Blackout in Slowenien - Erster Teil
Im Februar 2014 suchten Eisregen und Überschwemmungen mit katastrophalen Ausmaßen große Teile Sloweniens heim. Eine dicke Eisschicht und Überflutungen aus dem Karstgebiet verursachten in der Region Notranjska schlimmste Verwüstungen, wo viele Haushalte über eine Woche ohne Elektrizität auskommen mussten.
Durch die Eislast waren viele Bäume abgebrochen und lagen auf den Verkehrsverbindungen. Dadurch waren weite Bereiche auf den Straßen nicht erreichbar und von der Umwelt abgeschnitten. An der Beseitigung der Folgen der Naturkatastrophe beteiligten sich neben den Rettungsdiensten vor allem freiwillige Feuerwehren, Zivilschutz- und Polizeieinheiten sowie Mannschaften der Energieversorger. Die Slowenischen Streitkräfte waren mit leistungsstarken Aggregaten, Lastkraftwägen und Bulldozern in den am stärksten betroffenen Gebieten mit rund 6 000 Soldaten im Einsatz, um umgestürzte Bäume und sonstige Behinderungen zu beseitigen, die durch die Last des gewaltigen Eispanzers entstanden waren. Pivka war eine der stärker betroffenen slowenischen Gemeinden.
Zusammengebrochene Bäume, gekappte Stromleitungen
Auf der ungefähr einstündigen Fahrt von Ljubljana (Laibach) nach Pivka konnte man die enormen Schäden sehen, die dieses Naturereignis angerichtet hat. Überall sah man noch nie gesehene Eisgebilde, die oft einen märchenhaften Eindruck vermittelten. Unzählige Baumkronen waren abgebrochen, nur die geneigten Fichten widersetzten sich erfolgreich der Last der allmächtigen Eisdecke. Wohin man schaute sah man geknickte Eisenkonstruktionen oder wie Dominosteine umgefallene Strommasten und frei auf dem Boden liegende Stromleitungen.
Beim Verlassen der Fahrzeuge in Pivka konnte man sich wegen des gefährlichen Eises auf den Gehsteigen nur mühsam zu den Einsatzkräften der Slowenischen Streitkräfte weiterbewegen, die mit einem Bulldozer einen militärischen Lastkraftwagen mit Ästen und abgebrochenen Baumteilen beluden. Überall hörte man das unheimliche Krachen des Eises, das Bäume und Sträucher umhüllte. In der Hoffnung, dass lediglich das Eis kracht und nicht unerwartet eine Baumkrone abbricht, konnte man schließlich in Begleitung von Oberleutnant Primož Savinšek vom 10. Infanterieregiment aus Ljubljana zu den Soldaten gelangen, die vor der Volksschule von Pivka jene Bäume zersägt hatten, die die Wege zum Schultor blockierten oder das Leben der Schüler gefährdeten. Zum Glück aber war der Unterricht an diesem Tag in vielen Schulen dieser Region wegen der gefährlichen Verhältnisse entfallen.
Oberleutnant Savinšek, der Kommandant der örtlichen Einsatzkräfte erklärte die Arbeitsorganisation der eingesetzten Soldaten und stellte dazu fest, dass alle fleißig und motiviert sind, und ihre Hilfe von der lokalen Bevölkerung sehr geschätzt und gelobt wird. Die Soldaten arbeiteten in Arbeitsgruppen zu je sechs Mann, wobei in jeder Gruppe ein Mann für die Arbeit mit der Motorsäge eingeteilt war. Der Rest der Gruppe transportierte die Äste zu einem Platz, von wo sie mit Lastkraftwägen zu einer vorübergehenden Sammelstelle bei Pivka gebracht wurden. Die Soldaten der Slowenischen Streitkräfte stellten auch die Versorgung mit notwendigem Material und die wichtigsten Lebensmittel für die Menschen in den am schwersten betroffenen Gebieten sicher.
Die wichtigen Fernsehstationen auf den naheliegenden Erhebungen der Slivnica und des Javornik wurden durch Militärhubschrauber versorgt. Entlang der Hauptstraße von Pivka waren zahlreiche Fahrzeuge der Feuerwehr zu sehen, auf denen auch Angehörige der Slowenischen Streitkräfte mit Holzstangen die Eisschicht von den Strom- und Telefonleitungen entfernten, um weitere Schäden an den Kabeln zu verhindern. Viele Kaufhäuser waren geschlossen, denn es gab keinen Strom.
Die Sicherheit der Hilfskräfte
Die Mitwirkung der Slowenischen Streitkräfte im Rahmen des Schutz- und Rettungswesens verläuft gemäß den nationalen Plänen zum Schutz- und Rettungswesen. Die konkreten Aufgaben der Slowenischen Streitkräfte dafür sind je nach Art der Naturkatastrophe im Plan „Vihra“ (Wirbelwind; Anm.) festgelegt. „Gemäß den Genfer Konventionen und dem Gesetz über den Schutz vor Natur- und anderen Katastrophen sowie anderen normativen Vorschriften werden die Streitkräfte in solchen Fällen als letzte Möglichkeit eingesetzt, wenn keine anderen Kräfte mehr verfügbar sind“, erklärte dazu der Kommandant des Zivilschutzes der Republik Slowenien, Srecko Šestan. Er fügte noch hinzu, dass die Erfahrungen aus Hilfsaktionen der letzten Jahre in Slowenien zeigen, dass der Einsatz der Streitkräfte trotz gesetzlicher Bestimmungen und entgegen zuvor genanntem Grundsatz nicht mehr die letzte Möglichkeit darstellt.
Die Slowenischen Streitkräfte verfügen über entsprechende Mittel und Ausrüstung ebenso wie über große physische Kapazitäten. Die Arbeit des Soldaten unter der Woche ist für den Staat kostengünstiger als jene des Angehörigen einer Freiwilligen Feuerwehr. Der Soldat ist ein bezahlter öffentlich Bediensteter, der sein Gehalt ungeachtet dessen bekommt, ob er seinen Dienst im Büro oder im Gelände verrichtet. Dem freiwilligen Feuerwehrmann muss unter der Woche das persönliche Einkommen aus öffentlichen Mitteln refundiert werden, was für den Staat im Katastrophenfall zusätzliche Kosten verursacht. Bei jedem Einsatz ist die größtmögliche Sicherheit der Hilfskräfte, auch die der Soldaten, am wichtigsten. „Wenn der Soldat oder der Feuerwehrmann für die Arbeit z. B. mit der Motorsäge nicht ausreichend ausgebildet und geschützt ist, wird der Hilfseinsatz noch gefährlicher“, erklärte der Kommandant des Zivilschutzes von Slowenien.
In diesem Katastropheneinsatz wurden 21 freiwillige Feuerwehrmänner auch durch die Arbeit mit der Motorsäge verletzt. Unter den Verletzten befanden sich aber auch vier slowenische Soldaten. Eine Person starb aufgrund eines Stromschlages bei Reparaturarbeiten an einer Stromleitung. „Deshalb ist es unumgänglich, dass die Hilfskräfte nur jene Arbeiten verrichten, für die sie entsprechend ausgebildet und ausgerüstet sind“, sagte Šestan. Auch bei dieser Naturkatastrophe traten organisatorische Schwierigkeiten auf, da einige Gemeinden die zusätzliche Hilfe nicht rechtzeitig angefordert haben. „Nach unserer Rechtsordnung und der Gesetzgebung der meisten europäischen Staaten ist die Gemeinde als erste Instanz für den Schutz vor Natur- und anderen Katastrophen verantwortlich. Wenn die Gemeinde glaubt, mit ihren eigenen Strukturen und Möglichkeiten die Naturkatastrophe nicht bewältigen zu können, kann sie Hilfe auf Bundesebene anfordern“, fügte Šestan hinzu.
Aufgrund dieser Anforderung werden Hilfskräfte oder Einheiten der Slowenischen Streitkräfte aktiviert, die entsprechend ihrer Ausbildung und Ausrüstung die geplanten Einsätze qualitativ hochwertig und effizient erfüllen können. Die Slowenischen Streitkräfte werden bei Naturkatastrophen jedoch nicht herangezogen, wenn es sich um einen Unglücksfall geringeren Ausmaßes handelt, der lediglich einige Gemeinden oder eine Region betrifft und ein weiterer Bedarf am Einsatz spezieller Mittel und Kenntnisse, über die nur die Streitkräfte verfügen, nicht gegeben ist. Der Eisbruch hat wegen der niedrigen Beurteilung der Bedrohungsstufe, die für diese Unglücksart in Slowenien galt, viele Gemeinden überrascht, vor allem aber auch durch den Umstand, dass er nahezu im gesamten Staatsgebiet aufgetreten und nicht wie nach bisherigen Beurteilungen auf die ansonsten betroffenen Landesteile am Übergang der Regionen Primorska und Notranjska beschränkt geblieben ist.
Verkehrsbehinderungen und Waldschäden
Das Schnee- und Eis-Chaos hat in Pivka wegen vereister Straßen und Eisenbahnschienen zu zahlreichen Problemen im Straßen- und Schienenverkehr sowie zu Beschädigungen an Strom- und Telekommunikationsleitungen geführt. Aufgrund von Verletzungen durch Stürze auf dem Glatteis waren auch die Rettungsdienste und Ärzte im Dauereinsatz. Enormen Schaden hat das Eis-Chaos in den Wäldern verursacht, wo die umgefallenen Bäume kreuz und quer herumlagen. Ein Slowene aus der Umgebung von Pivka erzählte, dass unter der Last der Eisschicht in seinem Obstgarten viele Bäume zusammengebrochen sind. Er betonte, dass sich nicht einmal die ältesten Bewohner dieser Region an so ein Eis-Chaos erinnern können. „Ein weiteres Problem stellt auch der Stromausfall dar, weshalb wir unsere Wohnungen nicht beheizen können und nicht einmal warmes Wasser haben. Unsere Häuser sind finster. Teilweise behelfen wir uns mit Stromaggregaten, wovon es jedoch zu wenige gibt, um zumindest das Auftauen der Tiefkühltruhen zu verhindern, wo wir unsere gefrorenen Fleischvorräte aufbewahren“, fügte er hinzu.
Am Bahnhof von Pivka sah man umgestürzte Stromleitungen, gerissene und in Eis gehüllte Fahrleitungen sowie Eisenbahnschienen unter einer dicken Eisdecke. Ein Zugsverkehr war unmöglich. Die Eisenbahnstrecke von Ljubliana nach Sežana, vor allem im Abschnitt zwischen Borovnica und Pivka, hatte aufgrund der starken Eisdecke die größten Schwierigkeiten. Es gab Behinderungen beim Gütertransport aus dem Hafen von Koper. Dort wo der Eisenbahnverkehr noch möglich war, kam es zu großen Verspätungen.
Blackout
Im Gemeindeamt von Pivka war der Krisenstab der Gemeinde eingerichtet. Der Bürgermeister der Gemeinde Pivka erklärte, dass die Stromausfälle das größte Problem im gesamten Gemeindegebiet darstellen. Einige Ortschaften müssen bereits mehrere Tage ohne Elektrizität auskommen. Ein großes Hindernis stellten auch die umgefallenen Bäume dar, durch die einige Ortschaften in der Umgebung von Pivka völlig von der Umwelt abgeschnitten waren. Der Bürgermeister erwähnte, dass die freiwilligen Feuerwehreinheiten die umgefallenen Bäume und das Geäst laufend entfernten und so die blockierten Wege und Straßen wieder frei machen.
Da es sich aber um eine sehr große Anzahl von Bäumen handelt, drückte er seine große Zufriedenheit darüber aus, dass sich auch die Slowenischen Streitkräfte sehr bald an den Aufräumarbeiten beteiligt haben, um die Straßen befahrbar und öffentliche Flächen und Gehsteige rund um Einrichtungen wie Krankenanstalten, Schulen, Postämter, Kindergärten usw. begehbar zu machen. „Gäbe es keine Soldaten, müssten die Gemeindearbeiter von Pivka und die freiwilligen Feuerwehreinheiten dafür noch mehr Zeit und Energie aufwenden“, fügte Bürgermeister Smrdelj noch hinzu. Dabei würdigte er auch das Durchhaltevermögen der Bevölkerung, die längere Zeit ohne Elektrizität verbracht hat, wie auch ihre Bereitschaft, die Folgen dieser Naturkatastrophe mit großer Eigeninitiative zu beseitigen.
172 Stromaggregate aus dem Ausland
Die Bewohner von Pivka und der umliegenden Ortschaften erhielten aufgrund der von der Eisschicht und dem hohen Schnee ausgehenden Gefahr umgehend Hilfe von den diensthabenden Feuerwehreinheiten, den Journaldiensten bei den Strom- und Wasserversorgern sowie den Straßenräumdiensten und der Polizei. Hinsichtlich des Bedarfes an Material und Gerät sowie der Ausdehnung des betroffenen Gebietes haben sich auch Einheiten des Zivilschutzes der Hilfeleistung angeschlossen. Aufgrund von Störungen in der Stromversorgung in einigen Ortschaften des Gemeindegebietes von Pivka wurden bereits am zweiten Tag die Slowenischen Streitkräfte mit Soldaten des 670. Logistikbataillons aus Slovenska Bistrica eingesetzt, die in Zusammenarbeit mit Einheiten des Zivilschutzes mit fünf Dieselaggregaten die Stromversorgung der Wasserpumpen in der Umgebung von Pivka sichergestellt haben.
Ohne diese rasche Maßnahme wäre die Gemeinde Pivka auch weiterhin ohne Trinkwasser geblieben. Aufgrund von umfangreichen Beschädigungen im Stromnetz, umgestürzten Fernleitungen und Ausfällen in der Stromversorgung hat Slowenien um internationale Hilfe zur Bereitstellung von leistungsstarken Stromaggregaten angesucht. Über den Zivilschutz der Europäischen Union und durch die bilaterale Zusammenarbeit konnte Slowenien sehr schnell 172 Aggregate aufbringen, davon 83 leistungsstarke Aggregate und 89 mit geringerer Leistung, die mit Unterstützung der Stromversorgungsunternehmen an die Trafostationen angeschlossen wurden. Die Aggregat-Leihen stammten aus Österreich, Tschechien, Kroatien, Italien, Ungarn, Deutschland, Polen, Rumänien und der Slowakei. Die Vereinigten Staaten von Amerika stellten Slowenien zehn Aggregate zur Verfügung.
Der Grund für diese Hilfeleistung liegt in der guten Zusammenarbeit zwischen den Slowenischen Streitkräften und der amerikanischen 173. Luftlandebrigade, deren Angehörige bereits mehrmals mit slowenischen Soldaten auf dem größten Truppenübungsplatz der Slowenischen Streitkräfte in Postojna geübt haben. Die ausländischen Hilfskräfte, vor allem das technische Personal, das sich um den Betrieb der leistungsstärkeren Aggregate kümmerte, waren im Zentrum für Schutz- und Rettungswesen in Logatec untergebracht, von wo aus sie sich je nach Bedarf zu den Einsatzorten in ganz Slowenien begaben. In Logatec waren auch 130 Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr aus Österreich stationiert, die sich um den Betrieb von 27 österreichischen Aggregaten kümmerten.
Mitte Februar sind die ausländischen Hilfskräfte mit den leistungsstärkeren Aggregaten nach und nach in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Die letzten Hilfskräfte haben Slowenien Ende Februar verlassen.
Überschwemmte Karstfelder
Auf der Rückfahrt nach Ljubljana wurde auf dem Weg von Pivka in Richtung Knežak die Ortschaft Bac versucht, zu erreichen. Wassermassen auf der Fahrbahn zwangen aber sehr rasch zum Anhalten. Die Feuerwehr war mit Wasserpumpen und Sandsäcken bereits im Einsatz, um Wasser aus den überfluteten Kellern und Wohnhäusern zu pumpen. Das Wasser, das sich wie ein reißender Fluss seinen Weg zwischen den Häusern bahnte und aus den Kanalschächten sprudelte, ergoss sich aufgrund der großen Niederschläge und der Schnee- und Eisschmelze aus den Hängen über der Ortschaft aus dem Karstgebiet und überschwemmte die tiefer liegenden Regionen.
Es krachte ständig wie an einer Kriegsfront, das Eis fiel von den Bäumen und vereiste Äste brachen, die von einer mehr als fünf Zentimeter dicken Eisschicht umgeben waren. Auch nach der Erwärmung war für die Menschen, die Gebäude sowie für die Verkehrs- und Elektrizitäts-Infrastruktur die große Gefahr durch fallende Äste und umstürzende Bäume noch nicht gebannt. Das geschmolzene Eis und neue Niederschläge führten zu einer Wassersättigung des Karstbodens, weshalb einige Karstfelder in der Umgebung von Pivka und Postojna überschwemmt wurden. Neben dem See Cerkniško jezero und dem Laibacher Moor Ljubljansko barje wurde das Karstbecken Planinsko polje vom Unwetter am schlimmsten heimgesucht. Hier fließt das Wasser, das durch den See Cerkniško jezero zusätzlich gespeist wird, durch unterirdische Kanäle von den Karstbecken Babno Polje, Loško Polje in Bloško Polje zusammen, ebenso wie das Wasser aus dem Pivka-Tal. Der Wasserspiegel am Planinsko Polje stieg dramatisch an und zeigte die zerstörerische Kraft der Wassermassen. Die Jahrhundertüberschwemmung im Raum Planinsko Polje traf die Bewohner der Ortschaften Laze und Planina am stärksten, wo das Hochwasser Straßen überschwemmte sowie Keller- und Wohnräume aber auch Wirtschaftsgebäude und Bauernhöfe überflutet hat, und viele Familien ihre Häuser verlassen mussten.
Resümee
Nur durch den Einsatz und der sofortigen Hilfe der Freiwilligen Feuerwehren und Einheiten der Slowenischen Streitkräfte sowie durch die Unterstützung der hilfeleistenden Staaten mit Stromaggregaten, konnte diese Naturkatastrophe bewältigt werden. Es zeigte wiederum sehr dramatisch, wie rasch eine Infrastruktur ohne Stromversorgung zusammenbrechen kann und nur durch überregionale bzw. internationale Zusammenarbeit das Schlimmste von der Bevölkerung abgewendet werden kann.
Marko Pislar ist Redakteur für Slovenka vojska. Artikel aus dem TD-Heft 4/2014.