• Veröffentlichungsdatum : 15.06.2023
  • – Letztes Update : 22.06.2023

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Jede Minute zählt!

Bernhard Lindenberg, Selina Lukas

Am 7. Februar 2023 verlegte das AFDRU-Kontingent des Österreichischen Bundesheeres in das Erdbebengebiet in der Türkei. Dort erwartete es ein fordernder Einsatz in einem Gebiet im Ausnahmezustand. Teile des Teams schildern ihre Erlebnisse.


Zugskommandant Oberstleutnant Markus Bock

Hauptlehroffizier Retten, Bergen und Brandschutz 

„Mit Beginn des Einsatzes ist das Adrenalin auf Hundert“, weiß Zugskommandant Oberstleutnant Markus Bock. Er machte vor Ort die Einteilung im Feld und war für die Sicherheit von Personal und Gerät verantwortlich. Die größte Herausforderung war „zu beurteilen, ob an einer Schadstelle oder einem Gebäude gearbeitet werden kann. Die eigene Sicherheit stand stets im Vordergrund.“ 

Von den lokalen Hilfskräften wurde das Kontingent gut und dankbar aufgenommen. „Sie haben sofort erkannt, dass wir Spezialisten sind und über das nötige Gerät verfügen.“ Darum wurde die AFDRU-Einheit auch immer wieder angefordert, um Sucharbeiten – sowohl mit biologischer (Hund) als auch mit technischer Ortung – durchzuführen und die Arbeiten mit ihrem Gerät zu unterstützen. Dass dies so gut funktionierte, liegt an der fachlichen Expertise, die in der Ausbildung in Österreich vermittelt wurde. „Die Soldaten wissen, wie sie mit ihrem Gerät umgehen. Sie kennen Trümmerstrukturen, die richtigen Eindringwege und die richtigen Verfahren.“ Dazu kommt, dass die Ausbildung psychisch fordernd und mit Schlafentzug verbunden ist, um die Einsatzbedingungen möglichst gut zu simulieren. „Wenn ich schwere Trümmer bewege, habe ich im Einsatz genauso wie in der Übung die Gefahr, dass mir die 30-Tonnen-Platte auf die Zehen fällt.“

Um eine Vertrauensbasis und gute Zusammenarbeit zu garantieren, werden die Gruppen im Einsatz nicht „zusammengewürfelt“. Es wird versucht, Kampfgemeinschaften, die sich während der Ausbildung und in anderen Einsätzen gebildet haben, bestehen zu lassen. Damit passt auch die Kommunikation. Die Kameradschaft hat sich jedes Mal gezeigt, wenn eine Gruppe zum Ausruhen zurück ins Basislager kam. Für sie wurde alles vorbereitet, damit sie sich außer essen und schlafen um nichts mehr kümmern musste.

Diese Faktoren sind für den Einsatzerfolg wesentlich. Was es sonst noch braucht? „Warmes Essen, ein warmes Bett und Kaffee“. Gewisse Grundvoraussetzungen müssen gegeben sein, um konzentriert arbeiten zu können. „Wir haben sogar Toiletten-Zelte, weil wir nicht wissen, wie lange wir draußen sind, und in einem besiedelten Gebiet kann es durchaus ein Problem sein, die Notdurft zu verrichten“, sagt Bock. 

Ein wesentlicher Punkt ist der Heimatkontakt. Zugskommandant Bock rief einmal am Tag zuhause an, um seine Familie zu informieren und zu beruhigen. Am Ende des Tages lohnen sich die Entbehrungen, wenn der Einsatz erfolgreich war und Leben gerettet werden konnten: „Während des Einsatzes ist es ein Gefühl der Erleichterung und des Stolzes, dass man es geschafft hat, und noch im Nachhinein pure Gänsehaut.“


Rette- und Bergegruppen-
kommandant Vizeleutnant Kurt Kerschbaumer

Hauptlehrunteroffizier – Retten und Bergen & Schadenplatzberater 

Der Einsatz im Katastrophengebiet in der Türkei war nicht der erste AFDRU-Einsatz für Vizeleutnant Kerschbaumer. Der gebürtige Steirer kam durch seine Funktion als Hauptlehrunteroffizier dazu, Gruppenkommandant zu sein. „Ich bin in Bereitschaft! Das heißt, wenn es einen Alarm gibt und ich gesund bin, setzen sich die Rädchen in Bewegung.“ Als Gruppenkommandant ist er Ansprechperson und Koordinator in einem. Zu seinen Aufgaben zählen das Herstellen der Sicherheit, das Beurteilen von Schadstellen, die Kontaktaufnahme über den Dolmetscher mit zivilen Ansprechpersonen, das Durchführen von Erkundungen und das Festlegen der Vorgehensweise – dementsprechend wird die Gruppe eingesetzt. Der „schönste“ Teil der Arbeit ist die Übergabe von Geretteten an die medizinische Rettungskette. AFDRU-Einsätze sind für Kerschbaumer etwas Besonderes, da jeder Spezialist auf seinem Gebiet ist. „Das sind perfekt ausgebildete Leute, vom Hundeführer bis hin zum Rette- und Bergesoldaten.“

Eines der prägendsten Erlebnisse während des Einsatzes für Vizeleutnant Kerschbaumer war die Lebendrettung von zwei Personen – einem 49-jährigen Vater und seiner 14-jährigen Tochter. „Das Schwierigste ist es, einzugrenzen, wo sich die Person befindet. Wenn ein siebenstöckiges Gebäude einstürzt, pressen sich die einzelnen Stockwerke so stark zusammen, dass es nur wenige Hohlräume gibt.“ Um Verletzungen zu verhindern, muss bei Bohrungen zur Lagefeststellung präzise und vorsichtig vorgegangen werden. Mithilfe von biologischer und technischer Ortung sowie Klopfzeichen oder einer Gesprächsverbindung mit der eingeschlossenen Person wird es möglich, sie zu lokalisieren. „Zunächst dachten wir, dass nur ein Mann in dieser Schadstelle ist. Durch Gespräche fanden wir heraus, dass seine Tochter bei ihm ist. Nach stundenlanger Arbeit konnten wir beide retten.“ Solche Erfolge sind die größte Motivation für die Rette- und Bergegruppen. „Es ist ein Hochgefühl, wenn man die Person an die Rettungskette übergibt.“ Auch nach so einer Rettungssituation gibt es keine Verschnaufpause. Sofort geht es an die nächste Schadstelle. In dieser Zeit funktioniert man quasi auf Autopilot und ruft ab, was man in der Ausbildung gelernt hat. In den kurzen Erholungsphasen im Camp bleibt neben Zähneputzen, Körperpflege und Schlafen kaum Zeit. „Wenn es eine ruhige Minute gab, habe ich eine Nachricht an meine Familie geschrieben, für stundenlange Telefonate war keine Zeit.“ 

Dass das gesamte Kontingent die physischen und psychischen Herausforderungen so gut wegsteckte, schreibt der Gruppenkommandant zum einen der Kameradschaft zu. Zum anderen gab es während des Einsatzes psychologische Betreuung. „Bei der Rückkehr ins Camp war der Psychologe da und hat die Lage gecheckt. Jeder, der etwas am Herzen hatte, konnte das sagen.“ Auch in der Ausbildung ist die psychologische Vor- und Nachbereitung ein wichtiges Thema. Für Kerschbaumer sind offene Gespräche mit den Auszubildenden das Um und Auf. Als Kommandant muss er reagieren, wenn er sieht, dass jemand eine Pause braucht. Rückblickend war der Einsatz in der Türkei für ihn extrem fordernd, aber „jeder hat seine Aufgaben erledigt, das bestätigt, dass die Ausbildung gut funktioniert“.


Hundeführer Joachim Brandlhofer

Referatsleiter im Bundesministerium für Inneres

Für Joachim Brandlhofer war der Einsatz in der Türkei der erste AFDRU-Einsatz. Seit etwa 20 Jahren arbeitet er beim Rettungshundeverein der Feuerwehr Wien. Diese Einsatzorganisation gehört der AFDRU-Plattform „Rescue Dogs“ an. AFDRU kann dort Rettungshundeführer anfordern. Obwohl Brandlhofer mit Training, Prüfungen und Einsatztests stets auf neuestem Stand ist, stellten die Bedingungen im Einsatz eine Herausforderung dar. Das liegt daran, dass die biologische Ortung mit einem Rettungshund der erste Schritt zur Lokalisierung Verschütteter ist. „Wenn der Hund eine Stelle anzeigt, dann arbeitet das Rette- und Bergeteam dort für mehrere Stunden. Da sollten keine Fehler passieren, um keine Zeit zu verschwenden.“ 

Eine weitere Herausforderung ist es, die Hunde über den gesamten Zeitraum einsatzfähig zu halten. Laut Brandlhofer ist das Suchen für die Rettungshunde eine Art Spiel, und nach einer gewissen Zeit brauchen sie eine Belohnung bzw. Bestätigung. „So kann man die Hunde bei Laune halten. Sie wissen, was sie zu tun haben, wenn sie ein eingestürztes Haus sehen.“ In Zusammenarbeit mit dem Bundesheer können die Rettungshundeführer auf dem ABC- und Katastrophenhilfeübungsplatz Tritolwerk in Eggendorf (Niederösterreich) trainieren. „Auf so einen Einsatz kann man sich nur bedingt vorbereiten. Überall liegen Möbel, Kleidung, Essen herum, das sind so viele Reize und Gerüche für die Hunde, das kann man nicht simulieren.“ 

Während des Einsatzes wurden je zwei Hundeführer mit zwei Hunden einer Rette- und Bergegruppe zugeteilt. Obwohl er „von außen“ kam, fühlte sich Brandlhofer sofort voll integriert. „Die Kameradschaft war einzigartig im gesamten Kontingent.“ Die körperliche Belastung inklusive Schlafmangel nahm der Hundeführer leicht. „Man schläft zwar im Zelt, aber wir haben es uns so gemütlich wie möglich gemacht.“ Das Wesentlichste war die unermüdliche Arbeit, um Menschenleben zu retten. Wenn dies gelang, war es „ein super Gefühl. Das ist das Beste, was einem passieren kann. Dafür sind wir in die Türkei gefahren.“


Hauptmannarzt Dr. Stefan Schachner

Leiter der Allgemeinchirurgie im Sanitätszentrum Ost

Insgesamt viereinhalb Jahre war Hauptmannarzt Dr. Stefan Schachner bisher im Auslandseinsatz. 2023 sollte damit eigentlich Schluss sein. Diese Entscheidung hatte er mit seiner Frau und den vier Kindern Anfang Februar 2023 bereits gefeiert. Doch dann passierte das Erdbeben in der Türkei. Nicht nur für seinen Sohn war klar: „Papa, du musst fahren, du wirst gebraucht!“ Am späten Nachmittag des 6. Februar 2023 entschied sich der Familienvater, in seinen ersten AFDRU-Rettungseinsatz zu gehen. Seine Kinder halfen ihm beim Zusammenpacken, für den tränenreichen Abschied waren nur 20 Sekunden Zeit. „Dann bin ich ins Auto gestiegen und habe am Weg nach Wien alle Termine übers Telefon abgesagt.“

In Antakya angelangt, ging es für den Hauptmannarzt gemeinsam mit zwei Gruppen direkt in den Einsatzraum zur ersten Schadstelle. Jede der drei Rette- und Bergegruppen bekam ein Notarztteam – bestehend aus einem Notarzt, einem Notfallsanitäter und einem Rettungssanitäter – zugeteilt. Auf dem Weg in den Einsatzraum waren alle vom Ausmaß der Katastrophe entsetzt. „Wir haben alle beim Fenster hinausgeschaut und waren einfach nur ruhig.“ Vor Ort angekommen parkte Schachner seinen San-Pinzgauer, begann die „mobile Ambulanz“ einzurichten und erste Verletzte zu versorgen. 

Wenig später erhielt er den Anruf eines Kameraden, um an einer Schadstelle in einigen hundert Meter Entfernung die Rettung zu unterstützen. In einem Gebäude war in einem etwa zwei Meter tiefen Loch ein Mann eingeklemmt, der noch ansprechbar war. Kurzerhand kletterte Schachner zu ihm, um sich ein Bild von der Situation zu machen. In dieser Zeit kam es zu zwei Nachbeben. „Mein Gedanke war: Ich muss schnell handeln. Entweder ich tue jetzt etwas oder er stirbt oder wir bleiben alle da.“ Da der Arm des Mannes eingeklemmt war, entschied sich der Chirurg dazu, diesen zu amputieren. „Da unten war nicht genug Platz für mehrere Leute. Mein SanUO war über meiner rechten Schulter und hat mir die Utensilien gereicht“, schildert Schachner. Mit vereinten Kräften gelang es der Gruppe, den Mann aus dem Loch zu holen und an die Rettungskette zu übergeben. 

Ohne große Verschnaufpause machte sich Schachner auf den Weg zurück zu seiner Gruppe. Diese hatte in der Zwischenzeit zwei Personen detektiert. „Es war ein Highlight, gleich am Beginn drei Personen retten zu können.“ Danach wurde die Gruppe Richtung Camp entlassen, nachdem sie bereits etwa 56 Stunden auf den Beinen gewesen war. Während des Einsatzes konnten neun Personen gerettet werden. „Für jede einzelne von ihnen waren wir dankbar. Es wird einem erst in einem Einsatz bewusst, was der menschliche Körper alles aushalten kann und wie viel Glück manche Menschen haben“, so Schachner.

Dennoch waren die Einsatzbedingungen sehr belastend. „Physisch waren der Schlafmangel und die Kälte die größten Herausforderungen. Psychisch war es die enorme Anzahl an Leichen in Kombination mit dem Geruch, den zerstörten Häusern und den Nachbeben.“ Es war nicht selbstverständlich, dass das gesamte Kontingent unversehrt nach Hause kommt. Einen Militärpsychologen dabei zu haben, war seiner Ansicht nach besonders wichtig, denn niemand ist davor gefeit, ein Gespräch zu brauchen. Der Zusammenhalt und die Kameradschaft waren für Hauptmannarzt Schachner einzigartig und der Einsatz ein krönender Abschluss seiner Auslandstätigkeit. „AFDRU ist eine unglaubliche Einheit. Es war mir eine Ehre, dabei zu sein. Trotz aller körperlichen und psychischen Anstrengungen war es beeindruckend zu sehen, was wir leisten konnten.“


Militärpsychologe Oberrat Mag. Wolfgang Prinz 

Referatsleiter Abteilung Zielgruppen-
kommunikation für das Soziale Lagebild

Für Mag. Wolfgang Prinz war es der erste AFDRU-Einsatz. Seit 2006 arbeitet er als Militärpsychologe im BMLV. Zusätzlich zu seinem Psychologie-Studium machte er die Ausbildung zum ABC-Abwehroffizier im ABCAbwZ in Korneuburg. Seit 2008 ist er bei AFDRU als Kontingentspsychologe beordert. Am 6. Februar 2023 ging er mit in den Einsatz. Zu Beginn, als die Rettungsarbeiten sehr intensiv waren, verbrachte der Militärpsychologe den Tag im Camp am Gefechtsstand und verfolgte die Lage. Eine seiner Hauptaufgaben war das Nachbesprechen mit den ins Camp zurückgekehrten Rette- und Bergeteams. Dabei drehte sich alles um die Fragen: Wie geht es den Einsatzkräften? Was brauchen sie? „In den ersten Tagen ging es um die Grundbedürfnisse: schlafen, essen, duschen.“ Später begann er, die Gruppen kurz zu briefen, bevor sie in den Einsatz gingen. „Ich habe jede Rette- und Bergegruppe an den Schadstellen besucht, um mir ein Bild vor Ort zu machen.“ 

Das Wichtigste ist es, den Kontakt mit den Soldaten zu halten, präsent zu sein und sie zu unterstützen. Dabei kommt dem Militärpsychologen auch die Rolle des Bindegliedes zwischen Führung und Truppe zu. „Manchmal weiß die Truppe nicht, was die Führungskräfte alles tun. Sie merkt nur, dass die Duschen nicht funktionieren, und fragt sich, warum das so ist? Da ist es meine Aufgabe als Psychologe zu vermitteln.“ Manche Belastungen waren für das gesamte Kontingent gleich. „Man ist auch als Psychologe ein Teil der Truppe. Man schläft wenig, duscht selten und arbeitet viel.“ Dennoch überwiegen für Prinz klar die bereichernden Erfahrungen. Das lag vor allem daran, dass das gesamte Kontingent sehr motiviert und lösungsorientiert war. Um sich selbst nicht zu überlasten, versuchte Prinz, mit seinen eigenen Ressourcen hauszuhalten. „Ich musste erkennen, wann ich gebraucht werde und wann ich mich zurückziehen kann.“ Zudem musste sich der Psychologe überlegen, wie stark er sich den Reizen vor Ort aussetzt, um selbst nicht zu stark betroffen zu werden. Seine Ausbildung zum Notfallpsychologen und seine Erfahrung aus anderen Einsätzen und Übungen erleichterten ihm den Umgang mit der Situation. Eine Sorge ging Prinz dennoch durch den Kopf: Was ist, wenn bei einem Nachbeben etwas passiert und die eigene Truppe betroffen ist?

Prinz war der einzige Psychologe im Kontingent. Zur Unterstützung gab es auch einen „Peer“. Der psychologische Dienst bildet diese „Peers“ aus. (Module werden im KURSIS verlautbart, Einmeldung auf dem Dienstweg) Das sind Soldaten, die zu psychosozialen Ersthelfern ausgebildet werden, und niederschwellige Kontaktpersonen für Soldaten, um hilfreiche Gespräche in akut belastenden Situationen zu führen. Die psychologische Vorbereitung bei Übungen ist für den Erfolg eines Einsatzes wesentlich. In Unterrichten wird versucht, die Soldaten mit den Reizen eines Katastrophengebietes zu konfrontieren. Die psychologische Nachbereitung fand zum Teil noch im Einsatzraum, auf dem Flughafen in der Stadt Adana, statt. Dort wurde mit jeder Gruppe intensiv gearbeitet – teilweise in Einzelgesprächen. Die Hemmschwelle, sich zu öffnen, war gering, weil das AFDRU-Kontingent aus Personen besteht, die viel Erfahrung haben, vermutet Prinz. Zum Teil kamen sie von der Freiwilligen Feuerwehr oder von Rettungsorganisationen. „Insgesamt wird die Truppe stark mit dem Tod und mit Verwundeten konfrontiert, weiß zugleich aber auch, dass es Sinn macht, sich psychologische Unterstützung zu holen.“

Am Abreisetag bzw. am Ankunftstag in Korneuburg wurde eine Online-Befragung durchgeführt, um ein evidenzbasiertes Lagebild zu bekommen. „Wir haben uns zum einen die Belastungen angeschaut, zum anderen die Ressourcen, die zur Bewältigung der Belastungen zur Verfügung standen.“ Die Kameradschaft, das gemeinsame Ziel und die Professionalität in den Abläufen waren für die Resilienz des Kontingentes genauso wichtig wie die erfolgreichen Lebendrettungen während des Einsatzes. Die Ergebnisse der Befragung werden in die Ausbildung und künftige Übungen einfließen. Das positive Echo aus der Bevölkerung, der Empfang auf dem Flughafen sowie der Dank der türkischen Community bei der Ankunft in Wien trugen wesentlich dazu bei, dass der Einsatz so gut verarbeitet werden konnte. „Diese Situation hätten einige, inklusive mir, sicher gerne vermieden, weil sie emotional sehr naheging. Aber im Nachhinein betrachtet war das für uns immens wichtig.“


Katastrophenhilfeeinheit AFDRU
(Austrian Forces Disaster Relief Unit)

Die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) ist das Katastrophenhilfeelement für Urban Search and Rescue (USAR) des Österreichischen Bundesheeres und besteht seit 1990. Aufgestellt wird AFDRU im Anlassfall aus Freiwilligen des Aktiv- und Milizstandes und bei Bedarf durch zivile Spezialisten, wie Rettungshundeführer, ergänzt. Die Verantwortung für die Aufstellung und Formierung von AFDRU liegt beim Kommando des ABC-Abwehrzentrums (ABCAbwZ) in Korneuburg. AFDRU hat folgende Fähigkeiten:

  • Detektion von ABC-Gefahrstoffen nach technischen und Naturkatastrophen;
  • Dekontamination nach Freisetzung von ABC-Gefahrstoffen;
  • Wasseraufbereitung (zu Trinkwasser nach österreichischen Normen);
  • Ground Forest Fire Fighting;
  • Urban Search and Rescue (Retten und Bergen);
  • Urban Search and Rescue under CBRN-Conditions (Retten und Bergen im kontaminierten Gebiet).

Das Kontingent besteht aus einem Führungs-, einem Versorgungs- sowie einem Einsatzelement. Es ist so strukturiert, dass drei Rette- und Bergegruppen an zwei getrennten Suchorten zum Einsatz kommen können. Sanitäts-, Logistik- und Hygieneexperten unterstützen die AFDRU-Rettungsteams in ihrem Einsatz. Das Katastrophenhilfeelement wird alle fünf Jahre durch die Vereinten Nationen (re-)zertifiziert. Bei den Rettungshundeführern mit ihren Tieren erfolgt die (Re-)zertifizierung sogar alle zwei Jahre. Dabei erhalten sie ihre Fähigkeit für die Zusammenarbeit in den internationalen Krisengebieten. Bei Umwelt- und Naturkatastrophen kann der Ernstfall jeden Moment eintreten. Deswegen verfügt die ABC-Abwehr mit der AFDRU über eine Einheit, die besonders schnell in den Einsatz gehen und helfen kann. Österreichische ABC-Abwehr-Experten haben dies bereits auf der ganzen Welt getan: nach den Erdbeben im Iran und in der Türkei, mit Wasseraufbereitungsanlagen in Mosambik und in Pakistan oder nach dem verheerenden Tsunami in Sri Lanka. 

Link zum Einsatzbericht

Major Bernhard Lindenberg, BA; Kontingentskommandant AFDRU-Einsatz Türkei, ABC-Abwehrzentrum.

Selina Lukas, Bakk. phil., MA ist Redakteurin beim TRUPPENDIENST.


 

Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST.

Zur Ausgabe 2/2023 (391). 


 

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