• Veröffentlichungsdatum : 08.03.2018

  • 4 Min -
  • 869 Wörter

Gebirgskampf

Wolfgang Weichselberger

Natürliche Barrieren, unbevölkert, unpassierbar, uninteressant für militärische Operationen - das ist das Bild, das in der Vergangenheit das Denken vieler Militärs über gebirgiges Gelände geprägt hat. Die Kriegsgeschichte spricht eindeutig eine andere Sprache.

Kämpfe haben praktisch fast auf jedem Kontinent bis in Höhen von 5 000 m stattgefunden. Im gegenwärtigen hybriden Bedrohungsspektrum bietet das Gebirge terroristischen und paramilitärischen Kräften ein ideales Umfeld als Ausgangsbasis für terroristische Aktivitäten, für verdeckte Bewegungen (Menschen-, Waffen- und Drogenschmuggel), zum Betreiben von illegalen Trainingscamps, Verstecken oder Versorgungslagern. Im Gegensatz dazu stehen die Überwachungsmöglichkeiten und die hohe Dichte an Sicherheitskräften in den Städten.

In den klassischen Einsatzarten, auf die Streitkräfte immer vorbereitet sein müssen, ist der Kampf um Bewegungslinien, die Überwachung von Grenzen etc. in allen Gebirgsländern zumindest mit Teilen, stets im gebirgigen Gelände zu führen. In Österreich ist die Bedrohung von kritischer Infrastruktur wie der Alpentransversalen oder weltweit bekannten sportlichen oder touristischen Veranstaltungen, beispielsweise in Wintersportorten, durch solche Kräfte möglich. Zusätzlich stellen Naturkatastrophen (Hangrutsche, Bergstürze, Lawinen etc.) eine weitere Gefährdung der in diesen Regionen lebenden Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen dar. 

EU Pooling & Sharing Mountain Training Initiative

Die P&S MTI ist mittlerweile „erwachsen“ geworden. Die intensive deutsch-österreichische Zusammenarbeit und die enge Kooperation mit der Gebirgsjägerbrigade 23, die gelungene Ausbildungskooperation des Hochgebirgsjägerbataillons 24 mit Montenegro, die Teilnahme von Truppen aus aller Welt an Lehrgängen des Gebirgskampfzentrums und die intensive Nutzung der einzigartigen österreichischen Gebirgsübungsplätze (Truppenübungsplätze Lizum/Walchen, Hochfilzen und Seetaler Alpe) zeigen deutlich, dass andere Nationen im Bereich der Gebirgsausbildung und der Gebirgskampfausbildung in Österreich noch etwas lernen wollen und können. 

In der folgenden Beitragsserie werden diese Thematik und die vielfältigen Kooperationen näher betrachtet. Seitens der NATO wurde der Notwendigkeit an Standardisierung und Kooperation im Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbereich für Gebirgstruppen durch die Schaffung des Mountain Warfare Center of Excellence (MW CoE) in Slowenien (siehe TD-Heft 1/2018) Rechnung getragen. Dieses Exzellenzzentrum wird durch Österreich nicht nur personell, sondern auch inhaltlich unterstützt, unter anderem bei der Erstellung von Vorschriften sowie zur Unterstützung wissenschaftlicher Experimente (z. B. Höhenverträglichkeit). Diese Unterstützung stellt eine klare Aufgabenteilung zwischen dem MW CoE der NATO und der P&S MTI der EU sicher. Eine Duplizierung von Aktivitäten kann somit vermieden werden. 

Die Übungs-/Ausbildungsserie „CAPRICORN“ ist das Aushängeschild der P&S MTI. Wechselnde Szenarien, Übungsformen, Inhalte und Übungsorte unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte und des spezifischen Übungsbedarfes der ­eigenen und der teilnehmenden Nationen stellen sicher, dass ein wesentlicher Beitrag für die Gebirgstruppe zur Erreichung der Einsatzbereitschaft geleistet wird. Der Artikel beschreibt diese Übungsserie. Das Schwergewicht liegt auf der Durchführung des multinationalen Ausbildungsvorhabens „CAPRICORN“ 2018 auf dem TÜPl Hochfilzen. In weiterer Folge wird die mehrjährige Kooperation und Unterstützung von Montenegro durch das Hochgebirgsjägerbataillon 24 vorgestellt. Der Beitrag wird auch darstellen, dass diese Form der Unterstützung dem eigenen Fähigkeitserwerb im Bereich Kampf im Gebirge dient. 

Deutsch-österreichische Ausbildungskooperation

Die deutsch-österreichische Ausbildungskooperation findet in verschiedenen Fachbereichen und Waffengattungen statt. Die Zusammenarbeit in der Gebirgs- und Gebirgskampfausbildung wurde 2013 begonnen. Neben der Erstellung gemeinsamer Vorschriften findet der Heeresbergführerlehrgang (siehe TD-Heft 1/2015) nur mehr bilateral mit einem gemischten Ausbilderteam und Teilnehmern aus beiden Nationen sowie Gastnationen statt. Bei zwei weiteren Berichten steht diese bilaterale Kooperation im Vordergrund, einerseits die fordernde Ausbildung zum Heeresbergführer, der Elite der Gebirgssoldaten, andererseits der „Kampf im schwierigen und extremen Gelände“. Die Kategorisierung „schwierig“ bzw. „extrem“ bezieht sich dabei auf die militärische Auftragserfüllung durch infanteristische Kräfte. Sie erfordert bei schwierigem Gelände eine zumindest temporäre Unterstützung durch Gebirgsfachpersonal und bei extremem Gelände eine Auftragserfüllung durch Gebirgsfachpersonal. Normübungen mit der Ausrichtung auf die verstärkte (Gebirgs)jägerkompanie sollen in weiterer Folge zur Evaluierung der Einsatzbereitschaft von Gebirgstruppen nach den Allied Forces Standards dienen. Der erfolgreiche Gebirgs- und Winterkampf sollte als ein dreifaches „trotz“ verstanden werden. Nämlich

  • trotz Gelände- und Klimahindernissen sich schnell zu bewegen,
  • trotz mangelnder Entfaltungsmöglichkeiten überlegen zu schlagen und
  • trotz Unübersichtlichkeit überlegen zu führen. 

Dieses „trotz“ im Gebirgs- und Winterkampf kann man im weitesten Sinne als die spezifischen Umfeldbedingungen - mittlerweile auch „Gebirgslage“ genannt - bezeichnen. Diese erzwingt vom militärischen Führer, will er erfolgreich sein, ein „duales Denken und Handeln“. Er muss in der angewandten Taktik neben allen anderen Faktoren, wie Konfliktparteien, Eigene etc., besonders diese Gebirgslage ständig berücksichtigen. Ein weiterer Beitrag soll sich mit der Rolle der Gebirgslage im taktischen Führungsverfahren auseinandersetzen.

Mobilität

Im gebirgsspezifischen System „Über­leben/Leben“ sowie „Bewegen“ und „Kämpfen“, stellt die Fähigkeitskategorie „Mobilität“ die höchste Priorität zur Erreichung der umfassenden Einsatzfähigkeit von Gebirgstruppen dar. Erst wenn sich Gebirgssoldaten mit landgestützten Sondertransportmitteln angemessen im gebirgigen Gelände bewegen können, sind die Voraussetzungen für eine flexible Einsatzführung gegeben. Weitere Beiträge behandeln die Herausforderungen für Gebirgstruppen in diesem Bereich einschließlich der Einsatzmöglichkeiten und Grenzen vorhandener und neu eingeführter Transportmittel und ebenso die Besonderheiten und Erfordernisse der Fähigkeitskategorie „Wirkung“ für den Erfolg im Gebirgskampf. Zudem wird die gebirgsspezifische Ausprägung der klassischen Pionieraufgaben, nämlich die eigene Bewegung zu fördern, die Bewegungen des Gegners zu hemmen und die eigene Überlebensfähigkeit zu erhöhen, dargelegt.

Resümee

Gebirgstruppen verfügen in der Erfüllung infanteristischer Aufgaben über einen hohen Einsatzwert. Die Bereiche

  • Taktische Mobilität sowie
  • Überlebens- und Durchsetzungsfähigkeit 

müssen aber zwingend weiterentwickelt werden, um auch künftig dem hohen eigenen Anspruchsniveau und der mit der P&S MIT-Führungsrolle einhergehenden internationalen Erwartungshaltung gerecht zu werden. Die jeweiligen Autoren sind profunde Kenner der Materie und wollen mit der Artikelserie ihr vorhandenes Wissen über die Gebirgstruppe weitergeben. 

Oberst dG Mag. Wolfgang Weichselberger ist Kommandant des Kommandos Gebirgskampf.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)