• Veröffentlichungsdatum : 29.08.2024
  • – Letztes Update : 30.08.2024

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  • 1248 Wörter

PerspektivenReich: Militärsprache im Alltag

Katharina Reich

Historisch betrachtete Spracheinflüsse

Alarmierungen gibt es, seitdem Menschen in Gruppen zusammenleben. So gab es beispielsweise im Mittelalter die Türmer, die Alarm schlugen oder die Feuerglocke, die in der Dorfkirche geläutet wurde, um die Bevölkerung zu warnen. Das „Alarm schlagen“, das ursprünglich „all'arme“, also „zu den Waffen“ bedeutet, ist heute jedoch den wenigsten in seiner Ableitung bekannt, die diesen Ausdruck benutzen.

Auch die Werbetrommel, die heute so gerne gerührt wird, hat nur wenig mit kommerzieller Werbung zu tun. Sie wurde seit jeher betätigt, wenn neue Soldaten angeworben werden sollten. Dabei ging ein Trommler mit einem Ausrufer von Ort zu Ort und warb unter den jungen, wehrfähigen Männern künftige Soldaten an.

Der römische Ausdruck „Divide et impera“ – „Teile und herrsche“ – wurde von vielen römischen Führern angewendet, um ihre Macht zu sicherten, indem sie potenzielle Gegner spalteten und gegeneinander ausspielten. Bis heute ist dieser militärische Ausdruck der Römer im Deutschen geläufig. Interessanterweise wird die lateinische Formulierung fälschlicherweise Niccolò Machiavelli zugeschrieben, was wiederum durch Quellen älterer Natur wiederlegt werden konnte. Machiavelli erklärte in seinem 1532 erschienenen Buch „Der Fürst“ dem Fürsten Medici, wie er seine Herrschaft ausüben sollte. Auch Ludwig XI. von Frankreich wird oft mit dieser Maxime in Verbindung gebracht, obwohl sie aus der Militärsprache der Römer abstammt.

Geht man in der Zeitlinie zu den Rittern zurück, findet sich der Ausdruck „in die Bresche treten“, „in die Bresche springen“ oder „in die Bresche werfen“. Gemeint ist damit im heutigen Sprachgebrach, dass jemand in einer kritischen Situation Unterstützung erhält und ihm Beistand geleistet wird. Dies kann mit Argumenten erfolgen oder auch mit Fäusten bei einer Schlägerei. Der Ursprung der Redewendung liegt im Ritterwesen und der Eroberung von Burgen, denn damals musste ein Loch in die Festungsmauer gebrochen werden, die Bresche. Danach konnte der Angreifer in das Innere der Burg vordringen und diese erobern. Daher galt es für die Verteidiger der Burg, ein Eindringen der Feinde durch das Schließen der Bresche mit Baumaterialien zu verhindern, was jedoch zu lange dauerte. Somit musste zuvor ein Ritter in die am Beginn noch schmale Bresche springen, um die Burg zu verteidigen. Der Ritter war sozusagen der „menschliche Korken“, der das Loch mit seinem eigenen Körper und seinem Kampf verschloss.

Ebenfalls aus dem Mittelalter stammt die Bezeichnung „Bauernopfer“. Der Ausdruck meint heute, sich von jemandem zu Trennen, um die eigene Position zu retten. Im Schach sind die Bauern die schwächsten Figuren, die geopfert werden, um die höherwertige Figuren zu retten. Da die Entwicklung des Schachspieles auf reale Schlachten und Könige zurückgeht, ist es wenig verwunderlich, dass das Bauernopfer einen militärischen Ursprung hat.

„Sich aus dem Staub machen“ kommt aus jener Zeit der Kriegsführung, in der militärische Schlachten im Getümmel ihren Verlauf nahmen. Dabei wirbelten die Soldaten viel Staub auf, und jene, die an ihrem Leben hingen, konnten deshalb unbemerkt verschwinden und „sich aus dem Staub machen“. Das Verweigern der Soldatenpflicht – die Fahnenflucht – war natürlich bereits damals verboten. Der Ausdruck hat sich bis in die Gegenwart gehalten.

Unter den Landsknechten, in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges entwickelte die Soldatensprache eine „tiefere Wurzel“. Sprachwissenschaftlich wurde um 1900 damit begonnen, die Sprache der Soldaten zu untersuchen. Bemerkbar ist, dass während des Zweiten Weltkrieges in der Deutschen Wehrmacht die Soldatensprache als Kommandosprache genutzt wurde und als Element der Militärkultur gesehen wurde. Das ist zuvor und danach nicht mehr der Fall. Das später so bezeichnete Soldatendeutsch, dass vor allem für die Deutsche Bundeswehr bis heute im Gebrauch ist, hat vor allem angloamerikanische Einflüsse integriert, die unter anderem auf die NATO-Mitgliedschaft zurückzuführen ist.

Die Luntenschlossgewehre, die vom 14. bis zum 17. Jahrhundert in Gebrauch waren, haben ebenfalls eine sprachprägende Komponente. Die „Lunte riechen“ deutet noch heute darauf hin, dass jemand eine Vorahnung hat. Damals war es der Geruch der gegnerischen Lunten, der mit dem Wind herangetragen wurde und eine „böse Vorahnung verbreitete“. Wenn jemand demnach „die Lunte riecht“, dann sollte er besser schnell verschwinden. Es bedeutet somit eine Gefahr frühzeitig zu erkennen und sich deshalb in Sicherheit zu begeben.

Mit den Schweden kam der Begriff „Die Flinte ins Korn werfen“ in den Sprachgebrauch, da das Feuersteinschlossgewehr als „Flinte“ bezeichnet wurde. Wenn man etwas nicht beim ersten Versuch schafft, sollte man nicht gleich aufgeben, ist mit dem Ausdruck heute gemeint – ursprünglich ging es jedoch auch hier um die Fahnenflucht.

In der Barockzeit wurden prächtige Standarten getragen, vereinfacht gesprochen waren das Stangen mit aufwendig gefertigten Fahnen, den Feldzeichen, die oft goldbestickt waren. Diese Standarten sind die Grundlage der Redewendung „jemanden bei der Stange halten“. Das bedeutet dafür zu sorgen, dass sich eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg – auch unter schwierigeren Bedingungen – für  etwas engagiert, mitarbeitet bzw. begeistert.

In der alten Form der Kriegsführung wurde Reihe um Reihe vorgerückt. Der Ausdruck „etwas auf Vordermann bringen“ kommt daher, dass man beim Antreten und Ausrichten in Reihe und Glied nach dem Vordermann ausgerichtet war. Wenn die Reihe jedoch schief war, wurde diese „auf Vordermann gebracht“. Dieser Ausdruck fand ebenfalls den Einzug in die Zivilsprache und bedeutet etwas zu verbessern bzw. etwas in Ordnung zu bringen. Der Ausdruck hat eine ähnliche und dennoch zusätzliche Bedeutung. Beim Ausrichten wurde gesehen, ob die Soldaten in der ersten Reihe ordentlich gekleidet waren. Somit bedeutet „auf Vordermann bringen“ auch, dass die vorderste Reihe perfekt aussehen muss, um repräsentativ zu wirken.

Aus der Zeit der Kriege mit Pferden und Kanonen stammt der Begriff „mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Er bezeichnet eine massive Überreaktion bzw. verballhornt diese, indem die Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel und der Größe des Gegners in ein absurdes Verhältnis zueinander gestellt wird. Das Bild wurde in die Alltagssprache übernommen und wird ähnlich verwendet wie „aus einer Mücke einen Elefanten machen“, wenngleich in einem aktiveren Sinn.

Eine neue Zeit bringt eine neue Sprache

Auch Frauen haben die Militärsprache geprägt. Bekannt ist, dass das eigene Gewehr oft den Namen der Partnerin erhielt. Im Zusammenhang mit der Liebe stehen auch die Ausdrücke „Soldatenbraut“, die Frau eines Militärangehörigen oder die „Herzensdame“. Das sind die wertschätzenden Ausdrücke für Frauen, denen gegenüber jedoch auch häufig Abwertungen stehen.

Seitdem Frauen in den Streitkräften dienen, änderte sich die Sprache, die bislang vor allem männlichen Denkmustern folgte. Soldatinnen führen jedoch zu einem neuen sprachlichen Umgang, der zu einem deutlichen Rückgang der Vulgärsprache in der Soldatensprache beiträgt. Aber nicht nur Frauen haben einen Einfluss auf die Militärsprache, auch die Zivilgesellschaft hat eine Umkehrung der Sprache zur Folge. Ein Beispiel dafür ist der Ausdruck „eine Fahrkarte schießen“, der „das Ziel verfehlen“ meint. Ursprünglich kommt dieser Ausdruck von einem Einschuss außerhalb der Zielringe, die mit der gelochten Fahrkarte verglichen wurde.

„Einen Persilschein haben oder erhalten“ gibt dem Träger desselben die gewinnbringende Erlaubnis moralische sowie rechtliche zweifelhafte Interessen zu verfolgen. Rekruten mussten früher für die Retournierung ihrer Kleidung leere Kartons mitbringen. Die umfunktionierten Waschmittelkartons der Firma Persil waren dafür besonders beliebt und kamen besonders häufig zum Einsatz.

Erschreckend aktuell wirkt das Russische Roulette, ein potenziell tödliches Glücksspiel mit einem Revolver. Am Beginn des Krieges zwischen Russland und der Ukraine hat sich dieser Begriff als neue Redensart in der Ukraine eingebürgert. Er bedeutet, dass die russischen Eindringlinge die Ukraine plan- und ziellos beschießen. Die Zivilbevölkerung hat diesen Ausdruck entwickelt und ihn an das Militär „weitergegeben“.

Übrigens: Die immer wieder hörbare These, dass Deutsch eine besonders militante Sprache sei, wurde mehrfach widerlegt. Das Englische war bereits zu Zeiten Shakespeares „kriegerisch“, das Französische ebenso. De facto gibt es keine Sprache, die nicht auch vom militärischen Denk- und Handlungsmustern mitgeprägt ist und diesen Bereich ausklammert.

Link Teil 1

Mag. Katharina Reich lehrt zu sicherheitsrelevanten Infrastrukturen, Ökonomie und komplexem Denken an diversen Universitäten und Fachhochschulen.

 

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