• Veröffentlichungsdatum : 01.12.2022

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"Eine Studie hat bewiesen, dass..."

Kasimir Binder, Laura Plotho

Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie hat wohl jeder diesen Satz schon einmal gehört. Doch was steckt dahinter? Was bedeutet es, wenn eine Studie zu einem gewissen Ergebnis gekommen ist? Ab wann ist etwas „bewiesen“? Kurz: Wie funktioniert Wissenschaft?  

Was ist Wissenschaft?

Unter Wissenschaft versteht man die Gesamtheit des menschlichen Wissens: Erkenntnisse und Erfahrungen, die geprüft, gesammelt und gelehrt werden. Charakteristisch für die Wissenschaft sind Erkenntnisse über Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens. Die Welt wird in Form von Begriffen, Theorien und Hypothesen beschrieben. Wissen wird durch Forschen generiert. Das Überprüfen von Hypothesen durch anerkannte Methoden und bereits veröffentlichte Ergebnisse ist ein wesentlicher Bestandteil der Wissenschaft. Dabei muss das Ergebnis nachvollziehbar und überprüfbar sein. Das Ziel von Wissenschaft ist es, durch Forschung zu Erkenntnissen zu gelangen und diese durch Lehre zu vermitteln. 

Studien beweisen nicht

In der Alltagssprache wird im Zusammenhang mit Wissenschaft oft von Beweisen gesprochen. Doch eine Studie hat nicht den Zweck etwas zu beweisen. Fragen werden aufgrund von Beobachtungen oder Ideen aufgestellt. Diese gilt es systematisch nach dem Falsifikationsprinzip zu widerlegen. Solange dies nicht möglich ist, wird die Theorie vorerst angenommen –  immer mit dem Hintergedanken, dass sie in Zukunft widerlegt werden könnte. Studien beweisen also nichts, sie nehmen lediglich einen Sachverhalt mit Vorbehalt an. 

Eine Studie allein reicht nicht

Um als wissenschaftliche Studie akzeptiert zu werden, müssen strenge Qualitätsstandards erfüllt werden – dennoch können Fehler auftreten. Bekannte Beispiele für Studien mit scheinbar hochbrisanten Erkenntnissen sind etwa der Zusammenhang von Impfungen und Autismus oder das Hören von Mozarts Musik zur Intelligenzsteigerung. Beide Studien haben große Bekanntheit erlangt, weil Scheinzusammenhänge berichtet wurden. In beiden Fällen haben die Forscher ihre Daten massiv verändert, um zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen und berühmt zu werden. Zwar wurden sie ertappt, der Schaden war jedoch längst angerichtet. 

Um solche Probleme zu vermeiden, werden Studien von Experten der jeweiligen Fachrichtung überprüft (Peer-Review) und in der Regel repliziert, also wiederholt. Dabei wird ein möglichst ähnliches Szenario geschaffen, um zu testen, ob die Ergebnisse erneut festgestellt werden können. Als „Goldstandard“, um eine Hypothese als relativ sicher anzunehmen, gelten Meta-Analysen. Dabei werden alle Studien zu einem Thema zusammengefasst und auf ihre Qualität überprüft. Nur die besten werden weiterverwendet und kritisch ausgewertet. Sollte die Hypothese nicht widerlegt werden können, werden die Ergebnisse vorerst angenommen. 

Persönliche Berichte haben höheren emotionalen Wert als Studien

Häufig wird die Aussagekraft von Studien aufgrund persönlicher Erfahrungen infrage gestellt. Während Statistiken und Studien Zahlen liefern, die einen nüchternen Überblick über die gesamte Lage aufzeigen, haben sie häufig wenig emotionalen Wert. Viel stärker wiegen für uns Erfahrungsberichte, bei denen individuelle Schicksale dargestellt werden. Dieser Effekt wird von der Werbeindustrie genutzt, um Spenden zu generieren oder Produkte zu vermarkten. Ein ähnlicher Trend lässt sich im Internet erkennen: Berühmtheiten mit großer Reichweite geben zu aktuellen Themen ihre Meinungen ab. Aufgrund ihrer Bekanntheit besitzen sie einen Vertrauensvorschuss bei der Bevölkerung, die diese Informationen aufnimmt und als Multiplikator weiterverbreitet. Plötzlich kennt jeder jemanden, dem genau dieses Ereignis widerfahren sein soll. Der tatsächliche Fall ist dabei oft aus dem Kontext gerissen oder frei erfunden. Die daraus entstandenen Emotionen haben jedoch ihre Wirkung erzielt und eine Meinung gebildet.

Was bedeutet das?

Nur weil eine Studie interessante Ergebnisse berichtet, bedeutet es noch lange nicht, dass etwas „bewiesen“ wurde. Es bedeutet vielmehr einen neuen Denkanstoß, um zukünftige Forschung in eine andere Richtung lenken zu können. Es bedeutet aber auch, dass man die eigene Meinung kritisch hinterfragen muss. Forschung und Wissenschaft leben von Kritik und Skepsis. Nur weil etwas veröffentlicht wurde, ist es noch lange nicht wahr. Inhalte sind deshalb immer auch kritisch zu prüfen, bevor sie als wahr angenommen werden.


Kasimir Binder, BSc MSc und Laura Plotho, MSc; Militärpsychologen im Heerespsychologischen Dienst.

 

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