• Veröffentlichungsdatum : 07.10.2019

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Heeresmeisterin der Königsdisziplin

Gerold Keusch

Der Militärische Fünfkampf ist die Königsdisziplin des Militärsports. Hier messen sich Soldaten beim Schießen, Schwimmen, Laufen, Werfen und auf der Hindernisbahn. Sieger ist, wem es gelingt die meisten Gesamtpunkte bei den Einzeldisziplinen zu holen, die die wesentlichen Fertigkeiten des Soldaten abbilden. Doch obwohl diese Bewerbe seit Jahrzehnten ausgetragen werden und Frauen seit mehr als zwanzig Jahren in den Streitkräften dienen, gab es bis 2019 noch keine Heeresmeisterin im Militärischen Fünfkampf.

Militärische Wettkämpfe gibt es im Österreichischen Bundesheer seitdem dieses besteht. Auch Frauen, die seit 1998 in den Streitkräften ihren Dienst versehen, nahmen regelmäßig an Militärsportbewerben teil. Häufig waren aber zu wenig Damen am Start, um eine offizielle Damenwertung durchführen zu können. Seit einigen Jahren steigt jedoch der Anteil der Frauen bei den Wettkämpfen - auch beim Militärischen Fünfkampf - kontinuierlich an. 2019 gab es zum ersten Mal genug Starterinnen, um die erste Heeresmeisterin küren zu können: Oberwachtmeister Marina Aschauer vom Jägerbataillon 12 in Amstetten.

Perfekter Wettkampf

Am 19. August 2019 beginnt die Heeresmeisterschaft im Militärischen Fünfkampf mit dem Schießbewerb. Ab dem ersten Schuss sammelt Aschauer wertvolle Punkte für das Gesamtergebnis. Nach dem Schießen liegt sie hinter drei anderen Damen auf Platz vier. Der Rückstand ist jedoch gering, da die Erstplatzierte nur sieben Ringe mehr geschossen hat. Bereits beim zweiten Bewerb, dem Schwimmen, übernimmt Aschauer mit der besten Damen-Schwimmzeit die Führung. Diese wird sie bis zum Schluss nicht mehr abgeben. Vor allem auf der Hindernisbahn, der Paradedisziplin der Allround-Sportlerin und ehemaligen Turnerin, baut sie mit einer Zeit von 3:03 Minuten ihre Führung beachtlich aus. Dieser Vorsprung reicht, um auch beim Werfen vor der späteren Zweitplatzierten, Nina Luyer, zu bleiben, obwohl diese besser wirft.

Da Aschauers Vorsprung etwas geschmolzen ist, fällt die Entscheidung beim Geländelauf. Dieser wird nach der Gundersen-Methode gestartet, bei der die Punkte vom Zwischenergebnis in Zeit umgerechnet werden. Somit entspricht der Zieleinlauf dem Endergebnis, wodurch das Laufen sowohl für die Zuseher als auch die Athleten bis zum Schluss spannend bleibt. Zumindest in der Theorie, denn am 23. August 2019 ist Aschauers Sieg bei den Damen niemals in Gefahr. Trotz Heavy-Metal-Konzert, mindestens einem Bier und Fastfood am Vortag gewinnt sie mit 3.792,3 Punkten vor Nina Luyer (3.566,7 Punkte) und Karoline Klement (3.401,9 Punkte). Mit diesem Ergebnis kürt sich Oberwachtmeister Marina Aschauer zur ersten Heeresmeisterin im Militärischen Fünfkampf.

„Ich war von meinem Erfolg total überrascht, weil ich nicht damit gerechnet hatte diesen Wettkampf zu gewinnen“, sagt Aschauer, die für ihre Kameradinnen schon frühzeitig als Siegerin feststand. „Bereits vor dem Start zum Hindernislauf meinten ein paar Kameradinnen, dass ich für sie die Favoritin auf den Titel wäre. Als ich dann bei der Siegerehrung tatsächlich die Trophäe überreicht bekam, habe ich mich sehr darüber gefreut. Es war ein schönes Gefühl, das mich unglaublich stolz macht.“

Mit dem Sieg im Einzelbewerb ist es für Aschauer aber nicht getan. Gemeinsam mit ihren Kameradinnen Nina Luyer, Karoline Klement und Regina Stürzl startet sie im Mannschaftsfünfkampf für das Amstettner Jägerbataillon 12. Der Mannschaftsfünfkampf ist ein eigenständiger Bewerb, der aus den gleichen Disziplinen wie der Einzelbewerb besteht. Die Durchführung weicht etwas ab, ist jedoch nicht minder fordernd. Beispielsweise werden die Hindernisbahn, das Schwimmen und das Laufen als Staffelbewerb absolviert und auch das Schießen und Werfen laufen anders ab. Da es beim Mannschaftsfünfkampf keine eigene Damenwertung gibt, waren die Damen in der gleichen Wertung mit den Herren zu finden. Die Mannschaft konnte zwar nur den 14. Rang erreichen, schlug sich mit 4.061,6 Punkten jedoch gut, wenn man bedenkt, dass dem Siegerteam 4.919,6 Punkte reichten, um zu gewinnen.

Der Weg zur Heeresmeisterschaft

Der Erfolg hat – wie ein altes Sprichwort sagt – viele Väter. Im konkreten Fall waren es zwei: Die über Jahre erarbeitete körperliche Leistungsfähigkeit von Oberwachtmeister Marina Aschauer und Major Chistoph Hinterlechner. Dem S3 und Sportoffizier des Jägerbataillons 12 war es ein besonderes Anliegen, dass neben einer Herren- auch eine Damenmannschaft bei der Heeresmeisterschaft antritt.

„Ich habe eigentlich immer Sport gemacht“, sagt Aschauer, die als Kind eine Sporthauptschule in Amstetten besuchte. „Neben Laufen und Turnen habe ich als Kind mit Sportakrobatik in einem Verein begonnen, bei dem ich später sogar Trainerin war. Das war ein gutes Fundament hinsichtlich der Beweglichkeit und Koordination. Später habe ich mit Fitness-, Kraft- und Ausdauertraining begonnen, was ich noch immer mache.“  Vor allem hat Aschauer nie damit aufgehört verschiedene Sportarten zu betreiben. Deshalb verfügt sie über eine gute Grundkondition, die sie rasch an eine, oder wie beim Fünfkampf sogar an mehrere Disziplinen, adaptieren kann.

„Wenn Major Hinterlechner nicht hinter der Mannschaft gestanden wäre, wäre ich vermutlich nicht auf die Meisterschaft gefahren und heute auch nicht Heeresmeisterin“, ist Aschauer überzeugt, die zuvor noch nie bei einer Heeresmeisterschaft war. Vor ein paar Jahren wollte sie zwar schon einmal starten, hat diesen Plan damals jedoch verworfen. „Als Frau hätte ich die verkürzte Variante der Hindernisbahn laufen müssen. Das wollte ich aber nicht und blieb daheim“, erklärt Aschauer. Obwohl sie die speziellen Damenlimits noch immer stören, hat sie sich mittlerweile damit arrangiert, dass es Unterschiede gibt. Das und der anspornende Auftrag des Majors, der selbst Sportler, Sportwissenschaftler und erfolgreicher Boxer ist, ebneten ihr den Weg zum Meistertitel.

Obwohl Aschauer nicht mit dem Sieg in der Heeresmeisterschaft gerechnet und sich – bis auf ein paar Trainingseinheiten – nicht speziell darauf vorbereitet hatte, kam der Triumph nicht unerwartet. Bereits im Juni konnte sie einen großen, wenn auch inoffiziellen Erfolg, feiern. Beim 4. Military Fitness Cup der Deutschen Bundeswehr wurden die fittesten Soldaten Deutschlands gekürt. Neben den Deutschen, waren auch Soldatinnen aus Belgien, Luxemburg und Österreich am Start. Dabei verpasste Aschauer der Bundeswehr ihr „militärsportliches Cordoba“. Mit über einer Minute (23:03 Minuten) Vorsprung auf die zweitplatzierte Deutsche (24:05 Minuten) gewann sie den Wettkampf, der aus zwei Teilbewerben besteht und bei dem verschiedene Stationen zu durchlaufen sind. Die Schlagzeile „Ösi-Unteroffizier gewinnt Bundeswehr-Wettkampf“ blieb unseren deutschen Nachbarn jedoch erspart. Da es nur eine Wertung für die Bundeswehr-Angehörigen gab, bei der die ausländischen Teilnehmer nicht berücksichtigt wurden, fiel der Erfolg nur jenen auf, die sich intensiv mit diesem Bewerb auseinandersetzten.

Der Weg zum Heer

„Da ich schon immer gerne Sport betrieben habe, und mich Themen wie beispielsweise das Schießen schon immer begeisterten, hat mich auch der Dienst beim Bundesheer interessiert“, erinnert sich Aschauer. „Bevor ich zum Bundesheer kam, besuchte ich den Tag der offenen Tür in der Amstettner Ostarrichi-Kaserne. Dort bin ich die Hindernisbahn gelaufen und habe mit dem Sturmgewehr geschossen. Ich habe mich in der Kaserne sofort wohlgefühlt und noch an diesem Tag meine Freiwilligenmeldung abgegeben.“  2008 rückte die heutige Fahrlehrerin bei einem Übergangskontingent im Jägerbataillon 12 ein. Nach der Basisausbildung kam sie zur Fahrschule und wurde Kraftfahrer. Als das nächste Vollkontingent einrückte, absolvierte sie die Jäger- und danach die Unteroffiziersausbildung. Noch bevor sie 2011 als Wachtmeister ausmusterte, war sie Fahrlehrer „B“ und später Fahrlehrer „C“ in einer Jägerkompanie. Diese Tätigkeit führt sie noch heute mit Freude aus, obwohl sie aktuell den Kraftfahrunteroffizier in ihrer Kompanie vertritt.

2013 absolvierte Aschauer ihren ersten Auslandseinsatz im Libanon. Das tat sie aber nicht allein, sondern gemeinsam mit ihrem heutigen Gatten, der ebenfalls Unteroffizier ist. Es blieb nicht bei einem Einsatz, denn von 2015 auf 2016 ging das Paar zum zweiten Mal in den Libanon. Die Soldatenfamilie Aschauer beweist, dass Frauen – auch wenn es nach wie vor nur wenige in den Streitkräften gibt – mittlerweile dazugehören. „Dass wir gemeinsam im Einsatz waren und uns einen Shelter teilten, funktionierte völlig unkompliziert. Es gab auch kein Getuschel, abfällige Bemerkungen oder sonstige Unannehmlichkeiten. Im Gegenteil: Wir hatten eine gute Zeit und eine tolle Kameradschaft.“

Aber auch abseits der Auslandseinsätze erlebte Aschauer nie Diskriminierungen. „Wenn man seinen Dienst normal versieht, alles mitmacht, nicht jammert und sich kameradschaftlich verhält, wird man beim Bundesheer akzeptiert, egal ob als Frau oder Mann“, ist sie überzeugt. „Frauen werden sicherlich kritischer beobachtet, auch weil sie nach wie vor eine Minderheit sind. Schlecht behandelt werden sie aber nicht. Es ist eher so, dass man als Frau gewisse Vorteile genießt.“  Aber gerade diese positive Diskriminierung sieht die Berufssoldatin kritisch. „Viele Soldatinnen leiden unter der Tatsache, dass wir andere sportliche Limits haben oder bei Postenvergaben bevorzugt werden. Das mag gut gemeint sein, es entsteht aber der Eindruck, dass wir etwas geschenkt bekommen oder Quotenfrauen wären“, sagt Aschauer.

Ausblick und Resümee

Die nächste Station in Aschauers Laufbahn ist der Stabsunteroffizierslehrgang. Auf der Kraftfahrschiene möchte sie jedoch bleiben und beispielsweise Kraftfahrunteroffizier werden. Dem Sport wird sie verbunden bleiben und auch in Zukunft aktiv betreiben. Ihren Titel möchte Aschauer verteidigen, was sie vermutlich aber erst im übernächsten Jahr machen kann, da sie mit ihrem Gatten erneut einen Auslandseinsatz absolvieren möchte.

Oberwachtmeister Marina Aschauers sportliche Erfolge, aber vor allem ihre dienstlichen Erfahrungen zeigen, dass die Frauen in den Streitkräften „angekommen“ sind. Egal ob bei Wettkämpfen, Einsätzen oder im normalen Dienstbetrieb sind sie weder Außenseiter noch Mitglieder einer „schützenwerten Spezies“, sondern vor allem eines: Kameraden, die ihre Leistungen bringen und auf die man sich verlassen kann.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

Links:

Artikelserie: Sport im Bundesheer

20 Jahre Soldatinnen im Heer

 

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