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Norwegen, das nicht Mitglied der Europäischen Union ist, trat 2001 dem Schengener Abkommen bei. Dies verlangt konsequente Maßnahmen zur Grenzraumüberwachung und Grenzsicherung an der Außengrenze des Schengen-Raumes. Eine Gruppe von Militärjournalisten aus Deutschland, Lettland, Norwegen, Österreich und der Schweiz konnte sich bei der EMPA Journalists Tour 2017 von der Effizienz der norwegischen Maßnahmen überzeugen – die meinen das wirklich ernst!
Eine Grenze entsteht
Norwegen war bis 1814 in unterschiedlichen Rechtsformen mit Dänemark verbunden. Nach dem Sturz Napoleons musste Dänemark, das politisch auf der Seite der Franzosen gestanden hatte, Norwegen im Kieler Frieden vom 14. Jänner 1814 an Schweden abtreten. Da es aber zu keiner direkten Übergabe kam, nutzte Norwegen die Gelegenheit und proklamierte am 27. Februar seine Unabhängigkeit. In Eidsvoll bei Oslo trat eine verfassungsgebende Versammlung zusammen, die am 17. Mai 1814 das norwegische Grundgesetz beschloss.
In einer kurzen militärischen Auseinandersetzung im Sommer 1814 unterlagen die Norweger und nahmen ein schwedisches Angebot zu Friedensverhandlungen an. Mit der Konvention von Moss endete der Schwedisch-Norwegische Krieg am 14. August 1814. Der schwedische König akzeptierte die norwegische Verfassung mit der Abänderung, dass eine Personalunion mit Schweden hergestellt werde. Diese Personalunion endete nach einer Volksabstimmung 1905 mit der Unabhängigkeit Norwegens. Damit gewann auch die Grenzsicherung im hohen Norden an Bedeutung.
Während die Grenze zwischen Schweden und Norwegen über Jahrhunderte hinweg zu den stabilsten in Europa gehörte, stellt sich die Lage im Osten Skandinaviens weit komplizierter dar. Nach der Niederlage im Schwedisch-Russischen Krieg von 1809 verzichtete der schwedische König 1812 auf Finnland, womit im Nordosten Norwegens eine Grenze zu Russland entstand, die 1826 - ein Jahr nach der Thronbesteigung von Zar Nikolaus I. - vermessen und vermarkt wurde.
Finnland wurde innerhalb des Zarenreiches ein politisch weitgehend autonomes Großfürstentum, das nach der Russischen Oktoberrevolution 1917 seine Unabhängigkeit erhielt. Nach dem Sieg der „Weißen“ im Finnischen Bürgerkrieg unternahm Finnland unter seinem Oberbefehlshaber Carl Gustav Emil Mannerheim zwischen 1918 und 1920 mehrere Ostfeldzüge, die im Frieden von Dorpat (heute Tartu, Estland) ihr Ende fanden. Finnland erhielt in dieser Vereinbarung mit dem Petsamo-Korridor Zugang zu einem eisfreien Hafen am Nordmeer. An der unverändert gebliebenen norwegischen Grenze hatte man nun einen neuen Nachbarn - Finnland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Finnland zunächst am Russlandfeldzug des Deutschen Reiches teilnahm, musste es im Frieden von Paris 1947 das bereits 1944 von der Roten Armee eroberte Gebiet um Petsamo (Petschenga) an die Sowjetunion abtreten. Norwegen grenzte nun wieder an Russland, genauer an die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (als Teil der UdSSR). Die Grenzziehung von 1826 wurde 1947 verifiziert und 1949 in einem Grenzvertrag bestätigt. Sie blieb seither unverändert.
Der Verlauf der heutigen Schengen-Außengrenze blieb seit seiner ersten Festlegung 1826 unverändert. Damals war dem Zarenreich die Kirche Boris Gleb so wichtig, dass es für die 4,5 km² westlich des Pasvik rund 450 km² östlich bis zum Jakobselv an Norwegen abtrat. Die norwegisch-russische Grenze ist 196 km lang; drei Viertel davon verlaufen an der tiefsten Stelle der Flüsse, was regelmäßige Neuvermessungen notwendig macht. (Grafik: J. Aschenbrenner)
Konfliktprävention durch Kooperation
Das Barents Sekretariat
Das Internationale Barents Sekretariat verfolgt das Ziel, durch Projekte für die Zivilbevölkerung den kulturellen und persönlichen grenzüberschreitenden Austausch zu fördern. In das Programm sind 14 Regionen mit insgesamt rund 5,5 Millionen Einwohnern in Norwegen, Finnland, Schweden und Russland eingebunden.
In den 25 Jahren seines Bestehens wickelte das Norwegische Sekretariat rund 4 000 bilaterale norwegisch-russische Projekte mit einem Gesamtvolumen von 60 Millionen Euro ab, die das Außenministerium finanzierte. Diese Projekte fördern nicht nur das friedliche Zusammenleben zwischen den Nachbarn, sie sind auch für die Regionalentwicklung bedeutsam. Waren es 1990 gerade einmal rund 6 000 Grenzübertritte, zählte man am einzigen Grenzübergang zwischen Russland und Norwegen in Storskog 2014 bereits 320 000. Die auf einem 2015 geschlossenen Kooperationsvertrag zwischen den Regionen Finnmark und Murmansk basierenden Beziehungen sind trotz der Spannungen zwischen Russland und der Europäischen Union weiterhin intakt und bilden so ein Element der „soft security“.
Grundlage für diesen „kleinen Grenzverkehr“ ist eine Vereinbarung aus dem Jahr 2010, die auf der Schengen-Regulierung Nr. 1931/2006 basiert. Sie gestattet Einwohnern des Grenzraumes, die seit mindestens drei Jahren innerhalb einer 30 Kilometer breiten Zone beiderseits der Staatsgrenze leben, einen Grenzübertritt ohne Visum für maximal 15 Tage. Triebfeder für den Grenzverkehr ist der Handel. Während die Russen von den reich sortierten Supermärkten in Kirkenes angezogen werden, lockt die Norweger der billige Treibstoff und Tabak nach Nikel.
In Nikel befindet sich eine Produktionsstätte des Weltmarktführers der Nickelproduktion mit katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt. Neben massiver Luftverschmutzung hat die Tätigkeit des Unternehmens auch zu einem großflächigen Waldsterben geführt. Angaben kritischer Journalisten zufolge emittiert die Fabrik fünfmal mehr Schadstoffe als ganz Norwegen. Dies eröffnet eines von mehreren Spannungsfeldern zwischen den Nachbarn.
Generell erfahren Journalisten, die durch ihre Berichterstattung über Fragen des Klimawandels, der Ressourcenausbeutung, der Atommülllagerung und den damit verbundenen Umweltproblemen Wirtschaftsinteressen in die Quere kommen, zunehmende Behinderungen durch Russland, die an Sowjetzeiten erinnern, wie Thomas Nilsen vom Independent Barents Observer berichtet.
Der Diplomat an der Grenze
Der norwegische Grenzkommissar ist dem Ministerium für Justiz und Öffentliche Sicherheit nachgeordnet. Die Hauptaufgabe seiner Behörde, die seit 1950 existiert, ist die Überwachung der Einhaltung des Grenzabkommens von 1949 und der darauf beruhenden Gesetze sowie des Code of Conduct für den Verkehr in der Grenzregion.
Obwohl seine Position grundsätzlich zivil angelegt ist, wurde sie von Beginn an durch einen Offizier im Rang eines Obersten ausgefüllt. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Einen diplomatischen - sein russisches Gegenüber ist ebenfalls ein Oberst - und einen praktischen, nämlich den engen Kontakt zur militärischen Grenzwache. Sein Stellvertreter ist der Kommandant der Grenzwache.
Die Aufgaben des Grenzkommissars umfassen u. a. die
- Überwachung der Einhaltung des Grenzabkommens von 1949 mit
- Grenzvermarkung und Wartung der Grenzzeichen,
- Vorschriften für den Verkehr, den Holztransport und die Fischerei auf den Flüssen,
- Vorschriften für den Bergbau, die Jagd, die Landwirtschaft und den Umgang mit Rentierherden im Grenzraum,
- Konfliktvermeidung und -lösung sowie
- Aufklärung und Abhandlung von Grenzzwischenfällen, aber auch den
- diplomatischen Dialog mit den russischen Grenzbehörden sowie die
- Wahrnehmung weiterer bilateraler Vereinbarungen.
Der Dialog mit den russischen Behörden ist seit 1950 nie unterbrochen worden. Er hat die Zeit des Kalten Krieges ebenso überdauert wie die Migrationskrise 2015 und sollte auch die derzeitige politische Klimaverschlechterung durchhalten. Der Grenzkommissar und seine Assistenten sind für ihre russischen Ansprechpartner rund um die Uhr erreichbar.
Pro Jahr werden zwischen 20 und 50 Grenzverletzungen abgehandelt. Die meisten davon stellen sich rasch als harmlos heraus. So werden z. B. Rentierherden, die ihren Besitzern über die Grenze entwichen sind, wieder zurückgetrieben, Boote abgeschleppt oder unaufmerksame Touristen zurückgeholt. Alle diese „Zwischenfälle“ ziehen Treffen mit dem russischen Partner nach sich, meist auf Ebene der Assistenten. Abschließende Protokolle werden dann beim monatlichen Treffen der Kommissare unterzeichnet.
Der Grenzkommissar ist also der Diplomat an der Grenze. Für die Kontrollaufgaben am Grenzübergang Storskog ist die Polizei zuständig. Die Grenzüberwachung an der 196 Kilometer langen Grenze ist eine Assistenzaufgabe, die von der militärischen Grenzwache wahrgenommen wird.
Ein Bürgermeister im Fokus der Geopolitik
Süd-Varanger ist eine an Russland und Finnland grenzende Gemeinde in der Provinz Finnmark. Auf rund 4 000 km² leben hier 10 000 Einwohner, 5 000 davon im Hauptort Kirkenes. (Zum Vergleich: In Wien leben auf 415 km² etwa 1,9 Millionen Menschen.) Trotzdem befindet sich Bürgermeister Rune Rafaelsen wegen der exponierten Lage seiner Gemeinde im Fokus der Geopolitik.
Seit Jahrzehnten verfolgt man im hohen Norden Norwegens eine politische Grundidee: Starke wirtschaftlich-technische Verflechtungen mit Russland sollen für Stabilität und Berechenbarkeit im arktischen Raum sorgen. Mit der zunehmenden Erderwärmung und der damit verbundenen sommerlichen Öffnung der Nordostpassage tritt mit China seit einiger Zeit ein neuer Akteur in der Arktis in Erscheinung.
Chinesische Investoren interessieren sich für alle Wirtschaftszweige. Norwegen hat daher eine außenpolitische „Charme-offensive“ in China gestartet. Chinesische Unternehmen betreiben von Kirkenes aus die Prospektion in der Arktis. In der Folge winkt mit der Ausbeutung von Öl- und Gasfeldern auf dem Festlandsockel das große Geld, allerdings verbunden mit einem unkalkulierbaren Umweltrisiko.
Vielfältige Interessengruppen wirken auf Rafaelsen ein. Hier gilt es zwischen umweltriskanten Industrievorhaben und jenen Erwerbsmöglichkeiten, die auf eine intakte Umwelt angewiesen sind, wie die Fischerei und der Tourismus, abzuwägen. Der heute stillgelegte Eisenerztagebau hat in seiner Gemeinde eine „Mondlandschaft“ hinterlassen, und die Umweltkatastrophe von Nikel ist nur eine Autostunde entfernt. Welche irreparablen Schäden ein Ölunfall im Eismeer verursachen kann, ist seit den Unfällen in der Nordwestpassage bekannt („Exxon-Valdez“, 1989).
Gefühlsmäßig bevorzugt der Bürgermeister daher die umweltfreundlicheren Aktivitäten. Gemeinsam mit den Russen, deren Königskrabbenflotte ihren Heimathafen in Kirkenes hat, entwickelte Norwegen ein Konzept für den weltweiten Lebendexport der schmackhaften Tiere, die besonders in Fernost geschätzt werden. Auch der Tourismus expandiert. So hat z. B. China eine direkte Flugverbindung von Schanghai nach Rovaniemi in Finnland eingerichtet, was seiner Gemeinde 2015 bereits 10 000 Gäste aus China gebracht hatte.
Russland entwickelt derzeit neue Möglichkeiten zur Navigation in der Nordostpassage. Dazu zählen ein System von Navigationssatelliten, der Bau von Rettungsstationen sowie die Erweiterung der Eisbrecherflotte. 2011 brachte Finnland ein weiteres Projekt ins Spiel: die Errichtung einer Eisenbahnstrecke zum eisfreien Tiefseehafen Kirkenes. Damit will man den Norden Skandinaviens aus seiner Randlage in den Fokus des Welthandels holen.
Ein bedeutendes Projekt, dem sich wohl auch ein umweltbewusster Bürgermeister am Ende der Welt aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht wird entziehen können.
An der ruhigsten Schengen-Grenze
Die Grenzraumüberwachung wird in Norwegen durch das Grenzwachbataillon in Assistenz für die Polizei wahrgenommen. Die Verfahren sind im Prinzip dieselben, wie sie beim Assistenzeinsatz des Österreichischen Bundesheeres an der burgenländisch-ungarischen Grenze von 1990 bis 2007 angewandt wurden. Das Militär ist der Polizei auf Zusammenarbeit angewiesen. Allfällig festgenommene Personen sind unmittelbar der Polizei zu übergeben. Die Kommunikation mit den Polizeibehörden funktioniert hier problemlos - Norwegen verfügt über einen einheitlichen Behördenfunk.
Die Optimierung der Kooperation und die gegenseitige Unterstützung sind in diesem Raum sowohl für die Zivilgesellschaft als auch für die Behörden eine Überlebensfrage. In der Region Finnmark leben auf 48 000 km² (einer Fläche, die den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark zusammen entspricht) nur rund 76 000 Einwohner. Die Polizei findet daher mit 390 Mitarbeitern, davon 250 Uniformierten, das Auslangen. Dies setzt allerdings beste Vernetzung mit den anderen Behörden sowie hohe Mobilität voraus. Die Arbeit an der Grenze beschränkt sich im Wesentlichen auf die Kontrollen am Grenzübergang Storskog. Die Arbeitsfelder der Polizei umfassen neben der Kontrolle des Grenzverkehrs die grenzüberschreitende Kriminalität (Organisierte Kriminalität, Schmuggel von Menschen, Drogen, Waffen und Kunstgegenständen, Geldwäsche) sowie die illegale Einwanderung. In allen diesen Bereichen gibt es einen Informationsaustausch und, wenn nötig, auch die Zusammenarbeit bei der Grenzkontrolle mit den russischen Behörden.
Insgesamt handelt es sich wohl um den ruhigsten Abschnitt der Schengen-Grenze. Im Jahr werden durchschnittlich fünf illegale Grenzgänger aufgegriffen. Eine Ausnahme bildete 2015, als die Migrationskrise auch im hohen Norden ankam. In diesem Jahr wurden 5 500 Flüchtlinge registriert. Alle hatten ihre Reisepässe dabei, wie der Polizeichef in Kirkenes berichtet. Das hat einen einfachen Grund: Auf russischer Seite befindet sich ein militärisches Sperrgebiet, das mit einem elektronisch überwachten Grenzzaun gesichert ist. Dieses Gebiet darf auf der einzigen größeren Straße zwischen Murmansk und dem Grenzübergang Storskog durchfahren werden, allerdings nur nach Kontrolle der Reisedokumente.
Eine Diskussion über einen Grenzzaun hatte man sich in Norwegen dadurch erspart, aber auch hierzulande gibt es skurrile Randerscheinungen: Der Grenzübergang darf nicht zu Fuß passiert werden. Also wurden die in der Regel über Moskau und Murmansk mit dem Flugzeug angereisten Flüchtlinge von den Schleppern kurzerhand mit Klapprädern, meist chinesischer Herkunft, ausgestattet und auf den Weg geschickt. Im rund 15 Kilometer entfernten Kirkenes wurden die Räder abgelegt. Einige von ihnen sind im Grenzlandmuseum zu besichtigen.
Das Grenzwachbataillon
Das Grenzwachbataillon ist in der Kaserne Høybuktmoen in der Nähe des Flughafens von Kirkenes stationiert. Diese Lage wurde nicht zufällig gewählt. Die Logistik läuft hier weitgehend über See- und Lufttransporte, und die meist aus dem Süden des Landes stammenden Rekruten bekommen für ihren Heimaturlaub anstatt eines Soldatenbahnfahrscheines ein Flugticket. Nach zwei Stunden Flug mit der Boeing 737-800 der „Norwegian“ sind sie dann auch schon in Oslo. Das entspricht etwa der Zeit, die man für einen Flug Wien-Oslo auch benötigt.
Die Truppe ist als Aufklärungsbataillon strukturiert und gliedert sich in
- Stab mit Lagezentrum und Intelligence Cell,
- Stabs- und Versorgungskompanie,
- Ausbildungskompanie und
- zwei Aufklärungskompanien.
Die Kompanie „Jarfjord“ überwacht die Grenze am Jakobselv und den Gebirgszug zwischen Jakobselv und Pasvik. Aufgabe der Kompanie „Pasvik“ ist die Grenzüberwachung entlang dieses Flusses bis zum Dreiländereck Norwegen-Finnland- Russland.
Die Kompanie „Pasvik“ umfasst rund 100 Soldaten und ist in zwei Züge gegliedert. Der Aufklärungszug führt die Patrouillen an der Grenze durch, der OP-Zug (Observation-Post-Zug) besetzt die ortsfesten Beobachtungspunkte. Mit den verfügbaren Kräften ist es möglich, ständig 40 bis 50 Soldaten an der Grenze im Einsatz zu haben. Während der Ruhe- und Bereitschaftszeiten im Einsatzraum gilt für die Patrouillen 15 Minuten „notice to move“.
Die meisten Soldaten sind Rekruten. Nachdem Norwegen seit 2016 auch Frauen im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht einzieht, hat sich das Potenzial an Rekruten bei gleichbleibender Personalstärke verdoppelt. Die Streitkräfte sind deshalb in der komfortablen Lage, aus 60 000 Wehrpflichtigen im Jahr die 10 000 besten auszuwählen. Dazu kommt, dass der Dienst an der Grenze freiwillig geleistet wird. Und das merkt man: Neben ausgezeichneten militärischen und persönlichen Umgangsformen zeichnen sich die Rekruten durch beste Englischkenntnisse und hohe Motivation aus.
Nach der siebenwöchigen Grundausbildung, die für alle Soldaten in Norwegen obligatorisch ist, werden die Funktionssoldaten auf die verschiedenen Unterstützungsfunktionen aufgeteilt. Jene, die sich dafür entschieden haben, nach dem Grundwehrdienst sechs Monate freiwillig an der Grenze zu dienen, werden zu Grenzwachsoldaten ausgebildet. Sie erhalten eine spezialisierte Ausbildung und werden nach Ablauf der ersten sechs Monate zu den Aufklärungskompanien versetzt, wo sie in Teams zu vier bis acht Soldaten direkt an der Grenze eingesetzt werden. Ein typisches Team besteht aus einem Kommandanten, einem Fernmelder, einem Sanitäter und einem Aufklärer. Zusätzlich sind bei Bedarf Hundeführer mit Deutschen Schäferhunden verfügbar.
Die Soldaten verbringen im Dienstrad jeweils zwei bis drei Wochen an der Grenze und stützen sich dabei auf eine solide Infrastruktur ab. Entlang des Grenzverlaufes existieren drei Beobachtungspunkte mit Turm und Elektronik. Technische Details dazu werden nicht preisgegeben. Im Zwischengelände finden sich weitere acht kleinere Häuser. Ergänzt wird das System durch behelfsmäßige sowie verdeckte Beobachtungspunkte. Alle festen Unterkünfte sind mit Küche, Sanitär-, Wohn- und Schlafräumen ausgestattet.
Dieser „Komfort“ ist wichtig, denn die Soldaten sind hier Selbstversorger. Sie kochen selbst und müssen auch Uniformen und Leibwäsche fernab ziviler Infrastruktur reinigen. Waschmaschine und Bügelraum sind daher ebenso obligatorisch wie Flatscreen, Spielekonsole und Bücherregal. Denn zwei moderne Errungenschaften sind hier aus operativ-taktischen Gründen verboten: Internet und Handy. Dafür bieten sich andere Freizeitbeschäftigungen an: Fischen und Jagen.
Noch eine Besonderheit gibt es hier: Frauen und Männer teilen sich eine gemeinsame Unterkunft. Und das funktioniert ohne nennenswerte Zwischenfälle! Die Basis dafür liegt einerseits in der sorgfältigen Personalauswahl und andererseits in einer Ausbildung, die hohen Wert auf Disziplin, respektvollen Umgang miteinander und die Bereitschaft, Verantwortung für sich und das Team zu übernehmen, legt. Eine gute alte militärische Tugend kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz - mutig zu sein.
Interview mit Rekrut Hakon Sølberg aus Trondheim
TD: Was hat Sie motiviert, Ihren Militärdienst an diesem besonderen Ort zu leisten?
HS: Für mich stand immer fest, Militärdienst zu leisten. Und so folgte ich dem Beispiel meines Vaters, der vor 30 Jahren hier diente. Ich wollte nicht gleich nach der Matura an die Universität gehen, sondern dazwischen eine besondere Herausforderung annehmen. Danach möchte ich Bauingenieurwesen studieren.
TD: Welche positiven Effekte für Sie selbst bzw. für Ihr Studium werden die Erfahrungen dieses Jahres bringen?
HS: Im Vordergrund stehen die persönlichen Erfahrungen. Ich fühle, dass ich in diesem Jahr reifer geworden bin und meine persönlichen Fähigkeiten erweitern konnte. Zusätzlich lerne ich Menschen aus ganz Norwegen kennen - hier entstehen Freundschaften für das ganze Leben. Natürlich wird es kein Nachteil sein, wenn ich mich später um einen Job bewerbe. Aber der wichtigste Grund, hierher zu kommen, war, persönliche Erfahrungen zu sammeln.
TD: Haben Ihre Kameraden ähnliche Motive und Erfahrungen?
HS: Ganz sicher. Die meisten jungen Menschen suchen eine Herausforderung im Leben abseits der Schule. In meiner Gruppe habe ich drei weitere Kameraden, die alle freiwillig hierhergekommen sind. Niemand wird gezwungen, seinen Militärdienst hier abzuleisten. Die persönliche Motivation steht im Vordergrund, und die Erfahrungen sind für alle ziemlich gleich.
TD: Wie läuft der Dienstbetrieb hier ab?
HS: Ich bin Kommandant einer Gruppe von vier Soldaten. Wir haben sowohl Dienst auf dem Beobachtungsturm als auch Patrouillendienst entlang der russischen Grenze. Die meiste Zeit versehen wir unseren Dienst selbstständig ohne Aufsicht eines Unteroffiziers. Unsere Vorgesetzten übertragen uns Verantwortung. Sie vertrauen uns, dass wir unseren Aufgaben ordentlich nachkommen. Natürlich achten sie bei der Dienstaufsicht darauf, was wir tun, aber im Allgemeinen sind wir selbstständig. Wir haben regulär zwei Wochen Dienst am OP und dann zwei Wochen, die wir zur Ausbildung oder für andere Aktivitäten an der Grenzstation (Kompaniekaserne in Svanvik; Anm.) verbringen oder in denen wir auch nach Hause fliegen können. Ein paar Mal waren wir schon ein Monat am Stück hier - ohne Handys. Die müssen wir an der Grenzstation lassen, da fühlt man sich schon abgekoppelt von der Welt. Aber wir haben Fernsehen und erfahren die wichtigsten Neuigkeiten. Manchmal kommt hier ein, zwei Wochen überhaupt niemand vorbei. In dieser Hinsicht ist die Grenzwache schon sehr speziell. Aber es ist wirklich interessant und lehrreich. Wir haben viele Möglichkeiten, die man anderswo in Norwegen nicht hat. So dürfen wir z. B. jagen gehen, und zum Fischen steht uns ein Motorboot zur Verfügung. Im Winter gehen wir langlaufen oder fahren mit dem Scooter, im Sommer mit dem Quad. Manchmal nimmt uns auch ein Helikopter mit. Wir lernen auch viel voneinander. Jeder hat eine spezielle Aufgabe. Ich kann meinen Leuten als Gruppenkommandant Einiges beibringen. Umgekehrt lerne ich viel über ihre Spezialisierung. Dazu verwenden wir die in der Spezialausbildung ausgegebenen Power-point-Vorträge. Das ist richtig cool.
TD: Wie erlebten Sie den Winter hier im hohen Norden?
HS: Von Ende November bis Ende Jänner ist es hier vollständig dunkel. Dann sieht man hier das Polarlicht. Es ist schon ein außerordentliches Erlebnis, wenn man auf dem Turm sitzt und diesen unglaublichen Anblick genießen kann - einfach phantastisch!
Das Interview wurde in englischer Sprache geführt.
Oberst dhmtD Dr. Jörg Aschenbrenner ist Chefredakteur von TRUPPENDIENST.