• Veröffentlichungsdatum : 31.03.2023
  • – Letztes Update : 29.03.2023

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Die Notwendigkeit der Wertschätzung

Christina Hörhager

Österreichern und Österreicherinnen wird oft nachgesagt, dass sie gerne „grantln“ würden. Tatsächlich scheint der Ton, gerade in den letzten, krisengebeutelten Jahren, immer rauer geworden zu sein. Politische und gesellschaftliche Konflikte zeigen sich im Umgang der Menschen untereinander. Immer häufiger kommt es zu öffentlichen Auseinandersetzungen, Beleidigungen und Streitigkeiten und besonders in den sozialen Medien gehören Kommentare weit unter der Gürtelline zur Tagesordnung. Wir alle wissen (vergessen jedoch manchmal), wie gut es tut, wertzuschätzen und wertgeschätzt zu werden. Wertschätzung bedeutet, dem Gegenüber respektvoll und wohlwollend zu begegnen und ehrliches Interesse und Achtung entgegenzubringen. Wertschätzender Umgang hat eine Reihe positiver Effekte, die jeder am eigenen Leib spürt, wenn ihm Lob und Zuwendung entgegengebracht werden. Es stärkt den Selbstwert, reduziert psychische Belastung und wirkt sich positiv auf Beziehungen aus. Am Arbeitsplatz führt Wertschätzung sogar zu erhöhter Kreativität und Arbeitsmotivation. Wenn eine Arbeitskultur geschaffen wird, in der Fehler nicht sofort übel bestraft und Bemühungen anerkannt werden, so eröffnet dies den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit, frei und ohne Angst Neues auszuprobieren und sich aktiv in den Arbeitsprozess einzubringen, was positive Effekte auf die Leistung und den Führungserfolg haben kann.  

„Wie man in den Wald ruft ...“

Wertschätzung ist jedoch viel mehr als Höflichkeiten oder bloße Verhaltensregeln. Es handelt sich dabei um eine grundlegende positive Haltung gegenüber anderen Menschen. Wer bei Anderen immer nur Fehler sucht und ihnen ständig böse Absichten unterstellt, dem wird es besonders schwerfallen, einen wertschätzenden Umgang zu pflegen. Solch eine negative Einstellung gegenüber anderen Personen oder Personengruppen ist häufig das Resultat eines geringen Selbstwertes. Durch die Abwertung Anderer wird versucht, den eigenen Selbstwert zu erhöhen, was jedoch genau den gegenteiligen Effekt bewirkt. Eine Gemeinheit oder zynische Bemerkung mag sich vielleicht im ersten Moment gut anfühlen, stört auf Dauer jedoch Beziehungen, erhöht das Aggressionspotenzial und schwächt schlussendlich dadurch den eigenen Selbstwert noch weiter. Stellen Sie sich folgende Fragen: Was sind Ihre ersten Gedanken, wenn Sie neuen Personen begegnen? Sind diese positiv oder eher negativ? Würden Ihre Kollegen und Freunde Sie als freundlich und herzlich beschreiben? Seien Sie bei der Beantwortung dieser Fragen ehrlich mit sich selbst. Nur wer anderen respektvoll begegnet, kann dasselbe im Gegenzug erwarten. Achten Sie im Alltag auf Ihren Umgang und Ihre Sprache mit Kolleginnen und Kollegen, der Partnerin/dem Partner sowie auch mit Fremden und versuchen Sie bewusst, Wertschätzung im beruflichen und privaten Alltag zu integrieren. Dies kann sich im Kleinen bemerkbar machen, durch freundliches Grüßen oder Augenkontakt beim Sprechen, aber auch im Großen, bei einem ernstgemeinten Lob oder einem herzlichen „Dankeschön“. Es geht darum, die Bedürfnisse des Gegenübers anzuerkennen und zu achten.

Konflikte auf Augenhöhe austragen

Wertschätzung darf jedoch nicht als der krampfhafte Versuch verstanden werden, um jeden Preis Harmonie zu erzwingen. Konflikte sind menschlich und ein ganz normaler Teil gesunder Beziehungen. Sie sollen nicht vermieden, sondern im Gegenteil, respektvoll und auf Augenhöhe ausgetragen werden. Wer wochenlang einen Groll mit sich trägt und Probleme nicht offen anspricht, tappt schnell in die Falle, abwertend und feindselig zu werden, was den ursprünglichen Streit noch weiter verstärkt. Einen Konflikt wertschätzend auszutragen bedeutet, wertfrei zu bleiben und auf persönliche Angriffe zu verzichten. Natürlich ist niemand von uns perfekt und so passiert es das eine oder andere Mal, dass wir uns im Ton vergreifen oder eine unangebrachte Bemerkung äußern. Wertschätzend lässt sich diese Situation durch eine ernstgemeinte Entschuldigung lösen. Um Entschuldigung zu bitten fällt vielen Menschen schwer. Fast noch schwerer scheint es oft, diese anzunehmen und Kränkungen loszulassen. Nur wenn beide Parteien versuchen, einen Schritt auf den anderen zuzugehen und fair zueinander bleiben, können Konflikte tatsächlich gelöst werden und im besten Fall sogar bereichernd sein, sowohl für einen persönlich als auch für die Beziehung. Das Schöne an Wertschätzung ist nämlich: Es tut nicht nur gut sie zu erhalten, sondern auch, sie großzügig zu verteilen. 
 

Christina Hörhager, MSc., Referat Angewandte Psychologie, Forschung und Qualitätsmanagement, Heerespsychologischer Dienst

 

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