Der Feldherr. Luigi Cadorna im „Großen Krieg“ 1914-1918
Marco Mondini
Der Feldherr. Luigi Cadorna im „Großen Krieg“ 1914-1918
De Gruyter Oldenbourg: Berlin-Boston 2022
232 Seiten
34,95 €
978-3-11-069342-3
Luigi Cadorna war Chef des italienischen Generalstabs und „Mastermind“ der italienischen Kriegsführung zwischen 1915 und 1917. Aufgrund seiner Position und der damit verbundenen Tragweite seiner Entscheidungen war er eine „Schlüsselperson“ des Ersten Weltkrieges. Ohne sich mit dieser Persönlichkeit auseinanderzusetzen, kann man sich weder den Umständen der damaligen Zeit nähern noch den österreichisch-italienischen Kriegsschauplatz bearbeiten. Das vorliegende Werk ist keine klassische Biographie, sondern die Betrachtung dieses Feldherrn in drei Kapiteln: „Der Aufstieg“, „Das Rätsel der Einmütigkeit“ und „Der Falle“.
Im ersten Kapitel wird nach einem einleitenden biografischen Abriss zu Cadorna die Situation des Königreiches Italiens und seiner Armee sowie der Bezug der Bevölkerung zu dieser und einem etwaigen Kriegseintritt dargestellt. Darin befindet sich ein höchst interessanter Beitrag, der erläutert wie sich die militärische und politische Elite damals einen solchen Krieg vorstellten und wie sehr sie der eigenen Bevölkerung misstrauten.
Das zweite Kapitel widmet Marco Mondine der Analyse der Kriegsvorbereitungen und dem Verlauf des Krieges. Der Fokus liegt auf Cadornas Umsetzung des Offensivkrieges, der bis auf die geringen Gebietsgewinne bei Görz (6. Isonzoschlacht vom 6. bis 15. August 1916) scheiterte. Cadorna war, wie viele andere Feldherren dieser Zeit, ein Anhänger der Militärdoktrin „Offensive à outrance“ (Offensive bis zum Äußersten). Dass diese nicht mehr zeitgemäß war und zu verheerenden Verlusten sowie Niederlagen führte, war für ihn unerheblich – auch weil er keine Analyse des Kriegsgeschehens durchführte und bei gescheiterten Offensiven die Schuld bei anderen suchte.
Im dritten Überkapitel beschäftigt sich der Autor mit Cadornas Kommandostrukturen in Udine, die er als „Hofhaltung“ bezeichnet und der 12. Isonzoschlacht im Oktober 1917. Dieses Ereignis, das im Zusammenbruch der Front und den Rückzug der italienischen Armee bis an die Piave resultierte, führte schließlich zur Ablöse Cadornas von der Spitze der italienischen Armee und nach dem Krieg sogar zu einem Gerichtsverfahren, da dem man ihn für seine gescheiterten Schlachten zur Verantwortung ziehen wollte.
Marco Mondinis Werk ist eine faszinierende Studie über den umstrittenen italienischen Generalstabschef, die mit einer sauberen Quellenverwertung und ausgezeichneten Analysen überzeugt. Dabei hat er nicht nur italienische Quellen herangezogen, sondern auch deutsche und englischsprachige. Der nüchterne Sprachstil und die Schreibweise sind lobend zu erwähnen, wenngleich die deutsche Übersetzung von „Il Capo. La Grande Guerra del Generale Luigi Cadorna“, wie das 2017 erschienene Buch im Original heißt, teilweise sperrig ist und eine hohe Aufmerksamkeit erfordert. Fazit: Dieses Werk ist ein wertvoller Titel für alle Personen, die sich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigen – vom historisch Interessiertem bis zum professionellen Forscher.
-mpr-