• Veröffentlichungsdatum : 24.10.2022
  • – Letztes Update : 25.10.2022

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Geschichte eines Kreuzers

Michael Ellenbogen

Mehr als 40 Jahre war der leichte Kreuzer „Niobe“ im Einsatz verschiedener Seestreitkräfte. Von seiner Indienststellung im Jahr 1901 bis zu seiner Zerstörung 1943 hatte er einen ereignisreichen Lebenslauf mit vielen Stationen.

Die kaiserlich-deutsche Kriegsmarine verfügte ursprünglich über zehn Kreuzer der „Gazelle-Klasse“, von denen die „Niobe“ eines jener Schiffe war, die den Ersten Weltkrieg überstanden. Der kleine Kreuzer wurde von der Weser Werft AG in Bremen gebaut und stand ab 1901 im Dienst der kaiserlich deutschen Kriegsmarine. Das Schiff war zunächst für den Einsatz in Asien vorgesehen, ehe es am Beginn des Ersten Weltkrieges zum Schutz der Hoheitsgewässer und später als schwimmende Unterkunft diente. Nach dem Kriegsende übernahm die Reichsmarine das Schiff als Reserveeinheit ohne es aktiv in die Flotte einzubinden. 1925 wurde die „Niobe“ an die königlich jugoslawische Marine verkauft.

Dienst in der königlich-jugoslawischen Marine

Der Rumpf des kleinen Kreuzers war aus einer um 1900 neu entwickelten Messinglösung gefertigt, die als Muntzmetall bezeichnet wurde. Dieses Material sollte den raschen Muschel- und Algenbewuchs in warmen Gewässern verhindern oder zumindest verlangsamen. Dies war ausschlaggebend für die Entscheidung der Admiralität der neuen südslawischen Seestreitkräfte für den Erwerb des Schiffes. Die beschränkte Infrastruktur der jugoslawischen Kriegsmarine ließ keine größeren Schiffsreparaturen zu. In Tivat, dem einzigen größeren Seearsenal, verfügte die Teilstreitkraft über ein kleineres Dock in dem ausschließlich kleinere Einheiten in Stand gesetzt werden konnten.

Der Kauf des Schiffes schloss vertraglich auch den Umbau der ehemaligen „Niobe“ bei den Deutschen Werken AG in Kiel ein. Nach der Fertigstellung wurde der Kreuzer als „Dalmacija“ von der jugoslawischen Marine übernommen. Die neu erworbene Einheit sollte in erster Linie als Schulschiff zur Ausbildung junger Seeoffiziere und deren Mannschaften dienen. Die Bewaffnung des nunmehrigen Flagschiffes der jugoslawischen Kriegsflotte lieferten die Skoda-Werke.

Rund drei Jahre nach dem Erwerb des Kreuzers wurden die neuen Geschütze erprobt. Bei Flottenmanövern der jugoslawischen Marine in der Adria stand die „Dalmacija“ im Mittelpunkt strategischer Planungen und war auch das Kommandoschiff. Nach dem Angriff der Achsenmächte wurde es in erster Linie zur Luftabwehr eingesetzt. Den Verbänden der italienischen Luftwaffe wurde durch die modernen 8,35-cm-Geschütze der „Dalmacija“ Einhalt geboten. Noch effizienter bei der Bewältigung dieser Aufgabe waren die 4-cm-Kanonen und die schweren Maschinengewehre. Dies manifestierte sich auch in der Anzahl der abgeschossenen Maschinen.

Zara, das heutige Zadar war eine italienisch regierte Enklave, die mit Hilfe der jugoslawischen Kriegsmarine eingenommen werden sollte, dabei wäre die „Dalmacija“ ausschließlich zur Luftabwehr eingesetzt worden, wie erst vor einigen Jahren aufgetauchte Protokolle beweisen. Mit dem durch deutsche Unterstützung geschaffenen „Unabhängigen Staat Kroatien“ – NDH (Nezavisna Drzava Hrvatska), am 10. April 1941 endete das Königreich Jugoslawien. Die Armee des neuen Staates verfügte über keine Kriegsmarine. Aus diesem Grund übernahm die italienische Marine einen Großteil der ehemaligen königlich-jugoslawischen Flotte und damit auch die „Dalmacija“.

Einsatz im Zweiten Weltkrieg

Das zu diesem Zeitpunkt bereits veraltete Schiff hatte für die Admiralität der italienischen Flotte keinen großen strategischen Wert. Deshalb wurde der Kreuzer lediglich als Zielschiff mit dem Namen „Cattaro“ bei der Schulung von Unterseeboot-Besatzungen und Torpedofliegern eingesetzt. Bei einem britischen Angriff im Jahre 1942 entging das Schiff nur knapp seiner Versenkung. Als Italien als Bündnispartner des Deutschen Reiches ab 1943 wegfiel, übernahm die Deutsche Kriegsmarine italienische Marinebestände und damit auch die „Cattaro“ die bald wieder ihren ursprünglichen Namen „Niobe“ erhielt.

Das bereits von den Italienern außer Dienst gestellte Schiff sollte vorerst wegen grober technischer Mängel nicht mehr in den aktiven Dienst übernommen werden. Da die deutschen Marineeinheiten in der Adria zu wenig Schiffe hatten, entschied sich die Leitung der Kriegsmarine, die zu jenem Zeitpunkt bereits mehr als 40 Jahre alte „Niobe“ nach vorangegangener Überholung, einem Sicherungsverband zuzuteilen. Kapitänleutnant Hoffmeyer-Zlotnik übernahm das Kommando auf dem betagten Kreuzer.

Das Schiff war Teil der 11. Sicherungsflottille. Dessen Besatzung hatte mannigfaltige Aufgaben zu bewerkstelligen, wie die regelmäßige Kontrolle des gesamten Seeverkehrs entlang der von der Deutschen Wehrmacht besetzten Adriaküste oder die Sicherung von Landungsoperationen auf den Inseln Krk, Cres und Mali Losinj. Im Zuge dieser Einsätze wurde auch eine britische Militärmission gefangen genommen. Da der dampfbetriebene Hilfskreuzer relativ langsam fuhr, standen zu seinem Schutz zwei Schnellboote zur Verfügung, welche die „Niobe“ auf nahezu allen Missionen begleiteten.

Die letzte Ausfahrt

Eine der wichtigsten Aufgaben im Dezember 1943 war der Schutz der Landungsoperationen von Einheiten der Deutschen Wehrmacht sowie der Kriegsmarine auf der süddalmatinischen Insel Korcula. Doch davor erfolgte noch der Befehl an Kapitänleutnant Hoffmeyer-Zlotnik die Einnahme der Hafenstadt Dugi Rat durch Partisanenverbände zu verhindern. Auf der Fahrt zum Einsatzgebiet wurde der Schiffsverband am 17. Dezember 1943 durch ein weiteres Torpedoboot, das sich bei der südlich von Zadar befindlichen Insel Pasman der Marineeinheit anschloss, ergänzt.

Durch die sich verschlechternde Wetterlage auf See konnte die deutsche Luftwaffe den in Marsch befindlichen Schiffsverband nicht unterstützen. Deshalb wurde die „Niobe“ sowie die drei Torpedoboote nach Pola zurückberufen. Starker Nebeleinfall erschwerte das sichere Vorankommen. Ein auf die eingeschränkten Sichtverhältnisse beruhender Navigationsfehler führte am 19. Dezember 1943 im flachen Wasser vor der Südküste der Insel Silba zum Auflaufen des Schiffes. Da die „Niobe“ mit großer Fahrt auf den unter Wasser liegenden Felsen aufgelaufen war, konnte der Hilfskreuzer auch nicht von dem begleitenden Torpedoboot freigeschleppt werden. Einige sowohl aus Rijeka als auch aus Triest angeforderte Marineschlepper konnten sie ebenfalls nicht in tiefere Gewässer ziehen.

Auf Silba befand sich ein Beobachtungsposten der Partisanen. Dessen Angehörige beobachteten die Situation in der sich das deutsche Kriegschiff befand, und verständigten per Funk die bei der Insel Vis operierenden Einheiten der britischen Kriegsmarine. Zwei britische Schnellboote nahmen Kurs auf Norddalmatien. Im Schutze der unbewohnten Grebeni-Inseln im Süden Silbas feuerten die beiden Boote Torpedos auf das wehrlose Schiff ab. Ein Torpedo traf die Munitionskammer der „Niobe“ in der Mitte des Schiffes, woraufhin der Rumpf in zwei Teile zerbrach. Der zweite Torpedo traf den neben dem Hilfskreuzer liegenden Schlepper „Parenzo“, der unmittelbar danach mit der gesamten Besatzung versank.

Auf der „Niobe“ starben 16 deutsche und kroatische Marinesoldaten, 17 Besatzungsmitglieder wurden teilweise schwer verletzt und von Schiffen der 11. Sicherungsflottille nach Mali Losinj gebracht. Die bei dem Angriff getöteten Angehörigen der Schiffbesatzung wurden beim Leuchtturmwärterhaus in der Bucht Sveti Ante und auf dem Friedhof der Insel Silba beigesetzt.

Proviantwrack, Rohstoffquelle und Warnung

Da Teile des Schiffes, wie die Kombüse, trotz der Explosion augenscheinlich unbeschädigt blieben, dienten die dort befindlichen Lebensmittelvorräte der hungernden Bevölkerung Silbas als willkommene Versorgungsquelle. Auch die im Schiffswrack verbliebene Ausstattung wurde sowohl von den Partisanen als auch der Inselbevölkerung demontiert. Die Kohle im aufgerissenen Bunker des Schiffes wurde gesammelt und in den Wintermonaten verfeuert. Erst im Jahre 1947 begann die heute noch in Split beheimatete Werft „Brodosplit“ mit dem Abbruch des Schiffswracks.

Gegenwärtig befindet sich an der Stelle, die der „Niobe“ zum Verhängnis wurde das Betonfundament eines mittlerweile demontierten Leuchtturmes. Der neue Leuchtturm wurde in einiger Entfernung südlich vom alten Betonfundament weiter innerhalb der Fahrrinne errichtet, um eine sichere Schifffahrt zwischen Silba und den Grebeni-Inseln zu gewährleisten. Die heute noch außerhalb der Bucht Slatina verbliebenen Reste der „Niobe“, ein zwischen den Felsen halb im Wasser liegender verrosteter Stahlrahmen der Aufbauten, zeugen vom tragischen Ende eines leichten Kreuzers, der in der kaiserlich-deutschen Marine, in der königlich jugoslawischen Flotte, im Verband der italienschen Seestreitkräfte und zum Schluss erneut in der deutschen Kriegsmarine Verwendung fand.

Michael Ellenbogen, MA ist freier Journalist.

 

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