Bosnien
Von der Save bis zur Drina. K.u.k. Sehnsuchtsorte in Bosnien-Herzegowina
312 Seiten, 21,5 x 22 cm, gebunden
€ 26,90
ISBN 978-3-99024-781-5
Kral Verlag, Berndorf 2018
Bosnien-Herzegowina ist eines jener Länder, die für viele Menschen Europas ein Mysterium darstellt. Die ersten Assoziationen sind möglicherweise das Osmanischen Reich oder die Habsburgermonarchie, der Vielvölkerstaat, der Islam in Europa oder vielleicht der blutige Bosnienkrieg. Vermutlich haben nur wenige Europäer eine konkrete Vorstellung von diesem Balkanstaat. Eine Möglichkeit, um diesen Wissensdurst zu stillen, ist das Buch „Von der Save bis zur Drina. K.u.k. Sehnsuchtsorte in Bosnien-Herzegowina“.
In sieben Hauptkapiteln und 45 Beiträgen thematisiert dieser Sammelband mit Schwergewicht die Zeit zwischen der K.u.k.-Okkupation Bosniens im Jahr 1878 bis zum Ende der Habsburgerherrschaft im Jahr 1918. In einem bunten Mix an Themen werden verschiedene Aspekte dieser Zeit behandelt. Diese Themen vermitteln die Geschichte dieses Teils von Europa und erzählen in interessanten, teilweise mit ironischen Aufsätzen die Eigenheiten von Land und Leute. Neben den beiden Autoren, die Fachexperten für die behandelte Region sind, finden sich in dem Buch die Beiträge zahlreicher weiterer hochkarätiger Autoren wie von den Militärhistorikern Erwin A. Schmidl und Wolfgang Etschmann, dem österreichischen Botschafter in Sarajewo Marin Pammer oder dem internationalen Rechtsexperten Heinz Vetschera.
Die Themen in dem Buch sind so vielfältig wie das Land selbst. Der Bogen spannt sich von der Reise mit dem Automobil durch die Herzegowina, der Entwicklung des Alpinismus, der österreichisch-ungarischen Architektur, über Weine, die aus „Steinen wachsen“, dem K.u.k.-Festungsbau in Bosnien und der Herzegowina, der „Alten Brücke“ von Mostar oder jener über die Drina, die die Brücke zwischen Orient und Okzident schlägt.
Genau dieser Brückenschlag ist es auch, der das Buch besonders auszeichnet. In allen Kapitel erkennt man die Faszination, die Land und Leute auf die Autoren ausüben zu scheinen, und denen sich wohl niemand, der jemals diese Region bereist oder dort gelebt hat, entziehen kann. Deutlich wird das vor allem in jenen Kapiteln, die die spirituelle Welt mit dem Fokus auf dem Islam und dessen Lebensstil haben, aber auch den Totenkult, beschreiben.
Der Sammelband begnügt sich jedoch nicht mit dem „historischen Blick“. Vielmehr ist dieser ein Ausgangspunkt, der dazu dient, die aktuelle Situation zu erläutern, um sich ihr nähern zu können. Das zeigt sich vor allem in jenen Kapiteln, die Erinnerungszeichen thematisieren und zeigen wie die Vergangenheit heute vor Ort interpretiert und instrumentalisiert wird und welche Spannungsfelder dadurch entstehen können. Dieser Umstand wird an dem für Österreich prägenden, und für die gesamte Welt schicksalshaften, Attentat von Sarajewo anschaulich erörtert. Dabei wird der Ort des Attentates im Zentrum der Stadt und das Gavrilo Princip-Denkmal in Ost-Sarajewo betrachtet und analysiert. Diese Stadthälfte ist ein Teil der Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina. Diese beiden Denkmäler zeigen wie wirkmächtig Geschichte, Tradition und Vergangenheit in diesem Staat nach wie vor sind. Es ist fundierte Kenntnis notwendig, um sich diesem Balkanland und seiner Gesellschaft nähern zu können.
Zwei Themen, die alle Beiträge einrahmen, sind eine Konstante des Buches: die Reise und das Militär. Das dürfte mit den beiden Herausgebern und ihrem individuellen Erstzugang zu Bosnien-Herzegowina zusammenhängen. Helmut Friedrichsmeier bereiste das Land in den 1970ern im VW-Käfer, als es noch eine Teilrepublik der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien unter Tito war, bevor er auf dem Dachboden seines Großvaters, der als Offizier der K.u.k.-Armee in Bosnien diente, fand. Michael Pesendorfer ist der aktuelle Militärattaché in Bosnien-Herzegowina. Er kam auf der Theresianischen Militärakademie in Berührung mit dem Balkan, wo er Serbokroatisch lernte, wie damals die Staatssprache Jugoslawiens hieß. Heute sind sie aufgeteilt in Bosnisch, Kroatisch und Serbisch. Nach dem Bosnienkrieg war er in verschiedenen Missionen im ehemaligen Jugoslawien eingesetzt.
Fazit: Dieses Buch ist eine interessante und kurzweilige Lektüre für alle, die ein Interesse am Balkan haben und sich einen fundierten Überblick mit einem historischen Fokus darüber verschaffen wollen. Für jene, die beispielsweise als Soldaten dort ihren Dienst versehen oder das Land bereisen möchten, ist es fast eine Pflichtlektüre und sollte ein Teil des Reisegepäcks sein. Auf jeden Fall wird dieses Buch neue Perspektiven eröffnen und dazu beitragen, das eine oder andere lose Ende eines „historischen Fadenbündels“ zusammenzuführen, und sich dem österreichischen „Sehnsuchtsort“ Bosnien-Herzegowina zu nähern.
-keu-