• Veröffentlichungsdatum : 25.02.2021

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Fit für den Flug

Thomas Kettinger

Materialerhaltung in den Militärluftfahrttechnisch-/-logistischen Diensten

„Sicherheit“, „Vertrauen“, „Sorgfalt“ und „Qualität“ sind Schlagworte, die in der militärischen Fliegerei des Österreichischen Bundesheeres genauso gelebt werden wie in der zivilen Luftfahrt. Dabei ist nicht nur der verantwortungsvolle Betrieb der Militärluftfahrzeuge für die Sicherheit maßgeblich. Auch die Tätigkeit der Militärluftfahrttechnisch-/logistischen Dienste hat eine entscheidende Rolle bei der Flugsicherheit. Erst wenn die Besatzungen über sorgfältig gewartetes Gerät verfügen, ist der Grundstein für einen sicheren Flugbetrieb gelegt. Dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen. Von der Steuerung der Materialerhaltungstätigkeiten über die Durchführung bis zur Übergabe an den Flugbetrieb sind die Prozesse definiert, die Verantwortlichkeiten klar festgelegt und das Personal qualifiziert sowie bestens mit den Tätigkeiten vertraut.

Beschaffung als Grundlage für die Qualität

Der Grundstein für die Materialerhaltungstätigkeiten wird in den Militärluftfahrttechnisch-/logistischen Diensten (MLLD) bereits bei der Beschaffung gelegt: Vom Hersteller werden – neben der eigentlichen Leistungserbringung – auch Handbücher (Luftfahrttechnische Publikationen), Informationen bezüglich der Materialerhaltungstätigkeiten (vergleichbar mit dem Katalog der Materialerhaltungstätigkeiten der Landstreitkräfte), Materialstammdaten etc. gefordert. Die Logistic Support Analysis ermöglicht es den MLLD, die Organisation gezielt dem neuen Gerät anzupassen. Hierbei kommt es, neben der Ausstattung mit Infrastruktur, Ersatzteilen etc., besonders auf die notwendige Qualifikation und Ausbildung des Personals an.

Damit das gelingt, durchläuft das Personal eine mehrjährige Ausbildung in zahlreichen Lehrgängen (theoretische und praktische Unterrichte), um die notwendigen Qualifikationen nach der Militärluftfahrtpersonalverordnung zu erlangen. Erst nach dem positiven Abschluss und der Bestätigung der fachlichen Qualifikation bei einer Prüfung gemäß dieser Verordnung ist es in den MLLD überhaupt erst möglich, Tätigkeiten am Luftfahrzeug auszuüben. Mit dem „Typenwerftkonzept“ wird einer Fliegerwerft das Gerät (Materialerhaltungseinrichtung analog zu den Heereslogistikzentren) zugeordnet. So wird das Wissen um das Luftfahrzeug für die Materialerhaltung gebündelt und die Ressourcen effektiv sowie effizient eingesetzt. Die Fliegerwerften sind somit jene Einrichtungen in den MLLD, in denen die Materialerhaltung stattfindet. Ergänzt und unterstützt werden sie durch das Wartungspersonal aus den Fliegerstaffeln, wobei es eine Trennung in Benutzer- und Basismaterialerhaltung gibt. Die Benutzermaterialerhaltung umfasst jene Tätigkeiten, die ein breiteres Wissen über das Luftfahrzeug erfordern, während für die Basismaterialerhaltung in den Fliegerwerften tiefergehende Fähigkeiten und Erfahrungen erforderlich sind. Welche Tätigkeiten durch die Staffeln durchgeführt werden, obliegt dem Verantwortungsbereich der zugehörigen Fliegerwerft.

Die Fliegerwerften werden in allen Belangen der Tätigkeiten bei den MLLD durch den Materialstab Luft geführt. Diesem obliegt das Nutzungsmanagement (Ersatzteilbeschaffung, Publikationen, technisches Kompetenzzentrum) und die Verantwortung bezüglich dem Einhalten und Überprüfen der Qualitätsstandards. Das Festlegen der grundsätzlichen Rahmenbedingungen (Aufbau- und Ablauforganisation der MLLD, Umsetzen der gesetzlichen Vorgaben) sowie die Beschaffung von Luftfahrzeugen und das Lebenszyklusmanagement werden im BMLV durch die Luftzeugabteilung als Systemabteilung wahrgenommen. Die Luftzeugabteilung stellt für jedes Militärluftfahrzeug eine Lufttüchtigkeitsbescheinigung aus. Mit der Lufttüchtigkeitsbescheinigung wird das Luftfahrzeug zu einem Militärluftfahrzeug des Österreichischen Bundesheers und darf im Betrieb verwendet werden, solange die Auflagen der MLLD eingehalten werden.

LOGIS in den MLLD

Wie auch in den Diensten der Landstreitkräfte bildet LOGIS (logistisches Informationssystem des ÖBH; Anm.) die Grundlage für Materialplanung und Materialsteuerung sowie der Durchführung der Materialerhaltung inklusive der Dokumentation. Sämtliche Ersatzteile und Komponenten werden im LOGIS durch die MLLD erfasst und mit Betriebsdatengrenzwerten hinterlegt, die sich an Betriebsstunden, Kalenderzeiten oder anderen Faktoren orientieren. Nach jedem Flug bzw. jeder Inbetriebnahme des Luftfahrzeuges werden Betriebsdatenmeldungen im LOGIS eingetragen und mit den Betriebsdatengrenzwerten verglichen. Bei einer Überschreitung dieser Grenzwerte werden Materialerhaltungs-Tätigkeiten gestartet. Die verfolgungsrelevanten Komponenten des Luftfahrzeuges werden in einer Gerätestruktur mit Teilenummer (P/N) und Serialnummer (S/N) abgebildet. Somit ist jederzeit der definierte Bauzustand des Luftfahrzeuges im LOGIS ersichtlich.

In den MLLD wird zwischen planmäßigen und außerplanmäßigen Wartungstätigkeiten sowie Modifikationen unterschieden. Der Inhalt sämtlicher planmäßiger Tätigkeiten wird in den MLLD als „objektbezogene Luftfahrttechnische Arbeitsunterlage“ bezeichnet. Diese ist eine arbeitstechnische und ablaufgerechte Aufbereitung der erforderlichen Tätigkeiten. Die Zuordnung der erforderlichen Personalqualifikationen und Qualitätssicherungsmaßnahmen (z. B. Vieraugenkontrollen – Doppelkontrollen) erfolgt durch die Fliegerwerften. Die Gesamtheit der Tätigkeiten wird mit Einführung der elektronischen Unterschrift (siehe TD-Heft 1/2020 „Analog zu Digital – Dokumentation in der Militärluftfahrttechnik“) im LOGIS durch Wartungskatalogelemente abgebildet. In diesen sind auch das benötigte Ersatzteilmaterial, die zu verwendenden Spezialwerkzeuge sowie etwaige Prüfprotokolle hinterlegt. Außerplanmäßige Wartungstätigkeiten werden mit Beanstandungsmeldungen (Schadensmeldung in den Landstreitkräften) und Befundungen im LOGIS abgebildet. Zusammen mit den Modifikationen folgen sie dem gleichen Prinzip wie planmäßige Wartungstätigkeiten.

Vom geplanten Wartungsereignis bis zum Flugbetrieb

Durch die Fliegerwerften werden, auf Basis der zu erwartenden Nutzung der Luftfahrzeuge (Nutzungsvorgaben), die voraussichtlich anfallenden Wartungsereignisse für ein Kalenderjahr geplant. Hierzu zählt neben der Beurteilung des Personaleinsatzes auch die fristgerechte Beistellung der Ersatzteile und des Verbrauchsmaterials (z. B. Betriebsmittel). Die Fliegerwerften übergeben den Staffeln die, auf das konkrete Luftfahrzeug bezogenen, monatlich verfügbaren Flugstunden. Die Aufgabe der fliegenden Einheiten ist es nun, den Spagat zwischen den logistischen Vorgaben und der Flugstundenbereitstellung zur militärischen Auftragserfüllung zu bewerkstelligen. Da hierbei viele Faktoren als „Gegenspieler“ auftreten (z. B. Wetterlagen, Katastropheneinsätze), ist ein permanentes Zusammenwirken von Fliegerwerften und Staffeln notwendig, um anlassbezogen nachzusteuern (verschieben oder vorziehen von Maßnahmen zur Materialerhaltung). Des Weiteren ist für die Fliegerwerften das Abarbeiten von außerplanmäßigen Wartungsereignissen eine besondere Herausforderung.

 

Schlüsselfunktion Wartungstruppkommandant

Steht bei einem Luftfahrzeug eine Wartung an, wird das Wartungsereignis durch die zuständigen Organe in den Werften bzw. Staffeln aufbereitet. Hierzu werden sämtliche Elemente des Wartungskataloges, die das Wartungsereignis betreffen, als Grundlage herangezogen. Zusätzlich werden etwaige offene Beanstandungen bzw. offene Arbeiten (z. B. Modifikationen) in die „ereignisbezogene Luftfahrttechnische Arbeitsunterlage“ übergeführt. Diese bildet für den Kommandanten des Wartungstrupps die Grundlage zum Abarbeiten des Wartungsereignisses. Weiters werden über das Ersatzteillager die erforderlichen Ersatzteile und das Verbrauchsmaterial aufbereitet und an den Wartungstruppkommandanten übergeben. Dieser nimmt, abhängig von den jeweiligen Qualifikationserfordernissen, die Personaleinteilung vor.

Neben den Koordinierungsaufgaben ist der Kommandant des Wartungstrupps für die gesamte Sicherheit und Sauberkeit im Wartungsbereich verantwortlich. Das geht in den MLLD soweit, dass sich Fremdpersonal – unabhängig vom militärischen Rang – nur nach positiver Absprache mit ihm im Wartungsbereich aufhalten darf. Ziel dieser strikten Maßnahme ist es, die Konzentration des Wartungspersonals bei seinen Tätigkeiten nicht zu stören. Der Kommandant des Wartungstrupps weist seinem Personal am Beginn jeden Tages die zu erledigenden Tätigkeiten zu und sorgt für die zeitgerechte Bereitstellung des erforderlichen Spezialwerkzeuges sowie der Prüf- und Messmittel. Das Wartungspersonal arbeitet auf Basis der Vorgaben aus der Luftfahrttechnischen Arbeitsunterlage (was ist zu tun?) und der Informationen aus der Luftfahrttechnischen Publikation (wie ist es zu tun?) das Wartungsereignis ab.

Sicherheit in den MLLD

Da im Bereich der MLLD die Sicherheit einen besonderen Stellenwert hat, werden die einzelnen Wartungsschritte (Arbeitsschritte) so aufbereitet, dass sie innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erledigt werden können. Mit dieser Maßnahme wird sichergestellt, dass ein geistiges Nachvollziehen der geleisteten Tätigkeiten beim Abschluss möglich ist. Für gewisse Arbeiten, die bei fehlerhafter Ausführung fatale Auswirkungen auf das Luftfahrzeug haben könnten, wird das „Vieraugenprinzip“ in Form von Doppelkontrollen angewendet. Hierbei werden Materialerhaltungs-Tätigkeiten durch zwei Personen wahrgenommen. Nach Abschluss des Arbeitsschrittes werden die erforderlichen Unterschriften geleistet und damit die sorgfältige und korrekte Durchführung des Arbeitsschrittes bestätigt, wenn

  • die konkrete Tätigkeit durchgeführt wurde,
  • die Dokumentation der Prüfmittel und Messergebnisse erfolgt ist,
  • keine Beanstandung vorliegt,
  • die korrekte Handhabung der ausgebauten und gewechselten Teile erfolgt ist (z. B. Konservierung),
  • die Bauteilwechsel im LOGIS vollzogen sind,
  • alle Tätigkeiten nochmals geistig nachvollzogen wurden.

 

Der formale Abschluss geschieht einerseits zum Teil noch in Papierform andererseits zunehmend durch den Einsatz der elektronischen Unterschrift im LOGIS. Sollten Beanstandungen bei den Kontrolltätigkeiten auftreten, entscheidet der Wartungstruppkommandant über die weiteren Maßnahmen, die ebenfalls nachvollziehbar dokumentiert werden. Die Behebung von Beanstandungen darf nur auf Basis der entsprechenden Luftfahrttechnischen Publikation erfolgen. Sollten dort nicht angeführte Beanstandungen auftreten, ist in den MLLD besonders geschultes Personal vorhanden, das über Behebungsmaßnahmen entscheiden kann. Sollten die Beanstandungen einen gewissen Umfang überschreiten (z. B. erforderlicher Triebwerkswechsel), ist durch den Kommandanten des Wartungstrupps jedenfalls die Wartungstechnik bzw. -steuerung in den Werften einzubinden. Sollte sich dadurch die Beendigung des Wartungsereignisses verzögern, muss über die Fliegerwerft der Materialstab Luft informiert werden.

Nach einer gewissen Anzahl von Arbeitsschritten bzw. nach kritischen Tätigkeiten gibt es Pflichtkontrollen, die eine Maßnahme zur Qualitätssicherung mit festgelegtem Umfang sind. Das Wartungspersonal darf erst weiterarbeiten, wenn die Pflichtkontrolle (z. B. die Fremdkörperkontrolle vor dem Schließen von Zugangspanelen) abgeschlossen wurde. Muss das Personal während eines Arbeitsschrittes ausgewechselt werden, müssen die bereits begonnenen Tätigkeiten nochmals durchgeführt werden. Parallel zu den Wartungsereignissen können Stichkontrollen (stichprobenartige Prüfungen) sowie interne Audits im Wartungsbereich stattfinden, um den Qualitätsstandard zu halten bzw. zu verbessern. Diese „Kontrollen“ umfassen nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern zielen auch auf die Dokumentationserfordernisse (z. B. das Eintragen von Messwerten), den aktuellen Stand der Luftfahrttechnischen Publikation, die Sauberkeit im Wartungsbereich, die korrekte Handhabung der Ersatzteile, die Qualifikationserfordernisse des Personals etc. ab. Die meisten Wartungsmaßnahmen beinhalten einen Funktionstestflug vor dem Abschluss. Dabei wird am Luftfahrzeug im Flug überprüft, ob sämtliche Parameter (z. B. Leistung, Flugverhalten) innerhalb der definierten Betriebsgrenzen liegen.

Nach Abschluss des Wartungsereignisses werden die Unterlagen der Luftfahrttechnischen Arbeitsunterlage noch einmal durch das Personal der Wartungstechnik und -steuerung gesichtet sowie etwaige Ergänzungen im LOGIS durchgeführt. Danach wird das Luftfahrzeug – eventuell mit Auflagen – an den Flugbetrieb übergeben. Die abgeschlossene Luftfahrttechnische Arbeitsunterlage wird nun ein Teil der Luftfahrttechnischen Dokumentation und wandert in das Archiv zum Lebenslaufakt des Luftfahrzeuges. Dort werden sämtliche Dokumente des gesamten Lebenslaufes archiviert und bilden die Grundlage zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit. Mit Einführung der elektronischen Unterschrift wird dieses Archiv um elektronische Anteile aus LOGIS erweitert.

Oberst dhmtD Dipl.-Ing. Thomas Kettinger, MSc; Referatsleiter in der Luftzeugabteilung im Amt für Rüstung und Beschaffung.

 

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