100 Jahre Panzer
Am 15. September 1916 erfolgte der erste Einsatz britischer Tanks an der Somme bei Flers. Obgleich von 59 Fahrzeugen am Tag des Angriffes nur 32 verfügbar waren - und davon nur 14 Tanks überhaupt den Gefechtsstreifen erreichten -, konnte ein drei Kilometer tiefer Einbruch in die deutschen Linien erreicht werden. Somit haben diese Fahrzeuge damals die an sie gestellten Aufgaben, wie Überwinden und Zerstören der Stacheldrahthindernisse im Vorfeld der deutschen Schützengräben und Zerstörung von MG-Nestern, um der nachfolgenden Infanterie das Vorgehen zu ermöglichen, erfolgreich erfüllen können. Der folgende Beitrag soll in groben Zügen die konzeptionelle Entwicklung des (Kampf-)panzers sowie die damit einhergehende Entwicklung bzw. wichtige Meilensteine der Baugruppentechnologie von den ersten Tanks bis zur heutigen Zeit aufzeigen.
Die grundlegende Eigenschaft der ersten Tanks (Mark I) bestand darin, einer (oder mehreren) Flachfeuerwaffen eine Geländebeweglichkeit zu verleihen und den Waffeneinsatz unter einem gewissen Schutz zu ermöglichen. An diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen für ein gepanzertes Kampffahrzeug hat sich bis zum heutigen Tag prinzipiell nichts geändert. Auch bei modernen Kampfpanzern bilden die Kriterien „Feuerkraft, Beweglichkeit und Schutz/Überlebensfähigkeit“ die wichtigsten Kampfwertparameter, ergänzt durch die weiteren wichtigen Merkmale „Führbarkeit“ und „Verfügbarkeit“.
Aspekte zur konzeptionellen Entwicklung
Lange Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gab es bereits Ideen, eine Waffe (gelände-) beweglich zu machen und unter Schutz zum Einsatz zu bringen. An allen diesen Vorschlägen hatten die jeweiligen Militärbehörden kein Interesse. Erst die Erstarrung der Front in Frankreich im Ersten Weltkrieg und die Beherrschung des Gefechtsfeldes durch das Maschinengewehr (MG) hatten ein ernstes militärisches Interesse an einem „Landkampfschiff“ bzw. einem „MG-Zerstörer“ geweckt.
Während für die ersten Tanks technische Lösungen für die Bewaffnung und den Schutzaufbau (meist aus dem Marinesektor) bekannt waren, musste für die Bereiche Antrieb, Kraftübertragung/Lenkung und Fahrwerk praktisch Neuland beschritten werden. Nach ersten Konstruktionen, die noch nicht die geforderte Geländegängigkeit aufwiesen, wurde Ende 1915 das Konzept mit seiner typischen rhomboiden Form erfunden - damit konnten die militärischen Forderungen erfüllt werden.
Eine erste entscheidende Änderung des Panzerkonzeptes erfolgte durch den leichten französischen Panzer Renault FT-17. Im Gegensatz zu britischen Fahrzeugen wurden hier die Hauptwaffe und der Kommandantenplatz in einem 360 Grad drehbaren Turm platziert. Der Fahrer befand sich im Bug des Fahrzeuges, das Triebwerk im Heck. Damit ist der FT-17 der Urvater aller Turmpanzer - selbst der Kampfpanzer (KPz) „Leopard“ 2 folgt diesem Grundkonzept. Fast alle später folgenden KPz bauten prinzipiell auf dem Grundkonzept des FT-17 auf. Der KPz als Turmkonzept erlebte mit dem KPz „Leopard“ 1 bzw. „Leopard“ 2 eine gewisse Optimalform. Im Nachkriegszeitraum wurden weltweit ca. 60 KPz-Modelle konzipiert (nicht alle haben einen Serienstatus erreicht); nur zwei Modelle wichen von dem üblichen KPz-Grundkonzept ab: es war der schwedische „Stridsvagen“ 103 S und die Baureihe der israelischen KPz „Merkava“.
Der KPz als Turmkonzept konnte bis in die späten 1970er-Jahre die Forderungen des Bedarfsträgers in akzeptabler Weise erfüllen. Zwei wichtige Ereignisse führten das Turmkonzept jedoch in den vergangenen Jahren an seine Einsatzgrenzen: Dies war einerseits die Erkenntnis der Israelis aus dem Yom-Kippur-Krieg (Oktober 1973) - hier wurde überdeutlich, dass für einen erfolgreichen Einsatz im Gefecht ein hohes Schutzniveau eine weitaus höhere Rolle spielte, als bislang angenommen wurde.
Andererseits ist die Erfindung von so genannten „Sonderpanzerungen“ zu nennen, die Mitte der 1970er-Jahre für eine Systemintegration zur Verfügung standen. Bekanntestes Beispiel war die britische „Chobham“-Panzerung, die einen hohen Schutz insbesondere gegen HL-Gefechtsköpfe (HL - Hohlladung) bot. Während bei der zuvor üblichen Massivpanzerung aufgrund des Herstellungsprozesses bzw. der anschließenden Wärmebehandlung eine praktikable Wandstärke von bis zu 300 mm (entspricht einem Flächengewicht von 2,35 Tonnen/m2) nicht überschritten wurde, eröffnete nunmehr die Sonderpanzerung in Form einer Mehrfach-Schottpanzerung oder als Mehrschicht-Verbundpanzerung die Möglichkeit, weitaus höhere Flächengewichte (Verhältnis von Masse und Fläche einer Schicht; Anm.) zu erreichen. So sind heute KPz-Frontalpanzerungen mit einem Flächengewicht von bis zu 3,5 Tonnen/m2 üblich. Da das Turmkonzept einen relativ großen Kampfraum (ca. 10 m3) aufweist, führte die Verwendung derartiger Sonderpanzerungen zu einem dramatischen Gewichtsanstieg (so weist der aktuelle israelische KPz „Merkava“ IV - mit Minenschutz - ein Gefechtsgewicht von 71 Tonnen auf).
Eine gewisse Begrenzung des Gewichtsanstieges ist durch den Übergang auf KPz mit Kompaktkampfraum und scheitellafettierter Hauptwaffe möglich. Trotz durchaus bekannter Probleme dürfte das Scheitelkonzept bei weiter ansteigender Bedrohung die Lösung für zukünftige Kampffahrzeuge darstellen, da mit Turmkonzepten ansonsten Gewichtsbereiche von 75 bis 80 Tonnen erreicht würden. In Deutschland wurde mit dem Schützenpanzer (SPz) „Puma“ dieser Weg bereits beschritten - auch Russland geht mit dem KPz T-14 „Armata“ diesen Weg.
Systemmerkmal „Feuerkraft“
Die ersten britischen Tanks (Mark I) wurden entweder mit zwei 57-mm-Kanonen und vier 7,71-mm-MG (male-tanks) oder fünf 7,71-mm-MG (female-tanks) ausgerüstet. Obgleich es nach dem Zweiten Weltkrieg in den relevanten Nationen sehr unterschiedliche Auffassungen über den wirkungsvollsten (taktischen) Einsatz von Panzerfahrzeugen gab, stieg in der Folgezeit das Kaliber der Bewaffnung stetig an. Dies wird z. B. an der Entwicklung der Panzerbewaffnung in Deutschland deutlich: Hier stieg das Kaliber der Panzerbewaffnung von 7,92-mm-MG (Pz.KpfWg.I) bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges auf 128-mm-Panzerkanone (Jagdpanzer „Jagdtiger“) an.
Eine Vergrößerung des Kalibers stellt zwar eine naheliegende - aber nicht die einzige - Maßnahme zur Erhöhung der Feuerkraft eines Panzers dar. So können auch Verbesserungen der Munition (Geschoss und Treibladung) bei gleichem Kaliber zu einer Leistungssteigerung führen.
Die Weiterentwicklung des Vollgeschosses (Wuchtgeschosses) führte über das High Velocity Armor Piercing-(HVAP-)Geschoss zur Konzeption des unterkalibrigen Treibkäfiggeschosses Armor Piercing Discarding Sabot (APDS). Eine weitere Steigerung der Durchschlagsleistung war nur durch die Verlängerung des Penetrators möglich. Dabei hätte aufgrund des größeren Schlankheitsgrades die zur Stabilisierung des Geschosses nötige Drehzahl erhöht werden müssen. Das wäre nur durch einen größeren (steileren) Drallwinkel im Rohr möglich gewesen, was jedoch zu einem deutlich höheren Rohrverschleiß (bzw. einer deutlich geringeren Rohrlebensdauer) geführt hätte. Als Alternative bot sich der Übergang auf eine Flügelstabilisierung (Armor Piercing Fin Stabilized Discarding Sabot - APFSDS) an. Diesen Schritt hat als erstes im Jahr 1962 Russland mit der 115-mm-Glattrohrkanone im KPz T-62 vollzogen. Im Jahr 1964 begann man in Deutschland bei der Firma Rheinmetall mit der Entwicklung von 105-mm- und 120-mm-Glattrohrkanonen. Die Rh120-mm-L/44,2 war 1979 für den Einbau in den KPz „Leopard“ 2 einführungsreif. Eine Besonderheit stellte dabei die teilverbrennbare Treibladungshülse dar.
Außer Großbritannien (und Indien) haben ab den 1980er-Jahren alle Nationen für ihre modernen KPz ausschließlich Glattrohrkanonen im Kaliberbereich 120 bis 125 mm vorgesehen.
Heute steht in Russland prinzipiell eine 152-mm-Glattrohrkanone für KPz zur Verfügung. Diese Waffe war in den Prototypen von Objekt 195 (siehe dazu TD-Heft 3/2013) eingebaut. Mit Rücksicht auf das Fahrzeuggewicht, die Fahrzeuggröße und den Munitionsvorrat wurde der neueste KPz T-14 „Armata“ jedoch mit einer (neuen) 125-mm-PzK ausgerüstet. Anfang der 1990er-Jahre haben vier Staaten (USA, UK, FR und D) jeweils 140-mm-Glattrohrkanonen für einen zukünftigen KPz entwickelt. Seit Anfang 2016 wird bei Rheinmetall eine 130-mm-Glattrohrkanone inklusive neuer Munition entwickelt.
Systemmerkmal „Beweglichkeit“
Bei den ersten Tanks war es eine große Herausforderung, einen geeigneten Antriebsmotor sowie eine Lösung für die Kraftübertragung und die Lenkung für die 28 Tonnen schweren Fahrzeuge zu finden. Als Antriebsmotor wurde ein 6-Zylinder-Otto-Motor mit einer Nennleistung von 77 kW (105 PS) bei 1 000 U/min von der Firma Daimler ausgewählt, der bereits in schweren Rad-Traktoren bei der Artillerie verwendet wurde. Da der Tank nur zur Unterstützung der Infanterie eingesetzt wurde, reichte die Höchstgeschwindigkeit von sechs km/h vollkommen aus. Bereits 1915 war klar, dass für den Antrieb zukünftiger Modelle leistungsstärkere Motoren benötigt würden.
Da in vielen Nationen aufgrund der Wirtschaftskrise in den 1920er-Jahren keine finanziellen Mittel zur Entwicklung kompakter Motoren mit relativ hoher Leistung für gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung standen, wurde als Ausweg die Nutzung von Flugzeugmotoren gefunden. Dieser Weg wurde sowohl in den USA wie auch in Großbritannien beschritten. In Deutschland ergab sich eine andere Entwicklungsphilosophie: Abgesehen von dem Panzer I (Pz I) wurden alle Folgemodelle mit speziell für den Einsatz in Panzerfahrzeugen konzipierten Otto-Motoren von Maybach ausgerüstet. Die Leistung dieser Motoren lag in einem Bereich von 130 bis 700 PS.
Da zu Beginn der Motorisierung der Panzerfahrzeuge Otto-Motoren u. a. aufgrund niedriger Verdichtung und höherem Drehzahlniveau im allgemeinen kleiner und leichter als vergleichbare Diesel-Motoren waren, verbauten die meisten Nationen Otto-Motoren. Ausnahmen bildeten Japan und die Sowjetunion. In der Sowjetunion begann man im Jahr 1931 mit der Entwicklung eines flüssigkeitsgekühlten V-12-Dieselmotors. Nach Optimierungsarbeiten stand im Jahr 1937 der Motor BD-2 für den Einsatz in den KPz T-34 und KW-1 zur Verfügung. Durch weitere Optimierungen und Leistungssteigerungen - bis hin zur Adaption von zwei Abgasturboladern - bildete dieser Motor über 60 Jahre lang die Basis für den Antrieb russischer KPz.
In den vergangenen Jahren stieg der Bedarf an kompakt gebauten Hochleistungsmotoren für moderne Panzerfahrzeuge deutlich an. Gründe hierfür waren einerseits der Gewichtsanstieg und andererseits die Lufttransportanforderungen. Somit werden heute alle sich bietenden Maßnahmen - teilweise bis an die Grenzen des technisch Machbaren - genutzt, um bei der Motorenkonzeption den bestmöglichen Kompromiss zu finden.
Um bei der Antriebsquelle Gewicht zu sparen, wurden bereits im Jahr 1944 in Deutschland von F. Porsche Studien durchgeführt, in einen Pz.KpfWg. VI „Königstiger“ eine Gasturbine einzubauen.
In der Nachkriegszeit wurden in der Sowjetunion und in den USA weitere Anstrengungen unternommen, um Gasturbinen für den Einsatz in Panzerfahrzeugen tauglich zu machen. Für den Einsatz in gepanzerten Kampffahrzeugen weisen Gasturbinen sowohl Vor- wie auch Nachteile auf. Trotz gravierender Nachteile (z. B. hoher Kraftstoffverbrauch) haben sich die USA für einen Gasturbinenantrieb im KPz M-1 „Abrams“ entschlossen. Auch in der Sowjetunion wurde ab 1978 der KPz T-80 mit der GTD-1000 in einer Stückzahl von ca. 4 900 Fahrzeugen eingeführt.
Insgesamt konnte im betrachteten Zeitraum die Motorleistung für Panzerfahrzeuge mehr als verzehnfacht werden. In den vergangenen 100 Jahren hat es auch bei den Elementen der Kraftübertragung - insbesondere für den Teilbereich der Lenkgetriebe - für gepanzerte Kettenfahrzeuge deutliche Fortschritte gegeben. Für die Kurvenfahrt eines Kettenfahrzeuges muss im Lenkgetriebe die Drehzahl des kurveninneren Antriebsrades reduziert werden. Die in der Anfangszeit der Panzerentwicklung verwendeten Lenkgetriebe wiesen zwar einen einfachen Aufbau - aber auch hohe Lenkverluste auf. Die entscheidende Verbesserung bei den Lenkgetrieben wurde bereits 1921 in Frankreich durch die Erfindung des „Überlagerungs-Lenkgetriebes“ für den damaligen KPz „Char“ B1 gemacht. Dieses Getriebeprinzip findet sich in allen modernen KPz wieder.
Abschließend sei hinsichtlich der Entwicklungsüberlegungen bei Panzerantrieben erwähnt, dass im Jahr 1955 in den USA ein 70-Tonnen-Panzer mit einem Atomreaktor und entsprechenden Dampfturbinen in Betracht gezogen wurde. Das Konzept wurde allerdings nie realisiert.
Insgesamt wurde mit den heutigen modernen Triebwerken (wie dem Euro-Power-Pack oder dem Triebwerk des SPz „Puma“) ein hoher Leistungs- und Entwicklungsstand erreicht. Prinzipiell bestehen damit heute keine funktionalen Defizite, was das Fahren, Lenken und Bremsen von Panzerfahrzeugen anbelangt. Daher haben es alternative Antriebskonzepte wie der diesel-elektrische Antrieb schwer, auf diesem Gebiet Fuß zu fassen und das traditionelle Triebwerkskonzept zu verdrängen.
Bei einem harmonisch ausgelegten Gesamtsystem muss bei einer hohen antriebsbedingten Beweglichkeit auch ein Fahrwerk mit entsprechend hoher funktioneller Laufwerksleistung installiert werden, damit die Besatzung in der Lage ist, insbesondere im Gelände den hohen Motorisierungsgrad auszunutzen. Bis in die heutige Zeit gelingt es, bei modernen Panzerfahrzeugen relativ leistungsstarke Motoren einzubauen - die dazugehörigen Fahrwerkskonstruktionen (Feder-Dämpfer-Systeme) lassen aber eine adäquat hohe funktionelle Laufwerksleistung vermissen.
Ein erster großer Fortschritt gelang im Jahr 1928 dem US-Konstrukteur Walter Christie mit einer neuartigen Fahrwerkskonstruktion, bei der die Laufrollen des Fahrzeuges einzeln mit langen Schraubenfedern abgefedert wurden.
Während seine Prototypen in den USA wenig Anklang fanden, wurde dieses Fahrwerkskonzept in der Sowjetunion mit großem Interesse aufgenommen und weiterentwickelt. Die Richtigkeit dieser Konstruktion zeigte sich am Ende mit dem KPz T-34/76, dessen hervorragende Beweglichkeit und Schnelligkeit u. a. auf dem „Christie-Fahrwerk“ beruhte.
Nachdem man sowohl werkstoffseitig wie auch herstellungsmäßig Ende der 1930er-Jahre in der Lage war, Drehstäbe herzustellen, die eine hohe Wechselfestigkeit unter Schwellbeanspruchung ertragen konnten, begann die Ära der Fahrwerke mit Drehstabfederung. Seit den 1960er-Jahren wurden weltweit hydropneumatische Federungen erprobt. Hydrop-Federungen zeichnen sich durch eine ideale (d. h. progressive) Federkennlinie und ein hohes Arbeitsaufnahmevermögen aus. Im Vergleich zur Drehstabfederung stehen diesen ein komplexer Aufbau und Verschleiß- bzw. Dichtigkeitsprobleme entgegen.
Systemmerkmal „Schutz/Überlebensfähigkeit“
Ein wesentliches Kampfwertkriterium von gepanzerten Kampffahrzeugen stellt der Schutz dar. Weder in den Anfangsjahren noch heute kann ein vollkommener Schutz der Fahrzeuge gegenüber von Bedrohungen erzielt werden. Dieser Umstand wurde von Kritikern häufig zum Anlass genommen, das baldige Aussterben des KPz vorauszusagen. Allen diesen Unkenrufen zum Trotz konnte sich der Panzer einer stetigen Weiterentwicklung erfreuen. Der Grund für den weiteren Fortbestand der Panzerwaffe liegt in der einmaligen Kombination der wichtigen Kampfwertkriterien „Feuerkraft/Beweglichkeit/Schutz“ in Verbindung mit den Fähigkeiten „Stoßkraft, Durchsetzungsvermögen“ und „Standfestigkeit/Einsatzautonomie“. Diese Kombination wichtiger Eigenschaften wird bis heute durch kein anderes Waffensystem (inklusive Kampfhubschrauber, Jagdflugzeuge etc.) erreicht.
Die ersten Tanks wiesen eine Panzerung von 12-mm-Panzerstahl (Chrom-Nickel-Legierung) auf und boten Schutz gegen den Beschuss aus leichten Handfeuerwaffen. Mit der Möglichkeit, Panzerplatten zu verschweißen, wurde Mitte der 1930er-Jahre ein erster entscheidender Fortschritt erzielt.
Aufgrund der ständig steigenden Bedrohung mussten in den vergangenen 100 Jahren die Wandstärken der Gehäuse stetig vergrößert werden. Damit war zwangsläufig auch eine Steigerung des Fahrzeuggewichtes verbunden. Die Panzerungsstärken stiegen von anfänglich 12 mm über 22 mm (Renault FT-17), 45 mm (T-34), 100 mm („Tiger“ I), 150 mm („Tiger“ II) bis zu 250 mm („Jagdtiger“). Doch auch die schwersten Panzer waren mit dem Auftreten von HL-Gefechtsköpfen verwundbar.
Bis zum Einsatz von Sonderpanzerungen Mitte der 1970er-Jahre konnten die gepanzerten Fahrzeuge gegenüber der HL-Bedrohung keinen adäquaten Schutz bieten. Die hohe nominale Durchschlagsleistung von HL-Gefechtsköpfen wird allerdings nur in homogenem Panzerstahl (Rolled Homogeneous Armour - RHA) erreicht. Daher begann man bereits im Jahr 1952 in den USA und in der Sowjetunion mit der Suche nach alternativen Schutzwerkstoffen bzw. innovativen Schutzaufbauten, um insbesondere den HL-Schutz zu verbessern.
Mit dem Auftreten der Reaktivpanzerung im Jahr 1982 bei israelischen Kampffahrzeugen und 1983 bei russischen KPz konnte zumindest partiell ein Schutz gegen kleinere HL-Gefechtsköpfe („Milan“, Panzerfaust etc.) erreicht werden. Untersuchungen in den 1970er-Jahren zeigten, dass der HL-Stachel leicht zu stören ist. Entsprechend wurden neue Schutzprinzipien wie die Beulblechpanzerung - oder die britische Chobham-Panzerung - erfunden.
Parallel dazu wurde nach neuen Schutzprinzipien gegenüber modernen KE-Penetratoren gesucht. Moderne KPz weisen heute frontal und partiell im Seitenbereich Sonderpanzerungen auf, die ein Schutzäquivalent von mindestens 900 mm gegenüber KE-Geschossen und mindestens 1 000 mm gegenüber HL-Gefechtsköpfen bieten. Trotz Sonderpanzerung erreicht das Flächengewicht in den hoch geschützten Partien einen Wert von ca. 3,5 t/m2. Daher ergeben sich bei Turmkonzepten aufgrund des großen Kampfraumvolumens aktuell Gefechtsgewichte von über 60 Tonnen.
Mit den heute verfügbaren Sonderpanzerungen weisen moderne KPz zumindest in Duellsituationen wieder eine ausreichende Überlebenswahrscheinlichkeit auf. Wie Einsatzszenarien in den vergangenen Jahren im Kosovo, aber auch im Irak und in Afghanistan gezeigt haben, müssen gepanzerte Kampffahrzeuge aufgrund neuer Bedrohungen (Minen, IED, Brandkampfmittel etc.) nicht nur einen starken Schutz im frontalen Bereich von +/-30 Grad aufweisen, sondern stattdessen auch über einen ausgewogenen hohen hemisphärischen Schutz (also auch im Boden- und Dachbereich sowie im Heck und an den Seiten) verfügen. Dies gilt insbesondere für Gefechte im urbanen Gelände.
Eine weitere Lösung des Schutz- und Gewichtsproblems liegt in der Entwicklung und Einführung von abstandsaktiven Schutzsystemen (ADS-Systemen). Hier existieren bereits heute einige Soft-kill-Systeme, die in der Lage sind, Treffer von Lenkflugkörpern (LFK) zu vermeiden wie das russische System „Shtora“.
Universeller einsetzbar sind jedoch Hard-kill-Systeme wie das russische System ARENA (abstandsaktives Schutzsystem) und die israelischen Systeme „Trophy“ und „Iron-Fist“. Auch in Deutschland befindet sich das Hard-kill-Schutzsystem AMAP-ADS (Advanced Modular Armour Protection - Active Defence System) von der Firma IBD Deisenroth in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium.
Insgesamt zeigen die Ausführungen, dass in Zukunft auf der Schutzseite ein sehr hoher Aufwand (inklusive Elektronik, Sensorik, Datenverarbeitung etc.) betrieben werden muss. Allerdings erfordern moderne KE-Geschosse und HL-Gefechtsköpfe einen beträchtlichen Aufwand in der Entwicklung und Fertigung. Im Gegensatz dazu steht der verhältnismäßig geringe Aufwand bei der Herstellung von IED (Improvised Explosive Devices). Ab einem Gewicht von ca. 50 kg Home-made Explosive (HME) werden diese Sprengfallen selbst für moderne KPz zu einer absolut lebensgefährlichen Bedrohung. Unter diesen Randbedingungen werden auch zukünftige KPz - selbst in einer Ausführung als Scheitelkonzepte mit einem Kompakt-Kampfraum - nicht unter 50 Tonnen wiegen.
Systemmerkmal „Führbarkeit“
Die Bedeutung und die Wichtigkeit des Kampfwertkriteriums „Führbarkeit“ werden häufig unterschätzt. Nur durch eine wirksame und funktionierende interne und externe Führbarkeit kann ein gepanzertes Kampfahrzeug bzw. ein Verband seine volle Wirksamkeit entfalten und zum Einsatz bringen. Die Elemente interner Führbarkeit dienen der Kommunikation der Besatzungsmitglieder untereinander. Die Elemente externer Führbarkeit sind für die Kommunikation unter den Fahrzeugen sowie zu niedrigeren und höheren Führungsebenen vorgesehen. Neu hinzugekommen sind in den vergangenen Jahren Führungs-Waffeneinsatzsysteme sowie Führungs-Informationssysteme, die eine deutliche Verbesserung der internen und externen Führbarkeit mit sich brachten.
In den Tanks des Ersten Weltkrieges bereitete die interne Führbarkeit erhebliche Probleme, da eine Bordverständigungs-(BV-)Anlage nicht vorgesehen war. Für die externe Kommunikation unter den Fahrzeugen wurden anfangs Flaggen und so genannte „Semaphore“ (ein unter Schutz bedienbarer Signalgeber) benutzt.
Später kamen vereinzelt erste Tanks mit Funkgeräten und aufwändigen Antennenaufbauten zum Einsatz. Allerdings konnten damit nur Morsezeichen übermittelt werden. Als Alternative zur Übermittlung von Meldungen an die rückwärtigen Kommandostäbe kamen Brieftauben zum Einsatz - die aber nicht immer ihr Ziel erreichten.
Die Notwendigkeit fahrzeugtauglicher Funkgeräte wurde bereits bei den ersten Tankeinsätzen erkannt. Aufgrund der hohen Priorität standen erste mobile Funkgeräte in den 1920er-Jahren zur Verfügung. Die Entwicklung führte über leistungsfähigere Röhrengeräte zu den heute volltransistorisierten, digitalen Funkgeräten. Diese ermöglichen nunmehr neben der Sprach- auch eine Datenübertragung und weisen eine akzeptable Reichweite von 15 bis 20 km auf. Funkgeräte der modernsten Bauart ermöglichen in Zukunft den Einsatz truppengattungsspezifischer Führungs-Waffeneinsatzsysteme (FüWES) und ebensolcher Führungs- und Informationssysteme (FüInfoSys).
Abschließende Betrachtungen
Der Beitrag verdeutlicht die erheblichen technischen Fortschritte, die in den vergangenen 100 Jahren bei den für gepanzerte Kampffahrzeuge wichtigen Kampfwertkriterien erzielt werden konnten. Wenn man in einem direkten Zeitsprung den ersten Tank Mark I mit dem KPz „Leopard“ 2 (Serienstand: 1979) vergleicht, so ist bemerkenswert, dass sich für beide Fahrzeuge ähnliche Abmessungen ergeben. Die Anzahl der Besatzungsmitglieder hat sich halbiert, das Gefechtsgewicht allerdings verdoppelt - währenddessen sich das Flächengewicht des Frontalschutzes vervierzigfacht hat. Da beim KPz „Leopard“ 2 die Motorleistung um den Faktor 15 größer ist und heute ein leistungsfähigeres Fahrwerk zur Verfügung steht, konnte die Höchstgeschwindigkeit verzehnfacht werden. Bei der Hindernisüberwindung ist der „Leopard“ 2 nur bei der Steigfähigkeit besser als der Mark I (Faktor 1,5) - bei allen anderen Werten ergeben sich keine Verbesserungen (was für die gelungene Konstruktion des Mark I spricht). Der Fahrbereich stieg beim „Leopard“ 2 um den Faktor 15.
Während in den ersten 50 Jahren der Panzerentwicklung die Fortschritte im Wesentlichen durch Verbesserungen im Bereich des Maschinenbaues und der Elektromechanik erreicht wurden (Motor- und Getriebetechnik, Fahrwerkstechnik, Waffentechnik etc.), beruhten in den vergangenen 50 Jahren die Leistungssteigerungen hauptsächlich auf dem Einbau entsprechender elektronischer Komponenten (Sensorik, Feuerleitung, Richtantriebe/Stabilisierung/Waffennachführung, Nachtsichttechnik, elektronische Motor- und Getriebesteuerung, FM-Ausstattung etc.). Weitere Fortschritte und Leistungssteigerungen werden heute (und in Zukunft) durch die Verknüpfung und Integration mechanischer und elektronischer Elemente mit einer leistungsfähigen Datenverarbeitung erreicht. Der umfassende Einsatz einer leistungsfähigen Datenverarbeitung mit extrem hohen Datenraten und hohem Speichervolumen ermöglicht völlig neue Funktionalitäten wie den Einsatz abstandsaktiver Schutzsysteme.
Die aufgezeigte Entwicklung ist umstritten, da die neuen Technologien die Komplexität und Kosten für moderne Kampffahrzeuge drastisch haben ansteigen lassen. Auch stellen die neuen Technologien dramatisch hohe Anforderungen im Hinblick auf Materialerhaltung/Instandsetzung (z. B. bezüglich Personalqualifikation). Neuartige Geräte, Sensoren und Technologien ermöglichen bei modernen Kampffahrzeugen bereits eine Vielzahl neuer und zusätzlicher Funktionalitäten (z. B. Mitnahme eines bordeigenen Robotik-Elementes für die Aufklärung). Damit kann die Systemleistung erheblich gesteigert werden. Allerdings muss dabei bedacht werden, dass die in der Praxis erreichbare Systemleistung letztendlich durch die Fähigkeiten der Besatzung bestimmt wird: Nur was die Besatzung im Kampf umsetzen kann, repräsentiert am Ende den tatsächlichen Kampfwert des Systems.
Dieser Aspekt verdient eine besondere Beachtung im Hinblick auf eine kommende Informationsflut, die in Zukunft auf die Besatzung einwirken könnte. Während in den Anfangsjahren der Panzerentwicklung der Schwerpunkt bei der grundsätzlichen Realisierung der wichtigsten Funktionen eines Kampfahrzeuges (Feuerkraft, Beweglichkeit, Schutz) lag, stehen heute prinzipiell alle Technologien zur Verfügung, um die wesentlichen militärischen Forderungen zu erfüllen. Die Probleme bei der heutigen und zukünftigen Panzerentwicklung bestehen demnach in der Begrenzung der Komplexität und in der Realisierung einsatztauglicher Systeme mit entsprechend hoher Zuverlässigkeit unter widrigsten Einsatzbedingungen.
Wissenschaftlicher Direktor a.D. Dipl.-Ing. Rolf Hilmes ist Experte auf dem Gebiet Panzer und veröffentlichte zahlreiche Fachbücher zum Thema Panzer.
Vortrag "1916 - 2016: Vom Tank zum Leopard 2"
Meilensteine der Panzergeschichte