• Veröffentlichungsdatum : 12.07.2017

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ESA, EDA, EU-Weltraumstrategie, Galileo

Günther Rozenits

Modernes Leben stützt sich im 21. Jahrhundert auf den Weltraum ab. Dieser ist neben Cyber, Meer, Land und Luft ein strategisches Operationsfeld, im Frieden wie im Krieg, aber auch in der Krise. Daher strebt die Europäische Union nach strategischer Autonomie. 

Die gegenseitigen Abhängigkeiten und Vernetzungen, technologisch, wirtschaftlich und politisch, erlauben maximal eine Nicht-Abhängigkeit. Bei der Globalen Strategie der Europäischen Union1 2016 und der Weltraumstrategie für Europa2 2016 wurde das berücksichtigt. Aktuell bearbeiten die Europäische Kommission (EK) und die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) mit den EU-Mitgliedstaaten den Verteidigungsaktionsplan3. Dabei sind Regierungs-Satellitenkommunikation (GOVSATCOM)4, die Nutzung von Galileo mit speziellen Sicherheitsanwendungen sowie satellitengestützte Erdbeobachtung und Kommunikation Themen, welche auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA) und weitere Akteure und Systeme betreffen. Eine Kommunikationsplattform für Weltraumaktivitäten ist die alljährliche Konferenz „European Space Policy“ in Brüssel. In militärischen Weltraumangelegenheiten vertritt die Rüstungsabteilung der Militärvertretung Brüssel die österreichische Position.

Ausgangslage und Bedeutung

Der Weltraum beginnt ab 100 km über der Erdoberfläche, und alle Menschen haben dazu ein geistiges Bild. Galileo ist in Europa als Begriff bekannt, aber die vielfältige Verwendung des Wortes erschwert die Zuordnung. Heute sind Navigationssysteme eine Selbstverständlichkeit für örtliche Veränderungen und Mobiltelefone sind unverzichtbare Kommunikations- und Unterhaltungsmittel. Moderne Einsatz- und Hilfskräfte sowie Streitkräfte können ihre Aufträge ohne Satellitenabstützung nicht mehr erfüllen.

Ältere Menschen verbinden mit Weltraum den ersten Schritt von Neil A. Armstrong auf dem Mond am 21. Juni 1969. Dieser wurde durch US-Präsident John F. Kennedy am 26. Mai 1961 im US Kongress ermöglicht. Vorangegangen waren der sogenannte Sputnik-Schock, der erste Satellit der UdSSR im Oktober 1957 und der erste bemannte Weltraumflug mit Yuri Gagarin vom 12. April 1961. All dies wäre jedoch ohne die Entwicklungen deutscher Ingenieure nicht möglich gewesen.

Denn bereits 1934 gelang es Wernher von Braun und seinen Technikern, Raketen in eine Höhe von 3,5 km zu schießen. Die Nutzung dieser Technik brachte im Zweiten Weltkrieg aber viel Leid. In der Folge wurde Wernher von Braun zum Motor des US-Weltraumprogramms. Sein sowjetisches Pendant war Sergej P. Koroljow. Die bemannte Raumfahrt war und ist der Höhepunkt der Weltraumaktivitäten und bringt nationale Helden wie den Öster­reicher Franz A. Viehböck hervor.

Machtprojektion im Weltraum

Die Entwicklung im Weltraum wurde v. a. von politischen Motiven und der Konfrontation zwischen den beiden Supermächten USA und UdSSR bestimmt und zielte auf militärische Überlegenheit ab. Europa spielte dabei keine Rolle. Die Weltraumnutzung war rein militärisch geprägt. Das Streben nach Vorsprung und Vorherrschaft war und ist ungebrochen, und strategische Autonomie ist ein Handlungsmotiv, das Vorteile auf der Erde bringt.

Dabei spannt sich ein Bogen vom militärischen Einsatz und der zivilen Sicherheit (inkl. Grenzschutz) über die Rettung von Mensch und Tier, die Energieversorgung, die Unterhaltungsindustrie, die Land- und Forstwirtschaft sowie das Fischereiwesen bis hin zur Produktion mit Handel und Transport. Alle haben einen permanenten Informations- und Kommunikationsbedarf.

Die internationale Raumstation (ISS)

Ein positives Beispiel für Weltraumkooperation ist die Internationale Raumstation ISS5 mit großem Nutzen für die Wissenschaft. Der Österreicher Franz A. Viehböck ist einer von bisher 50 europäischen Astronauten. Vom 2. Oktober 1991 an führte er knapp acht Tage in der Raumstation MIR wissenschaftliche Experimente durch.

ESA - Europäische Weltraumorganisation (European Space Agency)

Die ESA ist eine internationale Weltraumorganisation mit Sitz in Paris. Die Gründung trat am 30. Oktober 1980 mit dem Zweck einer besseren Koordinierung der europäischen Raumfahrtaktivitäten in Kraft. Die Zielsetzung war ein gleichberechtigtes, technologisches Auftreten gegenüber den Raumfahrtnationen Sowjet-union und den Vereinigte Staaten. Heute hat die ESA 22 Mitgliedstaaten, beschäftigt etwa 2 250 Personen und verfügt über ein Jahresbudget von ca. 5,25 Mrd. Euro.

ESA-Aktivitäten

Die ESA beschränkt sich auf „ausschließlich friedliche Zwecke“ wie Erforschung der Erde, ihres unmittelbaren Umfeldes, des Sonnensystems und des Universums. Dazu kommen die Entwicklung satellitengestützter Technologien und Dienstleistungen sowie Förderung verschiedener europäischer High-Tech-Industrien. Gemeinsam mit der NASA arbeitet sie am Datenverkehr zwischen Raumfahrzeugen, vornehmlich von Forschungssonden6.

Zukünftig könnte die Erfassung und Beseitigung des anwachsenden Weltraumschrotts Thema werden. Der ESA steht der Raumhafen Kourou in Französisch-Guayana zur Verfügung. Als Hauptträgersysteme verwendet sie die Raketensysteme Ariane 5 (76 aufeinanderfolgende, erfolgreiche Starts), Vega und Sojus. Ab 2020 soll die Ariane 6 verfügbar sein.

ESA und die EU

Zwischen der ESA und der Europäischen Union besteht keine direkte Verbindung. Sie ist eine eigenständige Organisation und nicht die Raumfahrtbehörde der EU. Über den Europäischen Weltraumrat halten beide engen Kontakt. Nur 20 der 22 ESA-Staaten sind gleichzeitig EU-Mitglieder. Kanada, die Schweiz und Norwegen wirken ebenfalls mit.

Kooperationspartner sind nationale Raumfahrtagenturen, allen voran die von Deutschland und Frankreich. Mit Langzeitprogrammen werden Aktivitäten mit gemeinsamer Finanzierung durchgeführt. Beispiele dafür sind die Entwicklung der Antriebsrakete Ariane 6 (Ziel 2020), der Raumtransporter HERMES und das European Columbus Laboratory der ISS.

Galileo - EU-Satellitennavigationssystem

Galileo ist als gemeinsames Projekt von der EU und der ESA Teil der Umsetzung und Entwicklung des Binnenmarktes. Daran wirken zahlreiche Staaten und Partner mit. Die Galileo-Agentur7 befindet sich in Prag und umfasst 120 Personen. Die Entwicklung von Galileo zielte vor allem auf eine zivile Nutzung. Mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juli 2008 zu den Themen Weltraum und Sicherheit soll Galileo als autonomes System auch für Operationen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) Missionen und Operationen zur Verfügung stehen.

Hierzu gibt es ein speziell eingerichtetes Service für Sicherheitsanwendungen. Von Beginn an standen die USA Galileo skeptisch gegenüber. Bedenken bezüglich einer technischen Beeinflussung des NAVSTAR-GPS-Systems wurden ausgeräumt, aber die Implementierung von Galileo wird von der (u. a. technischen) Abhängigkeit der Europäer von den USA und der Abstützung der NATO auf GPS beeinflusst. Galileo basiert auf einer Grundkon­stellation von 30 Satelliten in einer Höhe von etwa 23 260 km (27 Satelliten plus drei betriebsbereite Zusatzsatelliten), die die Erde mit 3,6 km/s in etwa 14 Stunden umkreisen. Dazu kommt ein Netz von Bodenstationen.

Aus den Satellitensignalen kann auf der Erde die eigene Position mit einer Genauigkeit von ungefähr vier Metern bestimmt werden. Bei Verwendung von Zusatzinformationen oder -diensten (z. B. EGNOS) lässt sich die Positionsgenauigkeit in den Zentimeterbereich steigern. Damit übertrifft Galileo das US-System. Bis 2020 werden die Kosten über 5,3 Mrd. Euro betragen. Deutschland ist der größte Geldgeber für das Projekt. Ende 2016 waren bereits 18 Satelliten im All und das System hat eine erste operationelle Phase erreicht. Die nächsten Starts sind für Sommer 2017 und Anfang 2018 geplant.

EDA und Space

In der Europäischen Verteidigungsagentur begleitet die MVB/Rüst unter anderem die Bereiche Regierungs-Satellitenkommunikation (GOVSATCOM), European Military Satellite Navigation Policy, Space-Based Earth-Observation, Geospatial Information to Support Decision Making in Operations.

Bei der Verfügbarmachung von Satellitenkommunikation bzw. Bandbreiten kooperiert Österreich über die EDA mit vierzehn Nationen und sieben Partnern (u. a. militärische Operationen) und erzielt damit wesentliche Einsparungen. Zurzeit arbeiten die EDA und die ESA gemeinsam an der Definition von Schlüsseltechnologien und forschen zum Thema „CBRN and Explosives“8 in Verbindung mit Space.

Fazit

Aus strategischer Sicht ist der Weltraum neben Land, Luft, Meer und Cyber die fünfte Dimension der Kriegführung. Gerade der hybride Kampf und der internationale Terror stützen sich auf die Möglichkeiten des Weltraums und von Cyber ab.

Die EU hat der Bedeutung des Weltraumes in der Globalen Strategie 2016 mit der nachstehenden Feststellung Rechnung getragen. „In space, we will promote the autonomy and security of our space-based services and work on principles for responsible space behaviour, which could lead to the adoption of an international vulnerability code of conduct.“ Zusätzlich wurde von der Europäischen Kommission die Weltraumstrategie für Europa (Space Strategy for Europe) verabschiedet.

Für Weltraumaktivitäten sind langfristig kontinuierlich Finanzmittel notwendig. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Europäische Kommission unterstützen dies nach Kräften, stoßen aber dabei auf Grenzen bei Mitgliedstaaten, die an nationalen Überlegungen festhalten. Hier wären europäische Visionen und vermehrte Innovation von Vorteil. Insgesamt wäre für die praktische Nutzung der europäischen Systeme ein verbindlicher Rahmen zu schaffen, der im täglichen Leben das US-amerikanische GPS-System durch Galileo ersetzt.

Österreich ist im Weltraumsektor mit Forschungsaktivitäten und -beteiligungen bei der ESA und der EDA mit einem innovativen Industriezweig sowie mit dem Europäischen Institut für Weltraumpolitik in Wien9 ein anerkannter Partner. Für junge Menschen ist die europäische Weltraumindustrie ein spannender Wachstumsmarkt und zukunftssicherndes Gebiet. Der Chef der ESA, Johann-Dietrich Wörner, stellt dazu in der „Die Welt“10 2016 fest: „Die Hebelwirkung bei einem Euro für die Raumfahrt ist gleich sechs Euro für die Gesellschaft, in manchen Bereichen sogar 20 Euro.“

OberstdG Ing. MMag. Günther J. Rozenits ist Mitglied der Militärvertretung Brüssel.

Fußnoten

1) A Global Strategy for the European Union´s Foreign And Security Policy – Shared Vision, Common Action: A Stronger Europe; European Union Global Strategy. Juni 2016.

2) Space Strategy for Europe. COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS. EUROPEAN COMMISSION. COM(2016) 705 final, Brussels, 26.10.2016.

3) European Defence Action Plan (EDAP). COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE EUROPEAN COUNCIL, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS. EUROPEAN COMMISSION. COM(2016) 950 final. Brussels, 30.11.2016.

4) EUCO 2017/13. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 20. Dezember 2013. GOVSATCOM ist neben Cyber, Luftbetankung (Air to Air Refueling) und unbemannten Flugsystemen (Drohnen) eine der vier Fähigkeiten, welche vom Europäischen Rat im Dezember 2013 als Schlüsselfähigkeiten beschlossen wurden.

5) International Space Station - ISS. Weltraumkooperation von Europa (v.a. ESA), Kanada, Japan, Russland und USA in einer Höhe von 400 km über dem Boden. Der Hauptbeitrag Europas ist das multifunktionale, wissenschaftliche Labor Columbus sowie unbemannte, automatische Umschlagsysteme.

6) Consultative Committee for Space Data Systems (CCSDS)

7) Agentur für das Europäische Globalen Satellitennavigationsprogrammen - GNSS

8) CBRNe – Chemical, Biological, Radiological, Nuclear and Explosive Threats.

9) European Space Policy Institute - ESPI Die Welt.

10) Raumfahrt - Das hat sich Europa für den Weltraum vorgenommen. Gerd Roth am 04.01.2016.

 

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