• Veröffentlichungsdatum : 26.03.2019
  • – Letztes Update : 04.04.2019

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Nighthawk Down

Gabor Orban

Zoltán Dani: Der Mann hinter dem Abschuss der F-117 „Nighthawk“ über Jugoslawien vor 20 Jahren 

Das jugoslawische Staatsfernsehen zeigt brennende Wrackteile des berühmten US-Kampfflugzeuges F-117 „Nighthawk“ auf einer Wiese in der Nähe des Dorfes Budanovci. Die lokale Bevölkerung hat sich am Abschussort versammelt, um mit Tanz und Musik die Waffentat der Luftabwehr zu feiern. Freudenschüsse sind zu hören. Soldaten durchsuchen das Wrack nach brauchbaren Teilen und posieren damit vor TV-Kameras. Polizei und Ortsbewohner suchen den abgeschossenen Pilot, der sich in unmittelbarer Nähe versteckt hält und auf ein Rettungsteam wartet.

Die Umstände des einzigen im Jugoslawienkrieg verlorenen Tarnkappen-Flugzeuges F-117 „Nighthawk“ lagen jahrelang im Dunkeln. Weder in militärischen noch in politischen Kreisen wusste man, was am Abend des 27. März 1999 genau geschah. Und nur die wenigsten Militärexperten und Strategen waren sich über das wahre Ausmaß dieser Bilder im Klaren.

Eine Luftfahrtlegende wird geboren

Die Ursprünge der F-117 „Nighthawk“ reichen in die 1970er-Jahre zurück. In der Area 51, einer unter UFO-Liebhabern wohlbekannten US-Geheimbasis im südlichen Nevada, wurde unter dem Decknamen „Have Blue“ an zwei Prototypen mit „Stealth-Technology“ (Tarnkappentechnik) gebastelt. Die Technologie sollte die Ortung des Flugobjektes durch elektromagnetische Energie erschweren und Flugzeuge für das feindliche Radar unsichtbar machen. Dem Jungfernflug im Jahre 1977 folgten zahlreiche Tests, in denen die beiden Prototypen zwar verloren gingen, die Tarnkappentechnik aber positiv bewertet wurde.

Das nun als „Senior Trend“ bezeichnete Programm gipfelte Anfang der 1980er-Jahre in der Geburt der F-117 „Nighthawk“. Diese ist ein zweistrahliges, einsitziges Kampfflugzeug, das sich durch seine ungewöhnliche Diamanten-Form auszeichnet. Die Außenhaut des Fliegers wurde mit einem speziellen Kunststoff beschichtet, der die Radarstrahlen absorbieren und neutralisieren konnte, wodurch die „Nighthawk“ für gegnerische Radaranlagen beinahe unsichtbar und nur schwer zu orten war. Dieser Gedanke beschäftigte auch den serbischen Oberst der Luftabwehr, Zoltán Dani, denn: „ein Kampfflieger der ,Stealth technology‘ ist schwer, aber nicht unmöglich zu orten. Die Aufgabe von damals war also herauszufinden, was zu tun ist, um diese Barriere abzubauen.“

 

Der Mann hinter dem Abschuss

Zoltán Dani ist ethnischer Ungar, der aus dem Dorf Skorenovac östlich der Hauptstadt Belgrad stammt. Er zeigte bereits in seiner Kindheit großes Interesse für Technik und Militär. Daher entschloss er sich den Wehrdienst bei der Luftverteidigung zu leisten und danach als Berufsoffizier in dieser Waffengattung zu dienen, da diese für ihn über die modernste Technik der damaligen Jugoslawischen Volksarmee verfügte. Während der blutigen Zerfallskriege Jugoslawiens (1991 bis 1995) erlitt Dani als Offizier der Jugoslawischen Volksarmee zwei Verwundungen.

„Dreizehn Jahre lang diente ich in einer Kleinstadt östlich von Zagreb, als der Krieg in Kroatien begann. Damals befehligte ich die dortige Kaserne und ich wurde aufgefordert das Gelände zu übergeben. Ein Mitglied der kroatischen Nationalgarde meinte, dass ich als ungarischer Katholik meine Waffen den ebenfalls katholischen Kroaten abgeben sollte.“  Als Dani erwiderte, dass er nicht befugt dazu sei, über das Gerät der Jugoslawischen Volksarmee alleine zu entscheiden, eröffnete der Kroate unerwartet das Feuer. Kurze Zeit später wurde Dani in Bosnien von einem bosnischen Serben angeschossen, weil er sich weigerte, muslimische Dörfer mit Flugabwehrraketen zu beschießen.

Die Kosovo-Krise

Im Jahr 1999 spitzte sich die Lage im Kosovo dramatisch zu. Die albanische Bevölkerungsmehrheit, die damals etwa 90 Prozent der Bevölkerung ausmachte, strebte die Unabhängigkeit des Kosovo von Rest-Jugoslawien an. Ab dem Jahr 1996 kam es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den albanischen Aufständischen und den serbischen Sicherheitskräften. Die Kämpfe intensivierten sich Anfang 1998, woraufhin hunderttausende Zivilisten gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen.

Die NATO beschloss schließlich, die Gewalt mit einer großangelegten Luftkampagne zu beenden. Ende März 1999 wurde die jugoslawische Flugabwehr in Alarmbereitschaft versetzt. Die 250. Raketen-Brigade, in der Oberst Dani das 3. Bataillon befehligte, erhielt den Auftrag, den Luftraum der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad vor gegnerischen Luftangriffen zu schützen. Danis Bataillon bezog einen Stellungsraum nordwestlich von Belgrad, die von einem starken Abwehrring umgeben war. Die Einheit verfügte über das sowjetische Flugabwehrraketensystem S-125 „Newa“. Dieses war zwar nicht mehr modern, wurde aber von der NATO als gefährlich eingestuft. Es arbeitete mit zwei separaten Radarkomponenten, eines für die Aufklärung und Zielerfassung von Flugobjekten, das andere für die Lenkung der Raketen zum Ziel.

Der Krieg erreicht Belgrad

Nachdem am 19. März 1999 die internationalen Beobachter der OSZE Jugoslawien verlassen hatten, rechnete das Belgrader Regime mit dem baldigen Beginn der NATO-Luftschläge. Fünf Tage später, am 24. März 1999, wurde Danis Bataillon alarmiert und zum Verlassen des Friedenslagers bei Jakovo aufgefordert. Es hieß, die NATO würde an diesem Abend den Luftkrieg eröffnen. Gegen 18:30 Uhr verließ das 3. Bataillon das Gelände und bezog das Ersatzlager bei der Ortschaft Šimanovci nordwestlich von Belgrad. Ab diesem Zeitpunkt galt vier Tage lang absolute Funkstille. Jegliche Bewegung durfte nur vor oder nach der Dämmerung erfolgen und die einzig erlaubten Lichtquellen waren Taschenlampen.

Die gesamte bewaffnete Streitmacht Jugoslawiens wurde in kleinere Einheiten aufgeteilt und sorgfältig getarnt, um die Wucht und Wirkung der feindlichen Bomben herabzusetzen. Das nun leere Friedenslager bei Jakovo wurde um 20:20 Uhr - keine drei Stunden nachdem Dani mit seinem Bataillon abgerückt war, von fünf NATO-Raketen getroffen und weitgehend zerstört. Der Krieg hatte begonnen. Am 27. März 1999, dem vierten Tag der Luftschläge, war es dann soweit. Aus Aviano (Italien) erhielt das Oberkommando in Belgrad von den örtlichen Spionen die Information, dass NATO-Flugzeuge in der Luft seien. „Um 18:00 Uhr kam der Befehl: ‚Alarmstufe 1‘! Das bedeutete, die Radargeräte einzuschalten und auf ihre Funktionsfähigkeit zu testen. Wir hatten große Probleme, da es seit dem Einrücken in das Ersatzlager keine Gelegenheit gab, das System zu kontrollieren“, erinnert sich Dani.

„Vega 31 is going down“

Kurz vor 20:00 Uhr gelang es Dani, das von ihm umgebaute Radar in Betrieb zu nehmen und die von ihm berechnete Frequenz der F-117 von 139,6 MHz einzustellen. Schon vor dem Krieg plädierte Dani erfolglos für die Modifikation der „Newa“-Radargeräte, seine Idee wurde jedoch als töricht bezeichnet und abgelehnt. Während die anderen Radarsysteme der serbischen Fliegerabwehr blind nach feindlichen Fliegern suchten, konnte Dani um 20:30 Uhr mit dem von ihm umgebauten P-18 Radargerät tatsächlich vier Zielobjekte - allesamt F-117 „Nighthawk“ - erfassen. Diese bewegten sich in Richtung Kroatien, nachdem sie ihre Bombenlast auf Belgrad abgeworfen hatten.

„Ein Flugobjekt bewegte sich punktgenau in unsere Feuerzone. Deshalb bat ich um die Erlaubnis, das Feuer zu eröffnen“, sagt Dani. Auf die F-117 des U.S. Air Force-Piloten Dale Zelko mit dem Rufzeichen „Vega 31“ wurden zwei Raketen abgefeuert. Der erste Flugkörper verfehlte sein Ziel. Der zweite traf die „Nighthawk“ und riss ihr den Großteil der linken Tragfläche ab. Um etwa 20:42 Uhr stürzte das Flugzeug ab und zerschellte neben der Ortschaft Budanovci am Boden.

Für den erfahrenen US-Piloten und Golfkriegsveteranen Dale Zelko war der Einsatz, bei dem er abgeschossen wurde, bereits der dritte in diesem Krieg. Zusammen mit sieben anderen F-117 flog seine Maschine in der ersten Angriffswelle zunächst über Slowenien - der Heimat seiner Großeltern - nach Ungarn, wo er nach der Luftbetankung schließlich stark verteidigte Positionen in und um Belgrad bombardierte. An den Moment des Abschusses erinnerte sich Zelko wie folgt: „Ich beobachtete den Start der Raketen mit bloßem Auge und hatte keinen Zweifel daran, dass sie mich treffen würden. Ich tat alles, um das zu verhindern, aber es war unvermeidlich.“  Die Explosion konnte auch von einem KC-135 Tankflugzeug beobachtet werden. „Wir waren gerade mit dem Tanken fertig und ich sah Richtung Belgrad, als ich eine Reihe kleinerer Explosionen und danach eine wirklich große in der Luft bemerkte“, erinnert sich ein Besatzungsmitglied.

Zelko konnte sich mit dem Schleudersitz retten, musste aber acht lange Stunden auf sein Rettungsteam warten. Das erste Rettungsteam, das aus Tuzla in Bosnien-Herzegowina kam, geriet selbst in eine Notsituation, da der Hubschrauber gegen einen Strommast flog. Das zweite Team musste ebenfalls umkehren, da die Funkverbindung zu Zelko durch eine Störung verhindert wurde. Erst der dritte Versuch war erfolgreich und der Pilot konnte gerettet werden.

Kriegsheld ohne Generalsrang

Zoltán Dani und sein achtköpfiges Team benötigten lediglich 18 Sekunden zur Durchführung der gesamten Aktion. Das war der Schlüssel zum Erfolg, denn länger als 21 Sekunden hätte die Aktion nicht dauern dürfen. Denn nach 21 Sekunden musste jederzeit mit einem potenziellen Gegenschlag gerechnet werden. Schließlich waren die „HARM“ Luft-Boden-Raketen der NATO, die speziell für die Bekämpfung feindlicher Radaranlagen entwickelt wurden, nach 21 Sekunden in der Lage, die Radarfrequenzen des „Newa“-Systems zu erfassen und dieses dann zu zerstören.

Danis Bataillon schoss während des Krieges einen weiteren feindlichen Flieger ab. Somit gingen beide Verluste der NATO, die F-117 „Nighthawk“ am 27. März und eine F-16 „Fighting Falcon“ des 555th Fighter Squadron am 2. Mai, auf den ehemaligen Oberst der jugoslawischen Fliegerabwehr zurück. Eigene Verluste erlitt der kleine Verband von Dani während des Feldzuges nicht, da er während des Krieges permanent zwischen den Ersatzbasen bewegte.

Nach dem Krieg blieb Dani die Anerkennung für seine Taten und die Beförderung in den Generalsrang jedoch verwehrt, denn: „es ist wie im Inneren einer Pyramide - je höher, desto enger“.  Er ist davon überzeugt, dass es für ihn vor allem aufgrund seiner ungarischen Abstammung zu eng wurde und es seinen Vorgesetzten nicht gefallen hätte, einen „ungarischen General“ in den damaligen jugoslawischen Streitkräften zu haben. 2004 bat Zoltán Dani um seine Pensionierung. Seit diesem Zeitpunkt arbeitet der ehemalige Oberst, der 1999 zum Kriegshelden wurde, in seinem Heimatdorf als Bäcker und Konditor.

Die einstigen Gegner sind heute Freunde. Zelko besuchte Dani nach dem Krieg während der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „The Second Meeting“ - in Anspielung auf das „erste Treffen“ am 27. März 1999 - in seinem Heimatdorf. Es blieb nicht bei einem Besuch, da Dani und seine Familie von Zelko in die USA eingeladen wurden. Den Film verstehen beide Ex-Soldaten als Antikriegsfilm, dessen Botschaft in der Suche nach Kompromissen, dem gegenseitigen Verstehen und der Akzeptanz des Anderen liegt.

Das Ende eines Mythos

Der Verlust der „Nighthawk“ am 27. März 1999 war ein Schock für die USA und die gesamte moderne Militärindustrie. Schließlich konnte zunächst nicht erklärt werden, wie eine ultramoderne technische Innovation, die Milliarden von Dollar verschlang und auf der das militärische Konzept des „integrated warfare“ aufbaute, von einem veralteten Waffensystem zerstört werden konnte. Der Krieg endete zwar am 10. Juni 1999 mit einem vollständigen Sieg der NATO über Jugoslawien, doch die Schmach blieb.

Die ausgebauten Bordcomputer des Kampffliegers wurden rasch zu einem Verkaufsschlager auf dem internationalen Militärmarkt - vier davon verkaufte das serbische Militär ins Ausland. Interessenten gab es genug: China, Russland, der Iran und auch der Irak unter Saddam Hussein. Die Überreste der F-117 wurden im Belgrader Luftfahrtmuseum als Beutestücke ausgestellt, wo sie noch heute zu sehen sind. Im Mai 2008 - neun Jahre nach dem Krieg - wurden alle F-117 ausgeschieden. Lediglich vier Exemplare fliegen noch zu Trainingszwecken. Langfristig hatte der Abschuss auf dem Gebiet der Luftfahrt mit der Inbetriebnahme der neuesten Generation von US-Tarnkappenflugzeuge, der F-22 „Raptor“ (seit 2005) und der F-35 „Lightning II“ (seit 2015), letztendlich einen positiven Effekt.

Der Abschuss der F-117 „Nighthawk“ bewies, dass der Besitz von Informationen auch in der modernen Kriegführung von entscheidender Bedeutung ist. Wer diese schneller und effektiver einsetzt, ist im Vorteil. Am 27. März 1999 waren die Serben über die Startzeiten der NATO-Flugzeuge und ihre Anzahl dank Informanten vor Ort bestens informiert. Darüber hinaus erschienen ab den späten 1980er Jahren zahlreiche Fachbücher im Handel, die sich mit der Tarnkappentechnik befassten. Ab diesem Punkt war es Dani zufolge nicht mehr schwierig, mit Hilfe der gewonnenen Daten die Frequenz der geheimen „Nighthawk“ zu berechnen: „Die F-117 auf dem Radar zu erfassen ist halb so schwierig, wie man es annehmen würde. Ihre Länge, Breite etc. sind bekannt. Diese Daten kann man in einer Tabelle zusammenfassen, die Frequenz mit der richtigen Formel berechnen, und das Flugzeug schließlich erkennen und bekämpfen.“  Alles ist, davon ist Dani überzeugt, einfache Mathematik.

Gábor Orbán, MA ist Militärhistoriker.

 

Ihre Meinung

Meinungen (1)

  • michael kauf // 27.03.2019, 16:51 Uhr Sehr geehrte Redaktion!

    Sehr interessant - es bestätigt sich wieder einmal, dass nicht das sture Erfüllen von Befehlen, "Vurschrift" oder Listenausfüllen den Erfolg bringt, sondern selbständiges Denken, Fantasie und Mut, auch anderes zu wagen.
    Das improvisieren war immer eine Stärke der österreichischen Soldaten, das sollte (wieder?) noch mehr gefördert werden!
    Und Fehler müssen dabei nicht als negativ, sondern als Chance zum lernen gesehen werden.
    ich weiß, wovon ich spreche - auch wenn es mir früher mehr geschadet als genützt hat, aber auf den Erfolg bei meinen Milizübungen, etc. bin ich heute noch stolz.
    Mit kameradschaftlichen Grüßen!

    Michael Kauf, OltdRes