• – Letztes Update : 15.03.2016

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Der Warschauer Pakt - Führung der vereinten Streitkräfte

Siegfried Lautsch

Die Warschauer Vertragsorganisation (WVO), im Westen als Warschauer Pakt bezeichnet, war ein von 1955 bis 1991 bestehender militärischer Beistandspakt des damaligen „Ostblocks“ unter Führung der Sowjetunion. Dieser Pakt dekretierte die Vorbereitung und Führung eines Krieges durch die strategische Führung. Wichtig waren dabei die Festlegungen der militärischen Ziele für den gesamten Krieg und seine einzelnen Phasen entsprechend den Zielen und dem Charakter des Krieges, außerdem die Führung der Streitkräfte während der Vorbereitung auf den Krieg, die Mobilmachung, den strategischen Aufmarsch und die Organisation der allseitigen Sicherstellung der Kampfhandlungen.


Die Truppenführung der WVO war darauf ausgerichtet, die Streitkräfte (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) auf den Einsatz vorzubereiten. Dabei stützen sich die Befehlshaber der Armeen im Wesentlichen auf Erkenntnisse, die sie bei ihrer Ausbildung an sowjetischen Militärakademien gesammelt hatten und auf Vorschriften, wie die Gefechtsvorschrift der Landstreitkräfte, Division, Brigade und Regiment. Diese Vorschrift war eine Übersetzung der in allen Streitkräften der Warschauer Vertragsorganisation verwendeten gleichnamigen sowjetischen Gefechtsvorschrift.

Die Ausbildung von Offizieren an den Militärakademien der Sowjetunion schloss die operative Führungsebene mit ein. An der Militärakademie der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurden die Offiziere dagegen in erster Linie intensiv für den Einsatz auf taktischer Ebene vorbereitet. Neben der Ausbildung an der sowjetischen Generalstabsakademie erhielten höhere Offiziere der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR ihre operative Ausbildung in den eigens an der Militärakademie der DDR eingerichteten „Akademische[n] Kurse[n] leitender Kader“. Diese Weiterbildung wurde vorrangig durch Lehrpersonal durchgeführt, das eine militärtheoretische Ausbildung in der Sowjetunion absolviert hatte.

Grundlagen der Führung

Im Folgenden wird der Führungsprozess bei der Planung von Kampfhandlungen operativer Vereinigungen und operativer Verbände dargestellt (siehe Grafik rechts). Diese basierten vorrangig auf den Grundsätzen der sowjetischen Militärtheorie sowie auf Erfahrungen aus dem Großen Vaterländischen Krieg (Zweiter Weltkrieg).

Der damalige Generalstabschef der UdSSR, Marschall Vasilij D. Sokolovskij, führte in seinem vielbeachteten Buch „Militär-Strategie“ aus dem Jahre 1965 dazu grundlegend aus: „Wie die im vergangenen Krieg gemachten Erfahrungen beweisen, ist eine richtige Führung der Streitkräfte in einem modernen Krieg nur dann möglich, wenn die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bedingungen, unter denen der Krieg vorbereitet und geführt wird, in jeder Beziehung berücksichtigt, die Möglichkeiten und das Verhalten des Gegners real beurteilt und alle Kräfte des eigenen Landes und der Streitkräfte zur Erringung des Sieges über den Feind mobilisiert werden.“

Aus dem Werk des Marschalls über die Militärstrategie der Sowjetunion lassen sich, unter Berücksichtigung der veränderten Bedingungen der Kampfhandlungen im modernen Krieg, Prinzipien und Methoden der militärischen Führung der Streitkräfte der WVO  ableiten und auf das operativ-strategische Denken der sowjetischen Militärführung schließen.

Die Führung der sowjetischen Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg oblag dem Obersten Hauptquartier, auch als Oberstes Kommando bezeichnet. Damit war die Leitung des Krieges auf politischem, wirtschaftlichem und militärischem Gebiet in einem einzigen „Organ“ konzentriert. An der Spitze des Hauptquartiers stand der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), der zugleich das Staatsoberhaupt der UdSSR war. Ihm wäre auch die Funktion des Obersten Befehlshabers der Streitkräfte aller Teilnehmerstaaten der WVO im Krieg übertragen worden.

Im Zweiten Weltkrieg war der Generalstab als wichtigstes Organ des Hauptquartiers für die strategische Planung und Führung der Roten Armee verantwortlich. Dieses bewährte Prinzip galt auch für die Sowjetarmee nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gesamtplanung des strategischen Einsatzes der Streitkräfte (Land-, Luftstreitkräfte, Luftverteidigung, Seestreitkräfte und Strategische Raketentruppen ab 1959) lag sowohl für die sowjetischen als auch die Verbündeten Streitkräfte der WVO in den Händen des Generalstabes in Moskau. Die Versorgung der sowjetischen Streitkräfte mit Material, ihre rückwärtige und technische Sicherstellung (Logistik) wären vom Chef für Rückwärtige Dienste und seinem Stab sowie von den zentralen Verwaltungen und Diensten geleistet worden.

Es sollte dennoch bedacht werden, dass Entscheidungen auf dieser Führungsebene nicht von einem Einzelnen, sondern von einem Kollektiv getroffen worden wären. Das Kollektiv ging davon aus, dass der mutmaßliche Gegner feindlich gesinnt sei und er nicht in der Lage wäre, die Politik des sowjetischen Staates zu verstehen. Daraus folgte, dass Aktivitäten einer gegnerischen Regierung offiziell selten als ein Akt guten Willens anerkannt wurden. Ein sowjetischer „Funktionär“, der das bestritten und dem Kollektiv nachzuweisen versucht hätte, dass ein fremder Staat Anerkennung verdiene, wäre seiner Stellung entbunden worden. Jedermann in den militärischen Führungsgremien hatte zu unterstellen, dass fremde Regierungen nur im Eigeninteresse handeln und Anerkennung in militärischen Angelegenheiten absolut abwegig sind.

Die vom sowjetischen Generalstab getroffenen Entscheidungen gingen in Form von Direktiven den Oberbefehlshabern der Fronten, Flotten und Flottillen zu. In ihnen wurden das Ziel der Operation, die zur Durchführung heranzuziehenden Kräfte, die Richtung der Konzentrierung der Hauptkräfte, der Termin des Beginnes der Operation befohlen, ferner die Art der Erteilung der Anweisungen für ihren Beginn festgelegt. Als Ergänzung zur Direktive des Generalstabes bekamen die Oberkommandos der Fronten weitere Einzelanordnungen für die Befehlshaber der Waffengattungen und Dienste (siehe Grafik S. 202).

Die wichtigsten Anweisungen erhielten die Oberbefehlshaber entweder persönlich oder durch die von den Fronten beauftragten Vertreter. Gleichsam konnte auch so verfahren werden, dass der Generalstab die Oberkommandos der Fronten aufforderte, ihre Ansichten über die Durchführung von Operationen zu äußern. Der Generalstab prüfte die Vorschläge, koordinierte die Operationen der Fronten und der Teilstreitkräfte und gab dann den Fronten entsprechende Direktiven. Die operativen Planungen, die in Ausführung der Direktive des Generalstabes von den Oberkommandos der Fronten ausgearbeitet worden waren, bestätigte der Generalstabschef. Diese Systematik der Aufgabenstellung an die Fronten setzte sich grundsätzlich in den unterstellten Führungsebenen fort.

Die zentralisierte strategische Führung wurde durch den Generalstab gewährleistet, der zugleich die rechtzeitige Heranführung und Entfaltung der Front an die innerdeutsche Grenze gemäß den Plänen der Obersten Führung determinierte. Die zusammengefassten gleichzeitigen Anstrengungen der der Front unterstellten Armeen hätten somit günstige Voraussetzungen für strategische und operative Zielsetzungen ermöglicht.

Mit der Überführung der Streitkräfte der WVO in die „Volle Gefechtsbereitschaft“ wäre das Führungssystem der Koalitionsstreitkräfte in das Arbeitsregime der Kriegszeit versetzt worden. Dies war die höchste Stufe der Bereitschaft der Streitkräfte zur Erfüllung von Gefechtsaufgaben entsprechend der operativen Pläne. Parallel dazu hätte die Mobilmachung des Landes verkündet werden können (siehe Grafik).

Zur Vorbereitung und Koordinierung der Operationen war geplant, operative Gruppen zu den Fronten zu entsenden. Diese hatten einerseits eine unterstützende, andererseits eine kontrollierende Aufgabe. Den operativen Gruppen standen Vertreter des Generalstabes, der Befehlshaber der Waffengattungen, der Chefs der Dienste und anderer Organe der Militärverwaltung zur Verfügung. Sie waren buchstäblich das Bindeglied zwischen dem Generalstab und der Front und entschieden an Ort und Stelle über Fragen des operativ-strategischen Zusammenwirkens.

Der eigentliche Generalstab der NVA, der Hauptstab, hätte in der Alarmstufe „Volle Gefechtsbereitschaft“ operative Gruppen als Verbindungsorgane zu Führungsstellen entsandt. Hierzu gehörten unter anderem eine Arbeitsstaffel zur Hauptführungsstelle der Partei- und Staatsführung, eine operative Gruppe beim Stellvertreter des Oberkommandos der Vereinten Streitkräfte (VSK) auf dem Westlichen Kriegsschauplatz, andere operative Gruppen zum Gefechtsstand und zur Rückwärtigen Führungsstelle der 1. Front, zur Polnischen und Tschechoslowakischen Front und zu einer weiteren Front der Sowjetarmee. Den operativen Gruppen wurden zur Vorbereitung und Durchführung operativ-strategischer Aufgaben, die von Fronten im Koalitionsbestand gemeinsam zu lösen waren, vorrangig Offiziere aus den Bereichen Operation, Technik und Bewaffnung sowie der Politischen Hauptverwaltung und der Rückwärtigen Dienste zugeordnet.

Die Vorteile dieser Vorgehensweise bestanden darin, dass aufgrund der Ausdehnung des Operationsgebietes, des erforderlichen engen Zusammenwirkens der Streitkräfte, des Einsatzes der Raketentruppen und Artillerie, der Fliegerkräfte sowie der Waffengattungen und Dienste, eine enge Koordinierung der Kampfhandlungen nach Ziel, Raum und Zeit sichergestellt worden wäre. Die Führungsgrundsätze der Vereinten Streitkräfte beruhten auf den Prinzipien des Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand, der am 14. Mai 1955 in Warschau beschlossen worden war.

Der Vertrag verweist darauf, dass sich im Falle eines bewaffneten Überfalles auf einen oder mehrere Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages in Europa, sich die Vertragsstaaten in Verwirklichung des Rechtes auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung verpflichten, dem überfallenen Staat oder den überfallenen Staaten unverzüglich Hilfe zu leisten, mit allen Mitteln, die für notwendig erachtet werden, einschließlich der Anwendung bewaffneter Gewalt. Zu diesem Zweck schufen die Teilnehmerstaaten die Vereinten Streitkräfte (VSK), trafen die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Weiterentwicklung und zur ständigen Erhöhung der Gefechtsbereitschaft und koordinierten ihre gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen zur Verwirklichung des Friedens und des Sozialismus in Europa.

Führung der VSK im Frieden

Bei all seiner Verfügungsgewalt im Frieden hatte der Oberbefehlshaber der VSK keine Entscheidungsbefugnis bei der operativen Planung des Einsatzes der Streitkräfte der Teilnehmerstaaten für den Krieg. Diese Kompetenz besaß allein der sowjetische Generalstab (siehe­ Tabelle).

Unabhängig von der Schaffung eines Oberkommandos auf dem Westlichen Kriegsschauplatz wurden die Empfehlungen für die operative Planung und die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zwischen dem sowjetischen Generalstab und dem Hauptstab der NVA abgestimmt und realisiert. Bis zum Ende des Kalten Krieges waren nur die sowjetischen Truppen dem Oberkommando auf dem Westlichen Kriegsschauplatz unterstellt.

Der Oberkommandierende, das Führungsorgan und der Stab trugen erheblich zur qualitativen Weiterentwicklung der VSK bei. Es war konsequent, eine zusätzliche Führungsebene zwischen Generalstab und Front zu schaffen, um im Frieden die Qualität und die militärischen Standards der VSK zu erhöhen und im Krieg eine Grundstruktur als Führungsorgan zur Führung der Streitkräfte auf dem Kriegsschauplatz zur Verfügung zu haben (siehe Karte).

Zu den VSK der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages gehörten die von den jeweiligen Regierungen der Länder bereitgestellten nationalen Truppenkörper, taktischen und operativen Verbände der Teilstreitkräfte, Truppenteile der Sicherstellung, der Führungs- und rückwärtigen Organe sowie die Führungsorgane der VSK. Die Gesamtstärke der für die Friedens- und Kriegszeit bereitgestellten nationalen Truppen, der Umfang der Reserven und der Maßnahmen zur Vorbereitung des Territoriums der Länder wurden durch die Regierungen der Militärkoalition auf Empfehlungen des Oberkommandierenden der VSK festgelegt, in Protokollen fixiert und von den jeweiligen Regierungen bestätigt.

Die zum Bestand der VSK designierten Streitkräfte unterstanden im Frieden den nationalen Verteidigungsministerien. Sie trugen die Verantwortung für den Zustand, die Bewaffnung, Ausrüstung, Gefechtsbereitschaft, politische Erziehung und die militärische Ausbildung sowie für die Bereitstellung der materiellen und technischen Reserven.

Die Einsatzplanungen (operativen Planungen) der für die VSK bereitzustellenden Truppen für den Krieg wurden durch die General(Haupt)-Stäbe der Verteidigungsministerien der VSK im Zusammenwirken mit den Vereinigungen unter Vorgaben des Generalstabes in Moskau und der Oberkommandierenden der Fronten ausgearbeitet. Formell wurden die Empfehlungen des Oberkommandierenden der WVO berücksichtigt, um den Eindruck zu vermeiden, dass sich der Generalstab in Moskau, die vollständige Verfügungsgewalt über die Koalitionsstreitkräfte im Krieg vorbehalte. So zögerte die militärische Führung in Moskau eigentlich bis zur Auflösung des Warschauer Vertrages, endgültige­ Strukturen über die Führung der Streitkräfte im Krieg protokollarisch innerhalb der WVO abzustimmen und zu beschließen.

Der Oberkommandierende war bereits im Frieden gegenüber den VSK weisungsberechtigt. Er gab Empfehlungen im Zusammenhang mit der Überführung der VSK in höhere Stufen der Gefechtsbereitschaft und kontrollierte die Gefechts- sowie operative Ausbildung der Streitkräfte. Zudem hatte er das Recht, operative Pläne, Protokolle und andere Dokumente zu unterzeichnen, die die Entwicklung der VSK betrafen und zur Begutachtung bzw. Bestätigung den entsprechenden Regierungen vorzulegen waren. Außerdem verwirklichte er die Koordinierung der Pläne des operativen Einsatzes der Streitkräfte und gab Direktiven zur Erhöhung der Gefechtsbereitschaft und zur operativen und Gefechtsausbildung heraus. Ferner legte er die jährlichen gemeinsamen Maßnahmen für die VSK fest, wie Übungen, Kriegsspiele, Schulungen, Konferenzen, Konsultationen und Beratungen. Außerdem konnte er nach Abstimmung mit den Verteidigungsministerien der VSK die Kandidaten für bestimmte Dienststellungen vorschlagen.

Der Stab der VSK war mit Generalen und Offizieren der Armeen der Teilnehmerstaaten aufgefüllt, die von ihren Pflichten in ihren nationalen Armeen entbunden wurden.

Führung der VSK im Krieg

Nach sowjetischen Überlegungen gab es drei große Kriegsschauplätze, Europa, Naher und Mittlerer Osten sowie Fernost. Der Kriegsschauplatz Europa unterteilte sich in Mittel-Westeuropa und Südeuropa (auch als Westlicher und Südwestlicher Kriegsschauplatz bezeichnet). Von besonderer strategischer Bedeutung wäre freilich der Kriegsschauplatz Mittel-Westeuropa gewesen, infolgedessen war hier die Masse der Streitkräfte der Sowjetunion und der WVO konzentriert.

Zu den Vereinten Streitkräften des Warschauer Vertrages im Krieg (siehe Grafik S. 207) gehörten die übergebenen Streitkräfte dieser Staaten sowie die Führungsorgane, die zur Abwehr einer Aggression und Zerschlagung des Aggressors zu Lande, zu Wasser und in der Luft bestimmt waren. Sie bildeten die strategischen Gruppierungen auf dem Westlichen und Südwestlichen Kriegsschauplatz sowie Reserven des Obersten Kommandos.

Im Falle eines Überraschungsangriffes auf einen oder mehrere Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages sahen die nationalen militärpolitischen Führungen vor, die Streitkräfte unverzüglich in den Kriegszustand zu versetzen und diese an das Oberste Kommando, die Oberkommandierenden der VSK der WVO bzw. an die Oberkommandos der VSK auf den Kriegsschauplätzen zu melden. Als zentralisierte Führung der VSK der WVO war im Krieg das Oberste Kommando vorgesehen. Der Oberste Befehlshaber und die Zusammensetzung des Obersten Kommandos waren durch Beschluss der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages festzulegen. Das Führungsorgan des Obersten Kommandos der VSK bildete der Generalstab der Streitkräfte der UdSSR.

Dem Obersten Kommando oblag die Führung der strategischen Planung und der Kriegshandlungen der VSK. Die Führung der Streitkräfte im Kriege hatte das Oberste Kommando über die vereinten und nationalen Organe der Militärkoalition zu verwirklichen. Dazu gehörten die Oberkommandos der VSK auf dem Westlichen und Südwestlichen Kriegsschauplatz, die nationalen Armeeführungen, die Kommandos der Vereinten Ostsee- und Schwarzmeerflotte und die Befehlshaber der Truppen der Luftstreitkräfte und Luftverteidigung der WVO.

Die Oberkommandos der VSK auf dem Westlichen und Südwestlichen Kriegsschauplatz wären dem Obersten Kommando der VSK der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages unterstellt worden. Sie nahmen an der strategischen und operativen Planung teil und organisierten das operative Zusammenwirken zwischen den Fronten, Flotten und operativen Vereinigungen der Teilstreitkräfte auf den Kriegsschauplätzen. Den Einsatz der ihnen zur Verfügung gestellten Reserven hatten zudem die Koalitionsgruppierungen der Streitkräfte auf den entsprechenden Kriegsschauplätzen zu führen. Darüber hinaus hatten sie gemeinsam mit den nationalen militärpolitischen Führungen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Kampffähigkeit der Streitkräfte sowie zu ihrer allseitigen Sicherstellung zu gewährleisten.

Zu den Führungsorganen der Oberkommandos der VSK auf den Kriegsschauplätzen gehörten darüber hinaus die üblichen Strukturelemente von Vereinigungen: der Stab, die Politische Verwaltung, die Stäbe mit den dazugehörigen Verwaltungen und Abteilungen der Teilstreitkräfte, die Rückwärtigen und Technischen Dienste, Waffengattungen (Spezialtruppen) und Dienste sowie weitere Führungsorgane, die bei Notwendigkeit geschaffen worden wären.

Im Zweiten Weltkrieg war in der Roten Armee ein Kriegsrat gebildet worden, der sich bewährt hatte. Deshalb war vorgesehen, auf den Kriegsschauplätzen eine vergleichbare Institution, namentlich den Militärrat zu bilden. Er war ein kollegiales militärisches Führungsorgan zur Beratung, in besonderen Fällen auch zur Entscheidungsfindung prinzipieller Fragen des operativen Aufbaues (der operativen Gliederung), der Organisation der Kampfhandlungen, der Truppenführung, der Sicherstellung der Truppen und ihrer Vorbereitung, die in Empfehlungen, Befehlen und Direktiven der Oberkommandierenden der VSK angeordnet wurden.

Der Militärrat hatte sich zudem mit Fragen des Zustandes, der Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte und der Abstimmung operativ-strategischer Kampfhandlungen auf den Kriegsschauplätzen zu befassen. Ständige Militärräte mit beratendem Charakter gab es bereits im Frieden in der Regel in allen militärischen Kommandoeinrichtungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages. In den VSK bestanden Militärräte in den Streitkräften, Fronten, Militärbezirken, Luftverteidigungsbezirken, Flotten, Armeen, Flottillen, den Grenztruppen und auch bei den Inneren Truppen.

Zum Militärrat gehörten sein Vorsitzender und zugleich Oberkommandierender der VSK auf dem Kriegsschauplatz, der Chef des Stabes der VSK und 1. Stellvertreter des Oberkommandierenden, der Chef der Politischen Hauptverwaltung, die Stellvertreter des Oberkommandierenden von jedem verbündeten Staat und weitere Stellvertreter des Oberkommandierenden der VSK auf dem Kriegsschauplatz.

Wenn auch die Organisation und Verfahren der Führung der Streitkräfte im Krieg den Eindruck eines Militärbündnisses gleichberechtigter Mitglieder vermittelte, so hatten doch allein die Oberkommandierenden auf den Kriegsschauplätzen, die sowjetischen Militärs, die volle Befugnis zur Führung der Kampfhandlungen der ihnen unterstellten Fronten, der Luftstreitkräfte, der Truppen der Luftverteidigung, der Vereinten Flotten und anderer Gruppierungen.

Die Organisation und die Verfahren für den Krieg wurden 1980 in Grundsätzen festgelegt, die von allen Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages mit Ausnahme Rumäniens unterzeichnet wurden. Mit diesen von der Sowjet­union initiierten Bestimmungen wären die VSK des Warschauer Vertrages im Falle ihrer Umsetzung rechtlich einem unilateralen sowjetischen Obersten Kommando unterstellt worden, wobei die souveränen Rechte der osteuropäischen Staaten weitgehend außer Kraft gesetzt worden wären.

Alle anderen militärischen Formationen, die militärischen Lehranstalten und ein zentraler Teil der Führungs- und Rückwärtigen Einrichtungen der Teilnehmerstaaten wären im Kriegszustand weiterhin der nationalen militärpolitischen Führung unterstellt geblieben und nach deren Plänen eingesetzt worden. Aufgrund gegenseitiger Vereinbarungen zwischen den Teilnehmerstaaten und dem Obersten Kommando konnten die vorgenannten Kräfte und Mittel im Interesse des Obersten Kommandos oder der Kommandos der Kriegsschauplätze eingesetzt werden.

Gemäß den grundsätzlichen Bestimmungen für den Krieg und der militärischen Vereinbarungen wäre es möglich gewesen, beispielsweise im Rahmen der Überführung der Streitkräfte vom Friedens- in den Kriegszustand, dass das Oberste Kommando rechtzeitig noch vor Kriegsbeginn die Kontrolle über die VSK übernehmen konnte. Durch zeitgerechte Unterstellung der Streitkräfte unter eine direkte und vollständige sowjetische Kontrolle wäre das Mitspracherecht der Teilnehmerstaaten bereits in der Krise und in den Eskalationsstufen zum Krieg erheblich eingeschränkt worden.

Die für den Krieg festgelegte Kommandostruktur der UdSSR widerspiegelt das Konzept des sowjetischen Generalstabes, die gesamte Führung in einem einzigen sowjetischen Obersten Kommando ohne osteuropäische Vertretungen zu zentralisieren. Die Grundsätze sahen zwei unterstellte Oberkommandos mit der Vollmacht für Operationen auf dem Westlichen und Südwestlichen Kriegsschauplatz vor. In diesem Fall sollten die Streitkräfte der WVO, einschließlich der Kräfte der Luftstreitkräfte und Luftverteidigung sowie der Flotten, unter direkter Kontrolle dieser Kommandos operieren.

Die Führungsstruktur des Obersten Kommandos, der Oberkommandos der Kriegsschauplätze und der Fronten war für die tatsächlichen strategischen und operativen Kampfhandlungen optimiert. Mit Ausnahme Rumäniens haben alle Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, wie bereits oben erwähnt, die Grundsätze für den Krieg am 18. März 1980 gebilligt. Rumänien hat die sowjetische Befehlsgewalt über seine Streitkräfte im Krieg nicht akzeptiert und bestand darauf, eigene Verteidigungskonzepte zu entwickeln.

Auf den genannten Kriegsschauplätzen wurden die Streitkräfte durch den jeweiligen sowjetischen Oberkommandierenden und den Stab geführt. Bis Ende der 1970er-Jahre waren die Führungsstrukturen der VSK dem Kriegszustand vorbehalten. Anfang der 1980er-Jahre wurden jedoch feste Strukturen definiert und Führungsstellen eingerichtet. Der Stab der VSK auf den jeweiligen Kriegsschauplätzen war das Hauptführungsorgan des Oberkommandierenden und im Frieden mit deutlich verringertem Personal besetzt.

Erst mit Auslösung höherer Stufen der Gefechtsbereitschaft verstärkten nationale operative Gruppen der VSK den Stab beim Oberbefehlshaber auf Kriegsstärke. Die Auffüllung auf Kriegsstärke wurde in Teilen erstmals bei der Übung „Sojus-83“ trainiert. Bei dieser Übung erfolgte erstmalig die Führung einer Übung durch den Oberbefehlshaber der Vereinten Streitkräfte aus dem Raum der Führungsstelle in Legnica (Volksrepublik Polen). Die Nordgruppe der sowjetischen Streitkräfte, stationiert in der Nähe Legnica, verlegte ab 1984 ihr Hauptquartier in den ca. 55 km weiter südlich liegenden Ort ?widnica. Die Kasernenanlage im Standortbereich Legnica wurde im Weiteren als Hauptführungsstelle des Oberbefehlshabers des Westlichen Kriegsschauplatzes genutzt.

Die Entfaltung der Führungsorgane und des Nachrichtensystems (Fernmeldenetzes) der Oberkommandos der VSK auf dem Kriegsschauplatz erfolgte auf besondere Weisung des Obersten Kommandos und auf Grundlage der „Pläne der Überführung vom Friedens- in den Kriegszustand“ der nationalen militärpolitischen Führungen der Teilnehmerstaaten. Hierfür stand ein umfangreiches System von stationären, sogenannten geschützten Führungsstellen, beweglichen und fliegenden Gefechtsständen, Wechselgefechtsständen und Hilfsführungsstellen mit Nachrichten- und Automatisierungsmitteln zur Verfügung. Die stationären Gefechtsstände wurden im Frieden arbeitsbereit gehalten. Sie waren in einem Führungs- und Nachrichtensystem einbezogen, das die Überführung der VSK vom Friedens- in den Kriegszustand in der Spannungsperiode und im Verlaufe der Kriegshandlungen gewährleisten sollte.

Zur Organisation des Zusammenwirkens und zur Erhöhung der Operativität der Führung der Streitkräfte wurden von den Oberkommandos der VSK operative Gruppen zu den unterstellten Vereinigungen der verbündeten Armeen und Flotten entsandt.

In den Befehlsstrukturen der VSK waren weitgehend die Luftverteidigung Osteuropas und die gemeinsamen Flottenverbände in der Ostsee integriert. Dennoch war es im Frieden für die sow­jetische Militärführung nicht einfach, tatsächliche Kontrollfunktionen über weite Teile der nationalen Streitkräfte der Teilnehmerstaaten, mit Ausnahme von vereinbarten Inspektionen, auszuüben.

Über den Zustand und die Entwicklung der nationalen Streitkräfte, beispielsweise in der NVA, informierte die sowjetische Militärführung die von ihr eingesetzten Berater, die sogenannten Militärspezialisten in den Streitkräften, den Militärbezirken, den Divisionen sowie in speziellen Einrichtungen und Truppenteilen. Darüber hinaus musste sich auch die sowjetische militärische Führung auf Informationen der nationalen Militärführungen der „Bruderarmeen“, auf Ergebnisse von Übungen, Konferenzen, Konsultationen und Beratungen verlassen.

Nur im Verteidigungszustand unterstanden die nationalen Land-, Luft- und Seestreitkräfte dem jeweiligen Oberkommando der VSK auf dem Kriegsschauplatz und die wiederum dem Obersten Kommando in Moskau. Also nur im Verteidigungsfall lag die Vollzugsgewalt über die VSK beim Obersten Kommando der Sowjetunion.

Die UdSSR stellte mit rund vier Millionen Mann auch vier Fünftel der Koalitionstruppen, wovon ein Fünftel in den Teilnehmerstaaten stationiert war. Allein auf dem Westlichen Kriegsschauplatz verfügte die erste operativ-strategische Staffel, nämlich die 1. Front, über 30 Divisionen (davon elf Divisionen der NVA), eine Artilleriedivision und sieben Fliegerdivisionen (davon zwei der NVA), die rasch um weitere Divisionen aus Polen und der Tschechoslowakei hätten verstärkt werden können.

Die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) verfügte in den 1980er-Jahren, ohne Verstärkungskräfte, über einen Kampfbestand von 19 Divisionen, davon neun Panzerdivisionen, 420 000 Soldaten, 9 000 Panzer, 7 000 Schützenpanzer/Schützenpanzerwagen (SPz/SPW) und 6 000­ Artilleriegeschütze über 100 mm. Dabei betrug die Gesamtstärke der Landstreitkräfte der WVO auf dem Westlichen Kriegsschauplatz 81 Divisionen, davon

  • 40 Panzerdivisionen,
  • 1 697 000 Soldaten,
  • 23 700 Panzer,
  • 30 200 SPz/SPW und
  • 18 575 Artilleriegeschütze.

Mit dem Einsatz des Obersten Kommandos und der Übernahme der Kommandogewalt über die Führung der Truppen der VSK durch das Oberkommando auf den Kriegsschauplätzen wären die vorbereiteten bzw. entsprechend der Lage aktualisierten Befehle, Direktiven und Anordnungen für den Kriegszustand verbindlich geworden.

Auf dem Territorium der DDR trugen der Oberkommandierende der 1. Front, die Befehlshaber der Vereinigungen und Kommandeure der Verbände und Truppenteile die volle Verantwortung für die Gefechtsbereitschaft der ihnen unterstellten Truppen und die Erfüllung ihrer operativen und taktischen Aufgaben im Krieg.

Die Entwicklung der Führungsorganisation für die VSK war bis Ende der WVO nicht endgültig abgeschlossen. Am 14. Oktober 1987 teilte der sowjetische Verteidigungsminister den Chefs der General(Haupt)-Stäbe in Moskau mit: „Zur Vervollkommnung des Führungssystems der Vereinten Streitkräfte ist vorgesehen, die Grundsätze über die Vereinten Streitkräfte und ihre Führungsorgane im Krieg zu präzisieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten“.

Kurze Zeit danach übergab Marschall Viktor G. Kulikov den Entwurf neuer Einsatzgrundsätze an die Teilnehmer des Warschauer Vertrages und schrieb am 3. Dezember 1987 an den Armeegeneral der NVA, Heinz Keßler, dass seit „der Inkraftsetzung der Grundsätze über die VSK ca. acht Jahre vergangen waren, sich Veränderungen in der militärpolitischen Lage und in den Streitkräften vollzogen hatten. Unter Beachtung der Vorschläge auf der Beratung des Komitees der Verteidigungsminister habe das Vereinte Kommando die Grundsätze­ präzisiert und sei zu gemeinsamer Arbeit bereit“.

Der Vorschlag von Marschall Kulikov zur Präzisierung der Grundsätze enthielt dementsprechend eine Neubestimmung der Zusammensetzung des Obersten Kommandos der VSK der Vertragsorganisation sowie die Festlegungen, dass der Oberste Befehlshaber der Streitkräfte der UdSSR zugleich Oberster Befehlshaber der VSK war. Die Obersten Befehlshaber der nationalen Streitkräfte der Länder des Warschauer Vertrages sollten zum Obersten Kommando gehören. Der Minister für Verteidigung der UdSSR sollte der 1. Stellvertreter des Obersten Befehlshabers der VSK sein. Der Oberkommandierende der VSK war als Stellvertreter des Obersten Befehlshabers für die Streitkräfte­ der Teilnehmerstaaten vorgesehen.

Die Entwicklung der Führungsorganisation für die VSK war bis Ende der WVO nicht endgültig abgeschlossen. Am 14. Oktober 1987 teilte der sowjetische Verteidigungsminister den Chefs der General(Haupt)-Stäbe in Moskau mit: „Zur Vervollkommnung des Führungssystems der Vereinten Streitkräfte ist vorgesehen, die Grundsätze über die Vereinten Streitkräfte und ihre Führungsorgane im Krieg zu präzisieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten“.

Kurze Zeit danach übergab Marschall Viktor G. Kulikov den Entwurf neuer Einsatzgrundsätze an die Teilnehmer des Warschauer Vertrages und schrieb am 3. Dezember 1987 an den Armeegeneral der NVA, Heinz Keßler, dass seit „der Inkraftsetzung der Grundsätze über die VSK ca. acht Jahre vergangen waren, sich Veränderungen in der militärpolitischen Lage und in den Streitkräften vollzogen hatten. Unter Beachtung der Vorschläge auf der Beratung des Komitees der Verteidigungsminister habe das Vereinte Kommando die Grundsätze­ präzisiert und sei zu gemeinsamer Arbeit bereit“.

Der Vorschlag von Marschall Kulikov zur Präzisierung der Grundsätze enthielt dementsprechend eine Neubestimmung der Zusammensetzung des Obersten Kommandos der VSK der Vertragsorganisation sowie die Festlegungen, dass der Oberste Befehlshaber der Streitkräfte der UdSSR zugleich Oberster Befehlshaber der VSK war. Die Obersten Befehlshaber der nationalen Streitkräfte der Länder des Warschauer Vertrages sollten zum Obersten Kommando gehören. Der Minister für Verteidigung der UdSSR sollte der 1. Stellvertreter des Obersten Befehlshabers der VSK sein. Der Oberkommandierende der VSK war als Stellvertreter des Obersten Befehlshabers für die Streitkräfte­ der Teilnehmerstaaten vorgesehen.

Die Minister für Verteidigung der Teilnehmerstaaten sollten gleichzeitig Stellvertreter des Obersten Befehlshabers der Streitkräfte ihrer Länder sein. Weitere Präzisierungen sahen vor, dass das Führungsorgan des Obersten Kommandos der Generalstab der Streitkräfte der UdSSR sei, der die Führung der strategischen Raketentruppen, der Mittel des kosmischen Krieges, der Mittel der Abwehr eines Raketenüberfalls, der strategischen Luftstreitkräfte, der strategischen Seestreitkräfte und die strategische Planung übernehmen sollte.

Über die Präzisierung der Grundsätze der VSK für den Krieg wurde jedoch bis zur Auflösung der WVO keine Einigung erreicht. Auf der Tagung des Politisch Beratenden Ausschusses am 7. Juli 1989 in Bukarest nahm der Oberkommandierende der VSK, der sowjetische Armeegeneral Petr V. Lušev letztmalig zu den Aufgaben des Oberkommandos Stellung und schlug vor, die Mechanismen der militärischen Zusammenarbeit im Rahmen des Warschauer Vertrages zu vervollkommnen und, um die Effektivität und Operativität in der Tätigkeit der Strukturelemente zu erhöhen und ihre Zusammenarbeit zu verbessern.

Im Beschluss der Tagung wurde dann festgelegt: „Das Vereinte Kommando und die Verteidigungsministerien haben (…) die Erarbeitung von Vorschlägen zur Vervollkommnung des Mechanismus der militärischen Zusammenarbeit im Rahmen des Warschauer Vertrages fortzusetzen, die geltenden Grundsatzdokumente zu präzisieren, die die Tätigkeit der Vereinten Streitkräfte und ihrer Führungsorgane im Frieden und im Krieg regeln, und sie nach Abstimmung zur Bestätigung vorzulegen.“

Dazu kam es jedoch nicht mehr. Das Oberkommando der Truppen der Westrichtung wurde im März 1989 in „Kommando der Truppen der Richtungen“ umbenannt und ohne die Einbeziehung anderer Verbündeter 1991 nach Smolensk verlegt. Nach dem Zerfall der Warschauer Vertragsorganisation wurde es im Juni 1992 aufgelöst.

Die Systematik der operativen Planungen für den Einsatz der Streitkräfte im Krieg hatte sicherlich auch Mängel, die sich hauptsächlich in der Einengung der Initiative der nachgeordneten Führungsebene, in der Elastizität bei der Beurteilung der Lage, der Entschlussfassung und nicht zuletzt beim Einsatz von Kräften und Mitteln ausdrückten (siehe Grafik links). Wegen der uneingeschränkten Konzentration der Befehlsgewalt auf die Befehlshaber und Kommandeure war ein gewisser Subjektivismus nicht ausgeschlossen.

Andererseits war durch die sowjetische Führungsstruktur das System der operativen Planung, der Vorbereitung und Durchführung von Kampfhandlungen, das Erreichen der Kriegsziele durch eine straffe Zentralisierung der strategischen und operativen Führungen vom Obersten Kommando bis hinunter zu den taktischen Verbänden (Divisionen) gewährleistet.

Führungsrolle UdSSR

Die Grundsätze, Ziele und Führungsmittel der WVO waren gewiss auf den Kriegsstatus optimiert, wobei sich in Friedenszeiten die tatsächliche Führung der VSK der uneingeschränkten sowjetischen Kontrolle entzog. Nach damaliger Interpretation der politischen Führungen beruhte die Zusammenarbeit in der VWO auf Prinzipien souveräner Staaten, auf Einigkeit in den Festlegungen der Grundfragen der Verteidigung der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, der kollektiven Verantwortung zur Gewährleistung ihrer Sicherheit und der Verteidigung der „Errungenschaften des Sozialismus“.

Zweifellos war der Warschauer Vertrag als multilaterale Organisation des Ostblocks von der Führungsrolle der Sowjetunion bestimmt. Die UdSSR stellte nicht nur die Masse der Streitkräfte auf dem Kriegsschauplatz und verfügte über enorme personelle und materielle Ressourcen, sondern auch über geeignete eigene Führungsstrukturen, nicht zuletzt über die strategischen Raketentruppen. Insofern war das Oberkommando auf dem Westlichen Kriegsschauplatz im Frieden und auch im Krieg vornehmlich mit sowjetischen Generalen und Offizieren besetzt. Die NVA stellte im Frieden einen General und 20 Offiziere und im Krieg fünf Generale und 50 Offiziere bereit. Das schloss freilich ein, dass die Vollmachten und Verantwortlichkeiten der Oberkommandos auf dem Kriegsschauplatz im Krieg über die Koalitionsstreitkräfte in den Händen des sowjetischen Obersten Kommandos in Moskau lagen.

Ebenso waren die Strukturen der Streitkräfte der WVO im Frieden und im Krieg von sowjetischem Führungsanspruch geprägt. Das war aufgrund der Rolle der UdSSR im sozialistischen Staatenbund zwar nicht ungewöhnlich, hatte aber zur Folge, dass den nationalen Souveränitätsansprüchen der Teilnehmerstaaten im Krieg kein Korrektiv gegenüberstand. Angesichts der anerkannten Gefahr eines möglichen Krieges in Europa rückten die politischen Führungen und die Armeen des Ostblocks zusammen. Die Überwachung durch die Sowjetunion war weniger bedenklich. Ihr Führungsanspruch wurde in der Militärkoalition anerkannt.

Die Sowjetunion, im Bündnis mit den Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, fühlte sich jahrzehntelang von der NATO und ihrer Führungsmacht, den Vereinigten Staaten, militärisch bedroht. Deshalb bereiteten sich die Streitkräfte der WVO auf eine militärische Auseinandersetzung hauptsächlich mit dem westlichen Militärbündnis vor und schufen die Voraussetzungen für eine effiziente Kriegsführung.

Es gibt keine ausreichenden Beweise, dass die WVO jemals die Absicht hatte, die NATO aus „heiterem Himmel“ anzugreifen. Jegliche Kriegsführung wäre mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden gewesen. Um der Objektivität genüge zu tun: Es gab auch keine realistische Begründung für einen beabsichtigten überraschenden Angriff durch das östliche Militärbündnis. Allein schon die bitteren Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg mit den unermesslichen Verlusten an Menschen, Material und Ressourcen verhinderten ein solches Denken.

Zwar kennt die Geschichte keine eisernen Gesetze, aber sehr wohl die Abhängigkeit der Gegenwart von der Vergangenheit. Die Sowjetunion war sowohl durch die stalinistische Diktatur und den blutigen Zweiten Weltkrieg geprägt als auch durch die vielfache ökonomische und mentale Zerrissenheit im Inneren des Landes während der Nachkriegsära. Diese Schrecken sind unter den Eliten Russlands bis heute unvergessen.

Die Drohgebärden zwischen den Militärkoalitionen trugen während des Ost-West-Konfliktes vorrangig ideologischen Charakter. Die politisch beabsichtigte Überlegenheit der Planwirtschaft über die Marktwirtschaft ist aus systemimmanenten politisch-ideologischen und ökonomischen Gründen nicht erreicht worden. Den ideologischen wie auch den Wirtschaftskrieg hatte die sozialistische Gesellschaftsordnung verloren. Einen Krieg der Streitkräfte wollte hingegen niemand führen, weil es keine Sieger, sondern nur Verlierer gegeben hätte. Daher war ein ressourcenverschlingender Frieden zweckdienlicher als unermessliche Feldzüge.

Letztlich entschieden sich die politisch-militärischen Führungseliten der WVO für den Erhalt des Friedens. Wobei einzuräumen ist, dass die Planer der NVA über die Details der strategischen Zielsetzungen des sowjetischen Generalstabes nur insoweit informiert waren, als dass es für die eigene operative Planung erforderlich war. Dieses Vorgehen ist jedoch in den Streitkräften des östlichen und auch des westlichen Bündnisses opportun, da jede Streitmacht Verschlusssachen gemäß ihrem eigenen Interesse einstuft und nur den Offizieren Zugang gewährt, die ihn tatsächlich haben müssen.

Fazit

Die WVO war verteidigungswillig und -fähig und mit aller Entschlossenheit bereit, im Kriegsfalle sofortige Kampfhandlungen durchzuführen. Deshalb wären im Verteidigungszustand nach den Planungen bis Mitte der 1980er-Jahre auch weitreichende Angriffsoperationen nicht ausgeschlossen gewesen. Bei Vorliegen zuverlässiger Erkenntnisse über tatsächliche Angriffsabsichten des Gegners, also in Erwartung eines ohnehin unvermeidlichen Krieges, hielten die Planer präventive Offensivhandlungen für möglich.

Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages besaßen keine allumfassende Kenntnis über die strategischen Zielsetzungen der Sowjetunion. Die Stäbe der Militärkoalition, speziell die der NVA, verfügten indessen über ausreichende Informationen über die militärische Stärke der NATO-Streitkräfte in Westeuropa. Zweifellos gab es zwischen der NATO und der WVO eine Diskrepanz in der Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte. In der WVO betrug sie 85 Prozent an Personal, Bewaffnung und Ausrüstung. Im Gegensatz dazu waren in den NATO-Streitkräften vor Anwendung der Bereitschaftsstufen nur 50 Prozent ihres Führungsbestandes und der bereitzustellenden Kräfte und Mittel gefechtsbereit.

Nach Berechnungen des konventionellen und nuklearen Kräfteverhältnisses in Europa durch den Autor dieses Beitrages, speziell im Streifen der 5. Armee der NVA, war das Kräftedispositiv mit einem eigenen Überhang an Panzern und Kernwaffen relativ ausgeglichen. Das lässt den Schluss zu, dass keine glaubhafte Bedrohung durch den Westen vorlag.

Durch eine Vielzahl von politischen und militärischen Informationen wurde dem Offizierkorps der NVA ein überzogenes Kräftedispositiv seitens der NATO vermittelt, obwohl die Aufklärungsdienste über realistische Einschätzungen verfügten. Das lag einerseits daran, dass die Dienste immer von den absoluten Zahlen ausgingen, obwohl die wirklichen Bereitschaftsstufen der Streitkräfte zu Beginn des Krieges weit überzeichnet wurden. Andererseits brauchte die politisch-militärische Führung eine Lagebeurteilung über eine schwelende Kriegsgefahr, um die ausufernden Kräfte, Mittel und Ressourcen für das kollektive Sicherheitssystem begründen zu können.

Durch die operativ-taktische Ausbildung und den Einfluss der politischen Erziehung in der NVA gab es im Offizierskorps bis hinauf zum Oberkommando der VSK eine große Entschlossenheit, im Falle eines Krieges erfolgreich zu kämpfen, weil die Offiziere lange an die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung glaubten und von der Gefechtsbereitschaft und Kampfkraft der eigenen Streitkräfte, als auch der Streitkräfte der Sowjetunion, weitgehend überzeugt waren. Dies war gewiss auch der Herkunft, Entwicklung und ideologischen Beeinflussung des Offizierkorps seit der Gründung der NVA geschuldet.


Oberst a.D. Siegfried Lautsch war Unterabteilungsleiter für Ausbildung im Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR.

 

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