- Veröffentlichungsdatum : 21.01.2021
- – Letztes Update : 20.01.2021
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Eine Schweizer Armee für alle
Die Schweizer Armee ist nach dem Milizprinzip organisiert. Die Zielgröße von 140.000 Personen für die Armee und die demografische Entwicklung stellt die Rekrutierung vor eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Ob allgemeiner Bürgerdienst oder Wehrdienst für Ausländer, es besteht kein Diskussionsverbot. Das betont auch der Schweizer Armeechef: „Für alle, die einen Beitrag für die Sicherheit der Schweiz leisten wollen, gibt es in der Armee einen Platz.“
„Mein Ziel ist eine Schweizer Armee für alle“, sagte der Schweizer Armeechef, Korpskommandant Thomas Süssli, am 25. Juni 2020 gegenüber der „Berner Zeitung“ und rührte dabei zugleich an einem Tabu, dem Militärdienst für Ausländer. Wenige Tage zuvor hatte Süssli vor einem massiven Personalmangel in der Schweizer Armee gewarnt. Demnach verlieren die Streitkräfte jedes Jahr ein paar Tausend junge Menschen, was noch in diesem Jahrzehnt zu einem größeren Ressourcenproblem führen könnte. Gegenüber der Zeitung „Blick“ führte Süssli aus: „Am Ende des Jahrzehntes werden uns rund ein Viertel der Bestände fehlen. Es braucht deshalb eine Diskussion über die Fähigkeiten der Armee.“ Falls die Schweiz die gleiche Armee wie heute haben möchte, brauchen die Streitkräfte mehr Personal. Demnach würden der Armee bis 2030 rund 30.000 Soldaten fehlen. „Das Nein des Parlaments zu einem geänderten Zivildienstgesetz stellt uns vor eine neue Situation. Aber wie bereits vorher geplant will der Bundesrat noch dieses Jahr in einem Bericht mögliche Maßnahmen für Zivilschutz und Armee aufzeigen“, räumt Süssli ein. Zum Vergleich: 2008 gab es in der Schweiz 1.632 Zivildiener (damals mit Gewissensprüfung, die 2019 abgeschafft wurde), 2017 bereits 6.785.
Wehrdienst versus Zivildienst
2018 schlug der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG), Oberst im Generalstab Stefan Holenstein, Alarm: „Das Schweizer Erfolgsmodell ist in akuten Nöten.“ Deshalb richtete er an die Verantwortlichen den Appell: „Die konsequente Durchsetzung der bedrohlich unterwanderten allgemeinen Wehrpflicht (...) ist eine vordringliche Aufgabe der Politik. Sonst misslingt das laufende Reformprojekt Weiterentwicklung der Armee (WEA) gründlich.“ Für die SOG gilt, das Milizprinzip dadurch zu stärken, dass mehr Frauen für die Armee begeistert werden. Die Gründe für diese Personalentwicklung sieht der Chef der Armee unter anderem darin, dass sich viele entscheiden, vor der Rekrutenschule (Grundausbildung) in den Zivildienst zu gehen. Andere wollen zwar in die Rekrutenschule, werden aber aus medizinischen Gründen nicht genommen. Zudem wechseln auch Abgänger der Rekrutenschule in den Zivildienst, häufig wegen der besseren Vereinbarkeit mit dem Beruf. Tatsächlich geht es den meisten Zivildienern vorwiegend um die individuelle Planung und um die persönliche Freiheit. Es gibt andere Stimmen, wie etwa die des Juristen Samuel Werenfels, der 25 Jahre lang die Vollzugsstelle für den Zivildienst – heute ein Bundesamt – aufgebaut und geleitet hat. In der „Neuen Zürcher Zeitung (NZZ)“ sagte Werenfels, der sich als „Freund der Armee“ versteht, ihn störe vor allem, dass der Zivildienst zum Sündenbock für eine laut Bundesrat „mittelbar nicht auszuschließende Gefährdung der Alimentierung (Mittelzuweisung; Anm.) der Armee gemacht wird“. In dieser Formulierung stecke die Botschaft des Bundesrates: „Die Armee hat derzeit kein Bestandsproblem“. Dass die Armee bei der Alimentierung bestimmter Truppenkörper, Stäbe und Kader Schwierigkeiten hat, stellt Werenfels nicht in Abrede. Doch sei dies primär ein Verteilungsproblem innerhalb des Militärs und nicht einem Personalmangel geschuldet.
Demografie und Frauen
Die Demografie spielt der Armee derzeit noch in die Hände. Laut Bundesamt für Statistik steigt ab 2023 die zuvor jahrelang gesunkene Zahl der 20-jährigen Männer wieder an. Dadurch vergrößert sich der Pool der potenziellen Soldaten. Der Abgang der jährlich rund 6 500 Zivildiener sei also durchaus verkraftbar, bilanziert Werenfels, zumal die Zulassungszahlen zum Zivildienst sinken. Diese gingen 2018 um 8,5 Prozent und 2019 bis in den Herbst nochmals um rund vier Prozent zurück. Besonders stark rückläufig war die Anzahl der Gesuche von Soldaten, welche die Rekrutenschule vollendet hatten. Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) bestreitet die Zahlen von Werenfels nicht. Er hält aber daran fest, dass Abgänge in dieser Größenordnung den Bestand der Armee gefährden. Der Armeechef ist überzeugt, dass die Armee attraktiv ist. Süssli: „Uns muss es aber gelingen, den Sinn der Armee wieder besser zu vermitteln: Wir wollen jedem und jeder erklären, was sie hier für die Sicherheit der Schweiz tun.“ Und Süssli weiter: „Die Armee macht heute schon vieles für Frauen. Es fehlt aber eine Gesamtstrategie. Diese wird jetzt erarbeitet. Dabei beschränken wir uns nicht nur auf den Gender-Aspekt. Es ist falsch, Frauen nur als Lösung für das Bestandsproblem zu sehen. Wir erleben Frauen in der Armee als speziell motiviert und engagiert. Oft bringen sie auch neue Denkweisen ein. Unsere Vision ist ein Frauenanteil von zehn Prozent bis 2030. Bei der Friedenstruppe Swisscoy im Kosovo beträgt der Frauenanteil jetzt schon rund 20 Prozent. Die Erfahrungen sind super. Seit 2010 stieg der Frauenanteil in der Schweizer Armee aber nur von 0,5 auf 0,8 Prozent.“ Für alle, die einen Beitrag für die Sicherheit der Schweiz leisten wollen, soll es in Zukunft einen Platz in der Armee geben. Dabei soll weder die Religion noch das Geschlecht eine Rolle spielen. Es geht um Vielfalt. Ein Cybersoldat muss physisch nicht die gleichen Anforderungen erfüllen wie ein Infanterist.
Wehrdienst für Ausländer
Auf die Frage, ob „alle“ ebenfalls Ausländer einschließe, antwortete Süssli: „Voraussetzung für den Militärdienst ist das Schweizer Bürgerrecht. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir längerfristig auch das prüfen werden. Momentan ist es aber kein Thema.“ Dagegen erhoben sich kritische Stimmen. So kommentierte Georg Hasler in der „NZZ“ vom 27. Juni 2020: „Armeechef zündelt mit dem Zeitgeist“. Hasler führte unter anderem aus: „Der Dienst in der Armee bedeutet den höchstmöglichen persönlichen Einsatz zugunsten der Willensnation Schweiz. Das Bürgerrecht im Sinne einer Mitgliedschaft ist dafür eine Grundbedingung. Armeeangehörige ohne Schweizer Pass widersprechen dem grundlegenden Prinzip vom Bürger in Uniform. (…) Entscheidend ist die Frage des Gewaltmonopols. Wer als Soldatin oder Soldat eine Waffe trägt, braucht den Schweizer Pass. Die Bürger in Uniform sichern letztlich die demokratische Kontrolle der Armee.“ Alt-Bundesrat Rudolf Friedrich brachte in der „NZZ“ am 5./6. September 1981 die „Philosophie“ der militärischen Landesverteidigung in der Schweiz auf den Punkt: „Wer für unsere militärische Landesverteidigung eintritt, tut es (...) nicht aus Freude an Gewalt, aus ,Militarismus', aus Lust am Krieg oder dergleichen, wie es gelegentlich dargestellt wird, sondern aus der nüchternen Einsicht heraus, dass Landesverteidigung unter den gegebenen Umständen dieser unvollkommenen Welt ein unerlässliches Mittel zur Wahrung des Friedens in Freiheit und Unabhängigkeit ist.“
Milizprinzip
Die Schweizer Armee ist nach dem Milizprinzip organisiert. Sie beruht auf dem Grundsatz der Militärdienstpflicht für alle Schweizer Bürger. Schweizerinnen können sich freiwillig zum Militärdienst melden. Die Militärdienstpflicht beginnt mit der Aufnahme in die Militärkontrolle am Anfang des Jahres, in dem die Militärdienstpflichtigen das 18. Lebensjahr vollenden und dauert bis zur Entlassung. Die Entlassung erfolgt gemäß dem militärischen Status des Militärdienstpflichtigen, frühestens am Ende des zehnten Kalenderjahres, das auf die Beförderung zum Soldaten folgt (betrifft die Angehörigen mit Mannschaftsgraden und einen Teil der Unteroffiziere) und spätestens am Ende des Jahres, in dem das 50. Lebensjahr vollendet wird (betrifft Spezialisten und Stabsoffiziere). Ausnahmsweise dauert die Militärdienstpflicht für Angehörige der Armee (Dienstgrad Soldat bis Oberwachtmeister), die ihre Ausbildungspflicht ohne Unterbrechung erfüllen („Durchdienende“) bis zum Ende des siebenten Kalenderjahres, das auf die Beförderung zum Soldaten folgt. Angehörige der Armee mit Mannschaftsdienstgraden (Soldaten und Gefreite), die ihre Rekrutenschule nach dem 1. Jänner 2018 absolviert haben, leisten während der Dauer der Militärdienstpflicht längstens drei Tage Rekrutierung, 124 Tage Rekrutenschule, sechs Wiederholungskurse (Waffenübungen; Anm.) zu 19 Tagen sowie vier Tage für Vorbereitungs- und Entlassungsarbeiten. Erbringen sie andere, längere oder kürzere Dienstleistungen, so beträgt die Gesamtdienstleistungspflicht 245 Diensttage und für Grenadiere 280 Diensttage. Subalternoffiziere (Leutnant und Oberleutnant) leisten 680 Tage Ausbildungsdienst.
Stabsadjutanten, Hauptadjutanten, Chefadjutanten, Hauptleute und Stabsoffiziere, für die Folgendes zutrifft, leisten nachstehenden Ausbildungsdienst:
- Es ist keine Weiterausbildung zu einem höheren Grad vorgesehen: Ab ihrer letzten Beförderung höchstens 240 Tage; nach 120 Tagen Ausbildungsdienst kann von einem Aufgebot abgesehen werden.
- Es ist eine Weiterausbildung für die Übernahme einer neuen Funktion in demselben Grad vorgesehen: Ab Übernahme der neuen Funktion höchstens 240 Tage; nach 120 Tagen Ausbildungsdienst kann von einem Aufgebot abgesehen werden.
Rekurtenschule
Die Grundausbildung in der Schweizer Armee wird als Rekrutenschule bezeichnet. Sie wird von allen Dienstleistenden absolviert und dauert 18 Wochen, für Spezialfunktionen wie Grenadiere und Fallschirmaufklärer 23 Wochen. Sie verläuft in drei Phasen:
- Allgemeine Grundausbildung (drei bis sieben Wochen);
- Funktionsbezogene Grundausbildung (zwei bis drei Wochen);
- Verbandsausbildung (fünf bis acht Wochen).
Etwa 60 Prozent der Stellungspflichtigen sind diensttauglich und damit militärdienstpflichtig. Die „Dienstuntauglichen“ können als „Schutzdiensttauglich“ eingestuft werden und leisten Dienst im Zivilschutz. Das ist etwa die Hälfte der Untauglichen. Ihre Dienstzeit wird auf die „Wehrpflichtersatzabgabe“ angerechnet. Denn wer keinen Wehrdienst ableistet, hat – mit Ausnahme von Invaliden – eine jährliche Wehrpflichtersatzabgabe in der Höhe von drei Prozent des steuerpflichtigen Einkommens zu leisten.
Zivildienst
Seit dem Jahre 1992 sieht die Bundesverfassung der Schweiz anstelle des Militärdienstes einen zivilen Ersatzdienst vor. 1996 trat das Zivildienstgesetz in Kraft. Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 30. April 2009 hat der Bundesrat am 14. November 2012 entschieden, dass das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport dienstwilligen Schweizer Bürgern, die eigentlich untauglich für den Militär- und Zivilschutzdienst erklärt werden müssten, ab dem 1. Jänner 2013 eine Militärdienstleistung ermöglichen soll. Dies aber nur, wenn sie dabei weder ihre noch die Gesundheit anderer Personen gefährden und eine solche Dienstleistung aus medizinischer Sicht möglich ist. Militärdienstpflichtige, die keinen Militärdienst leisten wollen, können jederzeit ein Gesuch für die Zulassung zum zivilen Ersatzdienst einreichen. Wer aber auch den Zivildienst verweigert (Totalverweigerung), wird von den zivilen Strafverfolgungsbehörden verurteilt. Aktuell können Militärdienst- oder Stellungspflichtige ihren Gewissenskonflikt unterstreichen, indem sie ein entsprechendes Formular ausfüllen. Die eineinhalbfache Dienstdauer des (noch) zu leistenden Militärdienstes gilt als Tatbeweis. Zivildiener arbeiten für öffentliche oder gemeinnützige Betriebe und Organisationen im Gesundheits- und Sozialbereich, in der Kulturgütererhaltung, im Umwelt- und Naturschutz, in der Landwirtschaft, im Forstwesen, in der Entwicklungszusammenarbeit und in der Katastrophenhilfe. 2019 wollte der Bundesrat die Zulassung zum Zivildienst erschweren, weil auch er die Bestände der Armee durch die vielen Wechsel zum Zivildienst gefährdet sah. Die Revision des Zivildienstgesetzes scheiterte im Juni 2020 überraschend in der Schlussabstimmung im Nationalrat. Dieser lehnte die Vorlage mit 103 zu 90 Stimmen bei fünf Enthaltungen ab. Der Ständerat dagegen hatte diese mit 33 zu zwölf Stimmen ohne Enthaltungen angenommen. Die Gegner der Vorlage hatten schon länger bemängelt, dass man mit der Gesetzesrevision die Armee und den Zivildienst unnötig gegeneinander ausgespielt hätte. Mit insgesamt acht Maßnahmen wollte der Bundesrat Armeeangehörigen den Wechsel in den Zivildienst erschweren. Einschneidend wären vor allem zwei Maßnahmen gewesen: Zivildienstleistende sollten mindestens 150 Diensttage leisten müssen – egal, ob sie vorher in der Armee waren oder nicht. Zudem hätten sie vor dem Wechsel ein Jahr warten müssen.
Gesamtdienstleistungspflicht für Unteroffiziere
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Bürgerdienst auch für Ausländer
Mit dem Problem der nachhaltigen Sicherung der Alimentierung der Armee hat sich auch die liberale Schweizer Denkfabrik Avenir Suisse auseinandergesetzt, die in der aktuellen Diskussion folgenden Vorschlag machte: „Es wäre zielführender, über eine grundlegende Reform der Wehrpflicht nachzudenken, statt das Problem allein bei der vermeintlich überhöhten Attraktivität des Zivildienstes zu suchen. Gefragt ist eine Reform, die sich stärker an den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft orientiert, das ehrenamtliche Engagement aufwertet und die Armeebestände langfristig zu sichern vermag.“ Um die Milizkultur zu stärken, sei deshalb der Ersatz der heutigen Wehrpflicht durch einen allgemeinen Bürgerdienst zu prüfen. Er sollte Schweizerinnen und Schweizer ebenso einbeziehen wie niedergelassene Ausländer und Ausländerinnen. Ein derartiger Bürgerdienst könnte wahlweise in der Armee, in einem Schutzdienst oder in einer zivilen Tätigkeit wie der Altenpflege, der Feuerwehr oder in einem politischen Amt absolviert werden. Denkbar wäre, die angepeilte Dienstzeit von 200 bis 260 Tagen zwischen dem 20. und dem 45. Lebensjahr zu absolvieren – eventuell sogar bis zum 70. Lebensjahr, um die Bürgeraufgaben zwischen den Generationen besser zu verteilen. Damit würde gleichzeitig die bisher wenig zielführende Abgrenzung zwischen so genannten Zivilisten und Armeeangehörigen überflüssig.
Es geht nicht darum, „die Armee attraktiver zu machen“ oder den Zivildienst gegenüber der Armee abzuwerten, sondern um die Aufwertung verschiedener Aufgaben im Dienst der Schweizer Allgemeinheit. Heute sind junge Schweizer Männer bei der Absolvierung des Armee- beziehungsweise des Zivildienstes im Vergleich zu Frauen und Ausländern benachteiligt. Letztlich würden auch Einrichtungen wie die Armee von komplementären Kompetenzen anderer Dienste profitieren. Bei einer Verdoppelung des Rekrutierungspools würden die spezifischen Qualifikationen des Personals wieder an Bedeutung gewinnen – unabhängig vom Alter und Geschlecht. Ein Dienstmodell, das alle einbeziehen würde sowie unterschiedliche Bürgerdienste der Armee gleichstellt, könnte den Geist eines Schweizer „Bürgerstaates“ neu beleben. Es würde zu mehr Gerechtigkeit beitragen, politische Grabenkämpfe beenden und – nicht zuletzt – die Armeebestände längerfristig sichern.
Einstellung zur Armee
Abschließend soll noch die aktuelle Einstellung der Schweizer Bevölkerung, basierend auf der Studie „Sicherheit 2020“ des Center for Security Studies an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, gezeigt werden. Die Daten der Studie wurden im Jänner 2020 noch vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie in der Schweiz erhoben. Demnach setzt sich die positive Einstellung der Schweizer gegenüber dem Militär auch 2020 fort. 77 Prozent erachten die Armee als notwendig. Im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung sind die 18- bis 29-Jährigen hinsichtlich der Notwendigkeit der Armee skeptischer eingestellt. 63 Prozent von ihnen teilen jedoch die Auffassung, dass die Schweizer Armee notwendig ist. Mit „Zweifel an der Effektivität“ der Schweizer Armee begründen die Befragten 2020 am häufigsten, warum sie die Schweizer Armee für „nicht notwendig“ erachten. Rund ein Drittel der Armeegegner sieht die Notwendigkeit einer Armee aufgrund der günstigen Sicherheits- und Bedrohungslage als nicht gegeben oder ist (30 Prozent) „ganz allgemein gegen eine Armee“. 15 Prozent der Armeekritiker erachten eine Armee aufgrund der Schweizer Neutralität und Unabhängigkeit für nicht notwendig. 2020 befürworten mit 54 Prozent signifikant weniger Schweizer die Milizarmee. Bei der Gruppe der Wehrpflichtigen (18 bis 29 Jahre) hat sich die Zustimmung zur Berufsarmee gegenüber dem Vorjahr (statistisch betrachtet) nicht verändert. Im Jänner 2020 befürworteten 38 Prozent der Befragten die Abschaffung der Wehrpflicht. Was die Zufriedenheit mit der Leistung der Armee anbelangt, wurde diese Wert auf einer Skala von 1 bis 10 abgefragt. Dabei bedeutete 1 „überhaupt nicht zufrieden“ und 10 „sehr zufrieden“. Die durchschnittliche Zufriedenheit liegt bei 6,5. Für 71 Prozent der Befragten ist die Armee gut mit dem Berufsleben vereinbar. Die Aussage: „Wer im Militär weitermacht, erhöht seine Chancen in der Berufswelt“, wird lediglich von 38 Prozent der Befragten geteilt. 30 Prozent der Befragten verbinden mit dem Weitermachen ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. 26 Prozent unterstützen aber die Aussage, dass aufgrund der militärischen Milizkarriere mit Nachteilen im Berufsleben oder auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen sei. 22 Prozent sind der Ansicht, dass die Mehrfachbelastung durch eine militärische Milizkarriere dazu führe, dass die Chancen auf eine berufliche Karriere erheblich sinken.
Auf einen Blick
Das Personal ist die wichtigste Ressource jeder Armee und dessen Bereitstellung eine gesamtstaatliche Aufgabe. Demografische Entwicklungen und Alternativen zum Wehrdienst stellen dabei die wesentlichsten Herausforderungen dar. Um den mittelfristigen Personalbedarf abzudecken, werden neue Ansätze überlegt. Mit einem allgemeinen Bürgerdienst – inklusive der in der Schweiz niedergelassenen ausländischen Staatsbürger – soll nicht nur die Wehrpflicht, sondern auch der Dienst für die Schweizer Allgemeinheit aufgewertet werden.
Hptm aD Prof. Ing. Ernest F. Enzelsberger, MBA (WU Wien); Präsident der Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik in Vorarlberg.