- Veröffentlichungsdatum : 19.08.2020
- – Letztes Update : 24.08.2020
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Der Weg in die digitale Kommunikation
Mit 18. Dezember 2018 erfolgte der Zuschlag an Kapsch BusinessCom für das Tactical Communication Network (TCN). Gleichzeitig wurde mit der Einführungsplanung begonnen. Dabei sind umfassende Änderungen in der Organisation der Truppe und der Ausbildung der Soldaten notwendig. Das TCN befähigt den kleinen Verband, ein digitales Führungsnetz zu bilden, das Informationen von Sensoren und Truppen sowie Befehle verzuglos für Kommandanten und Stäbe bereitstellt.
Die Einführung des neuen verlegbaren Fernmeldesystems muss hinsichtlich Organisation, Ausrüstung, Vorschriften und Ausbildung harmonisiert erfolgen. Zusätzlich sind alle zusammenhängenden Vorhaben zeitlich synchronisiert umzusetzen, um rasch die Feldverwendbarkeit des TCN und damit eine verbesserte Führungsfähigkeit gewährleisten zu können. Die Herausforderungen liegen in der gleichzeitigen Sicherstellung der permanenten Führungsfähigkeit mit dem Altsystem und der konsequenten Umsetzung des Vorhabens TCN. Ein „Broadband on the Move Network“ bis auf Einheitsebene stellt dann die Basis für die weitere Digitalisierung in allen Bereichen des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) sicher.
Mit dem Auftragnehmer Kapsch BusinessCom (KBC) wurden die Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung des ÖBH entsprechend der Gesamtplanung für die Umsetzung als Vorbereitung der Detailplanungsphase in einzelne Themenblöcke gruppiert und priorisiert. Für jeden Themenblock wurden die Anforderungen in enger fachlicher Abstimmung zwischen dem BMLV und dem Auftragnehmer in aufeinanderfolgenden Iterationen (Prozess eines mehrfachen Wiederholens gleicher oder ähnlicher Handlungen; Anm.) zur Einführungsreife gebracht und dokumentiert. Die jeweiligen Dokumente dienen für die Konkretisierung der Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung des ÖBH und als Basis für die Güteprüfung und die Abnahme.
Die Details für die Einrüstung der Komponenten und des Gerätes in die verschiedenen Trägersysteme (Wechselaufbauten, Funktionsfahrzeuge etc.) sowie die Einrüstung der Betriebs-, Transport- und Lagerbehälter wurde in der Detailplanung mit dem Auftraggeber abgestimmt. Dabei wurden die Vorgaben des BMLV vollinhaltlich berücksichtigt. Sowohl als Lieferort als auch als Standort für den Einbau der Systemkomponenten des TCN wurde das Heereslogistikzentrum (HLogZ) Wels festgelegt.
Einführungsplanung im BMLV
In der Einführungsplanung galt es zunächst, alle Entwicklungslinien und sonstige betroffene Bereiche im ÖBH zu erfassen und in einer Arbeitsgruppe in einem harmonisierten Vorgehens- und Zeitplan umzusetzen. Gleichzeitig mussten alle Parameter aufgrund der getroffenen Typenentscheidung einer ausführlichen Bewertungs- und Maßnahmenbeurteilung unterzogen werden.
In den Entwicklungslinien
- Ausrüstungsbereitstellung (Verantwortungsbereich Abteilung Informations- und Kommunikationssysteme),
- Vorschriften (Verantwortungsbereich Abteilung Vorschriften mit Führungsunterstützungsschule),
- Ausbildung (Verantwortungsbereich Abteilung AusbA mit Führungsunterstützungsschule),
- Infrastruktur (Verantwortungsbereich Abteilung Infrastruktur)
und bei den Vorhaben im Zusammenhang mit TCN (siehe dazu TD-Heft 1/2020) sind Maßnahmen ergriffen und festgelegt worden, die nun dargestellt werden.
Organisationsentwicklung IKT-Truppe
Eine Organisation ist die dauerhafte Ordnung von Personal, Material und Aufgabe in einem Aufbau- und Ablaufzusammenhang. Dabei soll ein Höchstmaß an organisatorischem Gleichgewicht durch eine stabile, aber auch elastische Struktur sichergestellt werden. Mit der Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese wurde ein Verfahren aus der Organisationslehre angewandt. Die Aufgabenanalyse für die neue TCN-Ausrüstung wurde unter Nutzung der Erfahrungen aus der Truppe erarbeitet. Die zur Herstellung der Betriebsbereitschaft erforderlichen Teilaufgaben wurden detailliert dargestellt und allgemeine Gefechtsaufgaben wie die Eigensicherung mitberücksichtigt. In der nachfolgenden Aufgabensynthese wurde mit der Erarbeitung von Aufgabenkomplexen und der Stellenbildung die Organisationsstruktur entwickelt.
Die Bildung von Aufgabenkomplexen kann dabei in Form einer Verrichtungsorientierung (gleiche Tätigkeit, z. B. Kabel verlegen) oder Objektorientierung (alle Tätigkeiten an einem Ort, z. B. Gefechtsstand) erfolgen. Zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Struktur sowie zur Reduzierung der Koordinierungsaufgaben wird wo immer möglich eine Objektorientierung angestrebt.
Alle derart geschaffenen Arbeitsplätze wurden mit einer Arbeitsplatzbeschreibung und die Organisationselemente sowie die zusammengestellten Teileinheiten und Einheiten mit Aufgabenfestlegung im ÖBH unter Einbindung der Personalvertretung fixiert und nachfolgend durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS) genehmigt. Dabei wurden neue Arbeitsplätze für die Errichtung und den Betrieb des TCN mit der Bezeichnung Informations- und Kommunikationstechnologie-Unteroffizier (IKTUO) und der Ergänzung des jeweiligen Organisationselementes eingeführt. Der IKTUO hat zukünftig eine prägende Ausbildungsaufgabe. Nachfolgend sind die wesentlichsten Neuerungen in der Organisation der IKT-Kräfte angeführt.
Organisationsebene Einheit
Die zugeordneten TCN-Komponenten der Einheit (taktischer Router, Datenfunkgerät Band I, LAN-Komponenten, Server) werden von der neuen Funktion IKTUO errichtet und betrieben. Der FMUO, Funker & Melder sowie Funker & Kraftfahrer werden zu einem Datenfunktrupp zusammengeführt.
Organisationsebene kleiner und großer Verband
Für alle höheren Führungsebenen sowie für Kampfverbände wurden für die IKT-Züge der kleinen Verbände, der Führungsunterstützungskompanie der Land- und Luftbrigaden und der Führungsunterstützungsbataillone nachfolgende Organisationselemente abgeleitet:
Eine IKT-Gruppe für eine Führungseinrichtung kleiner Verband aufwärts (zwei Kadersoldaten, sechs Rekruten) mit einem
- taktischen Router (mit Masse im Wechselaufbaushelter und mit Teilen in Transportkisten),
- Datenfunkgerät im Frequenzband I,
- Datenfunkgerät Frequenzband III,
- Server und einer
- LAN-Ausrüstung entsprechend der Führungsebene.
Eine Netzfunkgruppe für die Netzbildung und Übergänge in das Truppenfunknetz (zwei Kadersoldaten, fünf Rekruten) mit einem
- taktischen Router mit Masse im Wechselaufbaushelter Funk,
- Datenfunkgerät Band I,
- Datenfunkgerät Band III und dem
- Truppenfunksystem Combat Net Radio (CONRAD).
Ein IKT-Bau-Trupp zum Herstellen und Halten von Lichtwellenleitern und Kupferkabelverbindungen (ein Kadersoldat, fünf Rekruten) mit einem
- zwei Kilometer Lichtwellenleiter Multimode,
- drei Kilometer Lichtwellenleiter Singlemode und einem
- vier Kilometer Feldkabel.
Eine bewegliche Befehlsstelle (Aufgabe unverändert; neu mit IKTUO) mit einem
- taktischen Router,
- Datenfunkgerät Band I,
- Server,
- Truppenfunksystem CONRAD und Kurzwelle sowie einer
- LAN-Ausrüstung.
Bei der Aufgabenanalyse wurden auch zahlreiche Schwachstellen der bisherigen Organisationsstruktur festgestellt und behoben. Beispielsweise wurde im Datenfunktrupp UKW/KW die Personalstärke von drei auf vier Soldaten erhöht, um zumindest den Basisauftrag erfüllen zu können.
Nachfolgende Organisationselemente wurden bei den Führungsunterstützungskompanien der Brigaden und bei den Führungsunterstützungsbataillonen eingeführt:
Netzgruppe: Mit drei Netztrupps zur Einbindung im ortsfesten Fernmeldesystem, Datenfunkrelaisbildung und Netzverdichtung (drei Kadersoldaten, neun Rekruten) gibt es je einen Trupp mit
- einem taktischen Router in Transportkisten und
- zwei Datenfunkgeräten Frequenzband IV oder
- zwei Datenfunkgeräten Frequenzband III.
IKT-Trupp Kontingent: Für eine Führungseinrichtung von Sonderelementen (drei Kadersoldaten) mit einem
- taktischen Router in Transportkisten,
- Server und einer
- LAN-Ausrüstung entsprechend der Zusammensetzung des Sonderelementes
IKT- Elektrotechnische Sicherheit & Energieversorgungstrupp: Zur Gewährleistung des Vollzuges der Verordnung „Elektrotechnische Sicherheit“ und Sicherstellung der Energieversorgung.
Spektrummonitoring-Element: Zur Überwachung der geordneten eigenen Frequenznutzung und Feststellung von lokalen Anomalitäten (Aufklärung).
VSAT-Trupp: Der VSAT (Very Small Aperture Terminal; Satellitenempfänger und -sender mit Antennen; Anm.) dient zur Sicherstellung von Mehrkanalsatellitenverbindungen sowohl bei Inlands- als auch Auslandseinsätzen.
Ausbildungselement: Dieses Element dient der Ausbildung im Zuge der Einführung des TCN im Fachbereich, zur Abdeckung der Ausbildung der Stäbe während der Nutzung des TCN bzw. der zukünftigen Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung.
Die Anzahl der oben angeführten Organisationselemente zu den neuen IKT-Zügen der kleinen Verbände, zu den Führungsunterstützungskompanien der Brigaden, zur Luftunterstützung und zum Radarbataillon sowie zu den Führungsunterstützungsverbänden erfolgt entsprechend deren Grundaufträgen.
Zusätzlich wurde aufgrund der Aufgabenanalyse eine Verstärkung der S6-Gruppe kleiner Verband und eine Neustrukturierung der S6-Gruppe großer Verband mit der Eingliederung der Netzsteuerung vorgenommen. Die ersten Organisationspläne sind bereits mit 1. März 2020 in Kraft getreten. Die weiteren Organisationsplanumstellungen folgen zeitgerecht zur Sicherstellung der Personalauswahl und Ausbildung vor Zulauf des Gerätes.
Ausrüstungsbereitstellung TCN
In Ableitung des beschafften Mengengerüstes an Komponenten, der Bestände an weiterzuverwendendem IKT-Gerät (z. B. Lichtwellenleiter, Baugerät, Kabel), der Bestände an weiterzuverwendenden Wechselaufbauten/Shelter sowie der vorstehend angeführten personellen Organisationsstruktur (Personalteil des Organisationsplanes) wurden IKT-Gerätesätze mit Satznormlisten entwickelt und in den Sachmittelteil des Organisationsplanes eingefügt.
Die Vorbereitung der „Altsysteme“ für den Einbau des TCN erfolgt grundsätzlich durch die Gerätebesitzer (Prozessschritt 1 und 2), durch die festgelegten Vorrüstwerkstätten für die verlegbaren Vermittlungssysteme (Prozessschritt 3a und 3b) bzw. durch die festgelegten ÖBH-internen Vorrüst- und Einbauwerkstätten für gepanzerte Kampf- und Gefechtsfahrzeuge sowie Luftraumüberwachungs-Systeme (Prozessschritt 4) unter Berücksichtigung des mit dem Auftragnehmer vereinbarten Einsteuerungsplanes. Der zugehörige „Logistische Prozess“ ist in der Grafik (siehe Seite 181) dargestellt.
Nach Lieferung der Vermittlungseinheiten bzw. dem Einbau des TCN durch den Auftragnehmer werden die Systeme im Heereslogistikzentrum Wels um die zugeordneten Bauteilkomponenten des ÖBH ergänzt und die Einsatzsysteme an die neuen Besitzer ausgeliefert.
Wesentliche Kriterien für die Auslieferungsreihenfolge sind:
- Keine Auslieferung während einer Vorbereitungsphase für einen Auslandseinsatz (Leitbrigade);
- Schwergewicht der TCN-Ausbildung von Führungsunterstützungspersonal in den Phasen ohne Einrückungstermin;
- Berücksichtigung der Schwergewichtsvorhaben der Streitkräfte in den Jahren 2021 und 2022;
- Erhaltung der Handlungsfreiheit sowie geringe Auswirkungen im Falle von Verzögerungen im Zuge der Lieferung bzw. Auslieferung der Systeme.
Begleitend sind die Vorhaben im Zusammenhang mit dem TCN in den Rüstungsprozess einzuplanen und umzusetzen. Beispiele sind in der Grafik (siehe Seite 180) angeführt.
Vorschriften TCN
Zur Sicherstellung der Feldverwendbarkeit der neuen Geräte ist die Verfügbarkeit von Vorschriften erforderlich. Der Einführungsplan sieht vor, die wesentlichste Vorschrift „TCN Planung und Einsatz“ in einem Erstentwurf bis Juli 2020 zu erstellen und während der Ausbildung „Train the Trainer“ zu evaluieren. Ein Konzeptentwurf liegt hier bereits vor.
Ausbildung TCN
Mit der ersten Teillieferung im Juli 2020 erfolgt auch der Startschuss für die „Train the Trainer“-Ausbildung. Ein ausgewähltes Lehrpersonal der Führungsunterstützungsschule und der Truppe schaffen damit die Basis für die zukünftige TCN-Ausbildung.
2021 beginnt die „TCN-Umschulung“ von einem bereits vorqualifizierten Personal im Bereich der Kaderausbildung 5 oder Führungsorganisationselement 3 der Führungsunterstützung oder im Stabsunteroffizierslehrgang des Fernmeldepersonals sowie im Basislehrgang Datennetzwerke und IKT-Sicherheit für Fachpersonal. Die Curricula dazu wurden bis Ende Mai 2020 in einem Entwurf fertiggestellt und werden in weiterer Folge laufend durch die gemachten Erfahrungen angepasst.
Eine hochmoderne Ausbildungsanlage TCN (Vertragsbestandteil) und TCN-Organisationselementausrüstung bilden die weitere Basis für einen erfolgreichen Ausbildungsablauf.
Die Aufnahme des TCN in die Regelausbildung der Offiziere und Unteroffiziere beginnend ab der Kaderanwärterausbildung 2 ist für 2021/22 geplant.
Zur Ausbildung der taktischen Kommandanten müssen Maßnahmen an der Theresianischen Militärakademie und Landesverteidigungsakademie sowie bei der Kaderfortbildung zeitnah erfolgen, um sich die Vorteile der Vernetzung in Form einer realen Informationsüberlegenheit im Felde zu verschaffen. Der „Digitalen Kompetenz“ in der Führungskräftequalifikation kommt im derzeitigen Informationszeitalter ein besonderer Stellenwert zu.
Infrastruktur TCN
Für die Ausbildungsanlage in Sheltern an der Führungsunterstützungsschule sind einige infrastrukturelle Voraussetzungen (Fundament, Anschlüsse) notwendig. Ebenfalls sind geringe Adaptionen in den Heereslogistikzentren zur Bewältigung der neuen Aufgaben erforderlich.
Die Vielzahl der weiteren Maßnahmen, z. B. Fernmeldemechaniker-Ausbildung, sei hier nur erwähnt, da dies den Rahmen des Artikels sprengen würde.
Zielsetzung Fähigkeitsgewinn
In der Gesamtschau befähigt das TCN den kleinen Verband technik- und truppennah mit Blick auf den taktischen Führungsprozess zur Bildung eines breitbandigen Führungsnetzes, das Informationen von Sensoren und Truppen sowie Befehle verzugslos für Kommandanten und Stäbe bereitstellt. Die Zeit bis zur Herstellung eines Einsatznetzes auf der Ebene Kompanie, Bataillon und Brigade sowie im ortsfesten Fernmeldesystem wird nach einer Anlernphase bei der Sicherstellung der Fahrzeugausrüstung deutlich reduziert werden können.
Auf einen Blick
Mit dem TCN steht das Österreichische Bundesheer auch im internationalen Vergleich im Spitzenfeld der digitalen Vernetzung. Wenn alle beteiligten Stellen planungskonform in ihrem Verantwortungsbereich die Umsetzung vorantreiben, steht einer erfolgreichen Einführung des neuen Systems nichts mehr im Wege. Damit könnte das TCN ab 2023 bei der Truppe in Betrieb gehen.
Oberst dhmfD Ing. Horst Treiblmaier, MSD MA ist Leiter Referat Informationsübertragung & Elektronische Kampfführung.
Oberst Karl Höfer ist Referent Kommunikationstechnik.