AUTCON HUN - Einsatz in Ungarn
Am 3. November 2016 verabschiedete der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport, Mag. Hans Peter Doskozil, das erste Kontingent von Bundesheer-Soldaten zu ihrem Einsatz an die ungarische Grenze zu Serbien. Etwa 50 Soldaten des Kontingentes, das aus einem Pionierzug, einer Transportgruppe und Versorgungsteilen besteht, versehen seither dort ihren Dienst.
Die Soldaten des österreichischen Kontingentes in Ungarn (AUTCON HUN) haben den Auftrag, die ungarischen Behörden beim Schutz der EU-Außengrenze zu Serbien zu unterstützen. Sie fahren jedoch keine Patrouillen, beobachten keine Grenze mit dem Feldstecher, kontrollieren keine Personen und durchsuchen auch keine Gepäcksstücke. Die Soldaten helfen mit, die Infrastruktur für den Einsatz der ungarischen Grenzbehörden aufzubauen und die Logistik für die ungarischen Grenzsoldaten zu unterstützen. Konkret bauen die Österreicher Straßen im Grenzraum und führen Materialtransporte, beispielsweise für Verpflegung, durch. Damit entlasten sie die ungarischen Kräfte vor Ort auf eine indirekte Weise.
Das erste österreichische Kontingent unterstützte darüber hinaus den Bau eines Feldlagers für ungarische Soldaten inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur wie Strom- oder Wasserleitungen. Dabei wurde auch ein Zaun als Sicherungsmaßnahme des Lagers gegen den unbefugten Zutritt Dritter - als Maßnahme der militärischen Sicherheit - errichtet. Dieser steht in keinem Zusammenhang mit dem Zaun an der Grenze zu Serbien, an dessen Bau die österreichischen Soldaten, entgegen anders lautenden Gerüchten, niemals beteiligt waren oder sind.
Rechtliche Aspekte
Dass die österreichischen Soldaten keine Wach-, Sicherungs- oder Kontrollaufgaben bei diesem Einsatz übernehmen, hat rechtliche Gründe. Gemäß dem Wehrgesetz dürfen sie bei einem Sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz nur dem österreichischen Innenminister unterstellt sein, jedoch keinem aus einem anderen Land. Schließlich handelt es sich bei diesem Einsatz um einen, der zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Inland dient - wenn auch in Ungarn. Somit unterscheidet sich das Engagement des ÖBH in Ungarn von einem herkömmlichen Auslandseinsatz. Dieser erfolgt in der Regel aufgrund eines UN-Mandates nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates - der aktuelle Einsatz basiert jedoch auf einer bilateralen Vereinbarung.
Das letzte Wort für den Einsatz in Ungarn hatte, so wie bei jedem anderen auch, das österreichische Parlament, konkret der Hauptausschuss des Nationalrates. Dieser beschloss diesen Einsatz aufgrund der Gesetzesinitiative der Bundesregierung (Beschluss des Ministerrates Nr. 12/27 vom 13. September 2016) am 27. September 2016 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ, NEOS und dem Team Stronach. Die Vertreter der Grünen im Hauptausschuss stimmten dagegen. Sie lehnen den Einsatz, bei dem ungarische Kräfte bei logistischen und baulichen Aufgaben entlastet werden, um stattdessen die EU-Außengrenze zu überwachen, ab. Der Hauptausschuss legte für den Einsatz den Personalrahmen von bis zu 85 Personen sowie die Dauer des Einsatzes für vorerst ein halbes Jahr fest, der mittlerweile bis Ende 2017 verlängert wurde.
„Der Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union ist eine zentrale Aufgabe der europäischen Sicherheitspolitik und absolut prioritär“, ist Bundesminister Hans Peter Doskozil überzeugt. Der Schutz der EU-Außengrenze wird auch von EU-Behörden und Regierungen von EU-Mitgliedstaaten als zukünftige EU-Aufgabe innerhalb der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik angesehen. Aktuell liegt es jedoch in der Verantwortung jedes einzelnen EU-Mitgliedstaates, seinen Teil der EU-Außengrenze zu sichern. Das österreichische Engagement ist einerseits ein Beitrag zur internationalen Solidarität, andererseits „von größtem Interesse für Österreich“, sagt Doskozil, denn „die Westbalkanroute ist nicht zur Gänze geschlossen, der Flüchtlingsstrom ist lediglich geringer geworden“.
Einsatz mit Mehrwert
Der Einsatz in Ungarn hat neben dem Aspekt der Unterstützung eines Nachbar- und EU-Staates einen wesentlichen Mehrwert für das Bundesheer: Die Pioniere können den Bau einer Straße in einem Umfang „trainieren“, wie es in Österreich nicht möglich wäre. Für die fertiggestellte Straße in Kelebia mit einer Länge von 1.750 m wurden beispielsweise 4.000 m³ Humus abgetragen und 5.000 m³ Schotter verarbeitet. Somit hat der Einsatz das Leistungsvermögen der österreichischen Pioniere bewiesen und gesteigert. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit den ungarischen Behörden ein Zeichen der zwischenstaatlichen Solidarität, die eine Vertiefung der grundsätzlich guten Beziehungen zu Ungarn bewirkt.
AUTCON HUN
Zurzeit (Stand: Mai 2017) besteht das österreichische Kontingent aus etwa 50 Soldaten. Das Kontingentskommando und die Versorgungsteile in der Stärke von etwa 15 Personen befinden sich in Hódmezövásárhely bei Szeged in einer ungarischen Kaserne. Das restliche Kontingent - der Pionierzug, die Transportgruppe inklusive eines personellen Versorgungsanteiles - befindet sich unter der Woche in Báscalmás, das etwa 100 km westlich von Hódmezövásárhely in der Nähe der Baustelle liegt. Am Wochenende verlegen diese Teile in die ungarische Kaserne; dann ist das gesamte Kontingent geschlossen an einem Ort.
Der ungarische Grenzeinsatz
Der Einsatz der ungarischen Armee verläuft im Prinzip so wie der aktuelle Sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsatz des ÖBH an der österreichischen Südgrenze bzw. wie jener von 1990 bis 2007 (von 2007 bis 2011 weitergeführt als „Sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz nach Schengenerweiterung“ mit anderem Aufgabenbereich). Die Stärke der ungarischen Kräfte im Einsatz beträgt etwa 2 000 Soldaten, die dazu einer eigens eingerichteten Task Force unterstellt sind.
Untergebracht sind die ungarischen Soldaten in grenznahen Gefechtsständen oder Kasernen, von denen aus sie ihre Aufgaben erfüllen. In Bezug auf die Grenzraumüberwachung ist das der Einsatz von Beobachtungselementen und beweglichen Eingreifkräften in der Tiefe, die illegale Grenzgänger anhalten, nachdem sie die Grenze überschritten haben. Das kommt trotz des Grenzzaunes zu Serbien noch immer vor.
Um die Eingreifkräfte rasch zwischen ihren Gefechtsständen und der Grenze bewegen zu können, sind Verbindungsstraßen notwendig, die auch bei schlechten Witterungsbedingungen befahren werden können. Diese werden bei dem aktuellen Einsatz von Pionieren des österreichischen Kontingentes errichtet.
Der Einsatz an der EU-Außengrenze ist für die ungarische Armee eine in vielerlei Hinsicht fordernde Aufgabe. Neben der Beobachtung ihrer Aktivitäten durch Medien und Menschenrechtsgruppen, welche die ungarische Grenzpolitik teilweise heftig kritisieren, stellt die Personalplanung die größte Herausforderung dar.
Das Personalfehl in den ungarischen Streitkräften, in denen es seit zwölf Jahren keinen verpflichteten Grundwehrdienst mehr gibt, beträgt etwa 5 000 Personen. Demnach wird so gut wie jeder Soldat an der Grenze benötigt. Das bedeutet, dass zwangsläufig Abstriche in der Ausbildung erfolgen. Das kann zu einem schleichenden Verlust der Kernkompetenz, der militärischen Landesverteidigung, führen, erhöht jedoch die ungarischen Kompetenzen im Bereich der Sicherheitspolizeilichen Assistenzaufgaben, vor allem im Grenzschutz. Dieser Aspekt gilt für alle Armeen und ist auch für das Gesamtkonzept der staatlichen Sicherheit zu berücksichtigen.
Einsatzerfordernisse
Einsätze des ÖBH, egal in welcher Größenordnung, erfordern bürokratische Abläufe, die in der Eigenart eines militärischen Einsatzes und den dazu verfassten Gesetzen begründet sind. Neben dem eingangs erwähnten parlamentarischen Prozess im Hauptausschuss des Nationalrates, der darüber entscheidet, ob österreichische Kräfte an einem Einsatz teilnehmen, sind auch andere Vorschriften wesentlich. Beispielsweise sind ein „Memorandum of Understanding“ mit grundsätzlichen Regelungen auf staatlicher Ebene auf Basis des SOFA (Status of Forces Agreement - Abkommen bezüglich dem Status von Truppen; Anm.) zu vereinbaren, in denen die Eckpunkte des Einsatzes, die Kompetenzen etc. festgelegt werden. Bei diesem Einsatz sind dies das ungarisch-österreichische Memorandum of Understanding for Common Assistance to support border policing vom 3. November 2016 und das NATO & PfP SOFA vom 19. Juni 1951 (BGBl Nr. 135/136/1998).
Darüber hinaus sind besondere militärische Bestimmungen einzuhalten, die die Versorgung des Kontingentes oder die Sicherung bzw. Bewachung regeln. Selbst bei einem Einsatz ohne tatsächliche Bedrohung haben die österreichischen Soldaten deshalb Waffen und die dazugehörige Munition vor Ort. Das beschränkt sich beim AUTCON HUN auf Pistolen, die versperrt gelagert werden. Sturmgewehre sind nicht im Einsatzraum, da die Bewachung der Camps bzw. der Kaserne, in denen Teile des Kontingentes untergebracht sind, von ungarischen Soldaten übernommen wird. Die Bestimmungen bedingen sowohl im Einsatzraum als auch in Österreich einen relativ großen Bedarf an Verwaltungs- und Versorgungselementen.
Gespräch mit Oberst Johannes Humer, Kommandant AUTCON HUN 2
RedTD: Der Auftrag von AUTCON HUN lautet: Verbesserung der Infrastruktur und Durchführung von Versorgungs- und Transportaufgaben. Geht sich das mit 50 Soldaten aus?
JH: Das kommt darauf an, wie umfangreich die Aufgaben sind. Im Grunde legen wir das Tempo und den Umfang der Arbeiten selbst fest. Wir bieten den Ungarn an, was wir können. Wenn wir sagen, dass wir vier Transporte am Tag sicherstellen, dann rechnen sie mit vier Transporten. Wir haben natürlich Zeitvorgaben und Pläne, die wir mit dem ungarischen Pionieroffizier, der für uns zuständig ist, regelmäßig abstimmen.
RedTD: Von wem bekommen Sie Ihre Aufträge?
JH: Wir haben die Aufträge von unseren Vorgängern übernommen. Die konkrete Auftragserfüllung hat sich während des ersten Kontingentes spezialisiert. Anfangs wurden auch Kranarbeiten durchgeführt, vor allem während des Baues der Unterkünfte für die ungarischen Soldaten. Später hat man sich auf Essenstransporte konzentriert. Die Ungarn wissen, dass das funktioniert und sie sich auf uns verlassen können. Beim Straßenbau haben wir wegen der bestehenden Planungen ebenfalls die Aufgaben der Vorgänger übernommen. Die konkrete Baustelle war bereits eingerichtet, mit dem eigentlichen Bau haben dann wir begonnen. Zu Beginn des Einsatzes haben wir uns mit den ungarischen Kameraden zusammengesetzt und festgelegt, wann welche Schritte für den Straßenbau gemacht werden und welche Aufträge umzusetzen sind.
RedTD: Gibt es Einschränkungen für das österreichische Kontingent?
JH: Die Einschränkung von österreichischer Seite ist, dass wir keine Aktivitäten im Zusammenhang mit dem „Grenzzaun“ oder den Grenzkontrollen durchführen. Das haben die Ungarn zur Kenntnis genommen. Wir machen unsere Hauptbewegungen etwa fünf Kilometer hinter der Grenze und kommen nur zur Erfüllung unserer Aufträge näher an diese heran. Die Ungarn geben uns immer wieder Hinweise, dass sie auch nicht daran interessiert sind, dass wir uns direkt an der Grenze aufhalten. Sie sind sich der angespannten politischen Situation bewusst und halten uns heraus.
RedTD: Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Ungarn aus?
JH: Die Zusammenarbeit beschränkt sich auf tägliche Absprachen, die auf dem kleinen Dienstweg erfolgen. Die Kooperation läuft in einer freundschaftlichen Atmosphäre nach dem Prinzip: „Wenn ihr die Anfrage erfüllen könnt, sind wir glücklich - wenn nicht, auch kein Problem“. Wir bieten an, was wir können. Das wird dankend angenommen. Die engste Kooperation haben wir mit unseren Verbindungsoffizieren. Das sind junge Offiziere oder erfahrene Unteroffiziere. Alle Anliegen, die ich in der Kaserne oder auf der Baustelle habe, spreche ich mit dem jeweils zuständigen Verbindungsoffizier ab, der diese dann für mich klärt. Er ist der Ansprechpartner, wenn ich beispielsweise Schotter oder Treibstoff brauche, wir unsere Maschinen waschen wollen oder eine Auskunft brauchen, weil die Trassenführung unklar ist. Die Ungarn sind sehr bemüht, dass wir uns wohl fühlen und unserer Arbeit nachkommen können. Der ungarische Brigadekommandant vor Ort hat mir klar zu verstehen gegeben, dass er froh ist, dass die Österreicher da sind. Für ihn ist unsere Anwesenheit ein sichtbares Zeichen gelebter Solidarität.
RedTD: Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem Nachfolger mitgeben?
JH: Wenn man den Soldaten Spielraum lässt und klare Vorgaben und Eckdaten gibt, sind sie motiviert. Dann arbeiten sie fleißig und im Sinne des Auftrages. Sonst möchte ich keine Ratschläge geben, da jeder Kommandant auf die Situation vor Ort reagieren muss. Diese sind jedoch aufgrund der Aufträge und des Personals jedes Mal andere.
AUTCON HUN - Aufgaben im Einsatz
Bundesminister Mag. Hans Peter Doskozil zum Einsatz in Ungarn
Oberrat Major Mag.(FH) Michael Barthou, MA ist Leiter der Redaktion Online-Medien beim TRUPPENDIENST. Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.