• Veröffentlichungsdatum : 13.11.2018
  • – Letztes Update : 09.01.2019

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Fit im richtigen Moment

Gerold Keusch

Vizeleutnant Karl Pavlis ist Schütze und Heeresleistungssportler. Seit seiner Jugend nimmt er an Schießbewerben teil und ist der dienstälteste Pistolenschütze des Militär-Weltsportverbandes CISM und einer der erfolgreichsten Sportler des Bundesheeres. Mit dem TRUPPENDIENST sprach er über die Stationen seiner Laufbahn und gab einen Einblick in seinen militärischen und sportlichen Alltag.

0630 Uhr in der Sporthalle der Wiener Stiftkaserne. Vizeleutnant Karl Pavlis sperrt die Türe auf und schaltet das Licht ein. Während die Neonlichter aufblitzen ist er bereits über ein paar Holztreppen gelaufen und in der Gerätekammer verschwunden. Als die Halle hell erleuchtet ist, taucht er mit einigen Medizinbällen in den Händen auf, geht die Treppen herunter und legt diese zwischen Hanteln und Sportgeräten ab. Kurz darauf ist er wieder in der Gerätekammer verschwunden, um die nächsten Bälle zu holen. Nachdem Pavlis alle abgelegt hat, geht er zu einem Stapel mit Gymnastikmatten. Eine nach der anderen legt er zu je einem Medizinball und richtet diese aus.

Mittlerweile ist es 0645 Uhr. Die Sporthalle füllt sich mit den Soldaten, die mit dem Vizeleutnant den Morgensport absolvieren werden. Es sind Offiziere des Generalstabslehrganges - Teilnehmer jenes Kurses, in dem die zukünftigen Spitzenführungskräfte des Bundesheeres ausgebildet werden. Heute beginnen sie, so wie an zwei anderen Tagen die Woche auch, ihren Dienst mit Gymnastik, Sport und Schweiß. „Guten Morgen, meine Herren!“,  begrüßt Vizeleutnant Pavlis die „Auszubildenden“ und beginnt mit den ersten Aufwärmübungen.

Der Weg zum Leistungssport

Der Mann, dessen Tag bereits kurz nach 0500 Uhr beginnt, ist einer der erfolgreichsten Sportler Österreichs. Seit dem Jahr 1985, als er in Osijek (damals Jugoslawien, heute Kroatien) Europameister im Pistolenschießen wurde, zählt er zu den erfolgreichsten Schützen der Welt. „Mein Vater war Luftgewehr- und Kleinkalibergewehr-Schütze und nahm mich häufig zum Training mit. Außerdem war mein Onkel Jäger und hat somit auch geschossen.“  Karl Pavlis hat hinter dem Schreibtisch seiner Kanzlei Platz genommen und erinnert sich daran, wie er mit dem Schießsport in Berührung kam „obwohl ich nicht mehr weiß, wann ich meinen ersten Schuss abgefeuert habe.“  Fest steht, dass er damals noch sehr jung war, denn als Jugendlicher nahm er bereits an Turnieren teil und errang seine ersten Erfolge.

„1977 wurde ich bei den Jungschützen Zweiter in der Staatsmeisterschaft. Im Jahr darauf gewann ich - bereits als „Junior“ - die österreichische Meisterschaft zum ersten Mal. 1981 konnte ich bei der Österreichischen Meisterschaft mit der Luftpistole die höchste Ringzahl aller Klassen erreichen“,  blickt der Vizeleutnant auf seine frühen Erfolge zurück. Am 1. Juli 1981 rückte Pavlis in Baden zum Bundesheer ein. Nach der Grundausbildung wurde er am 1. September 1981 an die Heeressport- und Nahkampfschule, die Vorgängerorganisation des Heeressportzentrums, zur 1. Lehrkompanie Leistungssport versetzt. Ab diesem Zeitpunkt war seine Dienststelle das Leistungszentrum in der Blattgasse.

Europameister, Weltmeister und Weltrekordhalter

„Viele Dinge im Leben sind Glück und Zufall. So war es auch bei mir als ich die Möglichkeit erhielt, Leistungssportler im Bundesheer zu werden“, erinnert sich der Welt- und Europameister. „Eigentlich wollte ich im Februar 1982 abrüsten und in meinen Beruf zurückgehen und später in die Fußstapfen meines Vaters treten und in dessen Betrieb mitarbeiten.“  Es sollte anders kommen. Die sportliche Laufbahn an der Heeressport- und Nahkampfschule verlief so erfolgreich, dass Pavlis seinen ursprünglichen Plan widerrief. Im Februar 1982 schoss er bei seinem ersten internationalen Turnier in der Schweiz, mittlerweile in der Herrenklasse, österreichischen Rekord. Sein Vater riet ihm daraufhin, beim Bundesheer zu bleiben und seinen Sport weiter zu betreiben. „Somit wurde ich Profi unter dem legendären Vizeleutnant Voda, dem damaligen Sportunteroffizier des Leistungszentrums in der Blattgasse.“

Vizeleutnant Voda war eigentlich für Judo zuständig und nahm sich, neben den späteren Doppel-Olympiasieger Peter Seisenbacher (1984 Los Angeles und 1988 Seoul), auch um den jungen Schützen an. Voda wurde der sportliche und militärische Ziehvater von Karl Pavlis und sein Trainer von 1982 bis 1993. In diesem Zeitraum stand er in beinahe jeder Weltmeisterschaft an der er teilnahm, auf dem Stockerl und gewann unzählige „kleinere“ Bewerbe und Wettkämpfe. Bereits bei seiner ersten Militärweltmeisterschaft 1983 in Fort Benning (USA) erreichte er die Top-Ten, 1986 folgte der erste Weltmeistertitel in der Mannschaft, 1989 im Einzelbewerb und 1992 erneut in der Mannschaft mit einem Weltrekord. In den letzten Jahren wurde der Vizeleutnant Dritter bei den Military World Games in Rio de Janeiro 2011 und erreichte 2015 in Korea den zweiten Platz in der Teamwertung.

Die sportlichen Erfolge von Karl Pavlis sind kein Zufall. Obwohl er über eine körperliche Grundkonstitution verfügt, die den Erfolg in diesem Sport begünstigt, war es vor allem jahrelange, disziplinierte und harte Arbeit, die ihn an die Weltspitze brachte. Und es benötigt Härte, Disziplin und Ausdauer, um sich dort zu halten. Das Training für den Schießsport findet nicht nur am Schießstand statt. Seit dem Beginn seiner Laufbahn betreibt Pavlis Ausdauersport, auch wenn er - im Gegensatz zu früher - heute keine Marathons mehr läuft, um fit zu bleiben. Zusätzlich trainiert der Unteroffizier vier- bis fünfmal in der Woche in der Kraftkammer. Damit ist es jedoch nicht getan: „Ich schieße fast täglich oder mache zumindest Anschlagsübungen“, meint Pavlis, denn „sonst würde ich mich mit meinem Alter von 57 Jahren nicht mehr mit den jungen Athleten mithalten können.“

Biofeedback

Neben klassischen Fitnesstraining, war Karl Pavlis neuen technik- und computerunterstützten Trainingsmethoden gegenüber immer aufgeschlossen. Bereits in den späten 1980er-Jahren befasste er sich mit dem Biofeedback, bei dem unwillkürliche Körperfunktionen mit elektronischen Messgeräten aufgezeichnet und dargestellt werden. Im sportlichen Anwendungsbereich ist das eine Möglichkeit, um festzustellen wie man die körperliche Leistungsfähigkeit steigern kann. Eine Anwendung, die heute fast jeder Sportler nutzt und ebenfalls in diese Kategorie fällt, ist die Pulsmessung. „Biofeedback ist High-Tech Autogenes Training“, charakterisiert Vizeleutnant Pavlis diese Methode und stellt fest: „Es mag zwar zum Teil auf Einbildung basieren, aber es funktioniert. Deshalb verwende ich Biofeedback jeden Tag in irgendeiner Form.“

In den 1980ern war diese von Dr. Gerhard Eggetsberger entwickelte Methode neu und wirkte beinahe wie Science-Fiction. Und sie war sensationell und erregte Aufsehen. Deshalb wurden sie in einer Extrasendung des Fernsehmagazins „Sport am Montag“ - in jener legendären Folge, bei der Moderator Sigi Bergmann über glühende Kohlen ging - thematisiert. In dieser Folge hatte auch Karl Pavlis eine mediale Sternstunde und die Möglichkeit sich und seinen Sport vor großem Publikum zu präsentieren. Es blieb aber nicht bei diesem Auftritt, auch bei anderen ORF-Fernsehsendungen, wie dem Club 2 war er damals öfter zu Gast und auch der Abendsport im Fernsehen berichtete regelmäßig von seinen Erfolgen.

Militärische Laufbahn

Karl Pavlis ist einer von wenigen Heeres-Leistungssportlern, die auch eine „klassische“ militärische Laufbahn absolviert haben. „Auch hier spielten der Zufall und das Glück eine große Rolle“, gibt Pavlis zu. „Mein Mentor, Vizeleutnant Voda, hat meine Fähigkeiten als Trainer erkannt und mich ermuntert Berufssoldat zu werden. Während der weniger aktiven Phasen des Wettkampfjahres habe ich zunächst die Unteroffiziers- und danach die Trainerausbildung gemacht.“  1986 wurde der Unteroffizier zum Wachtmeister befördert, kurz darauf war er bereits Trainer für Allgemeine Körperausbildung und bald darauf auch für das Pistolenschießen. 1994 folgte der Stabsunteroffizierskurs und danach die viersemestrige Diplomtrainerausbildung an der Bundeslehranstalt für Leibeserziehung, die heutige Bundessportakademie.

An die Landesverteidigungsakademie kam Pavlis nach der Umwandlung der Heeressport- und Nahkampfschule zum Heeressportzentrum. „Der ehemalige Stabschef der Landesverteidigungsakademie, Brigadier Ebner, kam zu mir und sagte: ,Bau mir den Sport an der Akademie auf!´ Meine Entscheidung war klar: Falls ich die Möglichkeit haben würde, den Schießsport weiter zu betreiben, mache ich das.“  Seit 1994 ist der, im Jahr 2008 zum Vizeleutnant beförderte, Unteroffizier in der Wiener Stiftkaserne für den Sport zuständig. Dort begleitet er neben dem Generalstabslehrgang, die Masterstudien-, Führungs- und Stabslehrgänge und auch den Strategischen Führungslehrgang. Bisher waren das 85 Lehrgänge mit etwa 1.600 Personen. Neben der Leitung des Trainings und seinen eigenen Sporteinheiten findet man Karl Pavlis in seiner Kanzlei. Dort erstellt er Dienstpläne, füllt Tabellen mit Daten, plant Trainingseinheiten, fordert Fahrzeuge an und nimmt sonstige administrative Aufgaben wahr.

Zusätzlich organisiert er zusammen mit seinen Kameraden das Schießtraining für das Leistungskader Schießen und für sich selbst. „Die Arbeit mit dem Leistungskader ist meine größte dienstliche Motivation“, sagt Pavlis. Die Dienstzeit reicht jedoch nicht aus für das Training im Hochleistungssport, weshalb er auch in seiner Freizeit häufig am Schießplatz steht. Neben diesen Aufgaben, bei denen der Dienst häufig in die private Zeit reicht, geht er gerne auf die Jagd oder zum Fischen in die Donauauen. Darüber hinaus führt er Deutsch-Kurzhaar-Jagdhunde und bereist mit seiner Lebensgefährtin die Welt, wobei er auch dort seiner Jagd- und Schießleidenschaft nachgeht und auf seinen Trips gerne militärhistorische Orte besucht. „Ich lebe aus dem Kalender!“, erklärt Karl Pavlis, der beinahe jede Minute seines Tages durchtaktet und plant, um alle Hobbys, Interessen und Verpflichtungen in 24 Stunden unterzubringen.

Leben für den Sport

Karl Pavlis ist der dienstälteste Pistolenschütze aller 133 CISM-Staaten und er ist einer der erfolgreichsten Leistungssportler des Bundesheeres. An über hundert großen Turnieren nahm er bisher teil und wurde mit fast 900 Medaillen ausgezeichnet. Die Bilanz seines Sportlerlebens ist einzigartig: Neben den bereits erwähnten Europa- und Weltmeistertiteln ist er 60facher Österreichischer Staatsmeister und 110facher Niederösterreichischer Landesmeister. Aus diesem Grund wurde er auch mit mehreren Orden ausgezeichnet, dem Sportehrenzeichen in Gold und dem Verdienstzeichen des Landes Niederösterreich, dem „Double Gold Star of Sports Merrit“ der CISM und dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Darüber hinaus wurde er im Jahr 2013 im Zuge des Bundesheer-„Soldier of the Year & Military Sports Award“ zum „Trainer of the Year“ gewählt. Seine persönlichen Bestleistungen, die ihn einmal den Weltrekord brachten, sind (Maximalpunktanzahl 600): 589 Luftpistole, 590 Standard Pistole, 594 Zentralfeuer Pistole, 596 Military Rapid Fire.

Trotz seiner Erfolge denkt der Unteroffizier auch mit beinahe 60 Jahren nicht an den Ruhestand: „So lange es geht werde ich an Turnieren teilnehmen, Sport betreiben und aktiv sein. Ich werde jedoch immer in der Allgemeinen Klasse starten und nicht bei den Senioren - bis zu meinem bitteren Ende!“, meint Pavlis. Warum ihn der Schießsport fasziniert, erklärt er wie folgt: „Sportschießen ist eine besondere Form der Meditation. Es erfordert höchste Konzentration und Disziplin. Beim Schießen bin ich absolut auf mich, meine Waffe und die Scheibe fokussiert - sonst würde ich nicht treffen.“

Neben dem Verschmelzen von Körper und Geist hat der Sport für den Vizeleutnant noch einen anderen positiven Aspekt: „Als Sportler muss man fit und leistungsfähig - konkurrenzfähig - sein. Viele Menschen verstehen nicht was das bedeutet und mit welchen Mühen und Entbehrungen es verbunden ist, diese Leistungsfähigkeit zu erlangen und zum richtigen Zeitpunkt abrufen zu können.“  Warum ihn der Wettkampf begeistert, erklärt der Vizeleutnant so: „Im Sport sind Leistung und Erfolg messbar. Viele Menschen neigen, speziell in der heutigen Zeit, dazu Dinge zu verschleiern, zu zerreden, unangenehmen Situationen auszuweichen, durchzutauchen oder in Deckung zu bleiben. Beim Sport geht das nicht. Die Ergebnisse sind für jedermann abrufbar und bezeugen schwarz auf weiß die Leistungsfähigkeit in einer Disziplin zu einem Zeitpunkt.“

Blick in die Zukunft

Für den Schießsport wünscht sich Pavlis, dass er vereinfacht und dadurch attraktiver wird: „Die Bewerbe sind zu kompliziert aufgebaut und für einen Außenstehenden kaum nachvollziehbar. Deshalb sollte man die Finalrunden so gestalten wie im Biathlon, wo auf Scheiben geschossen wird, die umfallen oder stehenbleiben“, meint der Vizeleutnant und ist überzeugt: „Das wäre spannend, attraktiv und publikumswirksam und könnte auch in Stadien ausgetragen werden.“  Zusätzlich wünscht sich Pavlis, mehr Nachwuchs und stellt fest, „dass es im Schießsport kaum Nachwuchs gibt, was wohl auch damit zusammenhängt, dass der Einstieg schwierig und langwierig ist.“

Welchen Tipp würde der erfahrene Wettkämpfer und Trainer einem Schützen geben? „Erstens: körperliche Fitness. Diese wirkt sich positiv auf das gesamte Nervensystem aus und der Erfolg beim Schießen hängt unmittelbar damit zusammen. Zweitens: Sich mental mit Stress- und Wettkampfsituationen auseinanderzusetzen.“  Aber nicht nur für einen Sportler sind diese Ratschläge wichtig: „Diese Tipps gelten auch für Soldaten. So muss ein Scharfschütze zum Beispiel das Vertrauen in sich haben, dass er trifft und seinen Auftrag erfüllen kann. Schließlich ist es für beide Personengruppen - Soldaten und Sportler - entscheidend und unter Umständen lebensnotwendig, im richtigen Moment fit zu sein und zu treffen.“

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim Truppendienst.

Sport im Bundesheer

 

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