- Veröffentlichungsdatum : 28.01.2021
- – Letztes Update : 29.01.2021
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Basis der Einsatzbereitschaft
Berufssoldaten des Österreichischen Bundesheeres stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Sie werden umgangssprachlich oft als „Beamte“ bezeichnet und fälschlicherweise mit Bediensteten anderer Ressorts verglichen. Der Beruf des Soldaten unterscheidet sich jedoch wesentlich von anderen Arbeitsbereichen im Öffentlichen Dienst. Ein Blick auf die militärspezifischen Aufgaben wie Marschieren mit Gepäck, Transport und Handhabung von Waffen und Gerät, Überwinden von Hindernissen, Kampf im urbanen oder gebirgigen Umfeld, Einsatz bei großer Hitze oder extremer Kälte, Lagerbau und Schanzarbeiten, Unterbringung in Not- und Behelfsunterkünften oder sogar im Freien, Schlafentzug etc. macht das deutlich. Diese Tätigkeiten stellen Soldaten vor erhebliche physische und psychische Belastungen. Deshalb müssen sie, gerade für den Einsatz, für den sie vorbereitet werden, bestmöglich trainiert sein. Da Soldaten im Einsatz Extrembelastungen und Gefahren ausgesetzt sind, wird ihre Ausrüstung laufend verbessert. Mehr Schutz und mehr Ausrüstung bedeuten aber auch mehr Gewicht und folglich eine höhere körperliche Belastung. Denn mit einem erhöhten ballistischen Schutz oder verbesserten Kommunikations-, Informations- und Waffensystemen muss der Soldat nicht nur komplexe Systeme bedienen und beherrschen, sondern auch mehr Gewicht tragen. Das gilt vor allem für Kommandanten, die auf dem Gefechtsfeld auch noch Entscheidungen treffen müssen.
Da der technische Fortschritt am modernen Gefechtsfeld unaufhaltsam ist, wird auch das Leistungspotenzial des Anwenders ein immer entscheidenderer Faktor. Das zeigt ein Beispiel aus dem Schisport. Auch dort wird das Material, speziell die Schier im Breitensport, ständig leistungsfähiger. Das stellt den „User“ vor physische und mit Fortdauer der Belastung auch vor psychische Herausforderungen. Untrainierte ermüden rasch und können die Kapazitäten des Materials nicht oder zumindest nicht lange im vollen Umfang nutzen und haben zusätzlich ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Die neuen Schier mögen besser aussehen als die alten und zum Schifahren motivieren; streng betrachtet ist es jedoch eine Verschwendung von Ressourcen, über ein Material zu verfügen, das man nicht bedienen kann. Moderne Technik und leistungsfähiges Gerät müssen aber nicht nur im Breitensport, sondern auch beim Militär beherrscht werden, um ihre Wirkung zu entfalten. Das stellt die Streitkräfte bereits bei der Personalauswahl vor Herausforderungen, da die Fitness der Stellungspflichtigen von Jahr zu Jahr schlechter wird. Das bedeutet, dass es im Bereich der Fitness eine erhebliche Lücke zwischen dem Soll und Ist gibt, die sich aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit während des Grundwehrdienstes kaum ausgleichen lässt.
Aus diesem Grund wurden die sportlichen Limits für die Kadereignung angepasst und herabgesetzt. Dadurch soll jenen Kaderanwärtern, die noch nicht über die nötige Leistungsfähigkeit verfügen, der Beginn einer Ausbildung ermöglicht werden, für die sie noch nicht geeignet sind. Diese viel diskutierte Maßnahme basiert auf der Überlegung, dass das Bundesheer eine Einsatzorganisation ist, bei der die Körperausbildung nicht nur in der Dienstvorschrift „Körperausbildung Teil 1–4“ geregelt ist, sondern auch mit Priorität betrieben, geleitet und kontrolliert wird. Dies dürfte aber nicht immer und überall der Fall sein, wie die Ergebnisse der Leistungsprüfung Allgemeine Kondition (vor- und während eines Ausbildungsabschnittes/Laufbahnkurses) belegen. Die körperliche Leistungsfähigkeit ist die Basis der Einsatzbereitschaft jedes Soldaten und letztendlich der gesamten Streitkräfte. Aus diesem Grund muss die Körperausbildung im Grundwehrdienst, in der Kaderanwärterausbildung, aber auch bei der Kaderaus-, fort- und -weiterbildung ein ständiger Begleiter des Soldaten und ein Schwergewicht der Ausbildung sein. Denn nur durch regelmäßiges Training kann jene Fitness erhalten oder verbessert werden, die die Anwendung militärischer Fähigkeiten und Fertigkeiten erst ermöglicht.
Berufssoldaten müssen hart an sich arbeiten, um ihrer Verantwortung als Kommandant, Ausbilder und Spezialist gerecht zu werden. Sie müssen über Leistungsreserven verfügen, um im Einsatz Führungsaufgaben wahrzunehmen. Nur so können sie richtige Entscheidungen treffen und die Verantwortung für Leib und Leben ihrer Untergebenen übernehmen. Um die persönliche Einsatzfähigkeit zu erhalten, stellt der Dienstgeber jedem Berufssoldaten eine wöchentliche Netto-Trainingszeit von mindestens drei Stunden zur Verfügung. Das ist zwar zu wenig, um die Fitness zu steigern, reicht aber aus, um sie zu erhalten. Damit ist sie der Schlüssel jener Leistungsfähigkeit, die es Berufssoldaten ermöglicht, nicht nur fit, einsatzfähig und kampfkräftig, sondern auch gesund zu bleiben.
Vizeleutnant Othmar Wohlkönig, Kommandounteroffizier der Streitkräfte