• Veröffentlichungsdatum : 28.10.2024

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  • 1095 Wörter

Was macht BORIS?

Clemens Strauß

Browser-based Orientation in Space, kurz BORIS, ist eine interaktive dreidimensionale (3D) Geländedarstellung eines festgelegten Raumes. Es ermöglicht die Ansicht aus beliebigen Richtungen mit unterschiedlichen Karten. BORIS ergänzt die klassische Karte und fördert ein rasches Erfassen eines geometrisch, zeitlich und thematisch mehrdimensionalen Einsatzraumes.

Die klassische topografische Karte im Maßstab 1:50 000 ist ein über viele Ebenen bewährtes Führungsmittel. Im alpinen Raum mit starker Reliefdynamik ist ebenso wie im urbanen Raum das rasche Erfassen der geografischen Umfeldbedingungen herausfordernd. Das liegt an den einsatzrelevanten Strukturen, die sich unter, auf und über dem Gelände befinden. Es benötigt ausreichend Kartenerfahrung, um ein Relief anhand der Schummerung und der Höhenschichtlinien im alpinen Raum beurteilen zu können. Allerdings ist der urbane Raum mit einer topografischen Karte im Maßstab 1:50 000 nur rudimentär erfassbar. Das klassische Kartenprodukt auf Papier stößt für diese Einsatzräume an die Grenzen seiner Zweckmäßigkeit.

Die Erstellung des Geo-Produktes BORIS erfolgt im IMG mit der Software QGIS, ein geografisches Informationssystem, das sowohl im SMN (Sicheres Militärisches Netz) als auch im DGMN (Dynamisch Gesicherten Militärischen Netz) zur Verfügung steht und für die Erstellung von Spezialkarten und geografischen Analysen zum Einsatz kommt. BORIS entsteht am Ende eines Prozesses zur Kartenerstellung, nur ist es eben keine Papierkarte, sondern es wird eine interaktive digitale 3D-Darstellung erzeugt. BORIS beschränkt sich nicht nur auf Österreich, wie die Produktbeispiele aus dem tschechisch-polnischen  Grenzraum und aus Bulgarien zeigen (siehe Seite 232). Das Identifizieren und Aufbereiten lokaler Geo-Daten ist dabei aufwendiger, kann aber zu vergleichbaren Resultaten wie bei Räumen in Österreich führen.

3D-Darstellung

Die Möglichkeit, einen Raum nicht nur von oben, sondern aus unterschiedlichen Richtungen betrachten zu können, fördert das Verständnis über diesen Raum. Speziell im komplex anmutenden urbanen Raum mit seinen infrastrukturellen Ebenen löst eine Seiten- oder Schrägansicht diese Komplexität entweder gänzlich auf oder lässt sie zumindest nicht mehr kompliziert erscheinen.

Die Grundlage, um einen Raum aus einer beliebigen Richtung betrachten zu können, bildet eine dreidimensionale Aufbereitung des Geländes. Dafür sind zum einen Höhendaten, die das Relief beschreiben, und zum anderen Informationen darüber notwendig, wie das Relief eingefärbt und texturiert werden soll. Je nach geografischer Lage und Ausdehnung des Interessengebietes können ausgebildete Militärgeografen vor Ort aktuelle Daten gewinnen. Dabei kommen hochwertige Kamerasysteme oder Laserscanner der Luftaufklärungsstaffel sowie Bild- bzw. Radardaten diverser Satellitensysteme zum Einsatz. Die gewonnenen Daten werden durch freie oder kommerzielle Datenbestände ergänzt. Bei freien Daten, die nicht über öffentliche Stellen, sondern durch gemeinschaftliches Zusammenarbeiten entstehen und bereitgestellt werden, ist die Verwendbarkeit für sicherheitsrelevante Themen im Anlassfall zu beurteilen.

Aus diesem Datenpool lassen sich nun 3D-Darstellungen in verschiedener Art erstellen und speziell auf die Bedürfnisse des Bedarfsträgers anpassen. Dabei sind die wesentlichen Unterschiede 

  • das Produktmedium (analog/digital), 
  • die Art des Inhaltes (statisch/quasi-statisch/dynamisch) und 
  • die Form der Nutzung 
  • (passiv/interaktiv). 

Ein Beispiel einer analogen 3D-Darstellung ist der 3D-Druck eines Geländereliefs durch das schichtweise Auftragen von Kunststoff, dessen Inhalt unveränderlich und somit statisch ist. Es benötigt keine spezielle Interaktion zur Betrachtung und ist damit der passiven Nutzung zuzurechnen. Unabhängig von der Form und Benutzungsweise einer 3D-Darstellung müssen zwei wesentliche Fragen beantwortet werden:

  • Worin besteht der Mehrwert im 
  • Vergleich zu bestehenden 
  • 2D-Kartenwerken?
  • Wie sieht die weiterführende 
  • Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse aus der Betrachtung der 
  • 3D-Darstellung aus? 

Denn „nett ausschauen“ ist zu wenig und verbraucht wertvolle Ressourcen in zeitkritischen Entscheidungsprozessen.

Entwicklung und Anwendung

Das Institut für Militärisches Geowesen (IMG) in der Direktion 6 IKT&Cyber konnte in den vergangenen Jahren im 3D-Bereich Wissen und Fähigkeiten aufbauen, die zur Entwicklung des Geo-Produktes BORIS (Browser-based Orientation in Space) geführt haben. Dabei handelt es sich um ein interaktives digitales Produkt mit quasi-statischem Inhalt. Der Zweck dieses Geo-Produktes liegt darin, dem Bedarfsträger im BMLV einen geografisch komplexen Einsatzraum für eine Entscheidung in 3D darzustellen, um die räumliche Komplexität aufzulösen und damit ein rasches und umfangreiches Verständnis für diesen Raum zu ermöglichen. Geeignet ist BORIS sowohl für kleinsttaktische Beurteilungen auf Zugsebene als auch für die Bearbeitung von Schlüsselstellen sowie kritischen Geländeabschnitten einer Brigade. Zur Beurteilung größerer Räume kommt das Relief bei BORIS nicht mehr zur Geltung, wodurch die Verwendung dieses Produktes dort als nicht mehr zweckmäßig erscheint.

Das Ziel des IMG ist es, innerhalb der Produktentwicklung und Produktpflege, auf Seite des Bedarfsträgers die verfügbare Hard- und Software im SMN zu nutzen und nicht auf eine Internetverbindung angewiesen zu sein. Zusätzlich können Daten an andere BORIS-Anwender weitergegeben werden oder in der Produktion von Spezialkarten sowie von Virtual-Reality-Anwendungen durch den militärgeografischen Dienst weiter verwendet werden. 

Das System BORIS ist kein Führungsinformationssystem und soll auch nicht zu einem solchen weiterentwickelt werden! Es dient ausschließlich der Darstellung militärgeografischer Eigenheiten eines Einsatzraumes und kann in der Beurteilungsphase der Umfeldbedingungen im taktischen Führungsverfahren genutzt werden.

Die Grundfunktionalität von BORIS umfasst die Betrachtung des Geländes aus jedem Blickwinkel und erlaubt die Vergrößerung oder Verkleinerung des Bildausschnittes. Das Gelände kann mit verschiedenen Texturen überlagert werden. Je nach Bedarf und Verfügbarkeit sind dies topografische Karten, Stadtpläne und Satelliten- oder Luftbilder. Diese können durch Analyseergebnisse wie Höhenstufen, Steilheit des Geländes, Ausrichtung des Hanges nach Himmelsrichtung, geostatistische Auswertung der Vegetation, Bebauungsdichte oder vorherrschende Landbedeckung ergänzt werden. In speziellen Anlassfällen und in enger Zusammenarbeit mit der Luftaufklärungsstaffel kann eine fotorealistische Aufbereitung des urbanen Raumes in BORIS integriert werden.

Nach Absprache mit dem Bedarfsträger ist die Ausgestaltung des Geländes auch in abstrakter Art möglich. Denn ein Maximum an Realismus eines Geländeabschnittes à la Digital Twin (Digitaler Zwilling ist die virtuelle Abbildung eines Objektes aus der realen Welt) lässt den Betrachter möglicherweise in nicht relevante Details vertiefen und damit den Blick auf das Wesentliche verlieren. Der Anblick abstrakter Inhalte mag ungewohnt erscheinen, kann aber die Beurteilung der Umfeldbedingungen durch Vereinfachung beschleunigen.

Nutzen

Den BORIS-Anwendern stehen die bereits bisher vorhandenen MilGeo-Tools zur Verfügung. Damit lassen sich Koordinatenwerte ins Gelände übertragen sowie Punkte, Linien und Flächen im Gelände einzeichnen und beschriften. Diese Einzeichnungen können als Datei im Textformat gespeichert, geladen, versendet und in weiteren BORIS-Instanzen genutzt werden. Damit ist das Beurteilungsergebnis der Umfeldbedingungen durch die MilGeo-Tools festgehalten, teilbar und für anschließende militärgeografische Weiterverarbeitungen nutzbar. Zusätzlich stehen in BORIS kleine Analyse- und Messfunktionen zur Verfügung, z. B. zur Bestimmung der Sichtbarkeit, der Länge von Profillinien, des Höhenunterschiedes zwischen zwei Orten oder des Umfanges einer Fläche.

Wo ist BORIS zufinden?

Das Geo-Produkt BORIS kann von jeder Dienststelle des BMLV und der Miliz über ihren jeweiligen aktiven Partnerverband am IMG beantragt werden, und zwar durch telefonische oder persönliche Kontaktaufnahme mit dem IMG zur Bedarfsklärung mit anschließendem formalen Antrag per ELAK auf Grundlage eines dafür vorbereiteten Musteraktes. Details dazu sind auf der Intranetseite des IMG beschrieben. Oder der relevante Raum steht bereits auf der Intranetseite des IMG zum Download bereit und BORIS kann sofort genutzt werden. 

Oberrat DI Dr. Clemens Strauß; Referent am Institut für Militärisches Geowesen


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2024 (399).

Zur Ausgabe 3/2024 (399)


 

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