• Veröffentlichungsdatum : 12.05.2023
  • – Letztes Update : 10.05.2023

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Ein Österreicher in Udine

Volkmar Ertl

Seit Juli 2021 entsendet Österreich einen ständigen Beobachteroffizier in das Hauptquartier der Multinational Land Force nach Udine (Italien). Seine Hauptaufgabe ist die Koordination von Aktivitäten dieser multinationalen Brigade mit dem Österreichischen Bundesheer.
 

Die Multinational Land Force (MLF) ist eine 1998 gegründete multinationale Brigade, die zum Kampf der verbundenen Waffen befähigt ist und auf der italienischen Alpini-Brigade „Julia“ basiert. Italien ist die Führungsnation (lead nation), Ungarn und Slowenien sind Vollmitglieder, die auch Truppen zur Verfügung stellen.
 

Auftrag 

Der Auftrag der MLF besteht darin, die Verfügbarkeit einer im vollen Einsatzspektrum rasch einsetzbaren Truppe zu gewährleisten. Diese ist in der Lage, eine wirksame militärische Antwort auf die aktuellen Sicherheitsherausforderungen zu geben und die Interoperabilität unter den teilnehmenden Staaten zu verbessern.

Die MLF kann in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen in einem trilateralen oder multinationalen Kontext eingesetzt werden – als Teil einer Truppe unter dem Mandat des UN-Sicherheitsrates oder als Teil einer Truppe unter der Führung einer internationalen Organisation (EU, NATO, OSZE etc.). Sie kann aber auch als eigenständige Truppe wie die EUBG-Ersteinsatzkräfte (EU-Battlegroup) in den Einsatz gehen.

Aktivitäten 

In Friedenszeiten verfügt die MLF über ein multinationales Kommando, das durch slowenische und ungarische Stabsoffiziere und Stabsunteroffiziere verstärkt wird. Im Fall einer Aktivierung tragen alle drei Staaten mit je einem Infanterieregiment oder -bataillon, Spezial- oder Stabselementen bei. Österreich und Kroatien sind seit Gründung der MLF Beobachterstaaten. 

Seit ihrer Aufstellung hat die MLF dreizehn internationale Übungen durchgeführt. Dabei wurden ihre Verbände integriert, die Interoperabilität erhöht und die Einsatzbereitschaft vor der Entsendung zu Auslandseinsätzen getestet. Die Übungen fanden auf Truppenübungsplätzen in Ungarn, Slowenien und Italien statt. Die Anzahl der Teilnehmer, die der MLF oder den Beobachternationen angehörten, variierte von 1.700 bis 3.500.

Als Truppe wurde die MLF bei bisher acht Auslandseinsätzen in Rahmen von sieben NATO-Missionen/non article 5 (Kosovo und Afghanistan) und einer UN-Mission im Libanon (UNIFIL) eingesetzt. Außerdem wurde sie drei Mal als EU-Battlegroup eingesetzt bzw. bereitgehalten, zuletzt 2016 in der Defence-Cooperation-Initiative(DECI)-Konfiguration gemeinsam mit Österreich, Kroatien, Italien, Slowenien und Ungarn. Im Jahr 2020 wurde sie als Element der Resolute Support Mission (RSM) nach Afghanistan entsandt.
 

Mitglieder 

Als die MLF gegründet wurde, war nur Italien Mitglied der NATO und der EU. Die Republik Ungarn trat 1999 der NATO und 2004 der EU bei, im gleichen Jahr wie die Republik Slowenien, die 2004 ebenfalls der NATO beitrat. Seit 2004 sind beide Mitglieder der NATO und der EU. Die MLF hat somit Erfahrung darin, Streitkräfte von Nationen zu integrieren, die weder der NATO noch der EU angehören, unabhängig dessen jedoch deren grundlegende Prinzipien und Werte teilen.

Die Organisation der MLF ist sowohl im Frieden als auch im Krisenfall äußerst flexibel. Wenn sie von den Mitgliedsstaaten ermächtigt wird, kann sie auch Truppen und Stabselemente von Nicht-MLF-Staaten einbeziehen und integrieren. So beteiligte sich Österreich an der letzten EU-Battlegroup (2017) mit Stabselementen, einem Hubschrauberelement und Militärpolizeipersonal. Kroatien war mit Stabselementen und einem PsyOps-Element vertreten.

Die MLF bietet die Möglichkeit, Kräfte für bestimmte Ziele zu trainieren, neue Verfahren zu testen und einzuführen sowie in unterschiedlichen Konfigurationen verschiedene Einsatzszenarien zu üben. Die Interoperabilität und die Besonderheiten der teilnehmenden Nationen sind dabei von wesentlicher Bedeutung.

Multinationale Übungen 

Während der letzten in Slowenien durchgeführten Übung (Clever Ferret 2014), als Vorbereitung für den Auslands-einsatz in Afghanistan bei RSM, wurde die neue RSM-Krisengliederung getestet – und das in beiderlei Hinsicht, im Bereich des Kommandos und bei der Truppe. Bei der Übung 2017 in Ungarn (Clever Ferret 2017) war es das Ziel, die Interoperabilität zwischen Einheiten und Mitteln bis zur untersten militärischen Führungsebene zu überprüfen.

Das Prinzip des jährlichen Wechsels der Nation, welche die Übung ausrichtet, bietet dem Gastgeber eine zusätzliche Ausbildungsmöglichkeit für Stabs-elemente zur Planung und Durchführung einer großangelegten Truppenübung. Die drei Nationen unterstützen die MLF nicht nur durch das Bereitstellen von Kräften, sondern auch mit Übungsgebieten und Ausbildungsmöglichkeiten. 

Die MLF hat auch eine lange und solide Beziehung zu Gebieten, Gemeinden und Städten der drei Mitgliedsstaaten. Das schuf die Möglichkeit, eine dauerhafte Zusammenarbeit mit und zwischen den Universitäten von Budapest, Laibach und Triest zu Schulungs- und Ausbildungszwecken zu initiieren.
 

Österreichischer Beobachteroffizier 

Seit 29. Juli 2021 entsendet Österreich einen ständigen Beobachteroffizier in das MLF-Hauptquartier nach Udine (Italien). Dieser nimmt an allen Aktivitäten teil und arbeitet als Stabsoffizier in der Planungszelle des multinationalen Kommandos. Seine Hauptaufgabe ist die Koordination von multinationalen Aktivitäten der MLF mit jenen des Österreichischen Bundesheeres. Darüber hinaus ist er für die Koordinierung multinationaler Aktivitäten verantwortlich. Sein Fokus liegt auf allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Aufklärung, der Ausbildung, den Einsätzen und der Logistik einschließlich der medizinischen Unterstützung. Als nationaler militärischer Repräsentant ist er auch für die Verbindung zu den relevanten nationalen Behörden verantwortlich.

Die völlig veränderte Sicherheitslage in Europa (Ukraine-Krieg), aber auch in anderen Teilen der Welt, unterstreicht die aktuelle Bedeutung der multinationalen Zusammenarbeit. Die Förderung der Interoperabilität europäischer Streitkräfte ist somit im Interesse aller EU-Staaten. Dazu braucht es eine intensive Zusammenarbeit mit regelmäßigen Übungen – die MLF bietet beides.

Oberst Volkmar Ertl; Beobachteroffizier beim Hauptquartier MLF.

 

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