• Veröffentlichungsdatum : 11.06.2024

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  • 1704 Wörter

First to fire - Abwehr von Kleindrohnen

Klaus Strutzmann

Die Bedeutung von unbemannten Luftfahrzeugen (Drohnen) in bewaffneten Konflikten ist spätestens seit dem Krieg in der Ukraine unbestritten. Die Abwehr dieser Bedrohung ist eine große Herausforderung in der Aufklärung und der Wahl geeigneter Wirkmittel. Diese Fähigkeiten sind in Zukunft im Bundesheer sicherzustellen. Eine Erprobung zur Drohnenabwehr im Nächstbereich führte zu neuen Ergebnissen.

Bedrohungsbild

Die Abwehr von Drohnen ist technisch eine Herausforderung. Eine Erprobung von derzeit vorhandenen Abwehrmöglichkeiten im Bundesheer ergab dazu neue Erkenntnisse. Das Schwergewicht der Verfahrenserprobung lag auf der Abwehr von Mikro- und Mini-Drohnen im VSHORAD-Bereich (Very Short Range Air Defence). Dabei handelt es sich um Drehflügler (z. B. Quadrocopter) und Starrflügler mit einem Gesamtgewicht von bis zu 15 Kilogramm. 

Die Systeme werden zur Aufklärung und für Angriffe mit improvisierter Nutzlast (z. B. Sprengmittel) verwendet. Ein Angriff kann durch den Abwurf der Nutzlast aus geringer Höhe oder durch einen direkten Einschlag erfolgen. Die Steuerung dazu erfolgt durch eine Fernbedienung auf unterschiedlichen 
Frequenzen bzw. eines Videolinks in der first person view (Sicht aus der Ich-Perspektive). Satellitennavigationssignale werden für die Positionsbestimmung der Drohne verwendet und ermöglichen die Eingabe von Wegpunkten für einen automatisierten Flug. Darüber hinaus können Drohnen ohne ein Steuersignal von außen eingesetzt werden (z. B. Trägheitsnavigation, kabelgebunden mittels Glasfaserkabel).

Verfahrenserprobung

Die Abwehr von Kleindrohnen erfordert ein Gesamtsystem, das die Fähigkeitsbereiche Aufklärung, Führung und Wirkung möglichst ohne Zeitverlust bzw. mit hohem Automatisierungsgrad zum Zusammenwirken bringt. Bei einer Verfahrenserprobung des Bundesheeres wurden zwei Systeme (Systemdemonstratoren) unterschiedlicher Hersteller angemietet. Die Bedienung erfolgte durch die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule unter Einbindung der Truppe und weiterer Fachdienststellen.

Die Verfahrenserprobung wurde im Zeitraum vom März 2022 bis Juni 2023 durchgeführt. Die Erprobung wurde am Fliegerhorst in Langenlebarn und unter Abstützung auf die Truppenübungsplätze Allentsteig und Hochfilzen durchgeführt. Die Bewertung der technischen Leistungsparameter erfolgte am Schießversuchsplatz Felixdorf. Im Rahmen der Luftraumsicherungsoperation „Dädalus“ im Jänner 2023 erfolgte der Einsatz zum Schutz des Fliegerhorstes Zeltweg. In der Erprobungsphase wurden Grundlagen für die Beschaffung und Bereitstellung von Drohnenabwehrsystemen gewonnen. Dabei wurden alle Entwicklungslinien (Personal, Organisation, Ausrüstung, Infrastruktur, Ausbildung und Vorschriften) berücksichtigt. Nach erfolgter Firmenschulung zur Einweisung der Bediener wurden in einer ersten Phase die technischen Leistungsparameter der unterschiedlichen Sensoren bewertet. Danach wurde das Leistungsvermögen der Systeme in den Einsatzszenarien mit Schwergewicht im Objektschutz erprobt.

Systemdemonstratoren

Beide Systemdemonstratoren sind hinsichtlich ihrer Konfiguration ähnlich aufgebaut. Der Fähigkeitsbereich Aufklärung wird durch Radar-, elektrooptische und Infrarotsensoren sowie durch Mittel der Elektronischen Kampfführung (Peiler) sichergestellt. Das Führungselement (C2 – Command and Control) führt die Sensoren nahezu zeitverzugslos zusammen, stellt das Lagebild sicher und ermöglicht den nachfolgenden Einsatz der Wirkmittel, beispielsweise von Störsendern.

Zieldarstellung

Um die Systemdemonstratoren hinsichtlich ihrer Eignung zur Detektion, Klassifikation und Zielverfolgung testen zu können, ist die Verfügbarkeit unterschiedlicher Drohnenarten eine Voraussetzung. In der Erprobung wurde eine Vielzahl von auf dem zivilen Markt verfügbaren Drohnen eingesetzt. Neben den im Bundesheer bereits verfügbaren Systemen mietete das Bundesheer auch Drohnen an. Damit waren Dreh- und Starrflüglerdrohnen aus mehreren Gewichtsklassen vorhanden. In Zusammenarbeit mit dem Austrian Institute of Technology schaffte man zusätzlich Drohnen an, die zur Auswertung der Radarsensoren und zur Zieldarstellung für die Erprobung von Hard-Kill-Wirkmitteln verwendet werden können.
 

Ableitungen für die Aufklärung

Die Mittel der Aufklärungssensoren müssen eine zeitgerechte Identifizierung sicherstellen. Die hohe Agilität und die niedrige Radarrückstrahlfläche, verbunden mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Drohnenmodellen und deren Steuerungsmöglichkeiten, bedingten den Einsatz verschiedener Sensoren, um eindeutige Aufklärungsergebnisse zu erhalten.

Radarsensoren müssen sehr kleine Radarrückstrahlflächen detektieren können. Der Radarsensor muss dabei einen möglichst großen Bereich sowohl in der vertikalen (Elevation) als auch in der horizontalen Abdeckung (Azimut) erfassen. Radarsensoren stellen neben ihrer hohen Reichweite auch die Detektion von Drohnen, die keine Frequenzen abstrahlen, sicher. Zusätzlich werden elektronische Mittel zur Peilung eingesetzt, um die Position einer Drohne und/oder des Standortes des Bedieners (bei Fernsteuerung) festzustellen. Weiters ist eine Identifizierung einer Drohne nach Typ bzw. Modell anhand der Analyse des Frequenzsignales möglich. Dies erfordert die Kenntnis der technischen Parameter und deren Verfügbarkeit in einer Datenbank. Bildgebende Tageslicht- und Wärmebildsensoren stellen die Identifizierung bei Tag und Nacht sicher.

Die in der Erprobung verfügbaren Radarsensoren haben die Anforderungen zur Detektion von Kleindrohnen grundsätzlich erfüllt. So konnten Drohnen in einer Reichweite von mehreren Kilometern detektiert werden. Herausfordernd war die Detektion von langsamen und bodennahen Zielen. Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Radartechnologien bzw. der verwendeten Frequenzbänder konnten gut dokumentiert werden.

Die getesteten Systeme zur Frequenzpeilung sind ebenfalls gut geeignet. Diese detektieren und klassifizieren Drohnen meist schneller als Radarsensoren. Der Einsatz von mehreren räumlich verteilten Empfängern ermöglicht eine exakte Positionsbestimmung der Drohne bzw. der Fernsteuerung. Die Peilsysteme verwendeten nur einige Frequenzbereiche. Das ist eine starke Einschränkung, da nicht davon auszugehen ist, dass im Einsatz von Drohnen nur die erlaubten Frequenzen verwendet werden.

Die elektrooptischen Sensoren erreichten Detektionsreichweiten von einigen Kilometern. Die Infrarotsensoren erfassten Kleindrohnen aufgrund der geringen Infrarotsignatur mit eher geringen Reichweiten. Die verwendeten elektrooptischen und Infrarotsensoren nutzen den Kontrast zwischen Drohne und Hintergrund zur Zielverfolgung. Dies führt dazu, dass der Sensor am Hintergrund „hängenbleiben“ kann. 

Die Anforderungen an die Sensorik konnten erfüllt werden. Der notwendige Ansatz zur Verwendung von unterschiedlicher Sensorik (zumindest Radar, Peilung und elektrooptische bzw. Infrarotsensoren) wurde im Testbetrieb bestätigt.
 

Ableitungen für die Führung

Das Führungselement aggregiert die Daten der eingesetzten Sensoren für das Lagebild. Die dahingehende Verarbeitung der unterschiedlichen Sensordaten hat möglichst automatisiert und unter möglichst hoher Reduktion von Falschalarmen zu erfolgen. Die Einbindung in ein übergeordnetes Führungsinformationssystem ist für die Verarbeitung und Darstellung des für die Einsatzführung notwendigen Lagebildes bzw. zur Übermittlung von Befehlen und Meldungen notwendig. Die, für eine Bekämpfung erforderlichen, Zieldaten werden über einen Zieldatenempfänger automatisiert bzw. in Form eines Bekämpfungsauftrages übermittelt.

Die in diesem Bereich vorhandenen C2-Elemente erfüllten die Anforderungen nur teilweise. Die Sensorfusion ist die entscheidende Funktion bei der Aufklärung. Das C2-Element eines Systems hat diese Aufgabe nur teilweise erfüllt. Beide erprobten Systeme konnten in ein übergeordnetes Führungs- und Informationssystem eingebunden werden. Ein Systemdemonstrator verfügte über einen Zieldatenempfänger, der die Übermittlung eines lokalen Luftlagebildes und entsprechende Bekämpfungsaufträge ermöglicht. Zusammenfassend konnten jedoch in der Erprobung die erforderlichen Anforderungen erreicht werden.

Ableitungen für die Wirkung

Die Abwehr von Mikro- und Mini-Drohnen erfordert unterschiedliche Wirkmittel, da kein Einzelsystem in der Lage ist, das gesamte Bedrohungsspektrum abzudecken. Eine der Bedrohung angepasste Reaktionsfähigkeit wird nur durch die Kombination von Mitteln der Elektronischen Kampfführung und von Soft- und Hard-Kill-Wirkmitteln erreicht.

Mittel der Elektronischen Kampfführung werden in der Störung bzw. Übernahme der von Drohnen verwendeten Frequenzen eingesetzt. Darüber hinaus ist eine Störung bzw. Verfälschung des Satellitennavigationssignales möglich.

Verwendet die Drohne alternative Steuerungsmethoden wie Trägheitsnavigation oder Glasfaserkabel ist der Einsatz von Störmaßnahmen nicht möglich. Dann kommen Soft-Kill-Wirkmittel (z. B. Abfangdrohnen, Netze) und Hard-Kill-Wirkmittel (z. B. Schusswaffen, Kanonen- und Lenkwaffensysteme, Lasersysteme) zum Einsatz.

Beide Systemdemonstratoren setzten im Fähigkeitsbereich Wirkung Mittel der Elektronischen Kampfführung ein. Verfügbar waren ein tragbares System, ein System zur automatisierten Ansteuerung über das C2-Element auf Dreibein und ein zur optischen Achse des elektrooptischen und Infrarotsensors montiertes System. 

Die Systeme wurden zur Störung der Steuerungsfrequenz bzw. der Frequenz zur Videoübertragung bzw. zum Stören des Satellitennavigationssignales verwendet. Diese Anforderungen wurden erfüllt. Die Möglichkeit, nur einen Teilbereich des Frequenzbandes zu stören, ist eine Einschränkung, womit die Anforderungen nicht erfüllt werden. 

Es ist davon auszugehen, dass Drohnen auch mit Frequenzen eingesetzt werden, die in Friedenszeiten gesetzlich nicht erlaubt sind. Der Einsatz von Störsignalen hat sich daher auf das gesamte Frequenzband zu beziehen. Eine Übernahme der Steuerfrequenz der Drohne bzw. eine Verfälschung des Satellitennavigationssignales sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Wirkmittel im Bereich Soft- und Hard-Kill waren nicht Vertragsgegenstand der angemieteten Systemdemonstratoren. Deren Verfügbarkeit ist jedoch für eine Erfolg versprechende Abwehr des gesamten Bedrohungsspektrums entscheidend. In der Verfahrenserprobung wurde daher der Einsatz von Schusswaffen und der Einsatz einer Abfangdrohne in Zusammenarbeit mit der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg erprobt.
 

Schusswaffen

Zur Abwehr von Drohnen wurden folgende Waffensysteme miteinbezogen: Sturmgewehr 77 (5,56 mm), Maschinengewehr 74 (7,62 mm), Scharfschützengewehr 69 (7,62 mm), schweres Scharfschützengewehr Barrett M82 (12,7 mm) und ein 12,7 mm überschweres Maschinengewehr der Waffenstation des Aufklärungsfahrzeuges IVECO.

Die Übungsszenarien beinhalteten schwebende Ziele (Aufklärung bzw. Abwurf von Sprengmitteln) und Ziele im Direktanflug auf die eigene Stellung. Die Szenarien wurden in unterschiedlichen Höhenbereichen und Entfernungen durchgeführt. Als Ziele wurde Drehflügler- und Starrflüglerdrohnen von 0,5 bis 4,5 Kilogramm eingesetzt.

Scharfschützengewehr

Mit beiden Scharfschützengewehren (SSG) wurde eine Drohne als schwebendes Ziel auf einige Hundert Meter im Durchschnitt nach zwei bis zehn Schuss getroffen. Die Herausforderung bei der Bekämpfung von Drohnen durch SSG besteht in der fehlenden Möglichkeit der Einschätzung der Entfernung.

Maschinengewehr 74

Mit dem Maschinengewehr 74 auf Fliegerabwehrlafette konnte trotz sehr hohem Munitionseinsatz auf Starrflüglerdrohnen kein Treffer erzielt werden. Das Fliegerabwehrvisier ist für kleine Ziele (Ziel im Direktanflug, sehr geringe Sichtbarkeit) nicht geeignet. Auf die schwebenden Ziele konnten Treffer auf einige Hundert Meter erzielt werden.

Sturmgewehr 77

Das Sturmgewehr stellte sich als wirkungsvollstes Wirkmittel heraus, um die schwebenden Drohnen zu bekämpfen. In der Regel benötigte eine erfolgreiche Bekämpfung zehn bis 50 Schuss. Die Bekämpfungsentfernung von maximal 100 Meter ist hierbei jedoch zu berücksichtigen.

Überschweres Maschinengewehr

Mit dem überschweren Maschinengewehr wurden vor allem größere Drohnen (4,5 kg) bekämpft, wobei auf die schwebenden Ziele konstant Treffer auf mehrere Hundert Meter erzielt werden konnten. Bei sich bewegenden Zielen – vor allem im Bereich der Starrflüglerdrohnen – war das Trefferergebnis, mit dem vom Maschinengewehr 74 vergleichbar. Herausfordernd war die Zielauffassung auf dem TV-Monitor der Waffenstation und die Entfernungsmessung mit dem Laser.

Es ist festzuhalten, dass der Einsatz von Schusswaffen mit teilweise sehr hohem Munitionseinsatz und eingeschränkter Erfolgswahrscheinlichkeit verbunden ist. Eine Zielzuweisung (z. B. über einen Zieldatenempfänger) ist jedenfalls erforderlich. Dies bestätigt die Lücke dieser Fähigkeiten bei der Aufklärung und Führung. Der Einsatz von Air-Burst-Munition ist eine Möglichkeit, die Trefferwahrscheinlichkeit signifikant zu erhöhen.

Abfangdrohne

Das System „Falke“ der Helmut-Schmidt-Universität ist eine gute Möglichkeit, um fliegende bzw. schwebende Drohnen effizient abzuwehren. Das Forschungsprojekt entwickelte eine Abfangdrohne für ein automatisiertes Abfangen und einen automatisierten Abtransport einer abzuwehrenden Drohne mit einem Netz.

Auf einen Blick

Systeme zur Drohnenabwehr im VSHORAD-Bereich erfordern den Einsatz mehrerer Sensoren und ein breites Spektrum an Abwehrmitteln. Das C2-Element hat dabei ein möglichst zeitverzugsloses Lagebild sicherzustellen. Die entsprechende technische Umsetzung in der Sensorfusion und der Aufbereitung des Lagebildes für die Bedienung ist dabei entscheidend. Wirkmittel der Elektronischen Kampfführung stellen sich als effektiv heraus, können das gesamte Bedrohungsspektrum jedoch nicht abdecken. Der Einsatz einer Abfangdrohne ist als Ergänzung jedenfalls erforderlich. In letzter Konsequenz bleibt der Einsatz von Hard-Kill-Effektoren unabdingbar.
 

Oberst Klaus Strutzmann, MA, MBA; Leiter Grundlagenabteilung Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 2/2024 (397).

Zur Ausgabe 2/2024 (397)


 

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