Die Talfahrt ist zu Ende
Es gibt kaum jemanden, der die Entwicklungen in der Welt nicht mit Sorgenfalten auf der Stirn verfolgt. Beinahe täglich zeigen uns die Medien, wie schnell Grundrechte verletzt und Menschen unterdrückt werden können. Was Anfang 2015 noch weit weg schien, hat uns rasch erreicht. Die geo- und sicherheitspolitische Lage Europas hat sich schlagartig verändert und Österreich bei der Bewältigung der Migrations- und Flüchtlingskrise in besonderem Maß gefordert.
Das Österreichiche Bundesheer (ÖBH), das in den vergangenen Jahren stark sparen musste und bereits an seiner Existenzberechtigung zweifelte, stellte dennoch gemeinsam mit der Polizei die Stabilität der Republik sicher. Aufgrund der Dimension des Einsatzes und dem Gleichzeitigkeitsbedarf vor allem bei Berufssoldaten, aber auch beim Material war die Kapazitätsgrenze rasch erreicht. Das führte offensichtlich zur Erkenntnis, dass „Sicherheit zwar nicht alles ist, aber ohne Sicherheit alles nichts ist“. Was noch vor 2015 undenkbar war, ist nun eingetreten: Das Bundesheer beginnt zu wachsen. In den kommenden Jahren wird die Anzahl der präsenten und der Miliz-Kompanien erhöht sowie in Gerät, Ausstattung, Infrastruktur, Ausbildung und Personal investiert. Das jahrelange Sparen ist zu Ende. Eine Aufbruchstimmung ist zu spüren, derer sich auch die Unteroffiziere des Präsenz-, Miliz-, Reserve- oder Ruhestandes nicht verschließen dürfen.
Die Umsetzung der „Landesverteidigung 21.1“ ist nicht nur eine Struktur-, sondern vielmehr eine Personalfrage. Wenn es in den nächsten Jahren gelingt, ausreichend qualifizierten Kadernachwuchs zu gewinnen, wird es dem ÖBH gelingen, natürliche Personalabgänge auszugleichen und neue Einheiten aufzustellen. Die Erreichung der Personalziele ist für die „Landesverteidigung 21.1“ überlebensnotwendig. Es liegt auch an den Unteroffizieren, die Signale zu verstehen und das Beste aus dieser einmaligen Chance zu machen und sich noch intensiver als bisher für den Nachwuchs zu engagieren. Eine Aufgabe, an die sich viele Bedienstete, die vom Sparzwang der vergangenn Jahre geprägt sind, erst gewöhnen müssen.
Es ist nicht zulässig, sich bei der Personalgewinnung nur auf die Aktivitäten des Dienstgebers zu verlassen - jeder Bedienstete hat sich darum zu bemühen. Wer, wenn nicht der Unteroffizier, kann künftige Unteroffiziere ansprechen und für diesen Beruf gewinnen. Die Kommandounteroffiziere werden bei dieser gemeinsamen Aufgabe nicht nur ihre Kommandanten, sondern auch die Unteroffiziere begleiten, beraten und unterstützen. Unter dem Motto „Umbau statt Abbau“ startete das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport eine umfassende Personaloffensive. Dabei präsentiert sich das Bundesheer als Garant für Sicherheit und Jobmotor. Heute ist es beinahe unbegrenzt und über die OrgPlan-Grenzen hinaus möglich, Personal aufzunehmen.
Das ÖBH ist wieder in der Lage jungen Menschen, die die Ausbildung bestehen und den beruflichen Erfordernissen entsprechen, eine sichere und lebenslange Anstellung zu bieten. Im Sinne der Attraktivierung des Dienstes werden Gehaltsanpassungen vorgenommen und die Kaderanwärterausbildung gemäß dem Grundsatz „Ausbilden und nicht ausscheiden“ modernisiert. Die Personalwerbung ist in allen Bereichen ständig zu verbessern und an die Jugend anzupassen. Es führt kein Weg daran vorbei, das Informationsoffizierswesen wiederzubeleben, die Präsenz in den Schulen zu verstärken und dort zu sein, wo sich die Zielgruppe befindet.
Es ist eine gemeinsame Anstrengung der Truppe und des Heerespersonalamtes, Stellungspflichtige zu überzeugen, den Präsenzdienst leisten zu wollen, wenn sie zur Stellung kommen. Jeder präsenzdienstleistende Staatsbürger ist ein potenzieller Kadersoldat. Die neu eingeführte Rekrutierungsprämie darf nicht dazu dienen, neues Personal des Geldes wegen anzuwerben. Es gilt Kaderpersonal für das ÖBH zu gewinnen und nicht Abos zu verkaufen. Das kann nur aus einer ehrlichen eigenen beruflichen Überzeugung heraus erfolgen. Es geht nicht darum, wer wieviele Soldaten rekrutiert, sondern darum ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Die Personalwerbung- und gewinnung ist ein entscheidender Auftrag, der zu erfüllen ist und an dem sich alle zu beteiligen haben.
Viele Österreicher denken über die Landesverteidigung positiver als je zuvor - nützen wir diese Stimmung!
Vizeleutnant Othmar Wohlkönig ist Kommandounteroffizier der Streitkräfte.