• Veröffentlichungsdatum : 13.04.2022
  • – Letztes Update : 30.05.2022

  • 3 Min -
  • 689 Wörter
  • - 1 Bilder

Chancen nützen, ermöglichen, erleichtern

Gerold Keusch

Wer sich für eine Karriere als Berufsunteroffizier entscheidet, hat in der Regel eine Laufbahn vor sich, die wie folgt aussieht: Gruppenkommandant, Zugskommandant, Fachunteroffizier. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens ist es notwendig Erfahrungen zu sammeln, bevor man die nächste Ebene erreicht. Zweitens hat jeder Soldat ein „Ablaufdatum“, da selbst der Fitteste älter wird und es Sinn macht, ab Mitte 40 eine „ruhigere“ Funktion zu bekleiden. Ein solcher Wechsel ist jedoch häufig, inhaltlich und/oder wegen der Bewertung, ein Abstieg.

Die skizzierte Unteroffiziers-Laufbahn ist nicht in Stein gemeißelt. Zahlreiche Berufssoldaten waren nie oder nur kurz im Außendienst, andere gehen wiederum als Zugskommandanten in den Ruhestand. Das sollte die Ausnahme sein!

Einige wechseln, da sie die Matura (nachgeholt) haben, nach ein paar Jahren an die Militärakademie und schlagen die Offizierslaufbahn ein. Manche legen die Berufsreifeprüfung ab und ziehen die Uniform aus, um Amtsdirektor zu werden. Einige Berufssoldaten studieren nebenberuflich und erhalten sogar die Möglichkeit Hof- oder Ministerialrat zu werden. Das alles sind „qualifizierte Innendienstalternativen“ zum „Verwaltungsunteroffizier“.

Die gute Nachricht ist, dass jeder Soldat beinahe jeden Dienstgrad oder Amtstitel erreichen kann. Schließlich ist die Armee eine Einrichtung in der – trotz aller noch immer vorhandenen gläsernen Decken – jeder Rekrut die theoretische Chance hat, General zu werden. Alles erreichen zu können, gilt aber nicht nur für Dienstgrade und Amtstitel. Theoretisch kann jeder Soldat einen Jagdkommandogrundkurs, die Ausbildung zum Bergführer oder andere Fachkurse absolvieren und damit verbundene Funktion bekleiden. Alles ist möglich!

Die „schlechte“ Nachricht ist, dass das Erreichen dieser Ziele mit Mut, Mühe, Ehrgeiz, jahrelanger Arbeit und – das darf nicht unerwähnt bleiben – Glück verbunden ist. Das ist aber kein Spezifikum für „spezielle Ziele“, sondern Praxis im Soldatenalltag. Geschenke gibt es keine! Damit verbunden ist die zweite gute Nachricht: Wer Truppenerfahrung aufweist, alle Laufbahnkurse absolviert und die damit verbundenen Prüfungen bestanden hat, kann jeden Test bestehen. Egal ob Matura, Universitätsabschluss oder andere Laufbahnkurse – wesentlich schwieriger als die Prüfung zum Wachtmeister ist keine! Lediglich das Thema, der damit verbundene Blickwinkel, die Art der Prüfung und die damit verbundene Vorbereitung unterscheiden sich.

Um vom Wachtmeister zum General oder Ministerialrat aufzusteigen, reicht es nicht über die notwendigen kognitiven Fähigkeiten und Ehrgeiz zu verfügen. Es benötigt auch Kameraden und Vorgesetzte, die unterstützen. Schließlich richtet sich weder eine Abendschule noch eine Universität nach dem Jahresplan eines Bataillons. Hier gilt: Wo ein Wille, da ein Weg!

Eine Matura oder ein Hochschulstudium alleine reichen jedoch nicht aus, um Amtsdirektor, Hofrat oder Oberst zu werden. Ohne Arbeitsplatz mit einer entsprechenden Wertigkeit bleibt der Aufstieg verwehrt. Diese Arbeitsplätze sind jedoch rar und beinahe nur in Wien (höhere Kommanden oder Zentralstelle) oder in einer Landeshauptstadt (Militärkommanden) zu finden. Ohne Flexibilität und die Bereitschaft dorthin zu gehen, ist ein Aufstieg de facto unmöglich. Das ist aber kein Spezifikum des Militärs, sondern in der Privatwirtschaft ebenso. 

Doch selbst eine gute Ausbildung, Flexibilität und ein freier Arbeitsplatz müssen noch nicht reichen. In der Regel werden die Arbeitsplätze im Ressort bundesweit bekanntgemacht, weshalb jeder die gleichen Chance hat diesen zu erhalten. Dennoch braucht es Glück, da die passende Stelle frei sowie bekanntgemacht sein muss und es keine qualifizierteren Mitbewerber geben darf. 

Hier wäre eine strategisch ausgerichtete Jobbörse des Bundesheeres wünschenswert. Dort könnten am Aufstieg Interessierte ihre Ausbildungen und favorisierten Tätigkeitsbereiche deponieren. In weiterer Folge könnte diese Stelle die Verbindung zwischen möglichen Dienststellen und Interessenten herstellen. Schließlich sind die natürlichen Abgänge bekannt und somit auch welche Arbeitsplätze wann nachzubesetzen sind. So könnten Dienstzuteilungen bzw. notwendige Ausbildungen bereits im Vorfeld stattfinden. Für ein Ministerium, das den Anspruch hat, strategisch und menschenorientiert zu handeln, wäre eine solche Stelle eine Bereicherung. Hier ist Luft nach oben!

Trotz aller persönlichen und strukturellen Hürden gibt es unzählige Erfolgsgeschichten von Unteroffizieren, die nicht den klassischen Weg gegangen, sondern in höherwertige Positionen aufgestiegen sind. Sie haben ihre Chance genützt! Es gibt viele umsichtige und fürsorgliche Dienststellenleiter und Kommandanten, die ihren Untergebenen die Möglichkeit der (außer)beruflichen Weiterbildung geben. Ermöglichen auch Sie als Vorgesetzter diese Chancen! Und zu guter Letzt der „Wunsch nach oben“: Unterstützen Sie jene, die sich neben dem Beruf qualifiziert haben und aufsteigen wollen mit strukturellen Maßnahmen. Erleichtern Sie den Aufstieg!

Hofrat Gerold Keusch, BA MA; Leiter Online Medien beim TRUPPENDIENST.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)