• Veröffentlichungsdatum : 07.12.2019
  • – Letztes Update : 06.12.2019

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BvS10 AUT Hägglunds

Klaus Zweiker

Bandvagn Skyddad 10 Austria, Hägglunds (BvS10 AUT), so lautet die vollständige Bezeichnung des landläufig als "Hägglunds" bekannten Fahrzeuges. Es wird derzeit bei der 6. Gebirgsbrigade des Österreichischen Bundesheeres eingeführt.

Der schwedische Name leitet sich vom Raupenantrieb (Bandvagn) und dem Panzerschutz (Skyddad) ab. 32 Stück BvS10 werden exklusiv in der Gebirgstruppe für eine wesentliche Erhöhung der geschützten Beweglichkeit sorgen. Der BvS10 AUT ist eine Weiterentwicklung des in der schwedischen Armee eingeführten Bv410. Das Vorgängermodell Vv410 steht in verschiedenen Varianten in Armeen von 38 Staaten weltweit wie Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden im Einsatz. Dieses Fahrzeugsystem besticht vor allem durch seine Geländegängigkeit. Diese wird durch ein Antriebssystem von zwei mittels eines Knickgelenkes verbundenen Fahrzeugteilen erreicht. Die vier breiten Raupen werden dabei permanent gleichzeitig angetrieben und erzeugen selbst bei der schweren gepanzerten Version des Bundesheeres einen geringeren Bodendruck als ein einzelner Kampfsoldat mit Gefechtsausrüstung. Das Universalgeländefahrzeug BvS10 AUT ist ein Gefechtsfahrzeug mit einer Vielfalt von Einsatzmöglichkeiten im gesamten Spektrum der Aufträge für einen Kampf- oder Unterstützungsverband.

Leistungsparameter

Der BvS10 AUT verfügt über einen 6-Zylinder-Dieselmotor mit 281 PS (206 KW) und ein automatisches Getriebe. Als Besatzung sind im vorderen Fahrzeugteil drei Soldaten (Kraftfahrer, Kommandant, Richtschütze) und im hinteren Wagenteil sechs Soldaten transportierbar. Die Kapazität im hinteren Wagenteil kann bei Bedarf nach Umbau auf bis zu acht Personen erweitert werden, womit die Maximalanzahl der Besatzung elf Personen beträgt. Das Fahrzeug ist schwimmfähig und kann im Leerzustand (bis 14 t) sogar ohne zusätzliche Schwimmkörper mit bis zu 5 km/h schwimmen. Für das Schwimmen mit höherem Gewicht müssen zusätzliche Schwimmkörper angebracht werden. Für operative und strategische Verlegungen kann der BvS10 AUT in die C-130 „Hercules“ verladen werden. Für den Transport mit schweren Transporthubschraubern kann das Fahrzeug in zwei Teillasten getrennt werden. Für die Selbstbergung und gegenseitige Unterstützung bei der Bergung ist eine wahlweise vorne oder hinten montierbare Seilwinde mit einer Zugkraft von 53 kN und einem 30 m­ langen Stahlseil vorhanden. Einige Fahrzeuge werden mit einem Schneeräumschild ausgestattet, das zur Spuranlage und Wegeerrichtung auch in geneigtem Gelände geeignet ist.

Schutz

Das Fahrzeug ist gepanzert und mit einem erweiterten Minenschutz ausgestattet. Die Panzerung schützt die Besatzung bei Beschuss von bis zu 7,62-mm-Munition sowie gegen Granatsplitter. Eine ABC-Schutzanlage erlaubt das Bewegen in kontaminiertem Gelände. Eine Explosionsunterdrückungsanlage schützt vor Brand im Fahrzeuginnenraum. Zur Außenbeobachtung und Sicherung während der Ruhe ist ein 360°-Kamerasystem eingebaut, mit dem die Besatzung die gesamte Fahrzeugumgebung aus dem sicheren Innenraum beobachten kann. Bei Bedrohung kann die Bordwaffe automatisiert in das Ziel gerichtet werden.

Bewaffnung

Der BvS10 AUT ist mit einer ferngesteuerten, stabilisierten Waffenstation mit einem 12,7-mm-überschweren-Maschinengewehr (üsMG) und mit einer 76-mm-Mehrfachwurfanlage ausgestattet. Der Laserentfernungsmesser der Waffenstation ermöglicht genaue Entfernungsmessung von bis zu 4 000 m. Außer dem 12,7-mm-üsMG können auch das 7,62-mm-MG74 oder das 40-mm-Granatmaschinengewehr in die Waffenstation montiert werden. Der Höhenrichtbereich reicht von -20° bis +60°. Auf dem Dach des hinteren Fahrzeugteiles ist eine Maschinengewehrlafette angebracht, die von einer Luke aus das Schießen mit einem 7,62-mm-MG ermöglicht. Das 76-mm-Mehrfachwurfsystem erlaubt das Verschießen von Nebelwurfkörpern und Sprenggranaten.

Optische Ausrüstung

Außer der beschriebenen 360°-Kameraausstattung verfügt der BvS10 AUT über eine Wärmebild- und eine Tagsichtkamera, die an der Waffenstation eingebaut sind und eine Zielentdeckung auf bis zu zwölf Kilometer ermöglichen. Mit dem Laserentfernungsmesser der Waffenstation können Entfernungen bis 4 000 m genau gemessen werden.

Funk- und IKT-Ausstattung

Das Fahrzeug ist für die Ausstattung mit bis zu drei UKW-Geräten, einem Ultra­kurzwellen (UKW)-Gruppenfunk- und ­einem Kurzwellen (KW)-Gerät ausgelegt. Mit den UKW- und KW-Geräten ist ­optional der Datenfunk möglich. Anhand außenliegender Anschlussmöglichkeiten kann der abgesetzte Betrieb mit Fernbedienungssätzen erfolgen. Mit den verfügbaren UKW-Geräten kann jedes Fahrzeug auch als bewegliche Relaisstelle verwendet werden. Zusätzlich ist im Fahrzeug ein Gruppenfunkgerät verfügbar. Mit dieser für kurze Entfernungen ausgelegten Funkausstattung wird über die Intercom-Anlage (Interne Sprechanlage) des Fahrzeuges das Mithören vorne und hinten ermöglicht. Abgesessen kämpfende Soldaten haben mit diesem Gruppenfunk Verbindung zur aufgesessenen Fahrzeugbesatzung. Grundsätzlich bleiben zumindest der Kraftfahrer und der Bordschütze im Fahrzeug. Der Gruppen-/Zugskommandant kann somit das Fahrzeug und die Bordwaffe abgesessen innerhalb der begrenzten Reichweite mit dem Gruppenfunk führen. Bei größeren Entfernungen muss über die leistungsfähigere UKW-Ausstattung geführt werden.

Combat NG

In allen Fahrzeugen ist das System Combat New Generation (Combat NG/Führungs- und Waffeneinsatzsystem für die Aufklärungs- und Artillerietruppe; Anm.) zur Einbindung in digitale Informationssysteme eingebaut. Damit sind die digitale Datenübertragung und GPS-Funktionen möglich.

Command and Control-Kit (C2-Kit)

In der Beschaffung sind Einbausätze vorgesehen, die eine Konfiguration des BvS10 AUT als bewegliche Befehlsstelle ermöglichen. Mit dieser Ausstattung können der Kompaniekommandant bzw. der Bataillonskommandant auf die technischen Führungsmittel zugreifen.

Nutzlast

Die gesamte Nutzlast des Fahrzeuges beträgt 2 330 kg. Im hinteren Fahrzeugteil können 1 500 kg Nutzlast verladen werden. Zusätzlich ist im Beschaffungsvolumen ein Anhänger für Nutzlasten von bis zu 1,5 t enthalten.

Sanitäts-„Hägglunds“

Das ÖBH beschafft zwei Sanitätsrüstsätze für CASEVAC-Einsätze (Casualty Evacuation). Dazu können im hinteren Fahrzeugteil die Sitze ausgebaut und durch eine Transportliege für Verwundete ersetzt werden. Damit können insgesamt ein liegender und zwei sitzende Verwundete oder vier sitzende Verwundete und zwei Sanitäter befördert werden.

Kampfkrafterhaltung

Der BvS10 AUT ist mit einer Standheizung und Klimaanlage ausgestattet. Im Fahrzeug sind Anschlussmöglichkeiten zur Stromentnahme angebracht, an denen z. B. Funkgeräte, GPS-Geräte, Mobiltelefone etc. aufgeladen werden können. Zusätzlich können Heizgeräte zum Wärmen von Verpflegung angeschlossen werden. Damit wird die Durchhaltefähigkeit der Gebirgsjäger gesteigert. Die im Gebirge generell schwierige Versorgung mit Strom kann daher mit dem BvS10 AUT wesentlich erleichtert und ergänzt werden.

Zuordnung in der 6. Gebirgsbrigade

Die beschaffte Anzahl von 32 BvS10 AUT erlaubt die Ausstattung von einer Gebirgsjägerkompanie und einem gepanzerten Pionierzug. Im Vergleich dazu verfügen die derzeit zwei in der Deutschen Bundeswehr damit ausgerüsteten Gebirgsjägerbataillone über je rund 80 „Hägglunds“. Die Deutsche Brigade hat insgesamt rund 200 Universalgeländefahrzeuge „Hägglunds“ im Bestand. Durch die fehlende Vollausstattung im Bundesheer haben die Stäbe der 6. Gebirgsbrigade und deren Bataillone die bestmögliche Aufteilung je nach Einsatzzweck und -phase sowie die Disposition zur Umverteilung sicherzustellen. Dazu müssen die Planer mit den Stärken und Möglichkeiten des Systems BvS10 AUT bestens vertraut sein. Die Einsatzplaner auf Bataillons- und Brigadeebene haben nun die Aufgabe, den BvS10 AUT angepasst an die jeweilige Einsatzart und an das Gelände sowie die Gebirgslage zweckmäßig einzusetzen.

Befahrbarkeit beurteilen

Als wesentlichste Grundlage für alle folgenden Beurteilungsschritte im Führungsverfahren ist eine Befahrbarkeits­oleate zu erstellen. Auf dieser Oleate sind alle Geländeteile sichtbar zu machen, in denen der BvS10 AUT aufgrund seiner Leistungsparameter fahren kann. Die gefechtstechnischen Verfahren für den Einsatz der Gebirgstruppe mit dem BvS10 AUT müssen noch entwickelt werden und sollen noch dieses Jahr mit der beginnenden Verfahrenserprobung festgelegt werden. Die Erstellung der ersten Vorschrift „Der BvS10 AUT und seine Besatzung“ ist bereits im Gange. Die Karte kann entweder unter Zuhilfenahme der Dienste des Institutes für Militärisches Geowesen (IMG) an der Landesverteidigungsakademie (LVAk) oder anhand von Militärkarten erstellt werden. Die Stabsmitglieder müssen jedenfalls in der Lage sein, auch ohne digitale Kartendienste oder Produkte des IMG solche Befahrbarkeitsoleaten selbst zu erstellen. Für die Lagedarstellung der Beweglichkeit mit Universalgeländefahrzeugen fehlen derzeit noch spezifische taktische Zeichen in den einschlägigen Vorschriften.

Zusammenfassung

Das Universalgeländefahrzeug BvS10 AUT ist eine wesentliche Steigerung der Beweglichkeit, des Schutzes und der Wirkung und somit des Kampfwertes der Gebirgstruppe. Das Fahrzeugsystem ermöglicht dem Kommandanten aufgrund seiner Multifunktionalität vielfache Handlungsoptionen für nahezu alle Elemente des kleinen Verbandes. Die fehlende Vollausstattung erfordert eine stabsdienstliche Beurteilung der konkreten Einsatzzwecke nach Prioritäten und abhängig von Gelände und Einsatzart. Dazu müssen die bestehenden Planungs-verfahren einschließlich der Beurteilung der Gebirgslage um zweckdienliche, standardisierte Beurteilungsschritte und Ausarbeitungen erweitert werden. Für einen dauerhaften und effizienten Betrieb des Fahrzeuges sind Anpassungen der personellen Organisationspläne erforderlich. Der Ausbildungsumfang und die Komplexität des Systems BvS10 AUT verlangen Kadersoldaten oder zumindest zeitverpflichtete Soldaten als Kraftfahrer und Bordschützen. Diese Aufgaben können nicht durch Grundwehrdiener, stellvertretende Gruppenkommandanten oder ähnliche Funktionen nebenbei erfüllt werden. Solange keine Vollausstattung zumindest für den kleinen Verband „GebJgB“ absehbar ist, müssen Lösungen gefunden werden, die die abwechselnde Nutzung des Fahrzeuges durch verschiedene Bedarfsträger sinnvoll ermöglichen. Eine Nachbeschaffung von weiteren Fahrzeugen, hier insbesondere von Spezialvarianten wie MEDEVAC-, C2-, Granatwerfer-, Instandsetzungs- und Transportversionen, wäre dringend erforderlich. Für einen vergleichsweise geringen Aufwand wäre ein enormer Mehrwert für die Gebirgstruppe erzielbar.

Oberst Klaus Zweiker, MSD MA ist stellvertretender Kommandant der 6. Gebirgsbrigade.

 

Ihre Meinung

Meinungen (1)

  • Kauf Michael // 09.12.2019, 16:12 Uhr Sehr geehrte Redaktion!
    Sehr interessant, was dieses Fahrzeug kann. Es ist daher sicher auch für andere Gegenden als das Gebirge geeignet, weil vor allem im Frühjahr und Herbst bei schlammigem Boden dieser oft kaum befahrbar ist. Daher sollten in Anbetracht der angeführten Kosten/Nutzenrelation auch andere Einheiten mit solchen Fahrzeugen ausgerüstet werden. Vor allem Pioniere und Infanterie wären sicher froh darüber.

    Zum derzeitigen Thema "sterbendes Bundesheer" wäre zu sagen, dass durchaus top-Einheiten und top-Materialien zur Verfügung stehen, leider m.E zu wenig, aber immer besser als nichts. Man sollte das aktiv(er) herausheben, sonst entsteht in der Bevölkerung der Eindruck, das ja wirklich alles desolat ist...!

    Kameradschaftliche Grüße!
    Michael Kauf, OltdRes