• Veröffentlichungsdatum : 07.02.2022
  • – Letztes Update : 16.02.2022

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Einsatz in den Gretischen Bergen

Gerold Keusch

Abschlussübung der Kaderausbildung 4

Vom 5. bis 9. Juli 2021 fand für die Teilnehmer der Kaderausbildung 4 an der Heeresunteroffiziersakademie mit der Abschlussübung der Höhepunkt ihrer Ausbildung statt. Bei einem Stationsbetrieb im Zugs- bzw. Kompanierahmen wurden dabei Verfahren zur Sicherstellung des Einsatzes sowie der Stabsdienst trainiert. Übungsraum waren der Truppenübungsplatz Treffling bei Linz und die Towarek-Schulkaserne in Enns.

Bei der Kaderausbildung 4 (KAusb4), dem ehemaligen Stabsunteroffizierkurs bzw. Stabsunteroffizierslehrgang, werden allgemeine militärische Inhalte vermittelt. Das Ausbildungsziel ist das Führen eines Zuges, wobei Verfahren zur Sicherstellung des Einsatzes (Aufklärung, Erkundung, Marsch, Sicherung, Überwachung) im Vordergrund stehen. Gemäß dem Militärlexikon handelt es sich dabei um „taktische Verfahren, welche durch alle Truppen selbstständig anzuwenden sind und deren Durchführung auch Hauptauftrag einer Truppe oder Waffengattung sein kann.“ Das Beherrschen dieser Verfahren ist somit für Kommandanten aller Funktionen entscheidend, auch weil jeder Soldat im Einsatz zum Ziel von Kampfhandlungen werden kann. 

Der Höhepunkt beinahe jeder militärischen Ausbildung ist die Abschlussübung. Dabei werden die theoretisch und praktisch vermittelten Inhalte in der Praxis angewandt. Die Herausforderung dabei ist es, den Teilnehmern einer Übung möglichst realistische Lagen und Bedingungen zu bieten, aber auch zu berücksichtigen, dass diese noch keine Profis, sondern Auszubildende sind. Für die Abschlussübung der KAusb4 wurde das folgende Ausbildungsziel festgelegt: „Der Lehrgangsteilnehmer kann im Rahmen eines PSO-Szenarios (Peace Supporting Operation; Anm.) als Angehöriger einer Einheit, als eingeteilter Kommandant einer Teileinheit (Halbzugs- bis Zugsebene) sowie als Gefechtsschreibunteroffizier Aufgaben und Aufträge des Kompaniekommandanten und der Stabstrainer unter Anleitung des Lehrpersonals im Wesentlichen richtig und zeitgerecht umsetzen“. 

 

Umsetzung

Die konkrete Umsetzung des Ausbildungszieles der Übung und des Auftrages bzw. der eigenen Absicht der Kompanie gemäß der Lage erfolgt bei einem Stationsbetrieb mit fünf Stationen. Dabei werden ein Bataillonskommando (Station Stabsdienst) und eine Kompanie (Stationen Sicherung, Patrouille, Reserve NTM 10, Reserve NTM 30 und ein Teil der Station Stabsdienst, jedoch im Kompaniekommando) gebildet. Die 14. KAusb4 besteht aus fünf Klassen. Bei der Übung kommen noch etwa zehn Milizsoldaten dazu, wodurch die Klassenzahl auf sechs anwachsen würde. Da es aber nur fünf Stationen gibt, werden die Klassen aufgeteilt, wobei alle Milizsoldaten bei der Station Reserve NTM 30 eingeteilt sind. Diese wechseln nicht, sondern verbleiben die gesamte Übung dort (siehe Kapitel Reserve NTM 30).

Lage und Auftrag

Jede militärische Übung benötigt eine Lage. Diese erklärt den Einsatz im Großen und ist die Basis für die Aufträge der jeweiligen militärischen Ebene. Die Abschlussübung der 14. KAusb4 basiert auf der folgenden Lage im Großen, die den Konflikt beschreibt:

Lage im Großen

Wenige Flugstunden von Europa entfernt befinden sich die Gretischen Berge, in denen das ehemalige Königreich Treffsia liegt. Nach dem Aussterben der Herrscherdynastie zerfiel dieses in die beiden Staaten Orangia und Greenland. Die Staatsgrenze ist wegen ethnischer Orangia-Minderheiten im Grenzgebiet zu Greenland und der dortigen Bodenschätzen strittig. Das führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, wobei die Streitkräfte von Orangia im Dezember 2019 die Grenzregion angriffen und besetzten. Nachdem sich die Front im Februar 2020 festgefahren hatte, kam es zum Einsatz unkonventioneller Mittel (Anschläge, Attentate etc.) in der besetzten Region, wodurch die dortige Situation zu eskalieren drohte.

Die Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft zur Beilegung des Konfliktes führten zu einer UN-Resolution. Darin werden die Konfliktparteien unter anderem zum Ende der Kampfhandlungen und zum Rückzug auf die Grenze vor dem Orangia-Angriff aufgefordert. Zusätzlich wird die internationale Unterstützung beim Neuaufbau der staatlichen Ordnung in Greenland mit dem Implementieren einer bundesstaatlichen Verfassung auf Basis einer Volkszählung vorgeschlagen. Greenland akzeptierte diesen Vorschlag, Orangia lehnte ihn ab. Der UN-Sicherheitsrat setzte daraufhin eine Frist zur Umsetzung der UN-Resolution und ersuchte die NATO zu deren Durchsetzung. 

Nachdem Orangia der UN-Resolution nicht nachkam und die Frist verstreichen ließ, begann der Einsatz der internationalen Koalition aus NATO- und PfP-Staaten im März 2020. In der Phase 1 (März bis September 2020) wurde die Operation „Joint Separation“ der Multinational Force (MFOR) durchgeführt. Dabei fand die Trennung der Konfliktparteien, die Sicherung der Staatsgrenzen und die Etablierung eines sicheren Umfeldes im Konfliktgebiet statt, welche die Grundlage für den weiteren Einsatz der multinationalen Schutztruppe ist. Seit September 2020 läuft die als „Joint Protection“ bezeichnete Peace Keeping-/Peace Building-Operation der nunmehrigen Greenland Interim Force (GIFOR). Ihre Aufgabe ist die Überwachung der UN-Resolution und der Schutz der UN-Übergangsverwaltung sowie sonstiger Organisationen im Einsatzraum.

Die österreichische Bundesregierung beschloss die Entsendung eines Infanteriebataillons für die Operation „Joint Protection“, von Kräften für die anderen UN-Missionen im Raum sowie eine nationale Reserve, die in Österreich bereitgehalten wird. Seit September 2020 ist das österreichische Bataillon vor Ort, wo es unter der Bezeichnung Maneuver Battalion „E“ ein Teil der Multinational Task Force „C“ (Brigade) ist. Einschränkungen für die militärische Einsatzführung gibt es nicht.

Aktuelle Lage

In den vergangenen Wochen kam es vermehrt zu Übergriffen durch Angehörige der Greenland-Bevölkerung auf die Orangia-Enklaven im grenznahen Raum. Dabei wurden diese ausgespäht, die Bewohner bedroht und teilweise erpresst oder anderwärtig unter Druck gesetzt. Radikale Greenland-Kräfte haben mit einer Eskalation der Gewalt gedroht, die Masse der Greenland-Bevölkerung verhält sich jedoch neutral.

Als vermutliche Absicht der Konfliktparteien, die mit Hand- und Faustfeuerwaffen sowie Sprengmitteln bewaffnet sind, wurden folgende Szenarien gegenüber der eigenen Kompanie beurteilt:

  • Radikale Greenland-Kräfte werden unter Vortäuschung einer Unterstützung von GIFOR, ständiger Aufklärung und dem Einschränken der eigenen Bewegungsfreiheit mit trupp- bis gruppenstarken irregulären Kräften Aktionen (z. B. Anschläge) auf die Bevölkerung der Enklave in Treffling durchführen. Zusätzlich ist mit direkten Angriffen auf die Kompanie zu rechnen.
  • Irreguläre Orangia-Kräfte werden nach vorgestaffelter Aufklärung und Unterstützung durch die Trefflinger Bevölkerung mit trupp- bis gruppenstarken Kräften, am Tag entlang von Bewegungslinien, Waffen, Munition und Drogen aus Orangia schmuggeln, um den Aufbau terroristischer Zellen zu unterstützen und die Lage im Einsatzraum zu destabilisieren. Beim Erkennen dieser Aktivitäten ist mit dem Ausweichen und der Flucht dieser Kräfte sowie mit Kampfhandlungen gegenüber GIFOR zu rechnen.

Auftrag/Eigene Absicht der Kompanie 

Der Auftrag der Kompanie ist es, im Verantwortungsbereich Bewegungsfreiheit, Recht und Ordnung sowie ein stabiles Umfeld für die Bevölkerung sicherzustellen. Dazu erhöht sie die Präsenz im grenznahen Raum und arbeitet mit den Bewohnern vor Ort zusammen. Konkret werden jeweils ein Zug für die Bewachung der Enklave Treffling (Schwergewicht der Kompanie), zur Überwachung des Zwischengeländes sowie zwei Züge als Reserve eingesetzt. In der Übungsanlage sind das die vier Stationen Sicherung, Patrouille, Reserve NTM 10 und Reserve NTM 30.

Auf dem Truppenübungsplatz Treffling werden die Stationen Sicherung, Patrouille und die beiden Reserven ausgebildet. Jede Station stellt einen Zug dar, die zu einer Kompanie gehören, die somit aus vier Zügen besteht. Somit wird bei den Stationen, die etwa einen Tag dauern, das praktische Führen einer Teileinheit trainiert. Da nicht jeder Lehrgangsteilnehmer als Zugskommandant eingeteilt werden kann – die Klassen bestehen aus etwa 30 Lehrgangsteilnehmern – werden sie auch als Gruppenkommandanten oder Schützen eingesetzt. Die Station Stabsdienst findet sowohl in Treffling als auch in der Ennser Kaserne statt. Drei Unteroffiziere unterstützen den taktischen Kompaniekommandanten am Gefechtsstand, die restlichen Soldaten der Station bekleiden Funktionen des Bataillonskommandos in Enns. 

 

Station Sicherung

Im Verantwortungsbereich der Kompanie liegt die Enklave Treffling. Die Bewohner dieser Ortschaft gehören zur Orangia-Volksgruppe, die eine Minderheit im Raum ist. Ein Zug hat den Auftrag, diese Enklave zu bewachen und deren Schutz sicherzustellen. Das ist das Schwergewicht des Einsatzes der Kompanie. Um diesen Auftrag durchzuführen, setzt der Zugskommandant je eine Gruppe für den Checkpoint bei der Zufahrt zur Ortschaft, als Streife entlang eines Dammes westlich sowie als Streife östlich und südlich der Enklave und für die Sicherung des Gefechtsstandes ein.

Der erste Zug, der bei dieser Station ist, bezieht die Ortschaft nach erfolgter Aufklärung und Sicherung. Danach beurteilt der eingeteilte Kommandant das Gelände vor Ort, führt sein Führungsverfahren durch, formuliert seinen Entschluss und setzt diesen in die Praxis um. Für diese Tätigkeiten inklusive des Einrichtens und Herstellens der Arbeitsbereitschaft (das Erfüllen des Auftrages) hat er drei Stunden Zeit. Jene Züge, die danach bei dieser Station sind, übernehmen den Einsatz und adaptieren ihn, nachdem sich der jeweilige Kommandant einen Überblick über die Situation verschafft und seine Folgebeurteilungen angestellt hat.

Station Patrouille 

Ein Zug hat den Auftrag, den Verantwortungsbereich der Kompanie zu überwachen und die Bewegungsfreiheit der irregulären Orangia-Kräfte einzuschränken. Dazu führt ein Halbzug eine Patrouille mit zwei „Pinzgauern“ entlang eines vorgegebenen Patrouillenweges durch, wo er gemäß Auftrag Beobachtungshalte einlegt und temporäre Checkpoints errichtet. Der andere Halbzug befindet sich als Reserve am Gefechtsstand der Kompanie und ist dort innerhalb von zehn Minuten marschbereit. Dieses Element ist zusätzlich für die Sicherung des Kompaniegefechtsstandes verantwortlich. Dazu organisiert der Kommandant dieses Halbzuges ein Dienstrad für die Wache und übt das Beziehen der Alarmstellungen. Die restliche Zeit dient dann tatsächlich für die Ruhe der Soldaten, um die Kampfkraft zu erhalten. Das ist eine wesentliche Aufgabe für den Kommandanten jeder Ebene und die Grundlage, um über einen längeren Zeitraum leistungs- und einsatzfähig zu bleiben.

 

Station Reserve NTM 10 

Ein Zug der Kompanie ist als Reserve eingesetzt, die innerhalb von zehn Minuten die Marschbereitschaft herstellen muss (notice to move 10 minutes/NTM 10). Dieser wird bei Bedarf zur Unterstützung des Zuges, der die Enklave bewacht, oder für andere Aufgaben herangezogen. Während der Übung werden die Teilnehmer dieser Station kaum „beübt“ und diese für die Ausbildung genutzt, die sich in zwei Abschnitte teilt, 

  • den Einsatz des Zuges für die Sicherung des Verfügungsraumes, wo er sich in weiterer Folge bereithält, und für
  • die Vorbereitung auf die praktische Abschlussprüfung der 14. KAusb4, die in der Woche nach der Übung stattfindet.

Sicherung des Verfügungsraums

Das Beziehen des Verfügungsraumes erfolgt für die Reserve, nachdem der eingeteilte Zugskommandant den Auftrag von seinem Lehrunteroffizier erhalten hat. Danach beurteilt er das Gelände anhand der Karte und erstellt bzw. erteilt den Befehl zum Beziehen des Verfügungsraumes. Nachdem dieser gewonnen ist, setzt er dort eine Aufklärung ein und bezieht dann den Verfügungsraum, wobei eine Rundumsicherung in Form eines Zugsviereckes eingesetzt wird. 

Danach ist diese taktische Phase beendet, und die Lehrgangsteilnehmer erhalten den Auftrag, das Führungsverfahren zur Sicherung des Verfügungsraumes durchzuführen. Das Ergebnis ist der Einsatz des Zuges mit einem Checkpoint beim Zufahrtsweg, drei Beobachtungstrupps an den Waldrändern und einem Verbindungsspähtrupp (äußere Sicherung) sowie einer Wache bei den Fahrzeugen (innere Sicherung). Beim Einsatz dieser Kräfte ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass alle Teile des Zuges innerhalb von zehn Minuten tatsächlich abmarschbereit sind.

Prüfungsvorbereitung 

Nach diesem Ausbildungsabschnitt erfolgt das Ausarbeiten einer „Hosentaschenlage“ auf Zugsebene, wie sie bei der Prüfung durchgeführt wird. Dabei erhält der Lehrgangsteilnehmer eine Ausgangslage, einen Auftrag und Details zur Durchführung. Damit muss er innerhalb von 15 Minuten die Lage (Gegner, Eigene, Umfeldbedingungen) beurteilen und einen Zugsbefehl erstellen, der mit einer virtuellen Lagekarte präsentiert wird. Bei diesem steht die Durchführung und somit der Einsatz des Zuges (Eigene Absicht, Aufträge an die Gruppen, geplante Einsatzführung) im Fokus. Da sich der Verfügungsraum der Reserve in einem Wald befindet, wird auf ein altes, aber bewährtes Mittel zurückgegriffen – den Geländesandkasten. Anhand dessen präsentieren die Lehrgangsteilnehmer das Ergebnis ihrer „Hosentaschenlage“ und üben damit die Prüfungssituation.

Station Reserve NTM 30

Diese Station dient der Ausbildung der etwa zehn Milizsoldaten und ist grundsätzlich nicht in das „Übungsrad“ eingebunden. Der Schwerpunkt ist das Vermitteln der Themen Säubern (Vorstehtreiben) und Angriff, wobei Teilnehmer der 14. KAusb4 die Milizsoldaten unterstützen bzw. ausbilden. Dabei handelt es sich um jene Lehrgangsteilnehmer, die wegen ihrer Funktionen mit diesen Inhalten besonders vertraut sind und aufgrund ihrer bisherigen Kursleistungen die praktische Ausbildung bereits abgeschlossen haben. Die Reserve NTM 30 wird nur bei zwei Aktionen tatsächlich aktiviert. Das sind jene Übungseinlagen, die die gesamte Kompanie betreffen und bei denen das Vorstehtreiben und der Angriff – die Ausbildungsthemen der Station – durchgeführt werden. Dass Soldaten im Einsatz nicht nur „richtige“ Einsatzaufgaben erfüllen, sondern auch ausgebildet werden, ist nur auf dem ersten Blick ein Widerspruch. Schließlich muss das militärische Handwerk, vor allem während eines Einsatzes, auf hohem Niveau beherrscht werden. Die Soldaten der Organisationselemente müssen wissen, was zu tun ist und wie sie zusammenwirken. Waffen-, Gefechts- oder andere militärische Ausbildungen sind gerade im Einsatz notwendig – dieses Bild vermittelt die Station zusätzlich.

Übungseinlagen

Die Aktionen von Figuranten begleiten die Übung von der ersten bis zur letzten Minute. Ihre Steuerung erfolgt anhand eines Kataloges, wobei sich die Intensität der Einlagen mit der Übungsdauer erhöht. Inhaltlich spannt sich der Bogen von einer Personenkontrolle ohne Verdachtsmomente bis zu Gefechtsaktionen, bei denen die gesamte Kompanie (inklusive der Reserve) zum Einsatz kommt. Konkret gibt es zwei solcher Aktionen, ein Vorstehtreiben und einen Angriff, die zugleich Höhepunkte der Übung sind. Die Masse der Aktionen sind jedoch durch die eingesetzten Elemente (Züge, Gruppen bzw. Trupps) zu lösen und haben eine deutlich niedrigere Intensität.

Vorstehtreiben 

Unter Säubern versteht das Militärlexikon den „Einsatz der Truppe mit dem Zweck, alle Feindkräfte in einem bestimmten Raum zu vernichten“, wobei es ein Kessel- und ein Vorstehtreiben gibt. Das Kesseltreiben ist „eine Gefechtstechnik, um durch konzentrisches Vorgehen der Einschließungskräfte den subkonventionellen Feind zu stellen und zu vernichten“. Im Gegensatz dazu ist das Vorstehtreiben „eine Gefechtstechnik, um durch Vorgehen der Einschließungskräfte den subkonventionellen Feind zu stellen und zu vernichten“.

Bei der Übungseinlage handelt es sich um ein Vorstehtreiben, das wie folgt ausgeführt wird: Am Nachmittag meldet die Patrouille zwei verdächtige Personen (Schmuggler) mit zwei Eseln beim Marterlwald an den Kompaniegefechtsstand. Aufgrund dieser Meldung gibt der Kompaniekommandant den Auftrag an die Patrouille, die weitere Beobachtung in diesem Bereich sicherzustellen und ein Absetzen der Verdächtigen nach Westen zu verhindern. Danach alarmiert er seine gesamten Reserve-Elemente. Aufgrund seines Führungsverfahrens fasst der Kompaniekommandant den Entschluss, den Marterlwald zu durchkämmen (Vorstehtreiben). Dabei setzt er die bereits vor Ort befindliche Patrouille, welche die Beobachtung sicherstellt, einen Zug als Vorstehkraft im Westen und je eine Gruppe im Norden und Süden des Marterlwaldes als Seitensicherung ein. Mit zwei Zügen (Treiberkräfte) durchkämmt er in weiterer Folge den Wald, stellt die verdächtigen Personen mit ihren Tieren und nimmt diese fest. Etwa zweieinhalb Stunden nach ihrem Beginn ist die Gefechtseinlage beendet. Danach rücken die Züge ab, um den Stationsbetrieb weiter durchzuführen.

Das Vorstehtreiben ist eine Standardaufgabe für eine Kompanie, dennoch ist sie in der Praxis schwierig umzusetzen. So muss

  • die Beobachtung auf den Geländeteil mit den Verdächtigen so lückenlos sichergestellt werden, dass sich diese nicht unbemerkt absetzen können,
  • die Reserve der Kompanie alarmiert werden und zum befohlenen Zeitpunkt am festgelegten Sammelort sein, 
  • die Standardaufgabe beim Erstellen und Geben des Befehles möglichst passend auf das konkrete Gelände übertragen werden, was de facto nie möglich ist,
  • der Kompaniebefehl einfach, kurz und dennoch vollständig erteilt und von den Kommandanten der Zwischenebenen bis zu den Schützen im Sinne des Kompaniekommandanten weitergegeben werden,
  • das Beziehen der Ausgangsstellung für das Treiben möglichst unerkannt und rasch erfolgen, 
  • die Verbindung der Treiberkräfte, die in einer Schützenkette mit der Breite von zwei Zügen (geländebedingt bis zu 500 m) vorgehen, auch im dichten Wald aufrechterhalten werden,
  • die Geschwindigkeit so gewählt werden, dass Verdächtige auch erkannt werden, wenn sich diese verstecken,
  • die Schützenkette bei Bedarf angehalten und ausgerichtet werden,
  • eine Gruppe jedes Zuges als Reserve für das Durchsuchen, Festnehmen, Abführen und Bewachen sowie das geländebedingte Verbreitern der Schützenkette zur Verfügung stehen und
  • ein Feuerkampf, aufgrund der Gefahr, eigene Soldaten zu treffen, vermieden werden. 

Angriff 

Der Angriff ist gemäß Militärlexikon „eine Einsatzart der Landstreitkräfte mit dem Zweck, den Gegner zu zerschlagen, zu vernichten und/oder Gelände in Besitz zu nehmen“. Dieser kann aus der Bewegung oder aus der Bereitstellung erfolgen.

Bei der Übungseinlage handelt es sich um einen Angriff aus der Bewegung, der wie folgt ausgeführt wird: Die halbzugsstarke Patrouille wird auf ihrem Weg im Bereich des Sandfangteiches angeschossen. Nach der Meldung an den Kompaniekommandanten alarmiert dieser seine Reserveelemente und setzt die angeschossene Patrouille vor Ort ein, um die Beobachtung auf den Gegner sicherzustellen und diesen zu binden. Nachdem der Kompaniekommandant sein Führungsverfahren abgeschlossen und seinen Entschluss gefasst hat, sowie alle benötigten Elemente im Bereitstellungraum gesammelt sind, erteilt er den Angriffsbefehl und überschreitet mit seinen Soldaten die Ablauflinie. Zunächst gewinnt er den Bereich, wo die Patrouille liegt und verstärkt dieses halbzugsstarke Element mit einem zweiten Halbzug, wodurch dort ein zugsstarkes Unterstützungselement eingesetzt ist. Danach nimmt der Kompaniekommandant in diesem Bereich Einblick ins Gelände, ergänzt seinen Entschluss und erteilt seinen Elementen weitere Aufträge. Schließlich greift er unter Feuerunterstützung mit zwei Zügen entlang des Baches den Gegner beim Sandfangteich an.

Der Angriff ist die komplexeste Gefechtsaufgabe für ein militärisches Organisationselement, vor allem wenn er aus der Bewegung geführt wird. Dabei gilt es,

  • die Stärke des Gegners möglichst genau zu erkennen,
  • diesen rasch, wirkungsvoll und dennoch munitionssparend niederzuhalten, um sein Absetzen zu verhindern,
  • das zusammenhängende Gelände rasch zu beurteilen und – unter Berücksichtigung des Gegners und der Eigenen – rasch einen Entschluss zu fassen,
  • einen einfachen Befehl zu erteilen,
  • die Koordination zwischen Unterstützungs- und Stoßelement (Feuerbereiche, -eröffnung, -verlegung und -einstellung) zu regeln,
  • das Gelände für die eigene Wirkung, Deckung, Beobachtung und Bewegung auszunützen, um die Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld zu erreichen,
  • vor Ort noch einmal Einblick ins Gelände zu nehmen, den Kampfplan anzupassen und letzte Aufträge zu erteilen,
  • den Stoß rasch und wirkungsvoll unter Koordination von Feuer und Bewegung durchzuführen,
  • das Angriffsziel, nachdem es genommen wurde, zu sichern, damit eventuelle Gegenstöße abgewehrt werden können, sowie rasch Munition und Kampfmittel nachzuführen und aufzuteilen,
  • auch wenn das schwierig ist, möglichst wenig eigene und gegnerische Verluste zu haben.

Figuranten 

Möglichst realistische Darstellungen sind ein wesentlicher Bestandteil jedes militärischen Manövers, um dem Ausbildungsgrundsatz der Wirklichkeitsnähe zu entsprechen. Insgesamt stehen für diese Übung etwa 30 Figuranten zur Verfügung. Jene, die die Bevölkerung darstellen, tragen Blauzeug. Die irregulären, gegnerischen Kräfte sind mit dem alten Tarnanzug („Fleckerlteppich“) ausgestattet. Ob diese zu Greenland oder Orangia gehören, zeigen die Ausweise, die sie mitführen. Um Verwechslungen mit dem Leitungs- und Schiedsrichterpersonal auszuschließen, ist die Übungsleitung mit gelben und das Ausbildungspersonal mit weißen Armschleifen bzw. Fahnen gekennzeichnet.

Esel für Schmuggler 

Eine Besonderheit dieser Übung sind die Figuranten der Tragtierstaffel, die mit zwei Eseln und einem Unteroffizier an der Übung teilnehmen. Ihr Auftrag ist es, Schmuggler mit Tieren darzustellen, wodurch ein für Österreich ungewohntes, aber für viele Einsatzräume realistisches Szenario gegeben ist. Auch wenn Teile der Tragtierstaffel vorwiegend für Transportaufgaben im unwegsamen Gelände eingesetzt werden, nehmen sie immer wieder bei Übungen auch als Figuranten teil. 

Die Vorbereitung für eine solche Teilnahme ist aufwändig. So müssen die Tiere für das konkrete Szenario trainiert und dann mit einem Spezialfahrzeug vom Tragtierzentrum Hochfilzen in den Übungsraum transportiert werden. Für das Wohl der Tiere müssen die Futtermittel berechnet und mitgeführt werden. Das gilt auch für anderes Zubehör, wie einen elektrischen Weidezaun oder ein Behelfszelt, die rasch zu errichten sind und den Tieren als „Unterkunft“ dienen. Darüber hinaus müssen Tiere und Gerät nach dem Übungsende erneut verladen, transportiert und in Hochfilzen schließlich entladen und nachbereitet werden. Das ist aber ein normales Prozedere für die Arbeit der Tragtierführer.

Station Stabsdienst/CATT

Neben der praktischen Gefechtsausbildung in Treffling gibt es bei der Übung eine theoretischere Ausbildung in der Ennser Towarek-Kaserne. Diese beinhaltet die Stationen Stabsdienst im Bataillonskommando und Führungssimulator (Combined Arms Tactical Trainer – CATT).

 

Stabsdienst 

Die Ausbildung in Treffling ist als Zugsausbildung innerhalb einer Kompanie organisiert. Diese ist Teil eines Bataillons, das in einem PSO-Szenario eingesetzt ist (siehe Lage im Großen). Da Stabsunteroffiziere auch in Bataillonsstäben eingesetzt werden und der Stabsdienst ein Inhalt der KAusb4 ist, wird dieser bei der Abschlussübung ebenfalls berücksichtigt. Dabei werden eine Meldesammelstelle, die S2- und die S3-Zelle dargestellt.

In der Meldesammelstelle nehmen die Lehrgangsteilnehmer eine Meldung entgegen, lassen diese einlaufen und übergeben sie dem Leiter der Stabsarbeit, der auch Kommandant dieser Station ist. Dieser bearbeitet den nunmehrigen „Geschäftsfall“ und erteilt Aufträge an die Gefechtsschreibunteroffiziere in der S2- und S3-Zelle. Diese aktualisieren die jeweiligen Lagekarten und/oder Listen in ihren Zellen und bearbeiten den Geschäftsfall in ihrem Bereich. Ein wesentlicher Ausbildungsinhalt ist die Dokumentation des Einsatzes des Bataillons. Dazu wird ein Bataillonstagebuch geführt, in dem alle Aktionen des Gegners (hier der Konfliktparteien) und der Eigenen dokumentiert werden.

Drei Unteroffiziere dieser Station bleiben auf dem Truppenübungsplatz Treffling. Sie übernehmen dort die Funktionen: Kommandant Kommandogruppe, Gefechtsschreibunteroffizier und Fernmeldeunteroffizier im Kompaniekommando. Der Fernmeldeunteroffizier ist für die Verbindung innerhalb der Kompanie verantwortlich, der Gefechtsschreibunteroffizier dokumentiert den Einsatz der Kompanie mit dem Kompanietagebuch und der Kommandant Kommandogruppe führt die Lagekarte und organisiert die Sicherung des Gefechtsstandes. 

CATT 

Der Gefechtssimulator CATT bietet die Möglichkeit der Simulation auf der gefechtstechnischen Ebene (Gruppe, Zug und Kompanie). Er ist ein virtuelles Simulationssystem, das aus dem dreidimensionalen Gefechtssimulator „Steel Beasts“ und dem Funksimulator „Comm Net Radio“ besteht. Damit können die Lehrgangsteilnehmer das Führen als Kommandant eines Halbzuges oder Zuges virtuell trainieren. Dieser Simulator bietet damit eine günstige Möglichkeit, um die Tätigkeiten im Gefecht zu schulen, ohne mit einer gesamten Kompanie oder einem Zug verlegen zu müssen. Vor allem in der Anlern- und Festigungsstufe ist der Simulator ein adäquates Ausbildungsmittel. Bei dieser Station wird der Einsatz einer Kompanie des fiktiven Bataillons auf diesem System „gespielt“. 

Komplexe Übung

Die Abschlussübung der KAusb4 ist das Ergebnis einer jahrelangen Evaluation und Adaption der de facto gleichen Übung. Die Lage, die ihr zugrunde liegt, begleitet die Soldaten des Lehrganges vom ersten Gefechtsdienst bis zur Abschlussprüfung. Dieser rote Faden gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, sich in die Lage hineinzuversetzen. Das ist einerseits günstig für eine rasche Arbeitsbereitschaft und angepasste Befehlsgebung, wenn sie als Kommandanten eingesetzt sind. Andererseits wird dadurch „das große Ganze“ ersichtlich und welchen Teil des Einsatzes der jeweilige Zug übernimmt, welche Aufgaben die Kompanie hat und wie das Zusammenwirken ihrer Kräfte stattfindet. 

Der Stabsdienst ermöglicht nicht nur einen Blick in die Tätigkeiten des Bataillonsstabes, sondern auch in das Zusammenwirken der Kompanien des Bataillons innerhalb der Brigade. Damit wird ebenfalls der Blick für „das Ganze“ geschärft und das militärische Allgemeinwissen anhand eines fiktiven – wenngleich aktuellen und realistischen – Szenarios vergrößert. Mit diesem Ansatz dient die Übung nicht nur der Schulung der Lehrgangsteilnehmer, sie ermöglicht auch den Blick „über den Tellerrand“. Somit erhöht sie – wie auch die anderen Inhalte der KAusb4 – sowohl das konkrete und notwendige Wissen, das Stabsunteroffiziere des Bundesheeres benötigen, als auch das militärische Allgemeinwissen. 

Hofrat Gerold Keusch, BA MA; Leiter Online-Medien der Redaktion TRUPPENDIENST

 

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