Die Schlachten um Wien und Berlin 1945
Innerhalb von 19 Tagen waren die zwei bedeutendsten Metropolen im verbliebenen Herrschaftsgebiet des Deutschen Reiches - Wien und Berlin - durch die Truppen der Roten Armee erobert worden. Militärisch waren in Abstimmung mit dem Vormarsch der Westalliierten nach Deutschland und Österreich die strategischen Ziele der Sowjetunion erreicht worden. Ein Wettlauf zwischen den US-Heeresgruppen und den sowjetischen „Fronten“ nach Berlin hatte jedoch nicht stattgefunden.
Die Lage an der Ostfront in den ersten Wochen 1945
An der Westfront waren die deutsche Ardennenoffensive am 16. Dezember 1944 und eine Angriffsoperation im Elsass (Unternehmen „Nordwind“) unter erheblichen Verlusten gescheitert. Am 13. Jänner 1945 waren die deutschen Truppen in den Ardennen bereits wieder auf ihre Ausgangsstellungen zurückgedrängt. Panzerdivisionen der 6. Panzerarmee, die allerdings in den vergangenen Wochen schon erhebliche Verluste erlitten hatten, wurden nach Ungarn verlegt, um in mehreren Offensiven (Unternehmen „Konrad I-III“) den Belagerungsring um die schon seit 24. Dezember vollständig eingeschlossene ungarische Hauptstadt Budapest aufzubrechen und die Garnison zu entsetzen.
Alle drei Operationen scheiterten jedoch nach Anfangserfolgen am heftigen Widerstand der Truppen der 3. Ukrainischen Front unter Marschall Fjodor Tolbuchin. Letztlich fiel Budapest am 13. Februar 1945 vollständig in die Hand der Roten Armee.
Einen Tag vor dem endgültigen Rückzug der deutschen Truppen auf ihre Ausgangsstellungen vor der Ardennenoffensive im Westen hatte die sowjetische Offensive am 12. Jänner 1945 an der Weichsel begonnen. Die konnte von den deutschen Verbänden der Heeresgruppe Weichsel unter dem Kommando des für militärische Führungsaufgaben inkompetenten Reichsführers SS, Heinrich Himmler, nicht aufgehalten werden. Schon weniger als drei Wochen später, am 2. Februar, erreichten die ersten sowjetischen Verbände die Oder. Sie stellten jedoch rasch ihre Angriffsoperationen auf Befehl Stalins ein, der erfolgreiche deutsche Gegenangriffe nach einer eigenen siegreichen Offensive wie Anfang August 1944 bei Warschau befürchtete.
Ebenso dramatisch war die Lage der Heeresgruppe Nord (16. und 18. Armee) mit über einer Viertelmillion Mann in Kurland (Kurzeme, Lettland, Anm.), die seit 31. Juli 1944 vorübergehend, jedoch seit September 1944 völlig abgeschnitten war und nur über See und über Luft versorgt werden konnte. Letztlich standen die Verbände der Roten Armee kaum 70 km ostwärts von Berlin und 250 km ostwärts von Wien. Die beiden größten Städte des Deutschen Reiches waren Anfang März 1945 nicht mehr weit von den vordersten Linien der Roten Armee entfernt.
Unternehmen „Frühlingserwachen“ und die „Wiener Angriffsoperation“ der Roten Armee
Zwischen September 1944 und Februar 1945 wurden zehn Panzer-, vier Panzergrenadier-, acht Infanterie- und vier Kavalleriedivisionen - zum Teil neuaufgestellte - von anderen Abschnitten der Ostfront und aus dem Westen in den Bereich der Heeresgruppe Süd nach Ungarn verlegt. Diese waren von Oktober bis Ende Februar 1945 in heftige Kämpfe mit der Roten Armee verwickelt, der sie zwar schwere Verluste beibringen, aber letztlich nicht deren stetiges Vordringen nach Westen verhindern konnten.
Nach mehrwöchigen Vorbereitungen traten die zum Teil neu ausgerüsteten und aufgefüllten deutschen Verbände der 6. Panzerarmee (Oberstgruppenführer Sepp Dietrich), der 6. Armee (General Hermann Balck) und der 2. Panzerarmee (General Maximilian de Angelis) westlich und südlich der Donau und im Gebiet der unteren Drau in Ungarn und Kroatien am 6. März 1945 zum Unternehmen „Frühlingserwachen“ an. Ziel war das allgemeine Erreichen der Donaulinie, die Wiedergewinnung Budapests und die Inbesitznahme mehrer Erdölfelder im Komitat Zala.
Schlechte Bodenverhältnisse, bald auftretender Treibstoffmangel und der nach krisenhaften Entwicklungen - Marschall Tolbuchin hatte Stalin um die temporäre Rücknahme der Verbände der 3. Ukrainischen Front auf das linke Donauufer ersucht und war von diesem drohend zurecht gewiesen worden - immer heftigere Widerstand der sowjetischen Verbände führte bis 15. März zum endgültigen Stocken der Offensive. Unter Heranziehung aller Reserven und Verstärkungen durch Verbände aus anderen Frontabschnitten traten die 2. und 3. Ukrainische Front zur, schon seit Wochen geplanten Offensive in Richtung Wien an.
Beginn der „Wiener Angriffsoperation“
Der 16. März 1945 war der Beginn der „Wiener Angriffsoperation“ mit dem Angriff von 23 Schützendivisionen und acht mechanisierten Korps zwischen Donau und Plattensee, die schon seit Februar in Absprache mit dem sowjetischen Oberkommando (STAVKA) detailliert geplant worden war. Die deutschen Armeen sahen sich in den folgenden zwölf Tagen unter empfindlichen Verlusten zum Rückzug auf die sogenannte „Reichsschutzstellung“ gezwungen, deren mangelhafter Ausbau und schwache Besetzung so gut wie kein Verzögern des sowjetischen Vormarsches in den niederösterreichischen Raum erlaubten.
Vor allem der Vorstoß der 6. Garde-Panzerarmee über das Wechselgebiet, das Rosaliengebirge in den Raum Wiener Neustadt bis zum 2. April, dem am nächsten Tag die Besetzung des Raumes Baden folgte, zeigte die beabsichtigte Westumfassung Wiens klar auf. Teile der 9. Gardearmee und die 4. Gardearmee sicherten weiträumig die linke bzw. die rechte Flanke dieses Vorstoßes in die Tiefe des Raumes.
Die bereits abgekämpften Teile der deutschen 6. Panzerarmee (deren Kampfstärken sich bedrohlich den 30 Prozent näherten) wurden einerseits aufgespalten (das I. SS-Panzerkorps wurde in das Piesting- und Triestingtal abgedrängt, das II. SS-Panzerkorps musste sich bereits auf das südliche Stadtgebiet Wiens zurückziehen) und konnten den sowjetischen Vormarsch, verzögernd kämpfend, nur noch punktuell aufhalten. Inzwischen hatten sich auch die Befehlsverhältnisse bei der Heeresgruppe Süd geändert. General Otto Wöhler wurde am 6. April abgelöst und Generaloberst Dr. Lothar Rendulic zum neuen Oberbefehlshaber Süd ernannt, der am 7. April sein neues Hauptquartier in St. Leonhard am Forst/Melk bezog.
Die ersten Teile der zur 2. Ukrainischen Front (Marschall Malinowski) gehörenden und an der Donau entlang vorstoßenden 46. Armee wurden in den ersten Stunden des 7. April bei Bad Deutsch-Altenburg mit Unterstützung der sowjetischen Donauflottille über die Donau übergesetzt und weiteten ihre Brückenköpfe bei Orth und Haslau gegen schwachen deutschen Widerstand rasch aus.
Durch diesen Vorstoß in das Marchfeld, der bis 14. April von mittlerweile rund 70 000 Mann, darunter durch ein Panzer- und ein Mech-Korps, durchgeführt wurde, war die beabsichtigte Umfassung Wiens von Norden her, schon ab 9. April nicht mehr zu übersehen. Deshalb war bereits zwei Tage später für die deutsche Führung der Heeresgruppe Süd klar erkennbar, dass das verspätete Vordringen der 7. Gardearmee über den Mündungsbereich der March in die Donau durch diesen Donauübergang wettgemacht worden war. Dadurch war eine vollständige Einkesselung Wiens von Stunde zu Stunde wahrscheinlicher geworden.
Das Erreichen der Donau am 6. April im östlichen Tullner Feld durch Teile der 9. Gardearmee sowie eines Garde-Panzerkorps der 6. Gardearmee bedeutete schließlich das völlige Abschneiden Wiens vom Westen her. Versuche von Offizieren des Wehrkreiskommandos XVIII in Wien durch Kontaktnahme mit sowjetischen Kommanden den Kampf um Wien erheblich durch Informationen und eine militärisch-zivile Aufstandsbewegung abzukürzen oder gar zu verhindern, blieben letztlich so gut wie ergebnislos.
Die sowjetischen Truppen hatten - wie bereits festgestellt - ihre Planungen schon Ende März fertig gestellt. Sie verfügten über ein weitgehend zutreffendes Lagebild, wobei allerdings die tatsächliche Stärke vieler deutscher Verbände überschätzt worden war und sich das II. SS-Panzerkorps unter SS-Obergruppenführer Wilhelm Bittrich, nun unterstützt durch die schwachen Truppen unter dem Befehl des Kampfkommandanten von Wien, General von Bünau, bereits in das Stadtgebiet von Wien zurückgezogen hatte. Bittrich versuchte nun mit seinen übriggebliebenen Kräften, die vorübergehend durch die kampfstarke Führer-Grenadierdivision verstärkt worden waren, sich rasch über den Donaukanal und die Donau in den Raum Kagran und Floridsdorf zurückzuziehen.
Das gelang schließlich nach den einwöchigen verlustreichen Kämpfen im Stadtgebiet in den Nachtstunden des 13. April. Nachdem Teile der sowjetischen 46. Armee den Bisamberg bereits nördlich umgangen hatten und am Abend des 13. April durch das XXXI. Gardeschützenkorps der 4. Gardearmee im Raum Korneuburg ein Brückenkopf gebildet worden war, war das Entkommen nach Nordwesten nur noch über einen schmalen Korridor zwischen Langenzersdorf und Korneuburg möglich. Am Nachmittag des 14. April stabilisierte sich die Front östlich von Korneuburg.
Das Ende der Schlacht um Wien und die weiteren Kämpfe
Die verbliebenen Teile der 2.- und der 3. SS Panzerdivision bzw. der Führer-Grenadierdivision konnten den weiteren sowjetischen Vorstoß an der Donau in diesem Raum bis zur Kapitulation, allerdings durch andere Verbände abgelöst, aufhalten. Die Verluste in der Schlacht um Wien waren sehr hoch. In der Wiener Angriffsoperation vom 16. März bis 15. April 1945 verzeichneten die 2. und 3. Ukrainische Front nach offiziellen Angaben 38 661 Gefallene und 129 279 Verwundete sowie materiell den Verlust von 603 Panzern, Sturmgeschützen und Selbstfahrlafetten, 764 Geschützen und Granatwerfern sowie 614 Kampfflugzeugen.
Die deutschen und die mit ihnen noch weiter kämpfenden ungarischen Verbände sollen im gleichen Zeitraum 19 000 Gefallene und eine hohe Anzahl Verwundete (vermutlich über 15 000) und zehntausende Gefangene dokumentiert haben.
Mitte April stabilisierte sich die Front im westlichen Niederösterreich im Gebiet der Traisen. Die heftigen Kämpfe im Weinviertel im nördlichen Niederösterreich zwischen den Truppen der deutschen 8. Armee und den Verbänden der 2. Ukrainischen Front sollten jedoch noch weitergehen. Reste bzw. Teile von noch intakten deutschen Panzerverbänden verwickelten nun Teile der 6. Garde-Panzerarmee, die über die Reichsbrücke in Wien die Donau überschritten hatten, bei Mistelbach und Staatz in heftige Panzerkämpfe, die zwischen 21. und 25. April dauerten. Die weiteren sowjetischen Angriffe in Richtung Laa an der Thaya und Südmähren waren der südliche Stoß des Auftaktes zur „Prager Angriffsoperation“, die bis 8. Mai andauerten und in Westböhmen enden sollte.
Südlich von Wiener Neustadt kam es nach der Eroberung von Gloggnitz am 2. April zu erbitterten Kämpfen im Raum des Semmerings, zwischen der Kampfgruppe Raithel (später die deutsche 9. Gebirgsdivision) und Verbänden der 9. Gardearmee. Die meisten deutschen Soldaten waren allerdings keine „klassischen“ Gebirgsjäger, sondern bestanden unter anderem aus ehemaligem Bodenpersonal der Luftwaffe. Ebenso wurde im Raum des Hochwechsels und im Vorgelände der Fischbacher Alpen erbittert zwischen der 1. Volks-Gebirgsdivision sowie der 117. Jägerdivision und sowjetischen Verbänden um die Eingänge ins Mürztal gekämpft.
Bis in die ersten Maitage 1945 waren auch die Oststeiermark und das Raabtal in der südlichen Steiermark Kampfgebiet. Obwohl dem sowjetischen XVIII. Panzerkorps in den ersten Apriltagen ein Einbruch in das steirische Raabtal gelungen war, konnte der Vorstoß der Roten Armee auf Graz von mehreren Verbänden der Wehrmacht und der Waffen-SS (darunter eine aus Ukrainern bestehende SS-Division) auf Graz verhindert werden. Wien als Hauptstadt der am 27. April neuproklamierten Republik Österreich, deren nomineller Einfluss aber nicht über die derzeitigen sowjetischen Frontlinien hinausreichte, sollte erst Ende Juli 1945 von Truppen der vier Alliierten besetzt werden.
In Westösterreich - exakt im Außerfern in Tirol - fand am 28. April der Einmarsch der US-Truppen statt, jener der französischen am 30. April im Norden Vorarlbergs. Britische Truppen stießen erst am 8. Mai nach Kärnten vor.
Generell lassen sich die Kämpfe in Westösterreich gegen die Alliierten in der Intensität keineswegs mit den Schlachten in Ostösterreich vergleichen. Obwohl es punktuell heftige Gefechte gab, war der rasche Vormarsch der US-Truppen nicht aufzuhalten und zehntausende Soldaten der Wehrmacht ergaben sich innerhalb weniger Tage. Die Verluste unter den beteiligten Soldaten und unter den Zivilisten sowie die Zerstörungen allgemein - so tragisch sie in jedem einzelnen Fall waren - betrugen nur einen Bruchteil des Ausmaßes der Kämpfe in Ostösterreich.
Die Offensive an der Oder und die Schlacht um Berlin
Die „Berliner Angriffsoperation“
Am 29. respektive am 31. März 1945 trafen die Marschälle Schukow (1. Weißrussische Front) und Konjew (1. Ukrainische Front) in Moskau ein, um die Bestätigung ihrer Planungen durch General Alexej Antonov, dem Chef des Generalstabes der Landstreitkräfte, zu erhalten und die letzten Instruktionen Stalins einzuholen, der einen Beginn der Offensive spätestens am 16. April und den Abschluss - die vollständige Eroberung Berlins und das Erreichen der Elbe nach spätestens zwölf bis 15 Tagen der laufenden Operationen befahl. Ebensoll sollte die 2. Weißrussische Front (Marschall Rokossowski) an dieser Großoffensive mitwirken.
Für diese Angriffsoperationen wurde ein gigantischer logistischer Aufmarsch durchgeführt, der die rund 2,5 Millionen Soldaten der drei Fronten versorgen und unterstützen sollte. Der notwendige Transportraum - die bereits wieder ins rückwärtige Frontgebiet führenden beschädigten Eisenbahnlinien waren innerhalb von knapp vier Wochen wiederhergestellt worden - rund 100 000 LKW (viele davon aus den Lend-lease Lieferungen der USA) und Gerät für mindestens 16 große Kriegsbrücken über die Oder standen neben 7 250 Panzern und Selbstfahrlafetten, 40 000 Geschützen und schweren Granatwerfern sowie 7 500 Kampfflugzeugen bereit. An Artilleriemunition waren allein für den ersten Angriffstag rund 98 000 Tonnen (!) vorgesehen, die von 2 450 Eisenbahnwaggons antransportiert wurden. Der entscheidende Durchbruchsraum sollte im Bereich der 1. Weißrussischen Front liegen. Von Vorteil waren hier bereits zwei Brückenköpfe am linken Ufer der Oder, davon war einer der Reitweiner Sporn, in dem sich der vorgeschobene Gefechtsstand Schukows befand.
Seit Wochen waren schon intensive deutsche Verteidigungsvorbereitungen im Bereich der gesamten Heeresgruppe Weichsel unter Generaloberst Henrici (deren Personalstand 185 000 Mann mit nur noch 823 Panzern nicht überschritt) und besonders der 9. Armee unter General Busse erfolgt. Man hatte die westlich der Oder gelegenen Seelower Höhen stark ausgebaut und dahinter eine Großkampfzone mit einer Tiefe von mehr als 20 Kilometern eingerichtet, in der mehrere Panzer- und Panzergrenadierdivisionen und Artilleriekonzentrationen für Gegenangriffe bereitstanden.
Nur knapp 36 Stunden nach dem Ende der Kämpfe im nordöstlichen Stadtgebiet von Wien begannen die 1. Weißrussische Front und die 1. Ukrainische Front mit ihren Angriffsoperationen Richtung Berlin. Bereits um vier Uhr morgens am 16. April eröffnete die sowjetische Artillerie das Feuer auf die deutschen Stellungen, das aber nicht den gewünschten Erfolg brachte.
Der Vorstoß der 8. Gardearmee blieb im deutschen Abwehrfeuer liegen, wobei Schukow nach Drohungen Stalins die 1. und die 2. Gardepanzerarmee regelrecht über die 8. Gardearmee fahren ließ, was zu chaotischen Verhältnissen und zu schwersten Verlusten führte. Nach dieser Krise gelang den sowjetischen Verbänden der entscheidende Durchbruch nach über 48 Stunden. Bereits in den ersten vier Tagen des Vorstoßes auf Berlin gab es über 33 000 Gefallene, wobei die Anzahl der Gefallenen die der Verwundeten dramatisch überstieg.
Eine Woche später, am 25. April wurde durch das Zusammentreffen von Verbänden der 1. Weißrussischen Front und der 1. Ukrainischen Front bei Ketzin westlich von Berlin die Reichshauptstadt eingekesselt. Dieser Einkesselung folgten noch acht Tage von erbitterten Kämpfen im Stadtgebiet, das unter der Führung von General Weidling, dem ehemaligen Kommandeur des LVI. Panzerkorps, der am 23. April zum Kampfkommandanten von Berlin ernannt worden war, verteidigt wurde. Am 2. Mai kapitulierten die deutschen Truppen in Berlin. Weder die deutsche 12. Armee unter General Wenck noch die 11. Armee unter SS-Obergruppenführer Steiner hatten als Entsatztruppen Berlin erreicht.
Im „Kessel von Halbe“ konnten nur Teile der 9. Armee und Teile der 4. Panzerarmee von der nach Osten vorstoßenden 12. Armee unter General Walter Wenck aufgenommen und über die Elbe zu den mittlerweile in diesen Raum vorgestoßenen amerikanischen Truppen übertreten und kapitulieren. Adolf Hitler hatte bereits am Nachmittag des 30. April Selbstmord begangen. Die Phase des „Unterganges“ hatte ihr Ende gefunden.
Die deutschen Verluste betrugen in der Schlacht zwischen 16. April und 2. Mai vermutlich 92 000 Gefallene, 200 000 Verwundete und in Summe 479 000 Gefangene. Die „Berliner Strategische Operation“ hatte der Roten Armee von 16. April bis 8. Mai 78 291 Gefallene 274 184 Verwundete und bei der 1. und der 2. Polnischen Armee 2 858 Gefallene und 6 067 Verwundete beschert, wobei die Zahlen bei den sowjetischen Truppen mit Sicherheit höher anzusetzen sind. Materiell mussten in diesen 23 Tagen 1 997 Panzer, Sturmgeschütze und Selbstfahrlafetten, 2 108 Geschütze und Granatwerfer sowie 917 Kampfflugzeuge als Totalverlust verzeichnet werden.
Auf einen Blick
Bei all diesen Darstellungen militärischer Operationen dürfen die Leiden der Zivilbevölkerung nicht unerwähnt bleiben, die in den Schlachten um Wien und Berlin zahllose Tote und Verwundete forderten. Allein in Berlin sollen 22 000 Zivilisten bei den Kampfhandlungen getötet worden sein. Letzte Hinrichtungen durch fanatische Anhänger des untergehenden NS-Regimes, willkürliche Tötungen, zugefügte Verwundungen, Vergewaltigungen und Plünderungen durch die einmarschierenden Truppen fügten der gepeinigten Bevölkerung abseits und nach den Kampfhandlungen weiteres unermessliches Leid zu.
Innerhalb von 19 Tagen waren die zwei bedeutendsten Metropolen im verbliebenen Herrschaftsgebiet des Deutschen Reiches durch die Truppen der Roten Armee erobert worden. Militärisch waren in Abstimmung mit dem Vormarsch der Westalliierten nach Deutschland und Österreich die strategischen Ziele der Sowjetunion erreicht worden.
Ein Wettlauf zwischen den US-Heeresgruppen und den sowjetischen „Fronten“ nach Berlin hatte, - entgegen den Überlegungen des britischen Premierministers Winston Churchill - nicht stattgefunden. Letztlich räumten nach den Vereinbarungen von Jalta und Potsdam die US-Truppen im Juli 1945 jene bereits während der letzten Kriegswochen besetzten Gebiete in Thüringen, Sachsen, Westböhmen in der Tschechoslowakei und dem Mühlviertel in Österreich.
Nur vier Jahre später waren die Staaten östlich davon in einen von der Sowjetunion rigoros kontrollierten kommunistischen Block konzentriert, aus dem nur Jugoslawien ein Ausscheren gelang, obwohl es ein kommunistisches Staatsmodell beibehielt.So sollte schon wenige Jahre nach Kriegsende jene Linie „from the Baltic Sea to Trieste“ (beurteilte bereits Churchill in Fulton 1946) sichtbar und fühlbar werden. Wobei aber der langsam aber stetig undurchdringlicher werdende „Eiserne Vorhang“ auch durch die Demarkationslinien bei Kriegsende die definitiv durch die Alliierten vereinbarten Besatzungszonen in Deutschland und tatsächlich ebenfalls durch Österreich verlaufen sollte.
Hofrat Professor Dr. Wolfgang Etschmann ist Historiker am Institut für Human- und Sozialwissenschaften an der Landesverteidigungsakademie.