• Veröffentlichungsdatum : 14.06.2017

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  • 590 Wörter

Gewalt in den Heiligen Schriften von Islam und Christentum

Hamideh MOHAGHEGHI und Klaus von STOSCH

Band 10 der Beiträge zur komparativen Theologie

186 Seiten, 15,5 x 23,5 cm, broschiert

€ 25,60

ISBN 978-3-506-77281-7

SignÖMB

Ferdinand Schöningh GmbH., Paderborn 2014

Christliche (katholische, evangelische) und islamische Wissenschafter fragen nach dem Phänomen der Gewalt in den jeweiligen Schriften. Der Band dokumentiert eine Tagung, die 2012 in der Katholischen Akademie in Schwerte stattfand. Herausgeber sind die Wissenschaftliche Mitarbeiterin für islamische Theologie an der Universität Paderborn, Hamideh Mohagheghi, und Klaus von Stosch, Professor für Katholische Theologie, ebenfalls in Paderborn. Schade ist, dass kein jüdischer Wissenschafter vertreten ist; das Alte Testament wird aber natürlich von den christlichen Theologen wesentlich mitbehandelt.

 

Umrahmt wird der Sammelband durch einen Beitrag zur Hermeneutik biblischer Gewalttexte als Eingang und eine Studie zum Thema Apokalyptik und Gewalt als Abschluss. Den Hauptteil bilden Einzeluntersuchungen zu verschiedenen Stellen der Bibel (Altes und Neues Testament) und des Korans (er wird konsequent Qur??n geschrieben). Alle diese Einzeluntersuchungen gehen vom letzten Stand der westlichen theologischen Wissenschaft aus und wenden ihre Methoden an. Die ausgewählten Textstellen sind auf den ersten Blick durchaus problematisch. Die gegenwärtige westliche theologische Wissenschaft mit ihrer im allgemein-wissenschaftlichen, universitären Kontext durchaus konsensfähigen Methodik geht von einem kontextbezogenen Verständnis der Texte aus, d. h. die Texte werden in ihrem zeitlichen, sozialen und kulturellen Kontext verstanden. Besonders die christlichen Autoren betonen, dass es sich bei den Texten um zeitgebundene Texte handelt, die je neu zu interpretieren sind.

 

„Dass es zwischen Religion und Gewalt Zusammenhänge gibt, kann nicht geleugnet werden […].“ Es ist hier nicht möglich, auf die einzelnen, durchwegs sehr lesenswerten Untersuchungen einzugehen, eine Zusammenschau zeigt aber sehr klar, dass es zwar immer wieder Verbindungen zwischen Glaube und Gewalt gibt, dass es aber keinesfalls - geht man von den Textstellen aus - einen zwingenden religiösen Grund zur Gewaltanwendung gibt. Ganz im Gegenteil! Im Zentrum der Texte, liest man sie mit einer verantwortbaren Methodik, sowohl der Bibel als auch des Korans stehen immer das Gottvertrauen, die Barmherzigkeit Gottes und letztlich auch der Friede. „Im Qur??n gibt es kein Wort, das direkt in den Begriff ‚Gewalt’ der deutschen Sprache übersetzt werden kann.“ 

 

Auf wissenschaftlich intellektueller Ebene sind die Argumente sehr überzeugend dargelegt, auch wenn kritische Leser vielleicht manches Argument als Apologetik empfinden werden. Die Frage, inwieweit die westliche Methodik im Islam konsensfähig ist, soll hier außer Acht bleiben. Gerade hier könnte man aber auch den hermeneutischen Ansatz des Buches auf das Buch selbst umlegen. Wenn es davon ausgeht, dass jede Schriftstelle ihre zeitgemäße Interpretation braucht, so kann man sich fragen, inwieweit die hier tatsächlich überzeugend dargelegte, wissenschaftlich fundierte und ausgewogene Interpretation der Bibel- und Koranstellen in den jeweiligen Glaubensgemeinschaften konsensfähig ist bzw. eine solche Interpretation ein breiteres Glaubensverständnis jenseits der Universitätstheologien durchdringt. Einfacher ausgedrückt: inwieweit ein solches Schriftverständnis im Leben der jeweiligen Religion umgesetzt wird. Immerhin ist doch die Umsetzung bei einer breiteren Bevölkerung der Lackmustest der jeweiligen Theologie.

 

Gerade hier scheint doch die Herausforderung zu liegen, in der Spannung zwischen gelebter (und nicht intellektuell betriebener) Religiosität und Säkularität; in der Frage nach dem Wahrheitsanspruch sowie dem Anspruch auf (universale) Weltgestaltung und in der Frage, ob eine heilige Schrift als Handlungsgrund für ein geglücktes Leben oder als Instrument zur Legitimierung eigener Entscheidungen, gegebenenfalls auch von Gewalt, verstanden wird. Denn es geht bei der brisanten Frage nach der Gewalt in den Heiligen Schriften von Islam und Christentum nicht nur um eine intellektuelle Auseinandersetzung, sondern auch um die Wirkungsgeschichte.

Insgesamt liegt damit aber eine Arbeit vor, die sehr fundiert in interreligiöser Zusammenarbeit schwierige Schriftstellen der Bibel und des Korans aufgreift, auf wissenschaftlich hohem Niveau behandelt und damit mancher Stereotyp in Frage stellt.

-krt-

 

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