• Veröffentlichungsdatum : 19.06.2017
  • – Letztes Update : 21.06.2017

  • 4 Min -
  • 866 Wörter

Im Gespräch: Hans Peter Doskozil

Redaktion Truppendienst

TRUPPENDIENST hat Verteidigungsminister Mag. Hans Peter Doskozil zum Einsatz des österreichischen Kontingentes (AUTCON HUN) an der ungarisch-serbischen Grenze befragt, um das Gesamtbild des Ungarneinsatzes abzurunden.

TD: Wie sieht die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht auf der politischen Ebene aus?

HPD: Ich kann die Zusammenarbeit mit meinem ungarischen Amtskollegen István Simicskó als effizient und lösungsorientiert beschreiben. Wir sind beide der Meinung, dass die Schließung der Balkanroute eine der vordringlichsten sicherheitspolitischen Herausforderungen der Region darstellt. Unsere Bevölkerung erwartet sich, dass unsere Grenzen sicher sind und auf regionaler Ebene haben wir das auch erreicht. Gemeinsam mit Ungarn und den Partnern der Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation arbeiten wir im Moment intensiv an einem regionalen „Gemeinsamen Aktionsplan“. Dabei erheben wir alle möglicherweise notwendigen Unterstützungen, materiell und personell, zivil und militärisch, sollte sich die Lage wieder verschlechtern.

TD: Wie sehen Sie zukünftige Einsatzmöglichkeiten bzw. Notwendigkeiten für das ÖBH, vor allem unter Berücksichtigung des legistischen Aspektes (Stichwort: „Entsendegesetz“)?

HPD: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entsendung von Soldaten ins Ausland müssen angepasst werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass die derzeitigen rechtlichen Grundlagen, insbesondere das KSE-BVG, über 20 Jahre alt sind. Das sicherheitspolitische Umfeld hat sich seither massiv gewandelt, und wir sind heute mit neuen Herausforderungen und Aufgabenstellungen konfrontiert. Das im September 2016 mit Innenminister Sobotka beschlossene „Sicherheitspaket“ sieht eine Novellierung dieses Gesetzes vor. Der klassische „Blauhelmeinsatz“ ist ein wichtiger Aspekt des internationalen Krisenmanagements. Wir müssen aber auch in der Lage sein, unsere Soldaten flexibler im Ausland einsetzen zu können wie zum EU-Außengrenzschutz, zur Unterstützung unserer Partner beim Migrationsmanagement oder bei der Ausbildung von lokalen Sicherheitskräften in instabilen Staaten.

TD: Was antworten Sie Kritikern des aktuellen Einsatzes?

HPD: Eines ist klar: illegale Migration ist keine Herausforderung, die ein Staat alleine lösen kann. Wir müssen hier mit unseren Partnern regional zusammenarbeiten. Der falsche Weg wäre es, wenn wir unsere Nachbarn und die Staaten in Südosteuropa im Stich lassen. Die humanitäre Situation würde sich dadurch weiter verschlechtern und die Schlepper-Netzwerke profitieren. Unsere Pioniere sind zudem international anerkannte Profis - sie unterstützen nicht nur die ungarischen Sicherheitskräfte beim Aufbau der erforderlichen Infrastruktur, sondern verbessern auch die humanitäre Situation an der Grenze.

TD: Wie wird in diesem Zusammenhang dieser bilaterale Einsatz zweier EU-Mitgliedstaaten in der EU wahrgenommen?

HPD: Wir befinden uns in enger Abstimmung mit den relevanten Institutionen der Europäischen Union, insbesondere mit der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. Ich kann hier ein sehr großes Verständnis für die Zusammenarbeit zwischen Ungarn und Österreich erkennen. Diese Form der Zusammenarbeit ist ja auch keine Ausnahme, zum Beispiel sind die Slowakei und Tschechien ebenfalls in Südosteuropa auf bilateraler Ebene aktiv. Das langfristige Ziel, die Stärkung der europäischen Mechanismen und der Aufbau eines effektiven Grenzmanagements an den EU-Außengrenzen bestehen ja weiterhin. Eine langfristige Lösung kann nur auf europäischer Ebene gefunden werden. Wir müssen uns aber bereits heute auf mögliche kurzfristige Lageänderungen vorbereiten. Sollte beispielsweise der EU-Türkei-Deal platzen, stehen wir vor einer immensen Herausforderung. Darauf bereiten wir uns bilateral und regional vor.

TD: Wäre es eine Lösung, ein weiteres „Bündnis“ aufzubauen und zu finanzieren?

HPD: Von einem „Bündnis“ kann überhaupt keine Rede sein. Klar ist - Österreich ist ein neutrales Land, und das wird auch nicht in Frage gestellt. Mit regionalen Abstimmungsformaten wie der Zen­traleuropäischen Verteidigungskooperation und bilateralen Kooperationen wollen wir Synergien nutzen und gemeinsam an der Lösung komplexer Bedrohungen arbeiten. Nur mittels Zusammenarbeit aller relevanten Akteure, zivile und militärische, wird es gelingen, aktuelle Herausforderungen zu bewältigen.

TD: Wäre für das Bundesheer ein Einsatz an einer EU-Außengrenze ein mögliches Szenario?

HPD: Der Schutz der EU-Außengrenzen ist und bleibt das wichtigste Ziel in der aktuellen Situation. Ich vertrete schon lange die Meinung, dass eine zivil-militärische Mission eine Möglichkeit darstellt. Das verfügbare Personal könnte flexibel an jenen Abschnitten eingesetzt werden, wo gerade eine besondere Lage besteht. Gerade bei unseren Partnern am Westbalkan ist das wichtig, da hier in einigen Bereichen noch keine nachhaltige Stabilisierung erfolgt ist. Eine Belastung der Sicherheitsstrukturen könnte hier einen Dominoeffekt haben und eine Destabilisierung am Balkan auslösen.

TD: Müssen wir uns auf ein ähnliches Szenario am Brenner einstellen, wie wir es 2015 an der Ostgrenze erlebt haben?

HPD: Die Möglichkeit besteht grundsätzlich, wir müssen deshalb auch alles tun, damit diese Situation nicht eintritt. Die Zahl der Aufgriffe auf der Zentralen Mittelmeerroute, also in Italien, hat sich im Vergleich zum Vorjahr jedoch massiv erhöht. Alle Prognosen deuten darauf hin, dass sich dieser Anstieg in der wärmeren Jahreszeit fortsetzen wird. Jedenfalls haben wir Vorbereitungen für alle Eventualfälle getroffen. Wir sind also auch dafür national vorbereitet.

TD: Was ist Ihr Lösungsansatz zum Migrationsthema?

HPD: Mein Lösungsansatz verfolgt mehrere Handlungslinien. Erstens müssen wir die Herkunftsstaaten stabilisieren, also Fluchtursachen bekämpfen. Dazu dienen unsere Auslandseinsätze, genauso aber auch Sicherheitskooperationen mit betroffenen Staaten. Zum Bespiel unterstützen wir Jordanien nach Kräften bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte und im humanitären Bereich. Zweitens müssen wir jene Länder, jene Regionen, aus welchen die Migranten über das Mittelmeer kommen, stabilisieren. Hier liegen natürlich Libyen, aber auch die anderen nordafrikanischen Staaten im Fokus. Schließlich müssen wir drittens unsere EU-Außengrenzen effektiv und nachhaltig schützen. Deshalb habe ich auch eine gemeinsame zivil-militärische EU-Mission an den Grenzen vorgeschlagen. Und viertens müssen Rückführungen für Menschen, die kein Bleiberecht in Österreich erhalten, stattfinden. Mein Ansatz ist dazu auch die Einrichtung von Asyl- und Verfahrenszentren außerhalb Europas.

 

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