- Veröffentlichungsdatum : 13.09.2023
- – Letztes Update : 28.09.2023
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50 Fragen und Antworten zum Jahrgang Starhemberg 1683 - Teil 3
21. Wurde in der Offiziersausbildung großer Wert auf gefechtsmäßiges Verhalten (Tarnung, Bewegungsarten usw.) gelegt?
Ja, sogar ein sehr großer Wert. Auch als angehender Offizier musste man sich bei jeder Gefechtsausbildung und bei Übungen der Lage angepasst gefechtsmäßig verhalten. Ohne Tarnung lief gar nichts, aber auch gelände- und lageangepasste Bewegungsarten wie gebücktes Laufen oder Robben sowie Licht- und Geräuschtarnung wurden ständig eingefordert und überprüft.
Die offiziell zugewiesenen Tarnmittel beschränkten sich auf Tarnnetze, die relativ selten in ausreichender Zahl vorhanden waren. Die Militärakademiker lernten rasch, sich bei der Fahrzeug-, Gerät-, Waffen- sowie Mannestarnung aus der Umwelt zu bedienen und brachten es darin zur Perfektion. Ein ganzer Zug konnte in einem bewachsenen Gelände „verschwinden“ und mehr als einmal stolperten überprüfende Vorgesetzte oder Zivilisten über getarnte Militärakademiker bzw. deren Waffen und Gerät. Einmal war ein Lager so gut getarnt, dass es ein Soldat, der die Latrine ca. 100 Meter außerhalb des Lagers benutzt hatte, nicht mehr fand. Die Hand- und Gesichtstarnung erfolgte mittels eines angebrannten Korkens, oder wenn sich jemand davor drücken wollte, „strafweise“ mittels Griff in einen Kraftfahrzeugauspuff. Tarnstifte (in schwarz, grün und braun) wurden erst Jahre später zugewiesen.
Die Nahsicherung und das Erkunden von Alarmstellungen waren obligat und beim gefechtsmäßigen Verhalten ging es oft auch darum, vertikal von der Erdoberfläche zu verschwinden – um das Schanzen. Bei Verteidigungslagen wurden grundsätzlich Zwei-Mann-Kampfdeckungen gegraben, auch wenn manchen beim Graben das Blut von den Handflächen tropfte.
22. Wie sah es mit Fremdsprachen aus und gab es eine Ausbildung für Auslandseinsätze?
Unterrichtet wurden wahlweise Englisch und Russisch, wobei die als Flieger und Flugsicherer (die Ausbildung war im Jahrgang geplant, wurde aber gestrichen) vorgesehenen Militärakademiker Englisch wählen mussten. Ziel war ungefähr die (heutige) Stufe B2, die dem Maturaniveau entspricht, angereichert mit einfacher militärischer Fachterminologie. Die Abschlussprüfung bestand aus einer Art „Schularbeit“ sowie einem kurzen Gespräch. Sie entsprach noch nicht den späteren Normen hinsichtlich „Leseverstehen“, „Hörverstehen“, „schriftlicher Ausdrucksweise“ und „mündlicher Ausdrucksweise“.
Eine spezifische Ausbildung für Auslandseinsätze gab es nicht, da diese nicht ausbildungsrelevant und darüber hinaus ausschließlich freiwillig waren. Wer sich für einen UN-Auslandseinsatz meldete, wurde anlassbezogen dafür geschult. Ein verpflichtendes Auslandssemester existiert erst seit der Implementierung des Fachhochschul-Bachelorstudienganges Militärische Führung in diesem Jahrhundert.
23. Wo wurde ausgebildet und wo wurde geübt?
Die Unterrichte, das Exerzieren und die allgemeine Körperausbildung fanden bis zum Ende des Zweiten Jahrganges grundsätzlich direkt an der Militärakademie statt. Die Ausbildung im Gefechtsdienst hingegen erfolgte generell im Gelände bzw. auf Truppenübungsplätzen (Allentsteig, Bruck-Neudorf, Kaisersteinbruch, Wattener Lizum, Seetaler Alpe, …), ebenso die Masse der Schießausbildung, der Übungen sowie die Sommer- und Winteralpinausbildungen.
Der Höhepunkt der Kraftfahrausbildung war eine Kolonnenfahrt durch Österreich. Die geographische Kenntnis Österreichs sowie die taktischen Kenntnisse wurden bei der taktischen Reise vertieft, bei der mittels Autobus, der ansonsten als Transportmittel eine Ausnahme war, einsatzrelevante Orte und die wichtigsten Garnisonen in Österreich besucht wurden. Darüber hinaus fand ein mehrmonatiger Ausbildereinsatz in einigen Garnisonen statt sowie mehrere Exkursionen und Vorführungen (wie Luftzielschießen der Fliegerabwehr zur Veranschaulichung der Waffenwirkung). Obwohl die Ausbildung offiziell „an der Militärakademie“ erfolgte, sahen diese die Militärakademiker auf Grund der häufigen Verlegungen oft monatelang nicht. Auch den Dritten Jahrgang verbrachten die Militärakademiker grundsätzlich an den jeweiligen Waffenschulen.
24. Gab es auch Hausübungen?
Ja, jede Menge! Man nannte sie allerdings Ausarbeitungen. Beispiele dafür sind das (hand)schriftliche Verfassen von Befehlen und das Zeichnen von Lagekarten bei Planspielen, die Vorbereitung von Fachvorträgen (z.B. über das Ende des Zweiten Weltkrieges im Raum Salzburg – den Inhalt musste man mühsam in der Bibliothek recherchieren) oder das Einzeichnen der europäischen Wasserscheiden in eine Blindkarte für den Gegenstand Militärgeographie. Darüber hinaus musste man manches (nach Dienst) auswendig lernen, um es gleichsam „im Schlaf“ zu beherrschen, wie das allgemeine Befehlsschema oder die „Wachparagraphen“ (Regeln für den Waffengebrauch im Wachdienst).
Auch das Vorbereiten von Lehrauftritten, die anfangs übungsweise vor den Jahrgangskameraden gehalten wurden, später auch vor Grundwehrdienern, erfolgte meist nach Dienst. Dazu ein Beispiel: Ein Militärakademiker hatte als Lehrauftritt eine Kurzeinweisung am mittleren Granatwerfer (8,1-cm-mGrW M1) durchzuführen. Weil aber mehrere seiner Kameraden (Chargen und Unteroffiziere der Jägertruppe) diese Waffe bereits kannten, wollte er sich besonders gut vorbereiten und wandte sich an den Nachschubunteroffizier und den Waffenmeister der Militärakademie. Beide trainierten in ihrer Freizeit den Militärakademiker bis in die späten Nachtstunden in der Waffenkammer am mittleren Granatwerfer – selbstlos, ohne Überstunden, ohne Zeitausgleich und ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Auch dieses überdurchschnittliche Engagement von Kadersoldaten unterschied die Militärakademie damals von anderen Bildungseinrichtungen. Der Lehrauftritt war übrigens ein Riesenerfolg.
25. Wie erfolgte die Ausbildung der künftigen Offiziere zum Kommandanten?
Das als Zugskommandant (bzw. als „temporärer“ Kompaniekommandant) nötige „Offiziershandwerk“ (im wahrsten Sinne des Wortes z.B. Zeichnen von Lagekarten) erlernten die Militärakademiker an der Militärakademie sowie an den Waffenschulen in Taktik (u.a. an Hand von Planspielen), ebenso die Befehlssprache, die Umsetzung von Befehlen auf die jeweils nächst niedere Führungsebene – stets kombiniert mit der praktischen Ausbildung zum jeweiligen Taktikthema im Gefechtsdienst sowie ergänzt durch Unterrichte und Selbststudium der damit verbundenen Vorschriften.
Die rechtliche Basis der Kommandantentätigkeit erwarben die Militärakademiker in Völkerrecht – Neutralitätsrecht, Kriegsvölkerrecht einschließlich Recht zum Krieg und Recht im Krieg (heute Humanitäres Völkerrecht), Genfer Abkommen usw. – nationalem Recht, Wehrrecht, Strafrecht (insbesondere Militärstrafgesetz), Disziplinarrecht usw. in ähnlicher Form wie an Universitäten, hatte doch ein Kompaniekommandant vor 50 Jahren das Recht, (maximal) drei Tage Ordnungshaft im Ein-Mann-Verfahren zu verhängen. Haftprüfungsorgane, die vor Antritt einer Haftstrafe deren Rechtmäßigkeit prüfen müssen, wurden erst Jahrzehnte später eingeführt.
Damals waren vorläufige Festnahmen durch Offiziere sowie als Offiziere vom Tag eingeteilte Unteroffiziere noch relativ häufig, galt doch eine starke Alkoholisierung in der Kaserne (auch nach Dienst) noch als Verstoß gegen die militärische Ordnung. Stark alkoholisierte Soldaten landeten deshalb oft in einer Zelle. Seit mehreren Jahrzehnten gelten Alkoholisierte hingegen als „krank“ und müssen deshalb direkt einem Arzt vorgeführt werden, der über das weitere Vorgehen entscheidet. Darüber hinaus war der Kommandant (als Dienststellenleiter) verpflichtet, bei Offizialdelikten (wie Nichtbefolgung von Befehlen, Diebstahl und Körperverletzung) Strafanzeige zu erstatten. Zur Kommandantenausbildung zählten auch Analyseverfahren (z.B. des Personaleinsatzes) und vorausschauende Planungen (z.B. der Versorgung). Hier ist jedoch anzumerken, dass „geplant“ in Wirklichkeit oft „nicht vorhanden“ bedeutete.
Ebenso wichtig wie die (taktische und rechtliche) Ausbildung zum (vorausplanenden) Kommandanten war die Erziehung zur ungeteilten Kommandantenverantwortung, gepaart mit der Fürsorge für die Truppe. Beides zählte an der Alma Mater Theresiana (nährende bzw. gütige theresianische Mutter; ein früher häufiges Synonym für Militärakademie) gleichsam zur „Muttermilch“ des Offiziersberufes und wurde vom ersten Tag an vermittelt – bei jedem Einsatz als Trupp-, Gruppen- und später Zugs- und Kompaniekommandant, aber auch an scheinbaren „Nebenschauplätzen“ wie als Taghabender, Zimmerkommandant, Wach- oder Bereitschaftskommandant sowie Militärakademiker vom Tag. Den Militärakademikern wurde dabei ihre persönliche Verantwortung für ihre Untergebenen bewusst (gemacht) und diese wurde – selbst bis zur letzten Konsequenz– später wahrgenommen: Ein Offizier des Jahrganges wollte, als ein Nebeltopf in einem Raum abbrannte, sichergehen, dass sich kein Soldat mehr im Raum befand, ging daher selbst hinein und starb an den Chemikalien des Nebels.
26. Wie erfolgte die Ausbildung der künftigen Offiziere zum Ausbilder/Lehrer?
Die Ausbildung der Militärakademiker erfolgte „von der Pike auf“ und war so praxisorientiert gestaltet, dass das Erlernte später „Eins zu Eins“ in der Ausbildung bei der Truppe umgesetzt werden konnte, denn Durchführungsbestimmungen für die Ausbildung im Grundwehrdienst, die DBGWD (wurde tatsächlich Debegewede ausgesprochen), gab es erst Jahre später. Die Militärakademiker hielten darüber hinaus zahlreiche Lehrauftritte, die sie gediegen vorzubereiten hatten, u.a. mittels Handzettel, die ziemlich genaue schriftliche Konzepte bzw. Stundenbilder waren und überprüft wurden. Generell galt auch Lehren/Ausbilden durch Vorbildwirkung (Vorzeigen und Vormachen).
Lehrauftritte und Übungsunterrichte (für die man Stundenbilder/Konzepte zu erarbeiten und vorzulegen hatte) fanden meist vor „Schülern“ bis Zugsstärke (25 bis 50 Mann) statt. Grundsätze der späteren Ausbildungsmethodik (vom Teil zum Ganzen, vom Einfachen zum Schwierigen, keine Überforderung der Auszubildenden etc.) wurden dabei eingehalten. Oft erfolgte das eher intuitiv, weil man es selbst so gelernt hatte, denn eine verbindliche Vorschrift für Ausbildungsmethodik einschließlich des dazugehörigen Gegenstandes sowie eine Normierung der Handzettel war damals erst im Entstehen.
27. Wie erfolgte die Ausbildung der künftigen Offiziere zum Verwalter?
Die Grundlagen der Ausbildung zum Verwalter bildeten für alle Militärakademiker u.a. die Gegenstände, Personalwesen, Verwaltungs- und Verfassungsrecht sowie Versorgungswesen, einschließlich der bereits EDV-gestützten Versorgungsvorgangscodes. Die Ausbildung in Materialerhaltung und Instandhaltung erfolgte hingegen vorwiegend praktisch, wie das richtige Reinigen des einsatzwichtigen Gerätes sowie der Waffen einschließlich der Vermeidung eines übertriebenen Putzverhaltens, wie das damals beliebte „Eindieseln“ von Kraftfahrzeugen, damit diese bei Kraftfahrzeugapellen oder Vorbeimärschen glänzen.
Alle Militärakademiker wurden dazu ausgebildet, einen Zug bzw. (zur Not) auch eine Kompanie im Frieden und Einsatz zu verwalten. Dazu ein Vergleich der militärischen Größenordnungen mit dem Zivilleben: Ein Jägerzug mit damals etwa 45 Mann entsprach größenmäßig (Personal und Material) – einem Kleinunternehmen, eine Jägerkompanie mit damals ca. 200 Mann einem mittleren Unternehmen.
Obwohl ein Offizier auch Managerqualitäten aufweisen muss, erfolgte die Verwaltungsausbildung primär nicht zum Manager, der die Gewinnmaximierung für den Auftraggeber bzw. Aktionär anstrebt, sondern zum Staatsdiener mit Beamtengehalt, Beamtenstatus und ungeteilter Kommandantenverantwortung. Als solcher musste er grundsätzlich mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Im Bereich Einsatzversorgung gab es z.B. damals nur eine „Dringende Bestandsmeldung“ (u.a. an benötigter Munition) und keine Bedarfsmeldung. Der Offizier musste seinen Auftrag mit dem erfüllen, was ihm „von oben“ zur Verfügung gestellt wurde, war aber (mit)verantwortlich, dass seine Untergebenen die zur Auftragserfüllung nötigen Mittel zur Verfügung hatten. Das war oftmals eine „Quadratur des Kreises“.
28. Gab es für die Tätigkeit als Kommandant und Ausbilder/Lehrer eine spezielle Ausbildung in Rhetorik und Öffentlichkeitsarbeit?
Neben zahlreichen Lehrauftritten mussten die Militärakademiker Vorträge zu Themen ausarbeiten und halten. Eine spezielle Rhetorikausbildung (mit Rhetoriktrainern, Kampfrhetoriktraining, Videounterstützung usw.) gab es allerdings nicht, denn die Armee galt vor 50 Jahren noch immer als „die große Schweigerin“. Öffentliche Auftritte und Äußerungen von Offizieren, z.B. in Zeitungen oder bei politischen Veranstaltungen, waren selten und teilweise sogar verboten bzw. verpönt. Selbst die Angelobungen erfolgten damals noch fast ausschließlich in Kasernen. Eine systematische Öffentlichkeitsarbeit war daher kein Ausbildungsthema.
Das änderte sich in der Zeit der Raumverteidigung ab 1975 grundlegend. Von da an nahmen Jahrgangsangehörige im Rahmen von Fortbildungskursen an Rhetorikausbildungen teil. Darüber hinaus wurden einige sogar „unbeschadet der sonstigen dienstlichen Tätigkeit“ Rhetoriktrainer. Andere Jahrgangsangehörige zeigten und zeigen ihre wehrpolitische Aktivität durch das regelmäßige Verfassen von Leserbriefen zu aktuellen militärrelevanten Themen.
29. Haben sich in den letzten 50 Jahren Lehrmeinungen und Ausbildungsschwergewichte geändert?
Durchaus, denn vor 50 Jahren galt z.B. der Wald für Versorgungseinrichtungen, Bereitstellungen und Gefechtsstände usw. als sicher, sowie die Lehrmeinung „Die Nacht ist der Freund des Schwächeren.“ Heute ist beides hinfällig, weil der potentielle Gegner über hochtechnisierte, elektronische Aufklärungsmöglichkeiten bis zu Nachtsichtgeräten bei der Truppe verfügt. Auf Grund der omnipräsenten Infrarotaufklärung gelten nun die Grundsätze „Gefechtsstand im Wald wird nicht alt“, „Fahrzeug im Wald wird nicht alt“ (weil es keine eckigen Rehe mit vier Metern Seitenlänge gibt) und „Truppe im Wald wird nicht alt“. Nicht geändert haben sich hingegen die Grundsätze für Aufklärung, Sicherung, Schwergewicht, Reservenbildung und die „Kalkül-Dreiecke“ Kraft – Zeit – Raum sowie Feuer – Bewegung – Schutz.
Anders als noch zur Zeit der B-Gendarmerie, in der das Ausbildungsschwergewicht auf der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren lag, stand vor 50 Jahren die (im Wehrgesetz an erster Stelle stehende) militärische Landesverteidigung als Kernaufgabe des Bundesheeres im Mittelpunkt und bildete das Schwergewicht der Offiziersausbildung. In der Ausbildung deutlich weniger Raum fanden der Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen, die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren sowie die Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen. Über Auslandseinsätze wurde nur kurz informiert.
Inzwischen hat sich das Ausbildungsschwergewicht mehrmals verschoben. In den Mittelpunkt rückten Einsätze zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen („Katastropheneinsätze“), Assistenzeinsätze, Auslandseinsätze sowie der Kampf gegen Cyberbedrohungen und Terrorismusabwehr. Auch der Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit (im Inneren aber nun auch im Ausland – Stichworte Konstabulisierung und „Riot Control“) gewannen (wieder) stark an Bedeutung, während die Ausbildung zur militärischen Landesverteidigung an Gewicht verlor. Derzeit gewinnt die militärische Landesverteidigung u.a. auf Grund des Ukraine-Krieges wieder an Bedeutung.
30. Wie sahen die Militärakademiker ihre künftige Funktion bzw. ihr Selbstverständnis als österreichischer Offizier?
Die Offizierstradition fußte nach Ansicht der Militärakademiker vor allem auf der Armee der Donaumonarchie, nicht jedoch auf der Ersten Republik mit ihrem Berufsheer und ihren Wehrverbänden (einschließlich Heimwehrführer Starhemberg) und auch nicht auf der Deutschen Wehrmacht. Die Militärakademiker sahen den Offizier dreifach treuegebunden zu Österreich, als Staatsbürger, Beamter und Offizier. Daher präsentierten sie sich weder als „Manager“ noch als „Diplomaten in Uniform“. Sie standen zur österreichischen Verfassung und somit auch zum Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs und lehnten Angriffskriege bzw. österreichische Interventionen im Ausland grundsätzlich ab.
Ihr Tätigkeitsfeld als Offiziere sahen die Jahrgangsangehörigen anfangs grundsätzlich im Inland (auch zum Schutz der Demokratie und zur Hilfe bei Naturkatastrophen), denn Auslandseinsätze – damals ausschließlich im Rahmen der UNO – waren noch die Ausnahme. In diesen Einsätzen hatten die Österreicher weder Kampf- noch Schutzaufträge. Auslandseinsätze waren daher für das militärische Selbstverständnis, anders als nach späteren Heeresreformen kein Thema.
Der österreichische Offizier erlernte als Offiziersanwärter bzw. Militärakademiker den Soldatenberuf „von der Pike auf“, ausgehend von der Ebene des „Schützen“, womit er im Selbstverständnis immer ein Soldat blieb. Das sollte ihn davor bewahren, sinnlose, nicht durchdachte oder unerfüllbare Befehle zu geben. Diesen Zugang gab es nicht an allen Militärakademien. In manchen hatten die Militärakademiker sogar (ehemalige) Unteroffiziere als „Bedienstete“ zum Reinigen der Kleidung usw. oder wurden (meist in Berufsarmeen) – fast ohne direkten Kontakt zum einfachen Soldaten – nur zum taktischen Kommandanten ausgebildet, u.a. um eine „Fraternisierung“ mit den anderen Berufssoldaten zu vermeiden.
Die Wehrpflicht schien vor 50 Jahren nach dem Scheitern des „Anti-Bundesheer-Volksbegehrens“ für die (künftigen) Offiziere gleichsam „in Stein gemeißelt“ und der Zivildienst war erst in Einführung. Deshalb empfanden viele Jahrgangsangehörige eine Wehrdienstverweigerung als falsch, auch wenn diese (anders als vor 1975) nicht mehr kriminell war. Zum Selbstverständnis der Offiziere zählte damals auch ein „Grundvertrauen“ in den österreichischen Staat sowie in dessen politische und militärische Führung. Das erwies sich in der Ära der Raumverteidigung als berechtigt und konnte selbst 1986 durch den massiven, öffentlichen Kampf eines Landeshauptmannes gegen die Beschaffung von Abfangjägern J 35 „Draken“ (als „Luftpolizei“ sowie zur Neutralitätswacht) nicht erschüttert werden.
Zeitgenössische Zitate, Sprüche und Anekdoten
… zu Übungsplätzen:
»Bruck ist die schönste Gegend der Welt. 50 Millionen Gelsen können sich nicht irren.« kommentierte ein total zerstochener Militärakademikers sarkastisch ein Gefechtsschießen am Truppenübungsplatz Bruck-Neudorf.
… zur zeitlichen Inanspruchnahme:
»Der Tag hat vierundzwanzig Stunden und wenn das nicht reicht, ist die Nacht auch noch da« polemisierten die Militärakademiker, wenn sie z.B. nach dem Gefechtsdienst um ca. 2200 Uhr in der Militärakademie eintrafen, danach die Waffen, Ausrüstung und Kleidung reinigten, Lehrauftritte vorbereiteten oder Ausarbeitungen schrieben.
… zur Gefechtsausbildung:
»Lage?« war beim Gefechtsdienst die erste Frage jedes Überprüfenden. Der Überprüfte musste den eigenen Auftrag, die vermutliche Position/Absicht des Gegners, die eigene Stärke usw. stets nennen können.
»Wer befehlen will, muss gehorchen lernen« galt es an der Militärakademie. Alle Militärakademiker erlernten den Soldatenberuf „von der Pike auf“, also ausgehend von der Ebene des „Schützen“. Das bewahrte sie später davor, sinnlose, nicht durchdachte oder unerfüllbare Befehle zu geben.
»Was der Soldat im Gefecht nicht hat, hat er nicht« zeigt punktgenau den Unterschied zwischen Offizier und Manager auf, aber auch, dass der Offizier mit dem auszukommen hat(te), was ihm von den vorgesetzten Dienststellen bzw. dem Staat zur Verfügung gestellt wurde. Darüber hinaus galt und gilt der Führungsgrundsatz »Im Krieg hat nur das Einfache Bestand«.