- Veröffentlichungsdatum : 29.11.2023
- – Letztes Update : 06.12.2023
- 9 Min -
- 1756 Wörter
- - 7 Bilder
Feldmarschall Svetozar Boroevic de Bojna
Der Verteidiger der Isonzo-Front schaffte ohne Militärakademie den Aufstieg vom Kadettenschüler zum Feldmarschall. Er war im Ersten Weltkrieg der einzige österreichische Feldmarschall mit südslawischer Abstammung. Boroevic de Bojna war ein namenhafter Verteidigungsstratege und Feldherr.
Familiärer Hintergrund und militärischer Anfang
Svetozar Boroevic von Bojna wurde am 13. Dezember 1856 in Umetic bei Castanowitz (heute Hrvatsa Kostajnica, Kroatien; Anm.) im Bereich der kroatischen Militärgrenze als Sohn eines Feldwebels geboren. Heute gehört dieses Gebiet zu Kroatien. Sein Vater Adam war kroatisch-serbischer Abstammung, seine Mutter Stana Kovarbašic war die Tochter eines kroatischen Grenzeroberleutnants. Adam Boroevic trat am 2. November 1845 als Gemeiner in das 2. Banater Grenz-Regiment (Grenzinfanterie Regiment Nr. 11) ein.
Nachdem er die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse verliehen bekam, wurde er im Mai 1849 zum Feldwebel befördert. Zehn Jahre später wurde er Leutnant und schaffte damit den Aufstieg zum Offizier. Der junge Svetozar Boroevic wurde über das militärische Bildungswesen auf eine Militärkarriere vorbereitet. Er trat als Zehnjähriger in das Militär-Obererziehungshaus in Kamenica bei Peterwardein ein und wechselte drei Jahre später nach Güns. Von 1872 bis 1874 besuchte er die Infanteriekadettenschule in Graz-Liebenau. Dort durchlief er die Ränge Korporal ab 1. September 1872, Feldwebel mit 21. Juli 1873, und Kadett ab 1. November 1874.
Der junge Offizier und seine ersten militärischen Erfolge
Im Jänner 1875 wurde er als Kadettfeldwebel zur Truppe ausgemustert. Am 1. Mai erfolgte außer der Reihe die Ernennung zum Leutnant im k.u.k. ungarischen Infanterieregiment Nr. 52 in Graz. Der Ergänzungsbezirk dieses Regimentes war Fünfkirchen (heute Pécs, Ungarn; Anm.). Bei der als Folge des Berliner Kongresses erfolgten Okkupation von Bosnien und Herzegowina 1878 nahm er erfolgreich an den Kämpfen bei Doboj, Žepce, Kakanj, Kolutic, Visoko, Romanija und der Eroberung von Sarajewo teil. Für seine besonderen Leistungen in diesem Feldzug, besonders aber für den Sturm auf Sarajewo, wurde er am 20. Oktober 1878 mit dem Militärverdienstkreuz mit Kriegsdekoration ausgezeichnet. Am 1. Mai 1880 wurde Svetozar Boroevic zum Oberleutnant ernannt. Ab 1. Oktober 1881 besuchte er die Kriegsschule in Wien. Nach deren Abschluss wurde er im November 1883 als Hauptmann des Generalstabs-Corps der 63. Infanteriebrigade zugeteilt. Am 8. Mai 1886 wurde er beim XV. Korps in Sarajewo zum Hauptmann 1. Klasse ernannt. Im Jahr 1887 gab er einen kleinen illustrierten Reiseführer „Durch Bosnien“ heraus. Zwischen 1887 und 1891 war er Lehrer für Taktik, Heeresorganisation und Kriegsgeschichte an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Stabsoffizier, Ehemann und Kommandant im Frieden
Im Jahr 1892 finden wir Svetozar Boroevic als Stabschef der 19. Infanterie-Truppen-Division in Pilsen. Am 1. Mai 1892 wurde er, mittlerweile Stabschef der 18. Infanterie-Truppen-Division in Mostar, zum Major und am 1. Mai 1895, nunmehr in der Militärabteilung des VI. Korps in Kaschau dienstversehend, zum Oberstleutnant ernannt. Nach den verschiedenen Stabsverwendungen übernahm er am 16. April 1896 das 4. Bataillon des k.u.k. Krainer Infanterieregimentes Nr. 17 in Klagenfurt. Der Ergänzungsbezirk dieses Regimentes war Laibach (heute Ljubljana; Anm.). Am 17. Dezember 1897 erfolgte seine Ernennung zum Oberst. Im Jahr 1899 heiratete er Leontine, die Tochter des verstorbenen Oberst Friedrich Ritter von Rosner. Aus dieser Ehe ging der nach seinem Großvater benannte Sohn Friedrich hervor.
Von 1898 bis 1904 war er Generalstabschef beim VIII. Korps in Prag. Am 18. Oktober 1902 wurde er mit dem Orden der Eisernen Krone 3. Klasse ausgezeichnet. Am 22. Februar 1904 übernahm Oberst Svetozar Boroevic das Kommando über die 14. Infanteriebrigade in Peterwardein. Die Ernennung zum Generalmajor erfolgte am 15. Mai 1904 und die Erhebung in den ungarischen Adelsstand mit dem Prädikat de Bojna (kroatisch: Schlacht) ein Jahr darauf. Am 14. April 1907 übernahm er das Kommando über den k.u.k kroatisch-slawonischen VI. Landwehrdistrikt in Agram. Die Ernennung zum Feldmarschallleutnant erfolgte am 8. Mai 1908. Das Ritterkreuz des Österreichisch-Kaiserlichen Leopold-Ordens wurde ihm am 26. September 1909 verliehen.
Im Jahr 1913 wurde ihm am 2. April der Titel Geheimer Rat und am 21. Dezember die Inhaberschaft über das k.u.k. Infanterieregiment von Boroevic Nr. 51 mit dem Ergänzungsbezirk Kolozsvár verliehen. Mit Wirkung vom 28. April 1913 wurde Svetozar Boroevic von Bojna zum General der Infanterie ernannt und ihm das Kommando über das VI. Korps in Kaschau (heute Košice, Slowakei; Anm.) übertragen.
Heerführer in Galizien
Bei der Mobilisierung 1914 war das VI. Korps ein Teil der k.u.k. 4. Armee unter General Moritz Ritter von Auffenberg. Zum VI. Korps gehörten die 15. Infanterie-Truppen-Division in Miskolcz und die 27. in Kaschau. Bei Kriegsbeginn versammelte er sein Korps im galizischen Aufmarschraum zwischen Radymno und Przemysl. Boroevic führte sein Korps im Sommer 1914 in der Schlacht bei Komarów in Galizien. Durch sein zähes Ausharren in den Stellungen nördlich von Tomaszów trug er wesentlich zum Sieg der Armee bei. Anfang September 1914 übertrug ihm Kaiser Franz Joseph I. während der Schlacht um Lemberg das Kommando über die schwer bedrängte k.u.k. 3. Armee, mit welcher er im Winter 1914/15 die Karpatenpässe verteidigte. Der erste Entsatz der von den Russen belagerten Festung Przemysl, im Oktober/November 1914, und die furchtbaren Karpatenkämpfe mit der Osterschlacht 1915, wo das Schicksal der Doppelmonarchie durch einen drohenden Durchbruch an einem seidenen Faden hing, bleiben mit seinem Namen verknüpft. Eine besondere Rolle spielte Boroevic auch in der Anfangsphase der Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnów im Mai 1915.
Seine herausragenden Verdienste wurden durch die Verleihung des Großkreuzes des Ordens der Eisernen Krone am 20. September 1914, des Großkreuzes des Österreichisch-Kaiserlichen Leopold-Ordens am 30. Oktober 1914 und des Militärverdienstkreuzes 1. Klasse mit Kriegsdekoration am 9. Mai 1915 gewürdigt. Als später die Schwerter eingeführt wurden, verlieh man ihm diese im Nachhinein. Nach dem Sieg von Komarów reichte sich Boroevic das erste Mal für die Verleihung des Ritterkreuzes des Militär-Maria-Theresien-Ordens beim Ordenskapitel ein. Seine zweite persönliche Eingabe erfolgte nach den harten Winterkämpfen im November und Dezember 1914.
An der Isonzo-Front
Seine größten Erfolge hatte Boroevic an der Isonzo-Front, der österreichisch-italienischen Grenze in Slowenien. Hier bekam er auch den Ehrennamen „Löwe vom Isonzo“. Ende Mai 1915 übernahm er hier das Kommando über die k.u.k. 5. Armee, die im Mai 1917 in Isonzo-Armee umbenannt wurde.
Zum Zeitpunkt der Kriegserklärung Italiens am 23. Mai 1915 befanden sich im Verteidigungsbereich von Boroevic vom Bergmassiv des Krn in den Julischen Alpen bis zur Mündung des Isonzo nur wenige Bataillone. Nach einer Woche waren es einige Divisionen, denen sieben starke italienische Korps gegenüberstanden. Die italienischen Spitzen hatten die Reichsgrenze bereits überschritten. Es wäre Boroevic zu diesem Zeitpunkt freigestanden, die Ermächtigung des Armeeoberkommandos umzusetzen, die erste Widerstandslinie nicht westlich von Görz und am Isonzo, sondern auf der Karsthochfläche zu beziehen. Er tat es nicht, sondern befahl kurz und bündig: „Die Truppen sollen sich Stellungen bauen, sollen sich Hindernisse vorlegen; sie bleiben dort, wo sie sind.“ Unbestreitbar sind die hohen Verdienste der Truppen, aber auch die Leistungen der Führung.
Am 1. Mai 1916 wurde Boroevic zum Generaloberst ernannt. Im August 1917 führte er die Armeegruppe Boroevic. Während dreier schwerer Jahre machte er elf Isonzo-Schlachten mit und hielt bis auf den Verlust von Görz gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Italiener stand. Die k.u.k. Armee wurde durch diese Schlachten über die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Allein in den 10. und 11. Isonzo-Schlachten, vom 12. Mai bis 5. Juni und vom 17. August bis 12. September 1917, hatten die Österreicher etwa 225.000 Mann als Verluste zu beklagen. Boroevic war überzeugt, dass die nächste italienische Offensive kommen werde und dieser nicht mehr standgehalten werden könne. Folglich galt es, einer solchen Offensive mit deutscher Unterstützung durch eine Angriffsoperation zuvorzukommen. In der 12. Isonzo-Schlacht vom Oktober und dem Vorstoß im November 1917 war die neu gebildete „Heeresgruppe Boroevic“ beim Durchbruch bei Karfreit und den folgenden Verfolgungskämpfen bis an den Piave maßgeblich beteiligt.
Für seine erfolgreiche Führung an der Isonzo-Front wurde er am 29. Juli 1915 mit der bronzenen, am 2. März 1916 mit der silbernen und am 17. Oktober 1916 sowie am 5. November 1917 mit der Großen Militärverdienstmedaille ausgezeichnet. Am 31. Jänner 1918 wurde Boroevic von Kaiser Karl I. zum Feldmarschall ernannt. 1918 führte er in den hartnäckigen Kämpfen am Unterlauf des Piave.
Militär-Maria-Theresien-Orden
Am 2. Juni 1917 wurde Boroevic in Sežana durch Kaiser Karl I., den Großmeister des Militär-Maria-Theresien-Ordens, für seine Leistungen während der 10. Isonzo-Schlacht als erster österreichisch-ungarischer Offizier im Ersten Weltkrieg, direkt ohne Befassung des Ordenskapitels, mit dem Kommandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet. Die Ordenskanzlei nahm daraufhin irrtümlich an, dass durch diese Gefechtsfeldpromotion mit der höheren Stufe die beiden Bewerbungen aus dem Jahr 1914 überholt seien. Diese Anträge von Boroevic blieben folglich weiterhin ungeprüft. Immerhin waren bis dahin schon zweieinhalb Jahre vergangen. Erst in der letzten Sitzung des Ordenskapitels im Jahr 1931 erfolgte die Erledigung, und es wurde dem inzwischen schon elf Jahre toten Feldmarschall für die Schlacht bei Komarów posthum das Ritterkreuz zuerkannt.
Die letzten Kriegstage
Als im Oktober 1918 die ungarischen Truppen ihre Stellungen verließen, nahm er seine Truppen hinter die Livenza und dann bis hinter den Tagliamento zurück. Nach der Waffenstillstandsnachricht zog er sich mit den Resten seiner Truppen nach Velden am Wörthersee zurück. Boroevic bot Kaiser Karl I. an, mit seinen Kräften auf Wien zu marschieren, um dem Kaiser in der Umbruchsituation zu Kriegsende beizustehen. Der Kaiser wies dieses Angebot zurück. Boroevic zeichnete sich stets durch Entschlossenheit, Gelassenheit und Besonnenheit aus. Er zögerte nicht, alle seine verfügbaren Kräfte in den Kampf zu werfen. Durch seine operativen Meisterleistungen erwarb er sich mit seinen Truppen Ruhm und Anerkennung. Als Vorbild für seine Soldaten verzichtete er gänzlich auf Besuche seiner Familie im Frontbereich, und er ging nie auf Urlaub.
Sein einziges Kind, der 1901 geborene Sohn Fritz, befand sich in der Militäroberrealschule zu Marburg in der Steiermark. Er stürzte am 28. September 1918 zur Nachtzeit bei einer Mutprobe durch unglücklichen Zufall in die Drau und ertrank. Sein ihn begleitender Mitzögling schwieg tagelang darüber. Den Feldmarschall traf der Verlust seines einzigen Sohnes überaus hart.
Ende in Armut
Nach der Auflösung des alten Österreichs sagte Feldmarschall Boroevic dem Soldatenberuf ade. Er wollte als gebürtiger Kroate Bürger des neuen Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen werden, was ihm jedoch verwehrt wurde. Die Ehrenbürgerschaften von Laibach und Agram wurden ihm aberkannt. So kehrte er in den Rest des Reiches, das junge Deutsch-Österreich zurück. Er bekam weder von Österreich noch vom neuen Königreich der Südslawen eine Pension. Seine Verdienste auf dem Schlachtfeld bei der Verteidigung der Isonzo-Front wirken seither durch die damalige Grenzziehung zugunsten der Slowenen und Kroaten nach und sind mittlerweile unbestritten. Die einzige Einkommensquelle war der Ehrensold vom Kapitel des Militär-Maria-Theresien-Ordens. Der einst gefeierte Heerführer und Ehrendoktor der Franz-Joseph-Universität Agram (Zagreb) lebte verarmt in Klagenfurt, wo er am Morgen des 23. Mai 1920 an den Folgen eines Schlaganfalles in der Militärschwimmschule starb. Er wurde provisorisch in Klagenfurt beigesetzt. Seine letzte Ruhestätte fand der „Löwe vom Isonzo“ am 26. Oktober 1920 auf dem Wiener Zentralfriedhof. Kaiser Karl I. finanzierte seinem Feldmarschall dessen letzte Ruhestätte.
Oberst i.R. Prof. Erwin Fitz; Militärhistoriker und Landesgeschäftsführer des Österreichischen Schwarzen Kreuzes in Vorarlberg.
Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2023 (393) .