• Veröffentlichungsdatum : 28.05.2019

  • 9 Min -
  • 1870 Wörter

Aufklärung für den Angriff

Markus Ziegler

Ein Angreifer, der seinen Gegner nicht aufgeklärt hat, kann weder den effektiven Einsatz seiner Wirkmittel für die Kampfunterstützung noch den Angriff der Kampfelemente auf dessen Schwachstelle planen. Die Aufklärung umfasst das Gewinnen und Verarbeiten von Informationen über den Gegner und der Umfeldbedingungen, um der jeweiligen Führungsebene die Grundlagen zur Entscheidungsfindung zu liefern.

Folgende Grundsätze verdeutlichen die Wichtigkeit der Aufklärung im Zusammenwirken mit Feuer und Manöverelementen als Grundlage für den Angriff:

  1. Nur erkannte Ziele können bekämpft werden.
  2. Erkannte Ziele werden bekämpft.
  3. Aufklärung wird immer von allen Ebenen eingesetzt.
  4. Ein Angreifer versucht immer, mit seinem Schwergewicht auf die Schwachstelle des Verteidigers zu schlagen. 

Aufklärung der taktischen Ebene 

Die Aufklärungselemente und Mittel der taktischen Ebene liefern die Grundlagen für den Einsatz der Aufklärung der gefechtstechnischen Ebene. 

Fernmeldeaufklärung 

Die Fernmeldeaufklärung liefert die Grundlagen für den Ansatz von Luft- und Bodenaufklärung. Diese technischen Aufklärungselemente sind in den Fernmeldeeinheiten und -verbänden ab der Brigade aufwärts vorhanden. Die Effektivität dieser Aufklärung hängt von den funktaktischen Maßnahmen des Gegners ab. Gegnerische Kräfte, die ihren Gefechtsstreifen unter Einhaltung der Funkstille beziehen und sich dort ohne elektromag-netische Abstrahlung einrichten, können auch nicht aufgeklärt werden. Je undisziplinierter die gegnerische Truppe agiert, desto besser sind die Aufklärungsergebnisse. Im Idealfall reichen die Ergebnisse der Fernmeldeaufklärung zum Aufschlüsseln der gegnerischen Kräfte bis zur Gruppenebene und somit für die Planung der Feuervorbereitung. 

Luftaufklärung 

Aufgrund der durch die Fernmeldeaufklärung festgelegten Räume wird die Luftaufklärung zur gezielten und detaillierten Aufklärung in diese eingesetzt. Zum Einsatz kommen sowohl Aufklärungsflugzeuge als auch Drohnen. Das Ergebnis ist die Grundlage für die bodengebundene Aufklärung der Brigade und der Bataillone sowie für den Luftfahrzeugeinsatz und die Steilfeuerplanung. Die Qualität der Aufklärungsergebnisse hängt von den gegnerischen Tarn- und Täuschmaßnahmen ab, die den Zweck verfolgen, sich der Luftsicht zu entziehen. 

Bodengebundene Aufklärung der taktischen Ebene 

Die taktische Erdaufklärung durch die Aufklärungskräfte der Brigaden (Aufklärungstruppe) und der Bataillone (Truppenaufklärung) zielt in die Tiefe des Raumes. Ihr Ziel ist es, für ihre Führungsebene den Einsatz des Gegners mit seiner Ausdehnung, seinen Reserven, seiner Artillerie und seinen Gefechtsständen zu erkennen. Der Einsatz von Kräften zum Aufklären der FEBA (Forward Edge of the Battle Area - vorderster Rand der Verteidigung) soll hinsichtlich des Detaillierungsgrades bis zur einzelnen Feuerstellung schwerer Waffen sowie der Art und Ausdehnung von Sperren auf der gefechtstechnischen Ebene reichen. Gemäß Definition fällt dieser bereits in den Aufgabenbereich der Truppe. 

Aufklärung aller Truppen 

Die Aufklärung aller Truppen ist die von jeder Truppe selbstständig durchzuführende Aufklärungstätigkeit mit dem Zweck, durch Beobachtung und Überwachung des Gefechtsfeldes sowie den Einsatz von Spähtrupps Informationen zu gewinnen. Der Interessenbereich geht dabei über den eigenen Verantwortungsbereich hinaus und umfasst jenen Raum, wo jene „Ereignisse ihren Ausgang nehmen“, die einen laufenden oder künftigen Auftrag beeinflussen können. Ein Beispiel dazu wäre ein Feuerstellungsraum der Artillerie.

Zweck der Aufklärung 

Die Aufklärung auf der gefechtstechnischen Ebene soll ein „Bild“ über alle Räume geben, die für die Durchführung des eigenen Kampfplanes wichtig sind. Dies beinhaltet den Weg für den Anmarsch, die Ablauflinie, den Weg der Annäherung, die Räume für die Feuerunterstützung sowie für die Sicherungselemente der Flanken, aber auch die Sturmausgangsstellung und die Einbruchstelle. Die Aufklärung liefert somit die Details für einen Kampfplan, der friktionsfrei abläuft, und ist die Grundlage für das Vorbereitungsfeuer und den Pioniereinsatz. Um Lageänderungen zwischen der Rückkehr der Aufklärung und dem tatsächlichen Angriffsbeginn zu erkennen und darauf zu reagieren, müssen eigene Kräfte am Aufklärungsziel verbleiben. 

Grundlagen 

Die Gefechtsidee des Kommandanten ist neben den Aufklärungsergebnissen der übergeordneten Ebenen die wesentliche Grundlage zur Planung der Aufklärung. Ohne dieser kann ein Kommandant der Aufklärung keinen Auftrag geben.

Auftrag an die Aufklärung 

Der Auftrag an die Aufklärung ist aufgrund der räumlichen Ausdehnung des aufzuklärenden Raumes nicht mit nur einem Spähtrupp zu erreichen. Daher muss der Kommandant, der die Aufklärung auf der gefechtstechnischen Ebene einsetzt, einerseits die Gliederung und andererseits das Ziel der Aufklärung detailliert vorgeben.

Zusammensetzung und Stärke der Aufklärung 

Der Kommandant der Aufklärung muss ein Verständnis für die Gefechtsabläufe und die ihr zugrundeliegende Planung jener Ebene haben, für die er die Aufklärung durchführt. Daher muss er auch den Kampfplan einer Kompanie verstehen. Das bedeutet, dass der Kommandant einer Aufklärung für die Kompanie ein (stellvertretender) Zugskommandant sein sollte, was auch wegen der Stärke der Aufklärung notwendig ist. Sollte das Ergebnis der Aufklärung ergeben, dass der Kampfplan bzw. die Gefechtsidee abgeändert werden muss, kann der Kommandant vor Ort die Änderungen beurteilen und melden. Eine Kompanieaufklärung, die nur aus Rekruten und Chargen besteht, ist unbrauchbar, da ihnen die Fachkenntnis auf dieser Ebene fehlt.

Für alle Räume, die aufgeklärt werden müssen, sind auch Kräfte vorzusehen. Hinsichtlich der Stärke jedes dieser Elemente gilt als Faustregel, dass ein Spähtrupp aus vier Soldaten bestehen sollte. Werden zum Beispiel die Räume von zwei Feuerunterstützungselementen in Zugstärke, zwei Sicherungselementen in Gruppenstärke sowie die Sturmausgangsstellung mit der Einbruchstelle aufgeklärt, sind bereits fünf Spähtrupps mit 20 Soldaten eingesetzt. Somit sind zur Aufklärung des Angriffszieles einer Kompanie im Normalfall halbzug- bis zugstarke Kräfte notwendig. Zusätzlich können noch der Kommandant der Aufklärung mit einem Fernmeldeelement und Spezialisten wie der Kommandant der Pioniertruppe zur Beurteilung der Sperren sowie ein Beobachtungstrupp der Artillerie (der zugleich die Feuervorbereitung leitet) bei dem Aufklärungselement eingegliedert sein. 

Der Kräftebedarf kann nur dann reduziert werden, wenn ein Spähtrupp zeitlich gestaffelt mehrere Räume aufklärt. Zusätzlich können bzw. müssen Sicherungselemente in Gruppenstärke eingegliedert sein, die zur Sicherung des Absitzraumes und weiterer Geländeteile eingesetzt werden. Wenn verfügbar, sollte ein Sanitätstrupp bis zum Absitzraum mitgenommen werden, damit Verwundete durch Aufklärungskräfte bis zu diesem Punkt geborgen werden und dort dem Sanitätspersonal übergeben werden können. Diese verbringen die Verwundeten zur Sanitätseinrichtung des übergeordneten Verbandes. 

Das Aufklärungselement nähert sich so lange wie möglich geschlossen an. Bei jenem Koordinierungspunkt, von dem aus die Feuerunterstützungselemente und das Sturmelement ihre Positionen selbstständig beziehen sollen, spalten sich diese bis dahin geschlossenen Kräfte vom restlichen Spähtrupp ab. Dieser Koordinierungspunkt ist auch jene Stelle, an der sich die Spähtrupps nach der Erfüllung ihres Auftrages wieder sammeln und die Aufklärungsergebnisse abgleichen. Nach diesem Abgleich, der die Details des Kampfplanes festlegt, treten die Teile des Aufklärungselementes entweder den Rückmarsch an oder verbleiben vor Ort. 

Unterschied Kommandanten- und Gefechtsaufklärung 

Je genauer der Kommandant das Gelände kennt, umso präziser kann er seine Beurteilungen und Planungen durchführen. Daher nehmen die Kommandanten aller Ebenen zur Beurteilung der Lage grundsätzlich Einblick ins Gelände. In den defensiven Einsatzarten geschieht das meist ohne unmittelbare gegnerische Bedrohung. In der Einsatzart Angriff, in der sich der Gegner bereits zur Verteidigung oder Verzögerung eingerichtet hat, ist die vorgestaffelte Beurteilung im Gelände jedoch nur äußerst eingeschränkt möglich. Will der Kommandant dies tun, kann er das nur im Zuge der Aufklärung. 

Bei der Kommandantenaufklärung kann sich der Kompaniekommandant mit den Zugskommandanten, wenn sich bereits Aufklärungselemente am Gegner befinden, in den Bereich des Angriffszieles begeben. Dort kann er detaillierte Geländekenntnisse erlangen und den Einblick in das Gelände bzw. auf den Gegner nehmen. Jene Kräfte, die bereits am Gegner stehen, können auch Teile der taktischen Aufklärung sein. Eine wesentliche Grundlage dafür ist, dass diese den feindfreien Weg, auf dem sie den befohlenen Raum gewonnen haben, übermitteln. Nur im Ausnahmefall sind der Kompaniekommandant und die Zugskommandanten, ohne dass sich eigene Aufklärungselemente bereits am Gegner befinden, in die Aufklärung eingegliedert.

Die Kommandantenaufklärung ist aus zeitlichen Gründen nur bei einem Erst-einsatz mit langer Vorlaufzeit vor dem Angriff möglich, da die Kommandanten wieder zu ihrer Einheit zurückkehren müssen. Nachdem die Kompanie das befohlene Angriffsziel genommen und bereits den Befehl für das nächste Angriffsziel erhalten hat, kann aus organisatorischen und zeitlichen Gründen keine Kommandantenaufklärung durchgeführt werden. In diesem Fall ist nur der Ansatz von Gefechtsaufklärung möglich. Die Gefechtsaufklärung in Halbzug- bis Zugstärke ist bei einem Ersteinsatz immer möglich und im laufenden Gefecht auch die einzige Möglichkeit, um weitere Informationen zu erhalten. 

Zusätzlich zur Kommandanten- und Gefechtsaufklärung können Aufklärungsspähtrupps zum Schutz vor Überraschungen eingesetzt werden. Diese kann der Kompaniekommandant nach der Inbesitznahme eines Angriffszieles zum Erkennen feindlicher Gegenstöße selbstständig einsetzen. Dabei werden Spähtrupps nur wenige hundert Meter von den eigenen Kräften entfernt eingesetzt, die gegnerische Überraschungen frühzeitig erkennen sollen. Sie sind aber nicht zur Aufklärung des nächsten Angriffszieles vorgesehen.

Eigene Aufklärung am Gegner 

Das Lagebild über den Einsatz der gegnerischen Kräfte bleibt nur so lange aktuell, so lange eigene Beobachtung auf den Gegner sichergestellt ist. Wird die gesamte Aufklärung zurückgenommen, erlischt die Aktualität des Lagebildes und es muss mit Vermutungen weitergeplant bzw. beurteilt werden. Je größer das Zeitfenster zwischen der Rücknahme der Aufklärung und dem Ansatz der Angriffskräfte ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich beim Einsatz der gegnerischen Kräfte Änderungen ergeben haben. Diese Änderungen können die geplante eigene Einsatzführung erschweren oder unmöglich machen. 

Werden beispielsweise nach Abzug der Aufklärung vor aufgeklärten Drahtsperren noch Schützenminenfelder angelegt und verfügt das Pionierelement nicht über geeignete Mittel, um diese zu neutralisieren, muss der Kampfplan in der Sturm-ausgangsstellung abgeändert werden. Selbiges gilt für nicht erkannte, zusätzlich im Gefechtsstreifen eingesetzte Kräfte in Räumen, die noch Stunden davor feindfrei waren. Im ungünstigsten Fall wird dann aus einem Angriff nach Bereitstellung ein Angriff aus der Bewegung.

Zusammenfassung und Übermittlung der Ergebnisse 

Die erste Zusammenfassung der Aufklärungsergebnisse erfolgt bei jenem Koordinierungspunkt, wo sich das Aufklärungselement in die einzelnen Spähtrupps aufgeteilt hat. Hier fasst der Kommandant die Ergebnisse der Spähtrupps zusammen. Die Übermittlung an den Kompaniekommandanten erfolgt persönlich nach der Rückkehr zur Einheit oder über Funk. Die persönliche Übermittlung ist, wenn es die Zeit zulässt, zu bevorzugen, weil dabei das Aufklärungsergebnis präziser vermittelt werden kann und die Möglichkeit besteht, Unklarheiten direkt auszuräumen. 

In der Zeit zwischen dem Rückmarsch der Aufklärung und dem Ansatz der Angriffskräfte melden die am Gegner verbliebenen Kräfte jede Lageänderung über Funk. Der letzte Abgleich der Aufklärungsergebnisse erfolgt unmittelbar vor dem Angriff bei der persönlichen Verbindungsaufnahme vom Kompaniekommandanten mit dem Kommandanten der Aufklärungsteile am Gegner. Der Raum der Verbindungsaufnahme befindet sich lageabhängig zwischen dem Absitzraum der Kompanie und der letzten verdeckten Linie. Die Entfernung von diesem Ort zur gegnerischen FEBA kann wenige hundert Meter bis zu zwei Kilometer betragen. 

Im Fall, dass der Gegner seine Kräfte gravierend um- oder neugruppiert hat, ist anzustreben, diese Absprache im Absitzraum durchzuführen. Dort kann die Einweisung beispielsweise an einem Geländesandkasten erfolgen, anhand dessen der Kompaniekommandant nach der Folgebeurteilung auch den Befehl für den adaptierten Kampfplan geben kann. 

Während des Absitzens bzw. der Befehlsausgabe kann bereits die geplante Feuervorbereitung mit Steilfeuer erfolgen. Damit ist sichergestellt, dass unmittelbar nach der Befehlsausgabe zum Angriff angetreten wird. Die Voraussetzung dazu ist eine Entfernung vom Absitzraum zum Gegner von mehr als 600 m bei der Artillerie bzw. 700 m bei Steilfeuer durch schwere Granatwerfer. 

Ansatz der Aufklärung 

Beim Angriff eines Bataillons erfolgt die Koordinierung der Aufklärung mit der betreffenden Kompanie durch das Bataillonskommando. Dabei werden der oder die Anmarschwege, die Marschreihenfolge bis zum Koordinierungspunkt, ab dem die Aufklärungselemente die befohlenen Bereiche selbstständig aufklären sowie der Rückmarsch und die Aufnahme koordiniert. Ab dem Koordinierungspunkt handelt der Kommandant des jeweiligen Aufklärungselementes selbstständig gemäß seinem Auftrag. Die Meldungen der Spähtrupps werden über Funk, je nach Lage entweder an den S2 des Bataillons oder direkt an den Kompaniekommandanten, übermittelt.

Die Gefechtsaufklärung kann der Kompaniekommandant im zugewiesenen Gefechtsstreifen jederzeit selbstständig befehlen, hat sie jedoch an das vorgesetzte Kommando zu melden. Ein Überschreiten der Ablauflinie des Bataillons durch die Aufklärungskräfte ist grundsätzlich immer möglich. Schließlich ist die Ablauflinie eine Koordinierungslinie für die Angriffskräfte, vor der sich der benötigte Informationsbedarf für den Angriff befindet.

wird fortgesetzt

Oberstleutnant Markus Ziegler, MA ist stellvertretender Kommandant vom Truppenübungsplatz Bruckneudorf und davor Hauptlehroffizier Jäger an der Heerestruppenschule.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)