- Veröffentlichungsdatum : 01.08.2022
- – Letztes Update : 03.08.2022
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Airborne - Aus der Luft ins Gefecht
Luftbewegliche Kräfte mehrerer Nationen haben Mitte August 2021 unter Zeitdruck mehr als 100.000 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul evakuiert. Ihr Alleinstellungsmerkmal sind Luftlandungen. Wie ist es um diese Fähigkeiten beim Bundesheer bestellt? Sind sie notwendig? Wenn ja, in welcher Ausprägung? Mögliche Antworten soll dieser Beitrag liefern.
Flughafen Kabul August 2021
Nach der raschen Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan mussten tausende Menschen, die den Staat verlassen wollten, evakuiert werden. Das österreichische Einsatzteam auf dem Flughafen in Kabul bestand aus einem Sonderbotschafter des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) sowie zwei Jagdkommandosoldaten des Bundesheeres (zum Schutz). Eine latente Gefährdungslage war durch möglichen Beschuss von Luftfahrzeugen sowie Anschläge durch Islamisten am Boden gegeben. Es genügte daher nicht, Flugzeuge bzw. Hubschrauber „nur“ zu besitzen – sie mussten auch aktiv und passiv geschützt werden. Für die Sicherheit der Evakuierungsoperation waren vorrangig bis zu 6.000 US-Soldaten tätig, darunter eine Fallschirmjägerbrigade der 82. Airborne Division, weitere Infanteriebataillone und luftbewegliche Unterstützungskräfte (wie Fliegerabwehr). Pioniere sowie „Apache“-, „Black Hawk“- und „Chinook“-Hubschrauber rundeten mit Kampfflugzeugen, Bombern, Transportmaschinen und MQ-9-Drohnen das Bild in der Luft ab. Wäre der Flughafen in Kabul für die Evakuierung nicht benutzbar gewesen (z. B. durch blockierte Landebahnen), hätte als Alternative das nächstgelegene Flugfeld in Bagram mittels Hubschrauber oder Fallschirmspringereinsatz eingenommen werden können. Somit stellt sich folgende Frage: Welche Fähigkeiten sind für Streitkräfte bei Evakuierungsoperationen bzw. Luftlandeeinsätzen zukünftig von Relevanz?
Spektrum Luftbeweglicher Kräfte
Der Einsatz deutscher Fallschirmjäger 2010 bei der Operation „TOWSE A GHARB II“ („Hoffnungsvolles Tal“) in Afghanistan, die französische Luftlandeoperation „SERVAL“ in Mali 2013 oder die russische Übungsreihe „ZAPAD 21“ im Herbst 2021 zeigen unbestritten die Effektivität luftbeweglicher Kräfte. Gerade Russland hat Anfang Jänner 2022 seine rasche Handlungsfähigkeit aufgezeigt: Über 2.500 russische Luftlandekräfte wurden mit schwerem Gerät (u. a. über 40 Luftlandeschützenpanzer BMD-2 und BTR-D) nur 36 Stunden nach Alarmierung auf dem Luftweg nach Kasachstan verlegt. Wie jedoch die russische Luftlandung am Flughafen Kiew-Hostomel am 24. Februar 2022 gezeigt hat, sind Übung und Einsatz zwei Paar Schuhe – ohne umfassende Sicherung und Folgemaßnahmen ist jede Luftlandung zum Scheitern verurteilt. Luftbewegliche Kräfte können nach gewissen Vorbereitungen rasch über weite Entfernungen verlegt werden. Die Luftmobilität bietet somit die Möglichkeit,
- Kräfte hinter gegnerische Linien zu verbringen;
- wichtige Geländeteile in Besitz zu nehmen;
- eingeschlossene Kräfte zu entsetzen sowie
- Personen zu evakuieren.
Da diese Fähigkeiten kostenintensiv sind, gilt es Synergien im multinationalen Verbund zu nützen. So hat z. B. die Deutsche Bundeswehr 2015 in der damals neuformierten Division Schnelle Kräfte (DSK) mittels bilateraler Abkommen die 11 Air Manoeuvre/Airmobile Brigade der niederländischen Streitkräfte auf Basis des Operational Command (OPCOM) integriert.
Interoperabilität und klare Begrifflichkeiten
Sowohl Deutschland als auch die Niederlande sind NATO-Mitglieder und als solche an die Grundlagen der Zusammenarbeit gebunden, um Interoperabilität herzustellen. Auch Österreich, zwar nicht Mitglied, aber PfP-Nation (Partnership for Peace), adaptiert NATO-Grundlagen, um bei gemeinsamen Einsätzen interoperabel zu sein. Problematisch wird es, wenn althergebrachte nationale Begriffe mit neuen gemischt oder einfach übersetzt werden. Selbstgestrickte Wortschöpfungen wie „Luftlandetransportübung“ tragen da eher zur Verwirrung bei. Diese Diskrepanz soll anhand der Begriffe „Lufttransport“ und „Luftlandung“ nachvollzogen werden.
Von den Ursprüngen zur Verfahrenstafel
Zunächst sind zwei wesentliche Begriffe zu unterscheiden, nämlich Lufttransport und Luftlandung – beide gleichwertig als Einsatzformen. Beide beschreiben den Transport von Personal und Material auf dem Luftweg. Der wesentliche Unterschied ist die Feindbedrohung bei der Luftlandung, die eine spezielle Organisation, Ausrüstung sowie Ausbildung der Luft- und Bodenkräfte im Verbund erfordert.
Noch 2014 wurde im Militärlexikon der Begriff „Lufttransport“ wie folgt definiert: „Der Lufttransport ist eine Einsatzform der LuSK (Luftstreitkräfte) mit dem Ziel, Personen, Tiere und/oder Material unter Verwendung von Luftfahrzeugen zu transportieren.“ Wesentlich ist hierbei, dass nach der Anlandung keine unmittelbare Kampfaufgabe erfolgt. Dazu ein Auszug aus der Dienstvorschrift Lufttransport aus dem Jahr 2011: „(...) während Verladung, Luftmarsch, Anlandung, Entladung und Sammeln herrscht grundsätzlich keine Bedrohung durch Boden- oder Luftgegner.“
Als Gegensatz zum herkömmlichen Lufttransport gilt laut Terminologiedatenbank (nach wie vor) die Luftlandung: „Luftlandung (Airborne Operations) ist eine Einsatzform (…), bei der luftbewegliche Kräfte, möglichst in der vorgesehenen Gefechtsgliederung in ihrem Einsatzgebiet oder in dessen Nähe, auch unter direkter gegnerischer Bedrohung, so angelandet (und/oder abgesetzt) werden, damit diese unverzüglich ihren Auftrag durchführen können.“ Bei der Überarbeitung der Führungsgrundlage „Grundlegende militärische Verfahren und Aufgaben im Einsatz“ (vereinfacht als „Verfahrenstafel“ bezeichnet) wurde 2016 der Terminus „Lufttransport“ zwar zur Einsatzart erhoben, allerdings ohne Gleichwertiges als Einsatzform zu belassen: „Lufttransport ist eine Einsatzart der LuSK (Luftstreitkräfte) mit dem Zweck, Personen, Tiere und/oder Material unter Verwendung von Luftfahrzeugen zu transportieren.“
Grundlage des möglichen Missverständnisses war hier der Überbegriff Air Transport (AT – eben auch vereinfacht als „Lufttransport“ übersetzbar) gemäß NATO STANAG AJP-3.3 (Allied Joint Doctrine for Air and Space Operations, 2016), die auch Österreich adaptiert hat. So konnte irrtümlich der Eindruck entstehen, „lufttransportfähige“ Kräfte müssten auch die Luftlandung beherrschen. Dem ist nicht so. Denn die „Verfahrenstafel“ dient nicht als Referenz für die Fähigkeitenentwicklung des Bundesheeres (diese wird in den Planungszielen näher definiert), sondern stellt nur einen Bezug zur internationalen Terminologie her. Es gibt beispielsweise auch eine Verfahrenstafel für Seestreitkräfte und trotzdem keine Marine im Bundesheer. Zusätzlich erfolgt eine Anpassung der Verfahrenstafel, um diese hierarchische Zuordnung zu präzisieren. Der Routine-Lufttransport und auch der Lufttransport mit anschließendem Einsatzauftrag (Begriff der Bundeswehr entlehnt) entspricht dann dem Lufttransport nach österreichischer Tradition.
Gemäß erwähnter NATO STANAG AJP-3.3 wird nämlich der Überbau Air Mobility (Luftbeweglichkeit oder auch Luftmobilität) in Air Transport (AT oder auch Airlift) und Air-to-Air-Refuelling (AAR) unterteilt, wobei letzteres hier nicht weiter behandelt wird. Diese könnten im Überbau als Einsatzarten gelten. Als Einsatzformen des Air Transport (AT) bestehen
- Routine AT (Routine-Lufttransport);
- Air Logistic Support (Logistische Luftunterstützung);
- Airborne Operations (Luftlandeeinsätze inkl. Sonderform Air Assault Operations);
- Aeromedical Evacuation (AE; Luftgestützter Patiententransport) und
- Support to other Missions (sonstige Unterstützung anderer Missionen/Aufgaben).
Nachfolgend werden nur mehr Airborne Operations und der spezifische Lufttransport nach österreichischer Intention näher betrachtet. Eine konkrete Verortung des Lufttransportes mit nachfolgendem Einsatzauftrag muss noch gesondert beurteilt werden. Wesentlich ist die Unterscheidung in der Art der Verbringung beim AT, sprich Anlandung mittels Flächenflugzeug oder Hubschrauber (airland) einerseits oder via Fallschirm (Sprungeinsatz bzw. Absetzen von Lasten oder airdrop) andererseits. Üblicherweise werden Feindbedrohungen erst bei einer weiteren Differenzierung nach der Einsatzart relevant. Diese sind daher insbesondere in der Anlandephase nur bei den zwei Einsatzformen „Airborne Operations“ und „Air Assault Operations“ zu erwarten.
Airborne Operations ist laut Terminologiedatenbank „der Einsatz von Luftlandetruppen durch Absetzen (Fallschirmsprung) und Anlanden an festgelegten Einsatzorten.“ Es sind also spezielle Kräfte für Luftlandungen erforderlich. Im Dienstbehelf für das Bundesheer „Durchführung von Luftlandungen und Lufttransporten“ aus dem Jahr 1990 war die Luftlandetruppe wie folgt definiert: „Luftlandetruppe ist eine Waffengattung, deren Aufgabe vor allem die Durchführung von Luftlandungen ist; sie ist hierzu besonders organisiert, ausgerüstet und ausgebildet.“ Hierzu zählen z. B. die Fallschirmjäger der Bundeswehr. Heeresfliegerkräfte und luftbewegliche, durchsetzungsfähige Infanteriekräfte sowie erforderliche Unterstützungskräfte operieren im Verbund unter einheitlicher Führung und gemeinsamer taktischer Zielsetzung als erprobte, eingeübte und eingespielte Kampfgemeinschaft. Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten luftbeweglichen Einsätzen unter Feindbedrohung kann neben dem Routine-Lufttransport (ohne anschließenden Einsatzauftrag) der Lufttransport mit einem anschließenden Einsatzauftrag gelten. Hier erfolgt während der Flug- und Anlandephase keine Bedrohung. Nach dem Formieren im feindfreien Raum wird zu einer Gefechtsaufgabe angetreten.
Eine Anmerkung am Rande: Die Deutsche Bundeswehr sowie die niederländischen Streitkräfte verwenden bis dato für den Begriff Luftbeweglichkeit anstatt „Air Mobility“ den Terminus „Air Manoeuvre“. Der Terminus „Manoeuvre“ („Manöver“) soll den Gefechtscharakter im Gegensatz zur reinen Bewegung „Movement“ hervorstreichen. „Airmobile Operation“ bedeutet für deutsche und niederländische Streitkräfte eher Lufttransport wie z. B. Lufttransport mit anschließendem Einsatzauftrag. Die Einsatzform hat durchaus ihre Berechtigung, nicht jedoch deren Bezeichnung mit „Airmobile“, wie nachfolgend aufgezeigt wird.
Terminologie im internationalen Umfeld
Gemeinsame Grundlagen sind aufgrund der erforderlichen Interoperabilität für die Fähigkeitenentwicklung von Streitkräften relevant. Hier steht zuvorderst das NATO-Dokument „Bi-SC Capability Codes and Capability Statements“ in der Fassung 2020, das Referenzverbände und deren Fähigkeiten verbindlich festlegt. Bezogen auf die Luftbeweglichkeit der Infanterie folgen diesbezügliche Spezifika. Auf Brigadeebene ist hier zunächst die „Airmobile Light Infantry Brigade“ zu erwähnen. Deren Kernfähigkeit ist die Befähigung zu Air Assault Operations, also keineswegs nur zum Lufttransport. Dazu passend ist das „Airmobile Light Infantry Battalion“ zu Air Assault Operations befähigt. Die „Airborne Light Infantry Brigade“ soll wiederum hauptsächlich zu Angriffen via Sprungeinsätzen befähigt sein. Im Gegensatz dazu ist beim „Light Infantry Battalion” (als solches ist das Jägerbataillon 25 bei der NATO gemeldet) nur die Verlegbarkeit mittels Hubschraubern auf der taktischen Führungsebene gefordert – also weder Airborne noch Air Assault Operations.
Größenordnung luftbeweglicher Verbände
Es ist international üblich, im Rahmen einer Division (seltener auch Brigade) die erforderlichen Waffengattungen für die Aufgabenvielfalt von Führung, Aufklärung und Erkundung, Kampf, Kampfunterstützung, Verbindung und Transport sowie die präzise Koordinierung derselben sicherzustellen. Während Flächenflugzeuge im Bedarfsfall von den Luftstreitkräften gestellt werden, sind Kampf- und Transporthubschrauber sowie spezifische Hubschraubervarianten für elektronische Kampfführung, Aufklärung, Führung etc. in der Regel Teil des großen Verbandes. Sie zählen somit zu den Heeresfliegerkräften. So können je nach Lage und Auftrag selbstständig Einsätze wie Luftmechanisierung (Air Attack/Rotary Wing), Luftlandungen, Lufttransport und allgemeine (logistische) Unterstützungsaufgaben umgesetzt werden. Als Beispiele können die 101st Airborne Division (Air Assault) der U.S. Army oder die bereits erwähnte DSK der Bundeswehr genannt werden. Dieser Zusammenschluss, die Verfügbarkeit aller erforderlichen Elemente und das ständige Training im Verbund stellen die Qualität sicher. Dieser Divisionsrahmen bietet dann für eine konkrete Aufgabenerfüllung einen Gefechtsverband.
Laut Führungsakademie: „Als Luftbeweglicher Gefechtsverband (LbwglGefVbd) wird ein gemischtes/verstärktes Regimentsäquivalent mit allen fliegenden und bodengebundenen Teilen bezeichnet, das diese Gefechtsgliederung für einen längeren Zeitraum einnimmt und zur eigenständigen Führung luftbeweglicher Operationen befähigt ist. Sie besitzen den gleichen Grad an Autarkie wie die Brigade und können das luftbewegliche Gefecht auf sich gestellt führen.“ Von luftbeweglicher Infanterie wird gesprochen, wenn die Hubschrauber ein organisatorischer Bestandteil des jeweiligen Verbandes sind (ehemalige Luftbewegliche Brigade 1 der Bundeswehr). Dagegen ist von luftbeweglich gemachter Infanterie die Rede, wenn die Transportmittel beigesteuert werden (Luftlandebrigade 1 der DSK der Bundeswehr). Es ist heutzutage international üblich, die Infanterie eines hierzu vorgesehenen Großverbandes (Brigade) zumindest in Teilen sowohl für Luftlandungen (Airborne Operations) als auch für luftgestützte Einsätze (Air Assault Operations) hinsichtlich Ausrüstung und Ausbildung zu befähigen.
Und das Österreichische Bundesheer?
Diverse Erlässe im Österreichischen Bundesheer, die von „luftbeweglichen Kräften“, einem „einzigen Luftlandeverband“ und „Lufttransportfähigkeit“ sprachen, sind hinsichtlich Aktualität und Begrifflichkeiten kritisch zu betrachten. Daraus folgernd wäre die notwendige und ausgeprägte Truppenverbringung mittels Luftfahrzeugen für Einsätze im In- und Ausland (unter Berücksichtigung zweckmäßiger Ressourcennutzung) zu beurteilen. Alle gültigen militärstrategischen Planungsdokumente zeigen zwar den Bedarf an (Reserve-) Kräften, die auch mittels Luftfahrzeugen verlegen können, auf, schließen aber nicht zwingend die Befähigung zur Luftlandung ein. Ähnlich wie die Schweiz hat Österreich eine geringe strategische Tiefe, und bei entsprechender Raumordnung und Disposition der Truppen ist die Bodenmobilität in zeitlicher Hinsicht gegenüber der Luftmobilität im Vorteil. Der zusätzliche Zeitbedarf (mehrere Stunden bis Tage) zur Vorbereitung und Planung einer Luftlandung darf nicht unterschätzt werden. Dazu gehören die Koordinierung aller beteiligten Kräfte inklusive des Luftraumes und allfälliger Unterstützung sowie eine unabdingbar vorgestaffelte Aufklärung. Selbst ein Lufttransport ist bei Entfall einer wesentlichen Koordinierung nur bei entsprechender Distanz schneller. Und auch hier müssen die Lufttransportmittel und Bodentruppen bereits unmittelbar bereitstehen. Fakt ist, dass die im Bundesheer verfügbaren und geplanten (!) Transporthubschrauber mangels Leistungskapazität die Mitnahme schwerer geschützter Waffensysteme und geschützter Mobilität nicht zulassen. Selbst Außenlasten ungeschützter Mobilität sind nur beschränkt möglich. Somit ist die angelandete Truppe nur bedingt mobil, ungeschützt und weder lange durchhalte- noch wirklich durchsetzungsfähig. Mittels Lufttransport bleibt die Befähigung zum Verbringen von Kräften mit leichtem Gerät zumindest im schwierigen, gebirgigen Gelände erhalten.
Eines darf nie vergessen werden: Die Befähigung zur Luftlandung oder zum Luftsturmangriff ist nur im Verbund von Luft- und Landstreitkräften möglich. Diesen schlagkräftigen, eingespielten Verbund gibt es im Bundesheer mangels entscheidender Fähigkeiten nicht. Dies betrifft (fliegende) Waffensysteme, Elektronische Kampfführung, passive und aktive Schutzmaßnahmen, Führungsmittel sowie luftbewegliche Unterstützungselemente wie mobile Luftabwehr, Pioniere oder Sanität. Auch die Neubeschaffung der Mehrzweckhubschrauber „Leonardo AW169M“, dessen Sonderpakete im Detail noch gar nicht feststehen, wird die Lücken nur teilweise schließen können. Ein Paket soll zwar Bewaffnung beinhalten, fehlende Kampfhubschrauber kann es aber nicht ersetzen. Ob Drohnen zukünftig als vielfältig nutzbare, fliegende Plattformen Lücken schließen könnten oder gar Kampfhubschrauber ersetzen, ist noch unklar.
Das Jägerbataillon 25 (JgB25) ist, wie zuvor bereits ausgeführt, strukturell nicht als Luftlandeverband, sondern als leichtes Infanteriebataillon organisiert, ausgerüstet und ausgebildet. Sporadische Übungen mit Luftfahrzeugen von einzelnen Organisationselementen und anderen Nationen in den letzten Jahren dürfen darüber nicht hinwegtäuschen. Das JgB25 ist hervorragend infanteristisch ausgerichtet (eine internationale Prüfung nach NATO-Kriterien im November 2021 hat den Status „combat ready“ – einsatztauglich – ergeben). Ihm fehlt aber eine Evaluierung als Airborne oder Airmobile. Darüber hinaus erscheint aus gegebenem Anlass eine Investition in die Nachtkampftauglichkeit dringlicher. Dies gilt sowohl für Inlandseinsätze, als auch unter Berücksichtigung von Synergieeffekten, Pooling und Sharing für Auslandseinsätze wie Evakuierungen und (Joint) Personnel Recovery. Die Diskussion der Luftbeweglichkeit betrifft den Erhalt und Ausbau der besonderen Fähigkeiten des Jagdkommandos jedoch nicht.
Evakuierungen
Das Streitkräfteprofil „Unser Heer“ verlangt auch die Befähigung des Bundesheeres zu Evakuierungseinsätzen im Ausland, wobei diese im kooperativen Umfeld auch alleine erfolgen können. Gerade bei Einsätzen im nicht kooperativen Umfeld, eingebettet in einem multinationalen Verbund, sind klare Beitragsleistungen der einzelnen Nationen zu definieren. Nicht jeder Staat verfügt über das komplette Fähigkeitenportfolio zur Aufgabenbewältigung. So könnten einige zunächst einen Flugplatz, bei Bedarf inklusive Kampfanlandung (z. B. Absetzen mittels Fallschirm), einnehmen, damit andere Kräfte mittels Flächenflugzeugen in gesichertes Terrain nachkommen können. Einige bringen die zu Evakuierenden geschützt auf dem Landweg, andere auf dem Luftweg zur Drehscheibe, von wo diese Personen ausgeflogen werden. Wenn die Abstützung auf Fähigkeiten anderer Nationen im Auslandseinsatz möglich ist, wie ist es damit während eines Einsatzes zur militärischen Landesverteidigung im neutralen Österreich selbst bestellt?
Neutralität
Eine verpflichtende und somit garantierte Verfügbarkeit von Fähigkeiten – bezüglich Lufttransportmittel, Kampfhubschrauber etc. – befreundeter Nationen (oder strategischer Partner) wäre im Einsatz einem Militärbündnis gleichzusetzen und daher aufgrund der immerwährenden Neutralität Österreichs nicht möglich. Sprich, was nicht beim Bundesheer selbst verfügbar ist, wird es nicht geben. Daher ist es hinfällig, von der eigenen Befähigung zu einer tatsächlichen Luftlandung oder gar einem Luftlandeangriff zu träumen. Dafür gibt es weder eine reale Notwendigkeit noch die Ressourcen, um den internationalen Maßstäben zu genügen.
Fazit und Ausblick
Luftbewegliche Einsätze verlangen insgesamt das Zusammenwirken von (Heeres-) Fliegerkräften, luftbeweglichen und durchsetzungsfähigen Infanteriekräften sowie allen notwendigen Unterstützungselementen. Diese müssen als erprobte und eingespielte Kampfgemeinschaft im synergetischen Systemverbund mit gemeinsamer taktischer Zielsetzung und unter einheitlicher Führung funktionieren. Der deutsche Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler (zuletzt stellvertretender Kommandeur der 1. Luftlandedivision der Bundeswehr und maßgeblich an der Konzeption der Luftlandetruppe beteiligt; Anm.) hielt bereits 1992 fest: „Erfahrungen aus Krieg und Frieden haben gelehrt, dass die erforderliche enge Zusammenarbeit zwischen fliegenden Verbänden und Airborne Forces auf Dauer nur befriedigend zustande kommt, wenn beide derselben Truppe angehören. Nur so sind klare Befehlsverhältnisse, gegenseitiges Vertrauen, Verständnis für die unterschiedlichen Belange sowie auf Drill und Routine beruhendes Können zu gewinnen.“
Diese Aussage ist unverändert gültig. Falls in Österreich der Bedarf zur Luftlandefähigkeit unter Feindeinwirkung notwendig wäre, dann ist der Aufbau dieser Fähigkeit mit allen Konsequenzen zu verfolgen. Wenn dieser Bedarf jedoch nicht erkannt wird, dann ist die Befähigung zum Lufttransport ohne Feindeinwirkung zu belassen. Hierbei stellt sich auch die Frage, warum sich die Schweiz bei ähnlicher Geografie und Bedrohungslage keine Luftlandetruppe „leistet“. Reicht eventuell ein „normaler“ Lufttransport zum Verbringen von Kräften mit Folgeauftrag in feindfreies Gelände in der Nähe aus? Unbestritten ist das JgB25 ein elitärer Verband – ebenso die Luftstreitkräfte. Sie stellen tagtäglich ihre Fähigkeiten unter widrigsten Umständen unter Beweis. Eine mögliche Belebung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und engen militärischen Kooperationen (natürlich unter Hinterfragung der Neutralität) würden einen Fähigkeitenerhalt auf definiertem Niveau oder eine Intensivierung im Bereich der Luftbeweglichkeit rechtfertigen. Dadurch würde auch die Attraktivität bestimmter Verbände erhalten bleiben. Der terminologische Unterschied wäre jedenfalls anzusprechen.
Oberst Bernhard Schulyok, MA; Abteilung Militärstrategie in der Direktion Fähigkeiten- und Grundsatzplanung.