• Veröffentlichungsdatum : 27.01.2023
  • – Letztes Update : 30.01.2023

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Geschichte 1938 bis 1957

Herbert Gaugusch

Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 wurde das Österreichische Bundesheer der Ersten Republik in die Deutsche Wehrmacht eingegliedert. Rasch wurde damit begonnen, die Voraussetzungen für den geplanten Heeresaufbau auch in der damaligen Ostmark zu schaffen.

 

Pläne für einen TÜPl im Waldviertel

Bereits wenige Tage nach dem Anschluss erging im März 1938 der Befehl, Truppenübungsplätze (TÜPl) in der Art, wie sie im Deutschen Reich bereits in großer Anzahl vorhanden waren, auch in Österreich zu errichten. Für den Wehrkreis XVII (die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Oberösterreich sowie das Nordburgenland) wurde ein Gebiet im Waldviertel erkundet, das den damaligen militärischen Anforderungen entsprach. Der Bedarf begründete sich dadurch, dass im Bereich des Wehrkreiskommandos XVII nur ein einziger Übungsplatz in Bruckneudorf-Kaisersteinbruch bestand. Dieser war aber nicht für das Üben des Gefechtes der verbundenen Waffen auf Verbandsebene geeignet. Bereits davor soll im Bundesheer der Ersten Republik der Bedarf an zusätzlichen militärischen Übungsmöglichkeiten erkannt worden sein, und es soll auch die Idee gegeben haben, einen TÜPl im Waldviertel zu errichten.

Im Juni 1938 wurde der Chef der Wehrkreisverwaltung XVII dazu ermächtigt, die „Deutsche Ansiedelungsgesellschaft“ mit der notwendigen Landbeschaffung für die Errichtung eines TÜPl zu beauftragen. Der Raumbedarf richtete sich nach der Forderung, dass bis zu zwei Infanteriedivisionen (Truppenstärke bis zu 30.000 Soldaten) gleichzeitig üben können sollten. Der Raum um Döllersheim wies aus damaliger Sicht einige Standortvorteile auf. Das Gelände war panzergängig, nicht zu stark bewaldet, und durch die Franz-Josefs-Bahn war die notwendige Verkehrserschließung gegeben. Im Vergleich zu anderen infrage kommenden Gebieten war der Raum dünn besiedelt und hatte eine geringe landwirtschaftliche Ertragslage. Das vollständige Fehlen von Industrie und der geringe Anteil an Großgrundbesitz erwiesen sich für das Vorhaben ebenfalls als günstig. 

Aufbau durch die Deutsche Wehrmacht

Im August des Jahres 1938 begann der Übungsbetrieb auf dem TÜPl Döllersheim (D), wie der TÜPl A zunächst hieß. Bereits kurz danach begann der Aufbau der militärischen Infrastruktur auf dem Gelände. Parallel dazu wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) 42 Ortschaften, sechs Weiler, acht Einzelgehöfte und zehn Mühlen, insgesamt 1.385 Gebäude mit etwa 7.000 Menschen abgesiedelt bzw. entsiedelt

Die Nutzung des TÜPl durch die Deutsche Wehrmacht erfolgte in vielfältiger Weise. Für die Unterbringung der Offiziere, Soldaten, Arbeiter und Kriegsgefangenen wurden Wohnsiedlungen und Barackenlager errichtet, wobei es zu Kriegsende etwa 500 Baracken gab. Die Wehrmacht errichtete zahlreiche Schieß- und Ausbildungsanlagen, darunter mehrere Nahkampf- und Ortskampfbahnen. Das gesamte Gelände wurde mit einem Netz von Betonbunkern überzogen, die zu Beobachtungs-, Munitionslager- und Übungszwecken dienten. Außerhalb des TÜPl wurde für die Luftwaffe ein Bombenabwurfplatz eingerichtet.

Der Hauptzweck des TÜPl D war die Truppen- und Schießausbildung im Zuge der Aufstellung von Regimentern und Divisionen für den Fronteinsatz. Die Belegstärken erreichten bis zu 35.000 Soldaten. Darüber hinaus wurde der Raum während des Krieges bzw. davor auch anderwärtig genutzt. Unter anderem diente er als verdeckter Aufmarschraum für Truppen vor deren Einmarsch in die Tschechoslowakei im Jahr 1939, als Lagerort für große Mengen an Beutegut und zur Unterbringung von Kriegsgefangenen bzw. Zwangsarbeitern.

Neben der militärischen Nutzung wurde der TÜPl D auch forstwirtschaftlich genutzt. Dies erfolgte durch eine heeresnahe Organisation (Deutsche Heeresforste), um die oft gegenteiligen Bedürfnisse des Militärs und der Forstwirtschaft abzustimmen. Ein Teil der landwirtschaftlichen Flächen wurde durch die Kommandantur und zivile Pächter bewirtschaftet. Neben den Soldaten gab es auch landwirtschaftliche Nutztiere und eine große Anzahl von Pferden zu versorgen. Es ist davon auszugehen, dass Teile der Erträge für die Selbstversorgung herangezogen wurden. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Fläche wurde zu Brachland, das etwa 40.000 Schafe beweideten. Zusätzlich wurden Angorakaninchen gezüchtet, die zur Nahrungsmittelversorgung und Wollproduktion dienten.

Nutzung durch die Rote Armee  

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der TÜPl D von der Roten Armee übernommen. Die anfänglichen Bemühungen der provisorischen österreichischen Staatsregierung unter Staatskanzler Renner auf Rückführung des Gebietes zur landwirtschaftlichen Nutzung wurden durch einen Beschluss der sowjetischen Besatzungsmacht zunichtegemacht. Das gesamte TÜPl-Gebiet wurde als Deutsches Eigentum beschlagnahmt. Die sowjetischen Besatzungstruppen nutzten das Gelände intensiv für militärische Zwecke und erreichten Belegstärken von bis zu 60.000 Personen. Der TÜPl diente der Stationierung von Truppen, unter anderem der gesamten Divisionsartillerie der 95. Gardeschützendivision und für große Manöver. 

Im Gegensatz zur Deutschen Wehrmacht wurde die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht durch heereseigene Organisationen durchgeführt, sondern durch die „USIA“, die das sowjetische Eigentum in Österreich verwaltete. Die landwirtschaftlichen Flächen wurden weiterhin an zivile Pächter vergeben. Aufgrund des kurzen Nutzungshorizontes der sowjetischen Besatzer erfolgte eine intensive Nutzung der Wälder. Von Anfang an wurde der TÜPl von den Sowjets als Ressource zur Kompensation für die Verluste im Krieg betrachtet. Bei ihrem Abzug hinterließen sie große Kahlflächen und die zu Kriegsende noch vorwiegend intakten Häuser waren nur noch Ruinen.

Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 endete die Nutzung des TÜPl durch die Rote Armee. Am 15. September 1955 war die Übergabe an die Niederösterreichische Landesregierung abgeschlossen. Zwei Tage später war mit dem Abzug der Sowjetischen Kommandantur die Besatzungszeit auf dem TÜPl vorbei.

Verwaltung durch Niederösterreich

Mit dem Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen wurden die land- und forstwirtschaftlichen Flächen an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft übergeben, die sonstigen Liegenschaften an die Bundesgebäudeverwaltung. Bereits zuvor, mit dem Abschluss des Staatvertrages, hatte das Tauziehen um die weitere Zukunft des TÜPl begonnen.

Zunächst fiel die Entscheidung durch Bundeskanzler Raab und Vizekanzler Schärf, das Gebiet wieder zu besiedeln und es nicht dem Bundesheer zur Verfügung zu stellen. Deshalb wurde die niederösterreichische Landesregierung zum Verwalter der Liegenschaft bestellt.
Die Nutzung der Einrichtungen und Ressourcen orientierte sich an der zu diesem Zeitpunkt geplanten zivilen Folgenutzung. Durch Soldaten wurde damit begonnen, Granaten und Bomben zu beseitigen, die von der Deutschen Wehrmacht und den Sowjettruppen hinterlassen wurden. Die Forstarbeiten konzentrierten sich ebenfalls darauf, die Schäden der Sowjets zu beheben. So mussten etwa 50.000 Festmeter (fm) Schadholz und etwa 60.000 fm Bauholz für die geplante Errichtung von Staubecken geschlägert und Kahlschläge aufgeforstet werden. Darüber hinaus mussten Forststraßen und Wege wieder befahrbar gemacht werden.

Die Überlegungen, wie man den ehemaligen TÜPl nutzen könnte, waren vielfältig. Ein konkreter Plan war die Errichtung eines Atomforschungszentrums der Studiengesellschaft für Atomenergie. Im Juli 1957 gab es sowohl das Einverständnis des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau als auch des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) zur Überlassung der notwendigen Flächen zur Errichtung mehrerer Reaktoren. Schlussendlich scheiterte diese Idee unter anderem an der Entfernung zu den relevanten wissenschaftlichen Instituten, und das Projekt wurde in Seibersdorf verwirklicht.

TÜPl A: Zahlen, Daten, Fakten

  • TÜPl im Waldviertel: Erste Überlegungen bereits in der Ersten Republik
  • Beginn der Errichtung: 1938
  • Aussiedelung von 42 Ortschaften, 1.385 Gebäuden und etwa 7.000 Menschen
  • Ursprünglicher Name: Truppenübungsplatz Döllersheim
  • Nutzung durch: Deutsche Wehrmacht (1938–1945) und Rote Armee (1945–1955)
  • Keine militärische Nutzung von 1955 bis 1957
  • Pläne für die Errichtung eines Atomforschungszentrums 
  • Seit 1957: Nutzung durch das Österreichische Bundesheer

Oberst Herbert Gaugusch, MSD MA ist Kommandant des TÜPl A.

Themenschwerpunkt TÜPl A

 

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