Das römische Wien im Museum

Das Römermuseum in Wien befindet sich in jenem Teil der Bundeshauptstadt, in dem die Römer ein Legionslager errichtet hatten. Vindobona hieß dieser Ort in der Antike, an dem sich neben den militärischen Anlagen auch eine Siedlung entwickelte und insgesamt 30.000 Menschen lebten.
Gehören Sie auch zu den Menschen die eigentlich gerne ein Museum besuchen würden und es dann doch zu mühsam finden in eines zu gehen? Oft beginnen die Schwierigkeiten bereits vor dem Gebäude, weil man wegen alternativer Öffnungszeiten vor verschlossenen Türen steht. Hat man es hineingeschafft, wird man häufig mit einer Preispolitik konfrontiert, in der es für alles und jeden eine Ermäßigung gibt, nur nicht für Sie. Dafür müssen Sie ihre Jacke anbehalten und den Rücksack durch das Museum schleppen, da es keine Kästchen gibt. Wenn man die Ausstellung betritt, wird man entweder von der Fülle an Informationen „erschlagen“ oder das Museum ist so klein und unübersichtlich, dass man mit dem kostenlosen Wissen aus dem Internet auch so gut bedient gewesen wäre, sich aber das Geld und die Zeit für die Anfahrt hätte sparen können.
Das Römermuseum in Wien ist das genaue Gegenteil von dem zuvor beschriebenen Szenario. Die Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Sonntag (inklusive Feiertage) von 0900 bis 1800 Uhr. Erwachsene zahlen 7 Euro und für Personen unter 19 Jahren ist der Eintritt frei. So unkompliziert können Öffnungszeiten und Preise gestaltet sein. Die Kassa ist besetzt, dahinter befindet sich eine große Anzahl von versperrbaren Kästchen. Neben der Eingangstüre steht ein Verkaufsregal, in dem für jede Altersgruppe das Richtige dabei ist.
Im Erdgeschoß
Beim Betreten der Ausstellung gelangt man in einen Raum, der wie ein überdimensionales Stiegenhaus wirkt. Der Eindruck täuscht nicht, denn das Museum ist hinsichtlich der Architektur tatsächlich wie ein geräumiges Stiegenhaus gestaltet. Auf der Wand gegenüber des Eingangsbereiches befindet sich ein etwa drei Meter hoher und genauso breiter Plan von Vindobona, von dem mehrere Linien zu anderen kleineren Skizzen führen, die man im Erdgeschoß noch nicht unbedingt als zusammenhängendes Werk erfassen kann.
Links vom Eingang stehen Fragmente von römischen Säulen und ein Monitor, in dem ein Film vom antiken Vindobona läuft. Er ist einer von mehreren Bildschirmen in denen Kurzfilme ohne Ton mit kurzen Untertiteln und einer anschaulichen Animation einen Eindruck des Lebens von damals geben. Die Reste der römischen Säulen sind in einer zeitgemäßen Darstellung in die grafische Gestaltung der Wand integriert und vermitteln einen Eindruck der antiken römischen Architektur und Baukunst. Von hier aus gelangt der Besucher in den Keller mit den Ausgrabungen.
Vindobona
Rund 350 Jahre waren die Römer in Wien und hatten hier eines von 30 Legionslagern, die die Grenzen des Imperiums schützen sollten. Vindobona war ein Teil der Grenzanlagen des Limes, der von Britannien bis nach Syrien reichte. Die Blütezeit erlebte die damalige Stadt im 2. und 3. Jahrhundert, das ist auch der Zeitabschnitt der in der Ausstellung behandelt wird. Etwa 30.000 Menschen lebten damals in diesem Gebiet. 6.000 von ihnen waren Soldaten des Legionslagers, der Rest lebte in der Lagervorstadt und in der Zivilstadt. Um das Jahr 500 verließen die Römer das Grenzgebiet im Norden. Die römischen Gebäude verfielen, und es dauerte weitere 500 Jahre bis die Gegend von Wien wieder besiedelt und Häuser dort errichtet wurden - häufig mit Steinen aus römischen Ruinen.
Im Keller
Die Ausgrabungen im Untergeschoß zeugen davon, dass sich das Museum nicht zufällig an seinem Platz auf dem Hohen Markt befindet. Vielmehr bilden die freigelegten Artefakte des römischen Legionslagers - die Reste von zwei Tribunenhäusern - das Herzstück der Ausstellung. Im Keller kann man die gut erhaltenen Ausgrabungen, von denen die Reste der Fußbodenheizung den Höhepunkt darstellen, besichtigen und erhält anhand zahlreicher Schautafeln und Schaukästen einen Eindruck davon, wie Wien in der Römerzeit ausgesehen hat.
Die Idee, das antike Vindobona und das heutige Wien gedanklich zu verknüpfen und grafisch darzustellen, wo sich was befunden hat bzw. was wo ausgegraben wurde oder heute in den Straßenzügen bzw. im Grundriss der Stadt zu finden ist, zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Dabei fand man eine Darstellungsform, die für einen historisch Interessierten genauso ansprechend ist, wie für ein Schulkind.
Ort für Groß und Klein
Das Römermuseum ist für die ganze Familie geeignet. Im Halbstock zwischen dem Erdgeschoß und dem ersten Stock ist ein Teil, der speziell für Kinder gestaltet ist. Dort ist ein Spielzeug-Kastell errichtet, bei dem Legionäre an den Mauern stehen. Daneben stehen Geräte und Objekte zum Anfassen und Bildschirme mit Touchscreens, die Informationen zu dem Thema bieten. Im Hintergrund wird von einem Beamer ein Film über die römische Architektur und Baukunst an eine Mauer projiziert.
Im ersten Stock
Wenn man über die Stiegen gegangen und im ersten Stock angekommen ist, erkennt man den großen Plan an der Wand in seiner Gesamtheit. Von hier aus wird klar, dass der Plan nicht nur einen Eindruck davon gibt, wie das Legionärslager, die Lagervorstadt und die Zivilstadt einst ausgesehen haben und wo sie gelegen sind. Er ist auch ein Wegweiser zu den Themenbereichen der Ausstellung. Diese werden im Obergeschoß anhand von Artefakten, die in Schaukästen liegen, beschrieben. Zugegeben, das eine oder andere zusätzliche Objekt würde die Ausstellung bereichern - die Stücke, die gezeigt werden, erlauben dennoch einen Einblick in das Leben in Wien vor knapp 2 000 Jahren. Der Blick in die Vergangenheit wird auch dadurch klarer, da bei vielen Gegenständen deren Funktion beschrieben ist. Dabei wird auch gezeigt, dass das Leben von damals in vielen Bereichen jenem von heute glich.
Die Funde im Museum sind zwar antik, entdeckt wurden sie jedoch vor nicht gar so langer Zeit. Die Ausgrabungen im Keller wurden beispielsweise erst 1948 bei Kanalarbeiten entdeckt und blieben bis dahin verborgen. Viele Artefakte wurden erst um 1900 oder später ausgegraben, als die Archäologie einen höheren Stellenwert bekam und das Interesse an der Antike und der Römerzeit größer wurde und die Funde so einen Wert erhielten. Im Museum wird aber auch kritisch mit dem Thema Archäologie und Schutz von Kulturgut umgegangen. Eine Station der Ausstellung stellt dem Besucher die Frage, wie man am besten die Vergangenheit sichert, ohne die Gegenwart oder die Zukunft zu beeinträchtigen. Ein Gedanke, der auch das Selbstverständnis der Betreiber offenbart, denen es ein Bedürfnis zu sein scheint, Geschichte begreifbar zu machen, sie aber nicht als Selbstzweck zu betrachten.
Militär im Fokus
Die Ausstellung wirkt strukturiert und zusammengeräumt. Die Gegenstände sind nach einem durchdachten Konzept so angebracht, dass sie die Geschichte der Stadt und der damaligen Zeit erzählen. Die Artefakte werden kurz und präzise in einer verständlichen Sprache in Deutsch und Englisch beschrieben. Mit wenigen Worten wird viel über die Römerzeit erzählt und diese somit begreifbar gemacht. Im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ sind einige Nachbildungen von römischen Funden. Diese sollen dazu einladen, auf den Sandstein zu greifen, aus dem die Römer ihre Skulpturen geformt haben. Sie halten aber auch davon ab, jene Dinge zu berühren, die dadurch zerstört werden könnten.
Das Museum ist nicht nur für Groß und Klein geeignet, es stellt auch verschiedene Teilgebiete der Geschichte dar und verknüpft diese. Dennoch steht das Militär, genauer gesagt die römische Legion, im Vordergrund der Betrachtung. Das Leben des Soldaten, sein Auftrag und sein Schicksal, aber auch seine Ausrüstung und Bewaffnung stehen im Mittelpunkt. Darüber hinaus wird die Organisation der Legion mit ihren Einheiten und Aufgaben dargestellt und das Verteidigungssystem und der Aufbau des Lagers - das Zentrum Vindobonas - beschrieben. Zusätzlich wird unter anderem auf die Ernährung und die wirtschaftliche Bedeutung des römischen Militärs eingegangen.
Da der römische Soldat nur selten kämpfen musste und die militärische und zivile Verwaltung im antiken Rom, vor allem im Grenzgebiet des Donaulimes, eng miteinander verbunden waren, ergibt sich zwangsläufig die zivile Perspektive auf diese Region, die de facto unter Militärverwaltung stand. Dieser Aspekt sowie eine genauere Darstellung des Donaulimes bzw. die Hintergründe warum gerade in Vindobona - nur etwa 40 km westlich von Carnuntum eine Legion stand - wären für das Gesamtbild der Ausstellung jedoch eine wünschenswerte Ergänzung.
Fazit
Wer wissen möchte, wie Vindobona ausgesehen hat, wo es sich befunden hat, wie das Leben der Soldaten aber auch der Zivilisten an dem Ort war, der heute die Hauptstadt von Österreich ist, sollte das Römermuseum besuchen. In etwa einer Stunde bekommt man die oben angeführten Fragen beantwortet und erhält die Möglichkeit, sein historisches Wissen zu erweitern. Wer sich näher mit diesem Thema beschäftigen möchte, kann bei der Kassa den Kurzführer „Vindobona - Das römische Wien“ um 12 Euro erwerben. Darin wird auf knapp hundert Seiten die gesamte Ausstellung dokumentiert und zum Nachlesen angeboten. Die wichtigsten Exponate werden dargestellt, und auch viele Pläne und Skizzen des Museums sind dort zu finden, anhand derer man sich in Wien auf die Suche nach den Spuren der Römer begeben kann.
Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.
