• Veröffentlichungsdatum : 03.04.2017
  • – Letztes Update : 06.04.2017

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  • 1490 Wörter

Quad-Rad-Tour beim Bundesheer

Gerold Keusch

Wer im März 2017 in die Burstynkaserne nach Zwölfaxing fuhr, dem konnte es leicht passieren, dass ihm eine Gruppe von Quads entgegenkam. Was auf den ersten Blick wie ein getarnter Hornissenschwarm im Tiefflug aussah, war aber harmlos. Es waren die Teilnehmer des Gerätelehrganges für Fahrlehrer, für diese kompakten Geländefahrzeuge des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH). Im Gespräch mit TRUPPENDIENST gibt der Leiter des Institutes Kraftfahrwesen, Oberst Ing. Gutmann einen Einblick in die Ausbildung.

 „Der Name Quad ist einfach erklärt: Die Fahrzeuge haben kein Ausgleichsgetriebe zwischen dem linken und rechten Rad an einer Achse, das den unterschiedlichen Kurvenradius der Räder ausgleicht. Wenn man sich mit diesem Vehikel durch die Kurve einer asphaltierten Straße bewegt, dann „quad“ - sprich: gwaad - es eher, als dass es fährt“. Oberst Ing. Günther Gutmann sitzt in seinem Büro und grinst. Er ist der Leiter des Institutes für Kraftfahrwesen und in dieser Funktion auch für die Quad-Ausbildung verantwortlich. Mit seinen 42 Dienstjahren ist er ein „Urgestein“ des Kraftfahrwesens im ÖBH - tausende Fahrschüler und Fahrlehrer hat er in dieser Zeit ausgebildet, geschult und geprüft.

Quad-Fahrausbildung

Nicht so lange wie Oberst Gutmann, aber immerhin seit etwa zehn Jahren, gibt es die Quads beim ÖBH. In den ersten Jahren reichte die Heereslenkerberechtigung der Klasse B2 (geländegängige B-Fahrzeuge) und eine bestätigte Einweisung am Gerät, um dieses Fahrzeug lenken zu dürfen. 2013 wurden die heeresinternen Bestimmungen verschärft. Um aktuell mit einem ÖBH-Quad zu fahren, ist ein Führerschein der Klasse M4 notwendig. Für den zivilen Verkehr gelten diese strengen Bestimmungen nicht. Dort reicht eine Lenkberechtigung für Motorräder (Führerscheinklasse A) oder Personenkraftfahrzeuge (Führerscheinklasse B) aus.

Um eine Fahrschule bei der Truppe abhalten zu können, ist es notwendig, über Fahrlehrer zu verfügen, die die Lehrinhalte vermitteln. Darum kümmert sich Oberst Gutmann mit seinem Team. Der Lehrgang, der im März 2017 in Zwölfaxing durchgeführt wurde, war für die Fahrlehrer der Truppe reserviert. Im Jahr 2016 wurde der erste Lehrgang mit zehn Teilnehmern durchgeführt, 2017 der zweite mit 20 Teilnehmern. „Nach diesem Lehrgang gibt es bei der Truppe genügend qualifiziertes Personal, um die Ausbildung selbstständig durchführen zu können“, erklärt Gutmann. Der Kurs der Quad-Fahrlehrer dauert zwei Wochen, an denen es neun Ausbildungstage und am letzten Tag eine theoretische und praktische Prüfung zu absolvieren gilt.

Inhalte der Fahrlehrerausbildung

Neben theoretischen Einheiten im Lehrsaal stehen vor allem praktische Ausbildungsinhalte auf dem Dienstplan der Fahrlehrer. Gefahren wird fast ausschließlich im Gelände, wobei die Übungsplätze in Bruckneudorf, Großmittel und Zwölfaxing als Fahrschulgelände dienen. Darüberhinaus gibt es Fahrübungen im verkehrsarmen Raum, um das Quad und seine Fahreigenschaften näher kennenzulernen. Ein besonderer Inhalt der praktischen Ausbildung ist das Fahren mit dem Infrarot-Scheinwerfer, bei dem die Kursteilnehmer die Schutzbrille gegen das Nachtsichtfernglas „Lucie“ tauschen. Eine Ausbildungsgruppe von Fahrschülern besteht aus vier Personen: einem Fahrlehrer und drei Schülern. So ist gewährleistet, dass die Ausbildungsthemen in einer angepassten Gruppengröße vermittelt werden, die es dem Fahrlehrer ermöglicht, seine Schüler zu beobachten und Rückmeldungen zu geben.

Zahlen, Daten, Fakten

Das ÖBH verfügt über mehrere Typen von Quads. Eines hat sogar drei Achsen und darf, wegen der fehlenden Typisierung, nur auf Truppenübungsplätzen, aber nicht auf öffentlichen Straßen bewegt werden. Zurzeit wird die Fahrzeugflotte standardisiert und auf Quads der Firma Polaris vom Typ „Sportsman 1000 Touring“ umgerüstet. Diese haben einen Zweizylinder-Viertaktmotor mit 1.000 ccm³, eine Leistung von 88 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 120 km/h.

Die relativ hohe Leistung hat einen praktischen Grund. Die Quads können nicht nur auf Rädern, sondern auch auf Raupen fahren. Das ist vor allem für den Einsatz im alpinen Gelände bzw. bei Schneelage wichtig. Damit verbunden sind aber Leistungsverluste aufgrund der erhöhten Reibung der Kette und der Antriebseinrichtung. Der Einsatz im Gebirge hat noch eine zusätzliche Auswirkung auf die Motorleistung: Verbrennungsmotoren benötigen Sauerstoff, dessen Anteil in zunehmender Höhe abnimmt, wodurch sich auch die Leistung vermindert.

Ein Quad für alle Fälle

Quads gibt es in verschiedenen Ausführungen. Neben dem, für viele aus dem Straßenverkehr, bekannten Modell mit zwei Achsen und einem Fahrer, gibt es auch Modelle mit drei Achsen. Die Varianten reichen vom sportlichen Einsitzer bis zum Fahrzeug mit zwei, vier oder auch neun Sitzplätzen. Darüber hinaus gibt es Aufbauten, Anhänger und Quads die an einen LKW erinnern oder sogar ein Maschinengewehr eingebaut haben.

Beim Militär werden diese Vehikel in Österreich noch nicht als Kampffahrzeuge verwendet, sondern hauptsächlich für Versorgungs- bzw. Verbindungsaufgaben eingesetzt. Vor allem in alpinen Regionen ist ihre Verwendung vorteilhaft, da sie klein sind und sich in fast jedem Gelände bewegen können. Das ÖBH-Modell verfügt über eine Waffenhalterung, eine Seilwinde, einen Infrarotscheinwerfer, eine Transportbox und über einen zweiten Sitz. Wesentlich ist der Raupensatz, mit dem das Quad in knapp 30 Minuten vom Räder- zum Raupenfahrzeug umgebaut werden kann.

Strenge Bestimmungen

Warum ist es notwendig, im Bundesheer strengere Maßstäbe anzulegen, als im zivilen Straßenverkehr und Führerscheinkurse selbst auszubilden? „Die Fahrzeuge des Bundesheeres sind älter als die Soldaten, die sie lenken. Sie haben keine Helferlein eingebaut, wie ein modernes Fahrzeug - bei uns muss man noch richtig fahren!“ Aber nicht nur das Fehlen von elektronischen Fahrhilfen unterscheidet das Lenken eines Militärfahrzeuges, von einem privaten Kfz. Für einen Kraftfahrer der Truppe ist es entscheidend, sein Fahrzeug mit Besatzung sicher im Gelände bewegen zu können und das nicht nur bei guten Witterungs- und Fahrbedingungen. Das gilt auch für die Quads.

Verstaubte oder vereiste Straßen ohne Asphaltbelag sind auf öffentlichen Verkehrswegen heutzutage selten anzutreffen. Auf den Übungsplätzen sind sie jedoch Realität. Mit diesen teilweise extremen Bedingungen ist auch ein erhöhter Wartungsaufwand verbunden. Ein Quad hat beispielsweise 19 Schmiernippel, die beim Technischen Dienst durch den Kraftfahrer zu warten sind. Der Technische Dienst und andere militärspezifische Inhalte werden unter dem Begriff „Heereskraftfahrdienst, Gerätelehre/Pflege und Wartung“ gelehrt. Dieser ist ein wesentlicher Inhalt einer militärischen Kraftfahrausbildung. Dabei wird die Verkehrs- und Betriebssicherheit ebenso thematisiert wie das Anlegen von Ketten, der Umbau des Quads zum Raupenfahrzeug, das Tarnen von Fahrzeugen oder das Fahren mit Kampfadjustierung und Nachtsichtbrillen.

„Erfahrung kommt von Fahren“, Oberst Gutmann lehnt sich zurück und grinst. „Mir ist es wichtig, dass die Ausbildung der Kraftfahrer realitätsnah und einsatzorientiert erfolgt. Das Fahren im Gelände bei allen Bedingungen ist eine Herausforderung für den Kraftfahrer. Entscheidend ist vor allem, dass er sicher das Ziel erreicht.“ Gutmann muss es wissen. Bereits als Zehnjähriger hat er auf dem Grundstück seiner Eltern die ersten Fahrversuche mit einem Beiwagen-Motorrad unternommen. Während seiner Ausbildung an der Theresianischen Militärakademie wählte er einen besonderen Wahlsport: Motorradfahren. In den 1970er-Jahren war das noch möglich.

Es gibt aber auch eine praktische Notwendigkeit, in den Streitkräften Führerscheinkurse abzuhalten. „Ein Lastkraftwagen darf erst mit 21 Jahren gelenkt werden. Darüber hinaus kostet ein LKW-Führerschein bei einer zivilen Fahrschule mittlerweile etwa 4.000 Euro. Deshalb kommt fast kein Grundwehrdiener zum Heer, der einen Lastkraftwagen fahren darf. Demnach ist es heute viel wichtiger als noch vor einigen Jahren, die Fahrkurse selbst durchzuführen“, erklärt Gutmann die veränderten Rahmenbedingungen.

Praktiker aus Leidenschaft

Gutmann ist ein Praktiker, dessen Leidenschaft das Kraftfahrwesen ist und der gerne selbst fährt. Über 2.000 km hat er bereits auf den verschiedenen Quads des ÖBH zurückgelegt. Er weiß deshalb worauf es bei diesem Fahrzeug ankommt. „Dem Kraftfahrer müssen seine fahrerischen Grenzen genauso bekannt sein, wie die technischen Grenzen seines Fahrzeuges. Das haben wir ihm zu vermitteln!“ Selbstversuch und Irrtum sind für Gutmann keine didaktischen Methoden des Heereskraftfahrwesens, denn: „fahren dürfen und fahren können sind zwei verschiedene Paar Schuhe“. Wesentlich ist für ihn auch die körperliche Eignung. Das trifft besonders für das Lenken von Motorrädern oder Quads zu. Vor allem bei den Quads ist es notwendig fit zu sein. „Die Limits der militärischen Leistungsüberprüfung sind die Voraussetzung, um ein Quad sicher bewegen zu können. Wenn ein Kraftfahrer diese Limits nicht erbringt, kann er dieses Fahrzeug nicht beherrschen“ erklärt Gutmann den Zusammenhang zwischen allgemeiner Fitness und dem Fahren eines Fahrzeuges, bei dem Muskelkraft und Geschick noch wesentliche Kriterien sind.

„Ein Quad gehört ins Gelände, dafür ist es gebaut. Auf einer asphaltierten Straße ist bereits das sichere Durchfahren eines Kreisverkehres eine Herausforderung.“ Das Fahren eines solchen Fahrzeuges ist nicht ungefährlich. Helm, Handschuhe, Rücken-, Knie- und Ellbogenprotektoren sind ebenso verpflichtend zu tragen wie Feldschuhe. Das schränkt die Bewegungsfreiheit ein und ist deshalb zu üben. Das Gleiche gilt für das Fahren im Winter. Hier stellen nicht nur die Kälte und ein vereister Untergrund ein Gefahrenpotenzial dar, sondern auch das Fahren mit mehreren Schichten Bekleidung bzw. dem Kampfanzug.

Ausblick

Die Quads sind zu einem festen Bestandteil der Fahrzeugflotte des ÖBH geworden. Sie werden durch ihre Geländegängigkeit das Einsatzspektrum der Streitkräfte erhöhen und vor allem bei den Verbänden im alpinen Gelände oder bei Spezialeinsatzkräften verwendet. Für Oberst Ing. Günther Gutmann geht die aktive Zeit als Soldat dem Ende zu. „Am 28. Juni 2017 feiere ich meinen Abschied. Dann beginnt für mich ein neuer Lebensabschnitt, bei dem viel Arbeit auf mich wartet!“ Gutmann wird den Kraftfahrzeugen auch weiterhin verbunden bleiben. Als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Möllersdorf kümmert er sich unter anderem um den Fuhrpark. Darüber hinaus betreut er gemeinsam mit seinem Vater und anderen Helfern das Feuerwehrmuseum seiner Heimatgemeinde. Vielleicht wird dort auch einmal ein Quad zwischen den Fahrzeugveteranen stehen.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur bei TRUPPENDIENST. 

 

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