Expedition zum Manaslu
Oberleutnant Gerald Schumer, ein Heeresbergführer des Österreichischen Bundesheeres, war Teilnehmer an einer Expedition des Royal Netherlands Marine Corps zum 8.163 Meter hohen Manaslu, dem 7. höchsten Berg der Welt. Ziel aller Teilnehmer war der Erfahrungsgewinn in großen Höhen und unter extremen Temperaturen, da ein möglicher Einsatz in solchen Höhen nicht ausgeschlossen werden kann.
Wie alles begann
Das Royal Netherlands Marine Corps (RNLMC) wurde im Jahr 1665 gegründet. Anlässlich des 350-jährigen Jubiläums plante das RNLMC 2015 einige anspruchsvolle Projekte. Die Alpinisten der niederländischen Royal Marines riefen die Roadmap Mountain Leader (ML) ins Leben. Diese umfasst
- 2015 die Besteigung aller 48 Viertausender der Schweiz
- 2016 die Expedition auf den Manaslu
- 2018 eine Grönlanddurchquerung und
- 2019 eine Nordpoldurchquerung.
Bereits zur Besteigung aller 48 Schweizer Viertausender lud das RNLMC mehrere Nationen, darunter auch Österreich, ein. Dieses Projekt wurde gleichzeitig zur Vorbereitung auf die Manaslu-Expedition genutzt. Zwei österreichische Heeresbergführer und drei britische Mountain Leader hatten sich beworben. Schließlich wurden Oberleutnant Gerald Schumer vom Jägerbataillon 25 und zwei Briten ausgewählt, um an der Manaslu-Expedition teilzunehmen. Die designierten Teilnehmer absolvierten 2015 eine einwöchige Vorbereitung in Andermatt/Schweiz, wo neben der Einweisung in den Ablauf der Expedition und dem Kennenlernen aller Teilnehmer vor allem auf die diversen Arten von Höhenkrankheiten und ihre Behandlungsmethoden eingegangen wurde.
Teilnehmer und Hintergrund der Expedition
Das Royal Netherlands Marine Corps ist ein niederländischer Eliteverband, der innerhalb von 48 Stunden überall auf der Welt eingesetzt werden kann. Das setzt voraus, dass Erfahrungen unter allen möglichen Umfeldbedingungen gesammelt werden müssen. Die Marines müssen daher Übungen im Dschungel und in der Wüste absolviert haben sowie auch im Gebirgskampf ausgebildet sein. Ziele dieser Expedition waren u. a. der Erfahrungsgewinn in großen Höhen und das Durchhalten unter extremen Temperaturen. In den folgenden Jahren stehen, wie oben erwähnt, weitere Projekte unter arktischen Bedingungen an, um den Erfahrungsschatz der Soldaten auf diesem Gebiet zu erweitern.
Aufgrund der Konfliktherde der Gegenwart bzw. der letzten Jahre (siehe Afghanistan oder Kaschmir) ist eine mögliche Einsatzführung unter solchen extremen Bedingungen keinesfalls auszuschließen. Im Konflikt zwischen Indien und Pakistan wurde 1999 bis auf eine Höhe von 5.500 m gekämpft, und auch in Afghanistan sind große Höhen in der Einsatzführung jederzeit zu berücksichtigen.
Die Ausbildung des Royal Netherlands Marine Corps sieht daher einen Mountain Leader 2-Kurs (ML2) vor, der Spezialisten für den Gebirgskampf trainiert. Der ML2 dauert acht Monate und wird durch die Royal Army durchgeführt. Diese Ausbildung bildet den Kern der alpinen Kompetenzen der Royal Marines. Es wird neben alpinistischen Grundtechniken wie Felsklettern bei Tag und Nacht, Eisklettern und Schifahren vor allem auf die langfristige selbstständige Überlebensfähigkeit und die militärische Auftragserfüllung unter extremen klimatischen Bedingungen, wie Fernaufklärung, Wert gelegt. Hierzu finden die einzelnen Ausbildungsabschnitte im Herbst und Winter in Schottland und Norwegen statt.
Es gibt derzeit ca. 40 aktive ML2 im Royal Netherlands Marine Corps. Diese befinden sich hauptsächlich in den Maritime Special Operations Forces (MARSOF), im Marine Training Centre aber auch in den zwei Marine Combat Groups (jeweils bataillonsstark).
Der ML2-Kurs ist Voraussetzung, um den Heeresbergführerkurs (HBF) zu absolvieren. Die Ausbildung zum Heeresbergführer obliegt der Deutschen Bundeswehr. Derzeit gibt es ca. zehn aktive Heeresbergführer im Royal Netherlands Marine Corps.
Vorbereitungen in Kathmandu
Die 26-köpfige Expedition, bestehend aus 23 Niederländern, zwei Briten und einem Österreicher startete am 3. April 2016 in Amsterdam mit einem elfstündigen Flug nach Kathmandu. Eingecheckt im Summit Hotel wurden alle Teilnehmer mit einer traditionellen Purcha (buddhistische Weihe/Zeremonie) begrüßt. Die nächsten Tage wurden genutzt, um medizinische Themen aus der vorangegangenen Ausbildung zu wiederholen und die Teamleistung als Schlüssel zum Erfolg hervorzuheben. Des Weiteren wurden fehlende Ausrüstungsgegenstände und Versorgungsgüter angekauft, die aus praktischen und sicherheitstechnischen Gründen nicht aus den Niederlanden mitgenommen werden konnten (Gaskartuschen, Toilettenpapier etc.) und sechs Sherpas (Träger) in das Expeditionsteam integriert.
Pro Person konnten zwei Duffle Bags (große stabile Reisetasche), ein Rucksack groß und ein Rucksack klein mitgeführt werden. Während des Marsches zum Basislager konnte jedoch nur auf den kleinen Rucksack und ein Duffle Bag zugegriffen werden. Es musste daher vorausschauend gepackt werden. Der Rest wurde getrennt antransportiert.
Marsch zum Basislager
Am 7. April 2016 begann die neunstündige Busreise nach Soti Khola, wobei in Arughat Bazar aufgrund schlechter Straßenverhältnisse auf kleinere geländegängige Busse umgeladen werden musste. Die Unterbringung in Soti Khola sowie entlang der gesamten Marschroute war überraschend komfortabel und erfolgte in Hotels mit Zweibettzimmern.
Frühmorgens am nächsten Tag wurden die Duffle Bags auf Esel verladen. (Die restliche Ausrüstung und Verpflegung war bereits seit Tagen auf dem Marsch.) Insgesamt wurden 120 Esel (bis zu 68 kg Last pro Esel) und 50 Träger (bis zu 30 kg Last pro Träger bei 15 Dollar Verdienst pro Tag) benötigt, um die gesamte Ausrüstung zu verbringen.
In Soti Khola endete die Straße und von dort begann der ungefähr 100 Kilometer lange Fußmarsch zum Basislager. Dieser war in sechs Tagesetappen zu absolvieren. In Samagaon (3 500 m Seehöhe) - letzte Ortschaft unterhalb des Basislagers - wurde eine zweitägige Akklimatisationspause eingelegt, um in den folgenden Tagen hauptsächlich durch Träger und Tragtiere aus der Umgebung Ausrüstung und Gerät ins Basislager verbringen zu lassen. Für diese letzte Etappe bis zum Basislager kosteten Träger bereits 25 Dollar pro Tag bei einer Tragleistung von 30 kg pro Träger. Am 15. April 2016 erreichten die Teilnehmer der Expedition das Basislager (4.800 m) für die Manaslu-Besteigung, das noch innerhalb desselben Tages errichtet wurde. Jeder Bergsteiger hatte sein eigenes Zelt. Außerdem wurden ein Küchenzelt, ein Mannschaftszelt zur Verpflegungseinnahme, ein Stabszelt, zwei Lagerzelte sowie zwei Dusch- und zwei Toilettenzelte aufgestellt. Im Basislager kochten täglich sechs Nepalesen bis zu dreimal frisches Essen. Hierzu wurden jeden Tag ein bis zwei Träger nach Samagaon geschickt, um frische Lebensmittel zu holen. Fleisch konnte jedoch keines verzehrt werden, da es in Samagaon aus religiösen Gründen untersagt ist, Tiere zu schlachten solange sich Personen auf dem Berg befinden.
Aufgrund des gravierenden Höhenunterschiedes von Samagaon zum Basislager (1.300 Höhenmeter) und des raschen Lageraufbaues bekamen einige Expeditionsteilnehmer die Höhenkrankheit mit Symptomen wie Schwindelgefühl, Kopfschmerzen und Übelkeit. Da sich bei einem Teammitglied die Symptome nicht besserten, wurde er mit einem ihn begleitenden Kameraden in ein Zwischenlager auf knapp über 4.000 m geschickt, um sich dort zu regenerieren. Außerdem konnten zwei Personen aufgrund von Magen-Darm-Problemen erst einige Tage verspätet in das Basislager aufsteigen.
Die Expeditionsteilnehmer wurden bereits im Dezember 2015 in der Schweiz in Teams eingeteilt: zwei Gipfelteams zu je zehn Mann und je sechs Stabsmitglieder, bestehend aus dem Expeditionsleiter, einem Regimental Sergeant Major (RSM), der zugleich auch stellvertretender Expeditionsleiter war, einem Offizier für Öffentlichkeitsarbeit, einem S6-Offizier, einem Expeditionsarzt und einem Fotografen. Die Teams arbeiteten Hand in Hand auf dem Berg, während der Stab den niederländischen Expeditionsleiter, Captain Christian Boumeester, im Basislager unterstützte.
Um mit dem eigentlichen Aufstieg vom Basislager auf den Berg beginnen zu können, musste noch eine weitere Purcha abgehalten werden, um die Geister des Berges wohlgesonnen zu stimmen und die Expeditionsteilnehmer zu schützen. Die Sherpas bestanden auf dieser Tradition, was allerdings eine viertägige Verzögerung des Aufstieges mit sich brachte, da auf den Lama (Geistlicher der Sherpas) gewartet werden musste. Diese Zeit war jedoch günstig für die weitere Akklimatisation und notwendige Detailplanungen.
Basislager
Besteigungsplan und Sicherheitsaspekt
Der Plan sah die Errichtung von Hochlagern auf 5.800, 6.400, 6.800 und auf 7.400 m vor, die Versicherung von schwierigem und vergletschertem Gelände mit Fixseilen und Aluleitern und die Verbringung von Sauerstoffflaschen für den Gipfelsturm. Für die Sicherheit der Expeditionsdurchführung wurden außerdem Sauerstoffreserven und dazugehörige Masken auf allen Lagern sowie ein Gamowbag - mobile Druckkammer zum Simulieren niedrigerer Höhen - im Lager 2 für medizinische Notfälle bereitgehalten. Zusätzlich sollten während der gesamten Durchführung immer wieder Teams in den verschiedenen Lagern im Anlassfall zur Bergung von Personen bereitgehalten werden. Ebenfalls standen Hubschrauberunternehmen bereit, um Rettungs- und Bergemaßnahmen bis auf eine Höhe von maximal 6.500 m durchzuführen.
Durch die Anwendung des Buddy-Systems waren zwei Personen während der gesamten Expedition füreinander verantwortlich. Es wurden kleine Notfallhandbücher ausgegeben, die neben den wichtigsten Höhenkrankheiten und ihren Symptomen auch eine Tabelle enthielten, die nach dem Lake Luise-Symptom Score täglich mit dem Buddy auszufüllen war.
Errichten der Hochlager und Einrichten der Fixseile
Am 20. April 2016 um 0600 Uhr stiegen beide Teams mit den sechs Sherpas zum Lager 1 auf. Ein Vorkommando errichtete die nötigen Fixseile (fest im Fels oder Eis verankertes Seil zur Sicherung der Bergsteiger) im Steilaufschwung unterhalb von Lager 1. Es wurden Zelte, Schlafsäcke, Unterlagsmatten, Fixseile, Verankerungen, Karabiner etc. verbracht, um die Voraussetzungen für das Errichten von Lager 1 und zumindest von Lager 2 zu schaffen. Die Rucksäcke mit einem Gewicht von ungefähr 20 kg für die Teammitglieder und bis zu 30 kg für die Sherpas machten den Marsch auf diese Höhe äußerst anstrengend, obwohl die gefrorene Schneedecke in den Morgenstunden den Aufstieg erheblich erleichterte. Bis zum 24. April schneite es vermehrt, was die Lawinengefahr ernstlich steigerte. Deshalb war ein Aufstieg in Richtung Lager 2 nicht möglich. Bereits Tage zuvor konnten rund um das Basislager und auch um Lager 1 mehrmals täglich Lawinenabgänge und Eisstürze beobachtet werden. Diese häuften sich mit den zunehmenden Neuschneemengen erheblich. So fanden sich am Abend des 24. April alle Expeditionsteams wieder im Basislager ein.
Der Expeditionsstab stützte sich auf verschiedene Wetterdienste; vorrangig auf die niederländische militärische Wetterstelle, die Joint Meteorological Group, in Woensdrecht. Zusätzlich wurden lokale Wetterdienste abgefragt. Der Innsbrucker Meteorologe Dr. Karl Gabl detaillierte die Wettervorhersagen für das Team. Da die Technik für Wetterprognosen in Nepal allgemein noch rückständig ist und daher von Wetterdiensten nur überregionale Wetterentwicklungen anhand der Wetterkarten gedeutet werden können, unterschied sich das lokal wahrgenommene Wetter oft deutlich vom Vorhergesagten. Dieser Umstand machte längerfristige Planungen sehr schwierig.
Lager 1
Erster Gipfelversuch
Anfang Mai war eine Schlechtwetterphase vorhergesagt. Daher drängte der Expeditionsleiter auf eine rasche Besteigung und präsentierte den aktuellen Besteigungsplan, der vorsah, vier Teammitglieder und zwei Sherpas bis zum 2. Mai auf den Gipfel zu bringen. Wegen des schlechten Wetters konnte allerdings erst am 26. April wieder ein Team nach Lager 1 aufsteigen, um am nächsten Tag Fixseile bis zum Lager 2 einzurichten. Aufgrund der Wetterkapriolen wurde der Aufstiegsplan immer wieder adaptiert beziehungsweise optimiert. Heraus kam letztendlich, dass nur ein Gipfelteam, bestehend aus sechs Teammitgliedern und sechs Sherpas, den Angriff auf den Gipfel wagen sollte. Der Rest der Crew wurde in Unterstützungsteams eingeteilt. Lager 2 sollte vollständig, aber höher errichtet werden, Lager 3 nur temporär und Lager 4 behelfsmäßig durch das Gipfelteam mit zwei 3-Mann-Zelten, zwei Schlafsäcken und drei Rollmatten pro Zelt.
In der Nacht von 27. auf 28. April fielen 70 cm Schnee. Folglich konnte weder ein Aufstieg zum Lager 1 noch ein Fortschritt Richtung Lager 2 gewagt werden. Die Teams blieben im Basislager. Erst am Morgen des 29. April spurten ein Unterstützungsteam und das Gipfelteam nach Lager 1. Lager 2 und Fixseile dorthin konnten ebenfalls aufgebaut werden. Am nächsten Tag musste neuerlich durch das Unterstützungsteam im knietiefen Schnee bis Lager 2 gespurt werden. Sich verschlechternde Sichtverhältnisse und beginnender Schneefall zwangen das Unterstützungsteam allerdings zur Umkehr. Das Gipfelteam, das einige Stunden später startete, fand wieder bessere Verhältnisse vor und marschierte weiter bis zum Lager 2, wo es nach kurzer Rast weiter Richtung Lager 3 ging.
Am Abend des nächsten Tages (30. April) erreichte das Gipfelteam Lager 3. Um Mitternacht setzte es den Marsch Richtung Lager 4 fort. Schwierige Verhältnisse verlangsamten das weitere Einrichten der Fixseile. Schlechte Sicht machte eine Beobachtung des Gipfelteams vom Basislager aus unmöglich. In den Morgenstunden des 2. Mai meldete das Gipfelteam, beim Lager 4 angekommen zu sein. Als die Beobachtung durch die Expeditionsteilnehmer vom Basislager aus wieder möglich war, erkannte man jedoch, dass sich das Gipfelteam knapp oberhalb vom Lager 3 befand. Ein erfolgreicher Gipfelsturm bis zum Abend war unmöglich. Die schlechte Sicht verhinderte die notwendige Orientierung des Gipfelteams. Der Expeditionsleiter befahl daher den Abbruch der Aktion, die Umkehr des Gipfelteams zum Lager 2 und die Rückkehr der Unterstützungsteams in das Basislager. Das angekündigte Schlechtwetter blieb bis auf leichte Schneefälle aber aus.
Das Expeditionsteam zog aus dem bisherigen Versuch und den Wettervorhersagen für einen weiteren Aufstieg folgende Lehren:
- Das Wetter ist vermehrt kurzfristig zu beurteilen
- Die Wetterprognosen müssen mit der Realität vor Ort verglichen werden
Aus diesen Erkenntnissen wurde der Plan für den zweiten Versuch entwickelt. Die Teams rasteten sich im Basislager aus, um neue Kräfte zu sammeln.
Zweiter Gipfelversuch
Am 5. Mai 2016 startete ein neuerlicher Gipfelversuch. In das Gipfelteam wurde ein siebenter Niederländer aufgenommen, und dafür die Anzahl der Sherpas auf vorerst vier reduziert. Diese bestanden darauf, dass die Anzahl der Personen am Gipfel ungerade sein müsse, da eine gerade Anzahl Unglück bringen würde. Außerdem wurden zwei Unterstützungsteams gebildet. Das Unterstützungsteam 1 (mit Oberleutnant Gerald Schumer) musste an diesem Tag vom Basislager bis zum Lager 1 aufsteigen, dort Fixseile, Verankerungen und Sauerstoffflaschen aufnehmen und nach Lager 2 verbringen. Das Gipfelteam und das Unterstützungsteam 2 stiegen ebenfalls zum Lager 1 auf, um neuerlich Zelte zu errichten, da diese aufgrund des erwarteten Schlechtwetters bis auf eines abgebaut worden waren.
Im Lager 1 klagten Personen von beiden Unterstützungsteams über Müdigkeit, Antriebslosigkeit und teilweise Schwindelgefühl. An einen weiteren Aufstieg der Betroffenen war nicht mehr zu denken. Daher reduzierte sich das Unterstützungsteam 1 von sechs auf vier Mitglieder und drei Sherpas. Die unter Höhenkrankheit leidenden Personen mussten zum Basislager absteigen. Wegen der verminderten Zahl an Personen für den weiteren Aufstieg mussten auch einige Rollen Fixseile (à sieben kg) zurückgelassen werden. Die harte Arbeit in der großen Höhe forderte ihren Tribut.
Am nächsten Morgen, dem 6. Mai, brach das Unterstützungsteam 1 von Lager 2 durch knietiefen Neuschnee Richtung Lager 3 (6.800 m) auf. Zwei Personen litten erneut stark unter der Höhe und fielen während des Marsches immer wieder zurück. Nach Ankunft im Lager 3 waren diese äußerst erschöpft. Sofort wurden sie in eines der errichteten Zelte gebracht, wo sie sich ausruhen konnten. Ein weiteres Zelt musste durch die beiden anderen Teammitglieder im aufkommenden Schneesturm errichtet werden, bevor man sich zur Ruhe begeben konnte. Da sich die zwei Soldaten des Unterstützungsteams 1 über Nacht nicht erholt hatten, stiegen sie am nächsten Tag zum Lager 1 ab, um in weiterer Folge das Basislager zu erreichen.
Das Gipfelteam erreichte am 6. Mai das Lager 2. Das Unterstützungsteam 1 bestand nun nur mehr aus zwei Mitgliedern und drei Sherpas. Dementsprechend musste das Transportgewicht verringert werden, um die Hauptarbeit, das Spuren in der großen Höhe überhaupt schaffen zu können.
Die Sherpas erhielten nun den Auftrag, vorgestaffelt Fixseile zum Lager 4 einzurichten. Schlechte Sicht und leichter Schneefall zwangen aber die Sherpas und das Unterstützungsteam 1, im Spalten- und Sérac-Labyrinth auf 7.000 bis 7.200 m unterhalb des Lagers 4 umzukehren. Ein weiteres Vorgehen in einem Gletscherbruch wäre unter diesen Sichtbedingungen nicht möglich und unverantwortlich gewesen. Man sah oft nur die eigenen Füße und konnte keinen vernünftigen Weg anlegen und in jedem Moment in eine nicht erkannte Spalte stürzen.
Das Unterstützungsteam 1 und ein Sherpa stiegen nach Lager 2 ab, von wo aus sie am nächsten Tag ins Basislager gehen sollten. Das Gipfelteam erreichte Lager 3 mit sieben Mitgliedern und zwei zusätzlichen Sherpas. Ein Sherpa musste bereits Tage zuvor aufgrund von Magen-Darm-Problemen ins Basislager zurückgeschickt werden. Das verminderte Unterstützungsteam 2 verblieb weiterhin im Lager 1.
Gipfelsturm
Der 9. Mai 2016 sollte trotz der Unbill der Vortage der Tag des Erfolges werden. Um 0200 Uhr startete das Gipfelteam den Gewaltmarsch, so dass bereits um 0830 Uhr sieben niederländische Soldaten und drei Sherpas ohne größere Probleme auf dem Gipfel des Manaslu standen - die Mission war erfüllt! Exakt 60 Jahre nach der Erstbesteigung standen die Angehörigen des Gipfelteams auf dem achthöchsten Berg der Welt. Soldaten, keine Extrembergsteiger schafften diese unglaubliche Herausforderung. Um sich möglichst kurz in der Todeszone (oberhalb 7.000 m) aufzuhalten, wurde unverzüglich der Abstieg in das Lager 4 angetreten.
Rückmarsch
Da die Besteigung erfolgreich war, entschied der Expeditionsleiter, sofort mit der Organisation des Abstieges zu beginnen. Das Unterstützungsteam 1 verbrachte bereits erste Ausrüstungsgegenstände von Lager 2 und Lager 1 ins Basislager. Das Gipfelteam brach nach kurzer Rast Lager 4 ab und stieg mit Teilen in das Lager 3 und Lager 2 ab.
Am darauffolgenden Tag wurde die gesamte Mannschaft vom Basislager zum Lager 1 und 2 geschickt, um diese komplett zu räumen und restliches Gerät zurückzubringen. Das Gipfelteam transportierte die Ausrüstung des Lagers 3 zurück ins Basislager. Am 10. Mai 2016 waren schließlich alle Expeditionsteilnehmer zurück im Basislager, so dass am 12. Mai der Rückmarsch über Samagaon nach Kathmandu angetreten werden konnte. Erneut brachten Träger zwei Tage hintereinander Ausrüstung vom Basislager nach Samagaon, wo die gesamte Ausrüstung zuerst zwei Tage lang getrocknet wurde, bevor der kurze aber intensive dreitägige Marsch nach Soti Khola mit Tagesetappen von bis zu 35 km angetreten werden konnte. Diesen Marsch unterschätzte man gewaltig. Obwohl insgesamt nur ca. 2.000 Höhenmeter (hm) abgestiegen wurde, mussten etliche Gegensteigungen bewältigt werden, und noch dazu bei Temperaturen von bis zu über 35° C im Schatten. Der Durchhaltewille der Soldaten wurde ein letztes Mal gefordert. Von Soti Khola aus erreichte das Expeditionsteam mit den Bussen am 17. Mai Kathmandu.
Nachdem der Auftrag, den Manaslu zu bezwingen, bereits über zwei Wochen vor dem eigentlichen Rückflugtermin erledigt war, wurde der Flugtag auf den 24. Mai umgebucht. So blieb allen Expeditionsteilnehmern Zeit, sich noch eine Woche von den anstrengenden Strapazen zu erholen und die Stadt Kathmandu zu erkunden. Am 24. Mai hob der Flieger in die Heimat ab.
Fazit und Benefit für das Bundesheer
Die Planung und Durchführung einer solchen Expedition ist eine gewaltige und verantwortungsvolle Aufgabe. Es müssen dabei zahlreiche Aspekte bedacht und abgedeckt werden. Da dieses Unternehmen im Expeditionsstil durchgeführt wurde (siehe Infobox), war sowohl in der Planung als auch in der Durchführung viel logistische Arbeit zu leisten. Durch den Umfang dieser Expedition war die Koordinierung durch einen Stab unverzichtbar und ein wichtiger Teil der erfolgreichen Mission.
Der Stab koordinierte Materialtransporte vom Basislager aus in die verschiedenen Lager und hatte daher einen guten Überblick über den Materialbestand der Expedition. Auch der Plan der Durchführung und die Zusammenstellung der einzelnen Teams wurden immer wieder durch den Stab in Zusammenarbeit mit den Teamkommandanten neu beurteilt und umgesetzt. Der Expeditionsleiter als außenstehender und objektiver Entscheidungsträger war ein wesentlicher Faktor, der den Erfolg positiv beeinflusste. Wichtige Entscheidungen wurden letztendlich von ihm getroffen.
Die Sicherheit aller Expeditionsteilnehmer war der bedeutendste Aspekt. Eine Besteigung eines 8.000ers birgt immer ein Restrisiko. Die vorangegangene Risikoanalyse durch den Expeditionsstab erkannte mögliche Gefahren und legte erforderliche Gegenmaßnahmen fest. So wurden ungefähr vier Kilometer Fixseile verbaut, Sauerstoff und ein Gamowbag für Notfälle bereitgehalten, das Buddy-System eingeführt, Notfallteams gebildet und eine Vorbereitung in der Schweiz durchgeführt, bei der sich jeder Expeditionsteilnehmer mit medizinischen Problemen und ihrer Behandlung auseinandersetzen musste.
Kaum jemand der Teilnehmer, abgesehen von den Sherpas, hatte Erfahrungen mit 8.000er-Besteigungen - auch nicht der Expeditionsleiter. Durch die militärische Herangehensweise (Führungsverfahren, Beurteilung aller Umweltfaktoren, Risikomanagement, straffe Führung, hierarchische Struktur der Expedition) konnte das Ziel, die Besteigung des Gipfels, ohne größere Friktionen erreicht werden. Das Österreichische Bundesheer wurde aufgrund seiner alpinistischen Kompetenz in das „Mountain Training Initiative“ (MIT-)Projekt eingeladen. Damit konnte einerseits eine Expertise eingebracht und andererseits ein enormer Erfahrungsschatz für zukünftige Projekte im Bundesheer gewonnen werden.
Die Ausbildung zum Heeres-Hochgebirgsspezialisten dauert 10 Wochen, jene zum ehemaligen Heeresbergführergehilfen insgesamt 18 Wochen (inklusive Truppengebirgsausbildung und Ausbildereinsatz bei der Truppengebirgsausbildung). Im Vergleich dazu ist der niederländische Mountain Leader 2 (ML2) mit 8 Ausbildungsmonaten gebirgstechnisch zwischen dem Heeres-Hochgebirgsspezialisten und dem Heeresbergführergehilfen angesiedelt. Bemerkenswert sind die enorme Zähigkeit und Überlebensfähigkeit sowie das militärische Selbstverständnis in der Auftragserfüllung im Gebirge bei Tag und Nacht. Diese Fähigkeitsentwicklung muss Schwergewicht jeder militärischen Gebirgsausbildung sein.
Oberleutnant Mag.(FH) Gerald Schumer; Heeresbergführer, Heeresflugretter und Lawinensprengbefugter, Ausbilder auf qualifizierten Gebirgslehrgängen im Jägerbataillon 25.
Major Mag.(FH) Ulf Remp; Heeresbergführer, Heeresflugretter und Lawinensprengbefugter, Lehrgangskommandant bei qualifizierten Gebirgslehrgängen im Jägerbataillon 25.