• Veröffentlichungsdatum : 10.06.2024
  • – Letztes Update : 24.07.2024

  • 8 Min -
  • 1593 Wörter

UN-Munitionslagerkurs für Frauen

Werner Kernmaier

Frauen etablieren sich zunehmend in technischen Berufen. Beim Thema Waffen- und Munitionslagermanagement sieht die Situation jedoch etwas anders aus. In diesem Kontext setzt das Bundesheer im Auftrag der UN ein Zeichen, um eine geschlechterspezifische Förderung in diesem Fachbereich zu ermöglichen.

Vor dem Hintergrund des Gender Mainstreamings hat das Bundesheer unter der Führung der Heereslogistikschule einen speziellen Lehrgang für die Vereinten Nationen mit den beiden Schwerpunktthemen „Frauen, Frieden, Sicherheit“ und „Waffen- und Munitionslogistik“ entwickelt, der gezielt auf den internationalen Bedarf abgestimmt wurde. Dabei wurde insbesondere das UN Safer Guard Programm in den Fokus gestellt. Das Schwergewicht dieses Programmes liegt beim Sichtbarmachen, Verbreiten und Verwenden der Internationalen Munitionstechnischen Richtlinien der UN und den damit verbundenen Onlinetools, die auf der Webpage „unsaferguard.org“ weltweit bereitgestellt werden, um multinational eine sichere Verwaltung von Munition zu ermöglichen.

Gleichstellung

Ziel dieses Kurses ist es, durch Anwendung einer „Gender-Linse“ die Beteiligung von Frauen im Waffen- und Munitionslagermanagement zu bewerkstelligen. Darüber hinaus soll die Förderung der Geschlechtergleichstellung vor allem in den Bereichen Bildung und Beschäftigung forciert werden. Die Stärkung des Gender-Mainstreamings sowie die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen durch konkrete und praktische Maßnahmen gelten als unerlässliche Strategie bei der Geschlechtergleichstellung.

In diesem Zusammenhang wurde vom Büro für Abrüstung der Vereinten Nationen „United Nation Office for Diarmament Affairs“ (UNODA) ein Schulungshandbuch, das „Training Manual On Gender-Mainstreaming Small Arms Control“, zum Thema Gender Mainstreaming für den Bereich Kleinwaffenkontrolle veröffentlicht, um damit die praktische Anwendung zu unterstützen.

 

Schritte des Bundesheeres

Das Österreichische Bundesheer engagiert sich derzeit für langfristige Projekte in neun Staaten auf dem Westbalkan, in Osteuropa, Zentralasien, im Nahen Osten und in Afrika. Die Heereslogistikschule hat dafür gemeinsam mit dem Amt für Rüstung und Wehrtechnik und den Heeresmunitionsanstalten ein umfangreiches Waffen- und Munitionslogistikprogramm entwickelt, das sich auf Beratung und Ausbildung konzentriert. Die breit gefächerte modulare Ausbildung erstreckt sich von einer einwöchigen Ausbildung zur Bewusstseinsbildung im Umgang mit Munition bis zum langfristigen Kapazitätsaufbau mit verschiedenen Ausbildungsschritten. Mit der Grundausbildung werden den männlichen und weiblichen Teilnehmern die fundamentalen Fertigkeiten und Fähigkeiten für die Tätigkeit im Bereich Waffen- und Munitionslagermanagement vermittelt. Die anschließenden Spezialausbildungen dienen dazu, die bereits erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu festigen bzw. das eigene Fachwissen auf den neuesten Stand zu bringen, um das gesamte Spektrum der Waffen- und Munitionslagersicherheit abdecken zu können. Ziel der Ausbildung ist es, Risiken für die Zivilbevölkerung zu reduzieren, die illegale Verbreitung von Waffen und Munition (Proliferation) zu minimieren und gleichzeitig den Schutz der Umwelt zu unterstützen.

Waffen- und Munitionslagersicherheit ist ein komplexes Thema, das sowohl militärische als auch humanitäre Interessen berührt. Vom BMLV werden diese Aspekte ganzheitlich betrachtet und bearbeitet. Rüstungskontroll- und Abrüstungsaspekte spielen ebenso eine Rolle wie die Sicherheit der Zivilbevölkerung, die Bekämpfung der illegalen Proliferation sowie die Umweltgefährdung durch unsachgemäße Lagerung von Munition.

 

Internationaler Lehrgang für Frauen

Im Oktober 2023 führte die Heereslogistikschule mit logistischer Unterstützung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt den ersten zweiwöchigen Lehrgang für Munitionsexpertinnen durch. Diese Initiative erfolgte in Kooperation mit dem Büro für Abrüstungsangelegenheiten der Vereinten Nationen und dem Ammunition Management Advisory Team aus dem Genfer Zentrum für humanitäres Minenräumen. Die Ausschreibung und die erste Selektion der Teilnehmerinnen für den Lehrgang erfolgte durch die Vereinten Nationen in Abstimmung mit dem österreichischen Verteidigungsministerium und der Heereslogistikschule. Aus weltweit 125 Bewerberinnen wurden 15 Lehrgangsteilnehmerinnen ausgewählt. Beim Auswahlprozess spielten einerseits die entscheidungsrelevanten Inhalte in den Lebensläufen, andererseits die persönlichen Darstellungen in den Motivationsschreiben der Bewerberinnen eine Rolle. Als letzte Entscheidungsgrundlage vor der Lehrgangsplatzzuteilung musste noch ein virtuelles Vorstellungsgespräch absolviert werden.

Es wurde auf eine weltweite, gleichmäßige Verteilung der Lehrgangsplätze Rücksicht genommen, um eine ausgeglichene globale Teilnahme zu ermöglichen. Eine weitere Voraussetzung für die Lehrgangsteilnahme war die sprachliche Kompetenz, denn die rezeptive und produktive Nutzung der englischen Sprache war ein Teilnahmekriterium. Die am Ende des Auswahlprozesses ausgewählten Lehrgangsteilnehmerinnen kamen aus unterschiedlichen Staaten und Kontinenten: Ecuador, Paraguay, Kenia, Nigeria, Tansania, Australien, von den Philippinen, Pakistan, St. Lucia, Irland und Nordmazedonien. Das Ausbildungsteam wurde unter Berücksichtigung einer ausgeglichenen Geschlechterverteilung mit Trainern aus Kanada, Tunesien, Slowenien, den USA, Großbritannien und Österreich zusammengestellt.

 

Inhalte

Die Inhalte des Lehrganges konzentrierten sich auf die richtige Lagerung von Munition nach den Richtlinien der Vereinten Nationen – „International Ammunition Technical Guidelines“ (IATG) mit der Zielsetzung, selbstständig und standardisiert eine Überprüfung eines Munitionslagers durchführen zu können. In einem weiteren Schritt mussten detaillierte Berichte über sicherheitsrelevante Aspekte verfasst werden und, wenn notwendig, lösungsorientierte Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden.

In den ersten Ausbildungsmodulen wurden vor allem munitionstechnische Sicherheitsbelange und die damit verbundenen Lagerungsvorschriften für Munition behandelt. Im Speziellen stellten die Trainer dabei mögliche Konsequenzen dar, die sich aufgrund einer falschen Lagerung ergeben können. Um das Risiko von möglichen Unfällen auf ein Minimum zu reduzieren, galt es, die einschlägigen Vorschriften im Hinblick auf die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen in Munitionslagern sowie die relevanten Zusammenlagerungsbestimmungen bei Munition zu behandeln. Ein zusätzliches Schwergewicht des Moduls lag auf Berechnungsbeispielen zur Festlegung der erlaubten Höchstmenge von Explosivstoffen, die in Munitionslagern gelagert werden dürfen.

Ein essenzieller Bestandteil der Ausbildung war die Vermittlung von Risikomanagementstrategien, um die richtigen Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken zu ergreifen. Aspekte zur Förderung einer effizienten und angemessenen Kommunikationsfähigkeit wurden diskutiert. Dabei wurden zweckorientierte Argumente sowie Tools für ein professionelles Auftreten, insbesondere körpersprachliche Ausdrucksmittel, einbezogen. Zusätzlich wurden praxisbezogene Übungen zum Präsentationstraining durchgeführt. Zudem stand das Analysieren und Besprechen von geschlechterbezogenen Benachteiligungen in Organisationen auf dem Ausbildungsplan, um die Teilnehmerinnen zu sensibilisieren und den selbstsicheren Umgang mit möglichen Problemen in diesem Feld zu trainieren.

In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität Wien wurde ein weiteres Themenfeld behandelt und ein fundierter Einblick in die Grundlagen eines transparenten „Supply Chain Managements“ gegeben. Dabei wurden die aktualisierten Richtlinien der Vereinten Nationen gemäß der Resolution der Generalversammlung vom Dezember 2021 (76/233) näher erläutert. Diese zielen darauf ab, Lücken im Umgang mit Munition während ihrer gesamten Lebensdauer zu schließen. Die korrekten und nachvollziehbaren Kennzeichnungen sowie die Optimierung vorhandener Verwaltungsprozesse von der Produktion, über den Transport und die Lagerung bis hin zum Verbrauch oder zur Entsorgung sind dabei Schlüsselfaktoren, um eine Nachvollziehbarkeit der Munitionswege sicherzustellen.

In Bezug auf sichere Lagerung und Verwaltung von Munition sind regelmäßige Prüfungen über den Zustand und vor allem die Stabilität von Munition und Munitionsteilen notwendig. Durch das Amt für Rüstung und Wehrtechnik wurde während des Lehrganges gemeinsam mit der Leiterin des chemischen Labors der slowenischen Streitkräfte über mögliche Umwelteinflüsse auf die Munition informiert. Dabei präsentieren die Ausbilder auch eine Methode zur Stabilitätsprüfung von Treibladungspulver, um damit einen Fokus auf die Gefahren zu lenken, die bei der Überlagerung und Alterung von Munition entstehen können (QPAK-System – siehe TD-Ausgabe 379). Als praktischer Beitrag zur Stabilitätsprüfung wurden Prüfstrategien mit der Prüfmethode der Dünnschichtchromatographie vorgeführt, die in dem durch das Amt für Rüstung und Wehrtechnik entwickelten mobilen Analysesystem „Qualitative Pulver Analyse Koffer“ Anwendung findet. So bekamen die Lehrgangsteilnehmerinnen einfache Methoden und Tools sowie eine verständliche Einführung in die Welt der Chemie geboten und erhielten gleichzeitig ein Bewusstsein zu den vorhandenen Risiken.

 

Virtuelle Realität

Zu einem modernen und zeitgemäßen Wissenstransfer gehören dem Stand der Technik entsprechende Ausbildungsmittel – zum Beispiel die Einbindung einer virtuellen Realität als Vorbereitung auf reale Einsätze.

In den vergangenen Jahren hat die Heereslogistikschule ein Ausbildungskonzept entwickelt, das virtuelle Realität zur Schulung in der Munitionslogistik einsetzt, insbesondere für die sichere Lagerung von Munition. Damit wurde eine Möglichkeit geschaffen, besonders in der Ausbildungsphase ein gefahrloses Training von simulierten, risikoreichen Szenarien zu ermöglichen und in einzelnen Schritten Lösungen zu erarbeiten.

Mithilfe dieser virtuellen Realität wurde ein fiktives Munitionslager entworfen und bereitgestellt, worin sich die Lehrgangsteilnehmerinnen bewegen konnten, um gezielte Tätigkeiten bei einer realen Überprüfung eines Munitionslagers nach den Richtlinien der Vereinten Nationen zu setzen. Vor allem wurden die vorschriftsmäßigen Zutrittskontrollen und das richtige Verhalten beim Betreten eines Munitionslagers simuliert. In der virtuellen Realität gibt es eine Zugangskarte, die das Tor zum Munitionslager öffnen kann. Der Zugang zu einem Munitionshaus wird durch das Öffnen eines Schlosses mit einem Schlüssel ermöglicht. Ein potenzieller Fehler besteht darin, dass das Fehlen eines Schlosses den Zugang zum Munitionshaus ermöglicht, selbst für Unbefugte.

Ein weiteres Schwergewicht lag bei der Kontrolle von Brandschutzmaßnahmen sowie der Überprüfung der Munitionslagerhäuser. Dabei konnten die Lehrgangsteilnehmerinnen unter Einsatz speziell ausgearbeiteter Trainingsszenarien (z. B. fehlerhafte Lagerbedingungen im Munitionshaus) auf diese besonderen Herausforderungen vorbereitet und geschult werden. Durch dieses simulationsgestützte Vorgehen konnten die Aufenthaltszeit und das damit verbundene Risiko beim Betreten eines realen Munitionslagers auf ein unbedingt notwendiges Maß reduziert werden. Nach dem VR-Training mussten das theoretische Wissen und die virtuellen Erfahrungen in die Praxis umgesetzt werden. So wurden in Zusammenarbeit mit der Heeresmunitionsanstalt Großmittel für diese realen Trainingseinheiten in einem Munitionslager bedarfsgerechte Ausbildungsszenarien vorbereitet.

Fazit

Aufgeteilt auf drei Gruppen und betreut von Munitionsexperten und einer Munitionsexpertin der Heeresmunitionsanstalt Großmittel wurden die einzelnen Aufgabenstellungen im Munitionslager abgearbeitet und danach gemeinsam analysiert. Dies bedeutete unter anderem, vorschriftsmäßig einen ganzen Tag ohne Verwendung von Smartphones und Internet zu verbringen. Abschließend galt es, im Gruppenrahmen die Erkenntnisse und Erfahrungen für einen Lagevortrag vorzubereiten und diese im Plenum vorzutragen. Dabei haben die Lehrgangsteilnehmerinnen festgestellt, dass die Munitionslager des Österreichischen Bundesheeres den internationalen Richtlinien der Vereinten Nationen entsprechen.

Um einen nachhaltigen Erfahrungsaustausch der Lehrgangsteilnehmerinnen über die Ausbildung in Österreich zu gewährleisten, wurde durch die Vereinten Nationen ein Netzwerk für Munitionstechnikerinnen ins Leben gerufen. Ziel dieser Kommunikationsplattform ist es vor allem, den Kontakt zwischen den Lehrgangsteilnehmerinnen zu erleichtern, sich bei auftretenden Problemen und Erkenntnissen auszutauschen, um gemeinsame Lösungsfindungen zu ermöglichen.

Für das Bundesheer und die Heereslogistikschule war es der erste Lehrgang für Munitionslogistik, der ausschließlich für Frauen zugänglich war, jedoch mit Sicherheit nicht der letzte. Ein weiterer ist bereits in Vorbereitung, um erneut eine anspruchsvolle und nachhaltige Ausbildung zur Stärkung des Gender-Mainstreamings auf internationalem Niveau zu bieten.

Amtsdirektor Regierungsrat Werner Kernmaier; Leiter Internationale Waffen und Munitionslogistik an der Heereslogistikschule


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 2/2024 (397).

Zur Ausgabe 2/2024 (397)


 

Ihre Meinung

Meinungen (0)