einsatzräume. Diese liefern die Grundlagen für die Entwicklung von PsyOps-Produkten und Tätigkeiten. Ein weiteres Aufgabengebiet ist das Erkennen und die Analyse von gegnerischer Propaganda und deren Einfluss auf die eigenen Truppen. Die Zielgruppenanalyse erstellt und bereitet auch geeignete Gegenmaßnahmen (Counterpropaganda) vor. Durch Informationen an die eigenen Soldaten können diese auf eine mögliche Beeinflussung sensibilisiert und deren Gefährdung verringert werden. Bei der Einsatzvorbereitung für internationale Einsätze führt dieses Referat Unterrichte über das kulturell angepasste Verhalten und die kulturell angepasste Kommunikation für Soldaten durch.

Das Schwergewicht des Referats Produktion ist das Herstellen von Video- und Printprodukten. Dazu stehen den dortigen Spezialisten digitale Fotoapparate und Kameras, Schnittrechner sowie eine spezielle Foto- und Videosoftware zur Verfügung. Eine nationale Besonderheit ist, dass die Kameratrupps nicht nur PsyOps-Produkte herstellen, sondern auch als Einsatzkamerateams eingesetzt werden können. International betrachtet sind Einsatzkamerateams keine PsyOps-Elemente, da sie nicht der Beeinflussung anderer dienen, sondern für die Dokumentation von Einsätzen (z. B. Beweissicherung) zuständig sind. Ihre Aufgabe ist es, dem vorgesetzten Kommando mit Audio- und Videoprodukten Beiträge zum Lagebild zu liefern. Im Idealfall erfolgt das über eine direkte Übertragung nahezu in Echtzeit, wobei diese Fähigkeit aktuell nicht vorhanden ist.

Taktische PsyOps-Trupps

Die Einsatzaufgabe taktischer PsyOps-Trupps ist es, durch Gesprächsführung, Lautsprecheraufrufe oder dem Verteilen von PsyOps-Produkten eine Zielgruppe zu informieren oder zu beeinflussen und so eine Änderung ihres Verhaltens zu bewirken. Des Weiteren können sie bei Täuschungsoperationen unterstützen und dienen dem taktischen Kommandanten als Berater im Fachbereich. In Zusammenarbeit mit der Produktion und der Zielgruppenanalyse führen sie Pre- und Post-Tests von PsyOps-Produkten durch. Mit Pre-Tests werden Produkte im Entwicklungsstadium auf ihre Wirkung untersucht, mit Post-Tests wird deren Wirkung nach einer Kampagne evaluiert. Das gezielte Beeinflussen ist nur für genau definierte Zielgruppen gestattet. Eine geplante Beeinflussung der eigenen Bevölkerung oder jener befreundeter Staaten ist strikt verboten. Durch ihre in Österreich einzigartigen Hochleistungslautsprecher können die taktischen PsyOps-Trupps auch im Inland als Mittel zur Information bei Großveranstaltungen oder zur Notfallkommunikation bei Elementarereignissen eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren wurde diese Fähigkeit beispielsweise bei der Informationsveranstaltung am Nationalfeiertag oder der AIRPOWER eingesetzt.

Lautsprechersysteme

Als wesentliches Wirkmittel verfügen die taktischen PsyOps-Trupps über zwei Hochleistungslautsprecher-Systeme. Diese sind tragbar, können aber auch auf Fahrzeugen montiert werden. Während der Migrations- und Flüchtlingskrise 2015 waren beide Lautsprechersysteme an den Grenzübertrittsstellen Nickelsdorf und Spielfeld erstmalig für das Informieren, Lenken und Leiten der Schutzsuchenden im Einsatz. Für dessen Erfolg spricht, dass ohne dieses Wirkmittel die Bewältigung der Situation vor Ort vermutlich nicht möglich gewesen wäre. Mit beiden Lausprechersystemen kann als zusätzlicher Effekt ein hochfrequenter Warn- und Störton abgestrahlt werden. Dadurch können etwaige aggressive Handlungen relativ rasch und ohne weiteren Einsatz von Gewalt unterbunden werden. Da der anschwellende Ton kontinuierlich an Intensität zunimmt, zwingt man einen potenziellen Angreifer dazu, sich diesem durch Abwenden bzw. Zuhalten der Ohren zu entziehen. Damit wird ein Ablenkungseffekt erzielt und eine Weiterführung der aggressiven Handlung vorerst verhindert.

MANPACK LSA-2011

Die mobil einsetzbaren, tragbaren Lausprechersysteme des Herstellers Glock Audio haben ein Gewicht von 8,4 kg, eine Leistungsfähigkeit von 131 Dezibel und können mittels Akku etwa sechs Stunden betrieben werden. Mit Hilfe dieser Lautsprecher können Durchsagen oder Audiofiles bis zu einer Entfernung von 1.000 m (unter idealen Bedingungen) übermittelt werden.

IVECO „Husar“ PsyOps

Das Einsatzfahrzeug der Abteilung PsyOps im In- und Ausland ist eine Spezialvariante des geschützten Mehrzweckfahrzeuges Light Multirole Vehicle (LMV) IVECO „Husar“ PsyOps. Auf dem Trägerfahrzeug wurde als österreichische Spezialentwicklung durch das Heereslogistikzentrum Salzburg der Hochleistungslautsprecher LRAD-500X aufgebaut. Mit einer Ausgangsleistung von 149 Dezibel und 300 Watt können damit Durchsagen (live oder digitalisiert) bzw. Audiofiles bis zu einer Entfernung von 2.000 m übermittelt werden. Der Lautsprecher ist um 360 Grad schwenkbar und geschützt vom Innenraum bedienbar. Durch dessen Minen- und ABC-Schutz eignet sich dieses Fahrzeug sowohl zur Information von Menschenmassen als auch für Einsätze erhöhter Intensität.

Aus- und Fortbildung

Der Fachbereich PsyOps deckt ein komplexes und umfangreiches Gebiet ab. Daraus resultiert eine langwierige Ausbildung von PsyOps-Soldaten. Um international am aktuellen Stand zu bleiben, ist eine ständige Fort- und Weiterbildung zwingend erforderlich. Für das Kader der Abteilung PsyOps erfolgt der erste Ausbildungsschritt bei den beiden Kursen, die jährlich von der Abteilung durchgeführt werden. A Weitere spezifische Ausbildungen und Kurse in den Fachbereichen erfolgen teilweise durch zivile Anbieter (vor allem im Bereich der Produktion) oder bei internationalen PsyOps-Ausbildungen.

Durch das Kader der Abteilung PsyOps wurden bereits internationale Fachkurse in Deutschland, im Vereinigten Königreich, in Kanada, Italien, in den Niederlanden oder in Dänemark besucht. Diese Kurse sind vor allem für das Nicht-NATO-Mitglied Österreich bedeutend, da so der Kontakt mit der internationalen PsyOps-Community gehalten werden kann. Eine ständige Weiterentwicklung und Aktualisierung der nationalen Ausbildung ist ein wesentlicher Vorteil dieser internationalen Kontakte. Bedingt durch die gute internationale Reputation der österreichischen PsyOps-Kräfte wird Österreich neben Finnland und Schweden zu den jährlich stattfindenden „NATO PSYOPS Working Groups“ eingeladen. Bei diesen Tagungen erfolgt die internationale Abstimmung von Vorschriften, Ausbildungen und Einsätzen. Die Möglichkeit der Teilnahme an diesen Konferenzen kann auch als Anerkennung für den Einsatz österreichischer PsyOps-Soldaten in verschiedenen Missionen betrachtet werden.

Kurse der Abteilung PsyOps

Die Abteilung PsyOps bietet jährlich drei Kurse und einen Workshop an. Diese können von allen Unteroffizieren und Offizieren des Aktiv- und Milizstandes besucht werden. Zwei Kurse werden auch für Partnernationen angeboten. Durch diese Ausbildungen soll ein Pool an PsyOps-Fachpersonal aufgebaut werden, um den Wissensstand über die Waffengattung zu erhöhen. Die positive Absolvierung des Basiskurses PsyOps ermöglicht eine Entsendung in einen Auslandsein-satz im Fachbereich nach einer gezielten Einsatzvorbereitung. Aktuell werden in der Abteilung PsyOps für Offiziere und Unteroffiziere des Präsenz- und Milizstandes die Kurse „Military Expert on Mission Course/PsyOps-PSO“ und „Gefechtstechnik taktisches PsyOps-Team“ sowie ein Workshop angeboten.

Der „Military Expert on Mission Course/PsyOps-PSO“ ist ein Grund- und Basiskurs, der zweimal im Jahr durchgeführt wird. Das Ausbildungsziel ist „die Befähigung zur Wahrnehmung von PsyOps-Aufgaben im Stab, aber auch die Befähigung, als Stabsoffizier/PsyOps (Berater des Kommandanten) im Rahmen eines Auslandseinsatzes im multinationalen Umfeld zu arbeiten.“ Der Kurs „Gefechtstechnik taktisches PsyOps-Team“ ist ein Aufbaukurs. Das Ausbildungsziel ist „die Befähigung des Offiziers/Unteroffiziers zur Wahrnehmung von einsatzspezifischen Aufgaben eines Taktischen PsyOps-Teams im Rahmen eines PsyOps Support Elements und die Befähigung zur Wahrnehmung der Aufgaben als PsyOps-Berater des taktischen Kommandanten im Rahmen von multinationalen Operationen/Einsätzen.“ Für die österreichische „PsyOps-Community“ wird einmal im Jahr ein zweitägiger Workshop angeboten. Dabei werden Kursabsolventen über aktuelle nationale und internationale Entwicklungen im Fachbereich informiert.

 

Fazit

PsyOps ist eine relativ junge Waffengattung des Bundesheeres. Die Aufgaben sind vielfältig, modern und beinhalten eine Fülle von „interessanten“ militärischen Aspekten und attraktiven Tätigkeiten. Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 sind die österreichischen PsyOps-Kräfte einem ständigen Wandel unterworfen, die zu einem kontinuierlichen Aufbau und der Entwicklung von Fähigkeiten führten. Diese Bemühungen sind kein Selbstzweck. Vielmehr erhöhen sie die Kampfkraft des Bundesheeres innerhalb eines breiten Einsatzspektrums, wie die zahlreichen Einsätze der vergangenen Jahre beweisen.

Major Mag.(FH) Alexander Schiller ist Leiter der PsyOps-Abteilung der Auslandseinsatzbasis.

 

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